Die ecoi.net-Themendossiers bieten einen Überblick zu einem ausgewählten Thema. Dieses Themendossier behandelt die jüngsten Entwicklungen im Land. Die Informationen stammen aus ausgewählten Quellen und erheben nicht den Anspruch vollständig zu sein. Erstellt von ACCORD. Kurzbeschreibungen zu den verwendeten Quellen finden Sie am Ende des Themendossiers.

Überblick über aktuelle Entwicklungen in Afghanistan

1. Afghanistan unter der neuerlichen Herrschaft der Taliban

Weiterführende Hintergrundinformationen und Informationen zu zentralen Akteuren befinden sich im Länderüberblick zu Afghanistan.

Laut einem Bericht des UN-Generalsekretärs vom Dezember 2023 festigten die Taliban zu Beginn ihres dritten Jahres an der Macht ihre Verwaltung in den Bereichen Politik, Sicherheit und Wirtschaft und regelten interne Uneinigkeiten in Kernfragen der Regierungsführung oder in Bezug auf Beschwerden der Bevölkerung. Während Rufe nach mehr Inklusion unbeachtet blieben, erhöhten die Taliban ihre Bemühungen, die Bevölkerung zu erreichen. Gleichzeitig waren die Rechte von Frauen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens weiterhin beschränkt. Überdies erhielt die UN-Afghanistan Mission (UNAMA) weiterhin glaubwürdige Berichte zu Menschenrechtsverletzungen und es kam weiterhin zu Sicherheitsvorfällen in Verbindung mit der bewaffneten Opposition und der Gruppe Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP). Das Land sah sich weiterhin mit einem noch nie dagewesenen Bedarf an humanitärer Hilfe konfrontiert, was sich unter anderem durch starke Erdbeben im Westen des Landes im Herbst/Winter 2023, der Rückkehr zahlreicher undokumentierter Afghan·innen aus Pakistan sowie einer unklaren wirtschaftlichen Prognose weiter zuspitzte (UNGA & UNSC, 1. Dezember 2023, S. 1-2).

Anfang Dezember 2023 berichtete das Büro des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), dass Konflikte nicht mehr der wichtigste Auslöser für Vertreibung in Afghanistan sind. Die De-facto-Behörden verübten Berichten zufolge gravierende Menschenrechtverletzungen, darunter außergerichtliche Tötungen, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und andere Formen der Misshandlung. Die Rechte der Bevölkerung auf Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit wurden eingeschränkt und vor allem die Menschenrechte afghanischer Frauen und Mädchen zunehmend beschnitten. Darüber hinaus ist die Bevölkerung laut UNHCR mit einem drastischen Anstieg an Armut, Hunger und Unterernährung, einem Beinahe-Zusammenbruch des nationalen Gesundheitssystems sowie mit Klima- und Naturkatastrophen konfrontiert (UNHCR, 6. Dezember 2023, S. 2).

Der Taliban-Führer Haibatullah Achundsada übte von Kandahar aus zunehmend Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene aus, obwohl sich der Sitz der De-facto-Regierung weiterhin in Kabul befand (UNGA & UNSC, 20. Juni 2023, S. 1, 15). Achundsada erlies in der ersten Jahreshälfte 2023 neue Ernennungen und Umbesetzungen hochrangiger Taliban-Posten. Alle neu Ernannten waren männlich und vornehmlich Taliban-Anhänger (UNGA & UNSC, 20. Juni 2023, S. 2-3). In einem Bericht vom Juli 2023 erläuterte die schwedische Migrationsbehörde Migrationsverket, dass Achundsada und der konservativste Teil der Taliban den Kurs des Staates bestimmten. Zwar gelang es den Taliban, das Land in einem Ausmaß zu kontrollieren, wie schon Jahre nicht, doch es bestanden Migrationsverket zufolge weiterhin unterschiedliche lokale Praktiken. Trotz bestehender interner Unzufriedenheiten gab es keine Anzeichen dafür, dass Spaltungen innerhalb der Taliban-Bewegung die Gruppe gefährden. Ebenso deutete Migrationsverket zufolge nichts auf eine Lockerung der strengen und sehr konservativen Regelungen in eine moderatere Richtung hin (Migrationsverket, 6. Juli 2023, S. 5).

Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Jänner 2023, begann das Jahr 2023 für Afghanistan mit so wenig bewaffneter Gewalt wie seit vielen Jahren nicht mehr. Dennoch befindet sich das Land in einer Krise (International Crisis Group, 31. Jänner 2023). Zwei Drittel der Afghan·innen waren im Jahr 2023 auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNGA & UNSC, 1, Dezember 2023, S. 1-2; HRC, 11. September 2023, S. 3-4; International Crisis Group, 31. Jänner 2023). Erdbeben in der Provinz Herat im Oktober 2023, von denen mehr als 150.000 Menschen in mehreren Distrikten betroffen sind, erschweren die Lage zusätzlich (UNGA & UNSC, 1. Dezember 2023, S. 10-11).

Die Taliban De-facto-Regierung wurde Quellen zufolge mit Stand Dezember 2023 bisher von keinem Land und keiner internationalen Organisation anerkannt (VOA, 10. Dezember 2023; siehe auch MEI, 14. August 2023). In einem Artikel des Middle East Journal (MEI) vom August 2023 begründeten die Autor·innen diese Tatsache mit vier Faktoren: erstens, die Unterdrückung der Frauen durch die Taliban; zweitens, der Versuch der Taliban eine exklusive Regierung zu gründen, die nicht-paschtunische ethno-linguistische Gruppen diskriminiert; drittens, die Entscheidung der Taliban, verschiedenen Terrorgruppierungen im Land Unterschlupf zu gewähren; viertens, die Einstellung der Taliban-Führung in Bezug auf internationale Anerkennung; dem Artikel zufolge betrachten die Taliban diese nicht als Muss- sondern als Plus-Kriterium (MEI, 14. August 2023).

Das Afghanistan Analyst Network (AAN) berichtete, dass sich die am 7. September 2021 vorgestellte Übergangsregierung der Taliban beinahe ausschließlich aus einer sehr homogenen Gruppe (fast ausschließlich Taliban, Kleriker, Paschtunen) zusammensetzte. Dies würde verdeutlichen, dass die Taliban vor allem um internen Zusammenhalt, ihr Machtmonopol sowie die Unterdrückung offener Meinungsverschiedenheiten bemüht sind (AAN, 15. September 2021). Ein Bericht der International Crisis Group erläuterte, dass die am 22. September 2023 vorgestellte Liste der zusätzlich ernannten Regierungsmitglieder die Heterogenität der Regierung nur geringfügig verbessert. Mit den Neuzugängen gehören der neuen 53-köpfigen Regierung nun vier Tadschiken, zwei Usbeken, ein Turkmene, ein Hazara, ein Nuristani und ein Khwaja an. Trotz des anhaltenden internationalen Drucks beriefen die Taliban keine Frauen und keine Personen aus dem früheren, vom Westen unterstützten politischen Establishment in ihr Kabinett (International Crisis Group, 28. September 2021).

Das Amt des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) der US-Regierung und der UNO-Generalsekretär berichteten, dass der De-facto-Premierminister Mohammad Hassan Achund im Mai 2023 durch Maulvi Abdul Kabir Mohammad Jan ersetzt wurde. Die Taliban begründeten diesen Wechsel mit einer Erkrankung Achunds (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 92; UNGA & UNSC, 20. Juni 2023, S. 2-3). Unter Bezugnahme auf das United States Institute of Peace (USIP) berichtete SIGAR in diesem Zusammenhang weiters, Taliban-Führer Achundsada sei gewillt, jegliche Anzeichen internen Ungehorsams und jegliche Gefährdung des Zusammenhalts der Gruppe zu unterbinden. Die Taliban hätten dementiert, dass interne Spannungen diesem Wechsel vorangegangen seien (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 92).

SIGAR berichtete im Juli 2023, dass die Taliban-Herrschaft weiterhin und zunehmend von der Gruppe Islamischer Staat in der Provinz Chorasan (ISKP) und von Widerstandsgruppen herausgefordert wurde. Expert·innen zufolge würde jedoch keine Gruppierung die De-facto-Regierung existentiell gefährden (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 112).

Einem Bericht des US-amerikanischen Außenministeriums (US Department of State, USDOS) vom Juni 2023 zufolge rekrutierten die Taliban und andere bewaffnete Gruppierungen in Afghanistan Kinder oder setzten Kinder in Kampfhandlungen oder kampfunterstützende Handlungen ein. Die Rekrutierung von Kindern in Afghanistan stieg seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 USDOS zufolge stark an. Gruppen wie der ISKP setzten Kinder in offenen Kampfhandlungen ein, etwa um improvisierte Sprengsätze anzubringen und zu sprengen, Waffen zu tragen oder zu spionieren. Die Taliban und andere Gruppierungen, wie der ISKP, setzten Kindersoldaten unter Zwang ein und nahmen Kinder, die in Verbindung mit anderen bewaffneten Gruppen standen, unabhängig von deren Alter, fest (USDOS, 15. Juni 2023).

Der UN-Generalsekretär berichtete im November 2023 über den Zeitraum Jänner 2021 bis Dezember 2022, dass die Zahl der Rekrutierungen und des Zwangseinsatzes von Kindern mit 257 dokumentierten Fällen ähnlich hoch lag wie im vorhergehenden Berichtszeitraum, wobei die Zahl im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 von 203 Kindern auf 54 Kinder gesunken ist (UN Security Council, 21. November 2023, S. 5). Der UN-Generalsekretär weist darüber hinaus auf die problematische Definition der De-facto-Regierung von Kindern gemäß eines im März 2022 veröffentlichten Dekrets hin. Die Definition richtet sich nicht nach der Altersgrenze von 18 Jahren, sondern nach Anzeichen der Pubertät und führt dazu, dass Kinder unter 18 Jahren inhaftiert, rekrutiert und anderweitig eingesetzt werden (UN Security Council, 21. November 2023, S. 3).

Konflikte um Land

Der politische Analyst Fabrizio Foschini schrieb in einem AAN-Artikel vom 11. Jänner 2023, dass die Machtübernahme durch die Taliban und der Zusammenbruch der Republik dazu führten, dass zuvor bestehende, jahrelange Konflikte um Ansprüche auf Land durch die neue Machtdynamik wieder entfacht sind. Eine Reihe von Zusammenstößen zwischen lokalen Dorfbewohner·innen und ankommenden paschtunischen Gruppen in der Provinz Tachar sowie der wiederkehrende Konflikt zwischen paschtunischen Kuchi-Nomaden und lokalen Bewohner·innen in der Hazaradschat-Region würden darauf hinweisen (AAN, 11. Jänner 2023).

Im Dezember 2023 hält ein Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) fest, dass die Taliban De-facto-Regierung nach ihrer Machtübernahme damit begann, Grund und Boden, die zu Zeiten der Vorgängerregierung beschlagnahmt worden waren, zurückzufordern. Hierfür habe das Islamische Emirat Afghanistan (IEA) im Oktober 2022 eine Kommission eingerichtet, die dem Justizministerium unterstellt ist. Aufgabe der Kommission ist es, Fällen von illegaler Landaneignung nachzugehen, Land im Eigentum des Staates wiederherzustellen und zukünftig Fälle illegaler Landaneignung zu verhindern. Das IEA habe auch ein Sondergericht geschaffen, an das Beschwerden über Entscheidungen der Kommission gerichtet werden können (AAN, 15. Dezember 2023).

Rückführungen aus Pakistan

UNAMA berichtete vom Beschluss der pakistanischen Regierung im Herbst 2023, alle Migrant·innen ohne legalen Aufenthaltsstatus rückzuführen, sollten sie nicht innerhalb von 28 Tagen Pakistan freiwillig verlassen – ein Beschluss von dem in erster Linie in Pakistan aufhältige Afghan·innen betroffen sind. Zwischen 15. September 2023 und Ende 2023 kehrten 490.891 Afghan·innen aus Pakistan nach Afghanistan zurück, wobei die Zahlen UNAMA zufolge mit Jahresende bedeutend zurückgingen. Die afghanischen De-facto-Behörden riefen UNAMA zufolge die pakistanischen Behörden wiederholt dazu auf, Afghan·innen nicht zur Rückkehr zu zwingen und sie nicht zu misshandeln. Ende November kündigte ein Taliban-Sprecher zudem die Einrichtung eines nationalen Komitees an, das die Eigentumsübertragung für afghanische Flüchtlinge, die von Pakistan abgeschoben werden, erleichtern soll. Ein aus humanitären Akteuren und De-facto-Behörden bestehendes Konsortium arbeite wirkungsvoll zusammen, um derartige Unterstützung zu bieten (UNAMA, Jänner 2024, S. 4). Anfang Jänner 2024 hält ein Bericht des Afghanistan Analysts Network fest, dass fast eine Million Afghan·innen seit der Ankündigung Pakistans im Oktober 2023 nach Afghanistan „zurückgekehrt“ sind (AAN, 7. Jänner 2024).

Einige Afghan·innen, die zur Rückkehr aus Pakistan gezwungen werden, sind möglicherweise der Gefahr von Verfolgung, willkürlichen Festnahme und Inhaftierung und/oder Folter oder Misshandlung ausgesetzt. Dies betrifft unter anderem Medienschaffende, zivilgesellschaftliche Aktivist·innen, Frauenrechtsverteidigerinnen und Angehörige der Vorgängerregierung sowie der nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), berichtete UNAMA (UNAMA, Jänner 2024, S. 5). Das UNHCR nennt in diesem Zusammenhang des Weiteren Angehörige von religiösen und ethnischen Minderheiten, darunter der Hazara, sowie Angehörige der LGBTIQ-Gemeinschaft (UNHCR, 6. Dezember 2023, S. 7).

2. Sicherheitslage

Informationen zur Sicherheitslage, zu Angriffen auf Minderheiten und Moscheen und ISKP-Angriffen sowie zu Anti-Taliban-Gruppen betreffend das Jahr 2022 finden Sie im ACCORD-Themendossier zu Afghanistan Überblick über aktuelle Entwicklungen und zentrale Akteure vom September 2023.

2024

Die Zahl der konfliktbedingt Binnenvertriebenen belief sich mit Stand vom 1. Jänner 2024 auf mehr als 3,25 Millionen Menschen (UNHCR, 22. Jänner 2024, S. 1). In den Jahren 2021 und 2022 wurden dem UNHCR zufolge 899.096 Menschen in Afghanistan binnenvertrieben (UNHCR, 6. Dezember 2023, S. 3).

2023

Die parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) berichtete im September 2023, dass Berichte des UNO-Sonderberichterstatters und der Richtlinie der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) von Jänner 2023 zu Afghanistan darauf hindeuten, dass die Lage im Land durch eine Reihe dokumentierter Sicherheitsvorfälle, darunter Angriffe auf Zivilist·innen durch die Taliban, den ISKP und andere bewaffnete Gruppen, gekennzeichnet ist und instabil bleibt (CoE-PACE, 25. September 2023, S. 8).

Zwischen März 2022 und August 2023 dokumentierte UNAMA 2.618 zivile Opfer (719 Tote und 1899 Verletzte), darunter 196 Frauen (76 Tote und 120 Verletzte) und 701 Kinder (236 Tote und 465 Verletzte). Improvisierte Sprengsätze und explosive Kampfmittelrückstände waren die Hauptursachen für zivile Opfer. Im ersten Halbjahr 2023 war im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2022 ein Rückgang der Anzahl ziviler Opfer um 53 Prozent zu verzeichnen. Dies lag in erster Linie am Rückgang von Angriffen mit improvisierten Sprengsätzen (HRC, 11. September 2023, S. 10).

Die in London ansässige Nichtregierungsorganisation Action on Armed Violence (AOAV) berichtete von 22 Vorfällen im Zusammenhang mit improvisierten Sprengsätzen im ersten Halbjahr 2023 in Afghanistan. Den 22 Vorfällen fielen 206 Zivilist·innen zum Opfer (63 Tote und 143 Verletzte) (AOAV, 14. Juli 2023, S. 1).

UNAMA berichtete im Juni 2023, dass trotz des signifikanten Rückgangs ziviler Opferzahlen in Afghanistan seit dem 15. August 2023 die Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen nicht in gleichem Maße zurückging. UNAMA zufolge stieg die Gefährlichkeit von Selbstmordanschlägen seit August 2021, da eine geringere Anzahl an Anschlägen mehr zivile Opfer verursachte (UNAMA, Juni 2023, S. 6-7). Zwischen 15. August 2021 und 15. Februar 2023 waren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Gebetsstätten für mehr als ein Drittel aller zivilen Opferzahlen verantwortlich. Gegenüber dem Zeitraum vor dem 15. August 2021 stellt dies UMANA zufolge einen bedeutenden Anstieg ziviler Opfer durch Angriffe auf Gebetsstätten mit improvisierten Sprengsätzen dar. Der ISKP war im Zeitraum vom 15. August 2021 bis 30. Mai 2023 hauptverantwortlich für derartige Angriffe dieser Art auf Gebetsstätten. Mehr als die Hälfte der zivilen Opferzahlen derartiger Angriffe waren auf Angriffe auf schiitische Gebetsstätten zurückzuführen. Gebetsstätten und religiöse Versammlungen von Sufis, Sunnit·innen und Sikhs wurden ebenfalls zum Ziel (UNAMA, Juni 2023, S. 8-9).

Der zuständige UNO-Sonderberichterstatter führte in einem Bericht vom Februar 2023 an, dass Schulen, Gebetsstätten und andere zivile Einrichtungen weiterhin Angriffen ausgesetzt waren, wodurch Zivilist·innen, darunter auch Kinder, schwer verletzt wurden (HRC, 9. Februar 2023, S. 3).

Laut dem im Dezember 2023 veröffentlichten Bericht des UNO-Generalsekretärs blieb die Gesamtzahl der konfliktbezogenen sicherheitsrelevanten Zwischenfälle zwischen dem 1. August 2023 und dem 22. Oktober 2023 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2022 konstant. Die Vereinten Nationen registrierten 1.414 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einem Anstieg um zwei Prozent gegenüber den 1.384 Vorfällen im gleichen Zeitraum 2022 entspricht. Aus den verfügbaren Daten geht hervor, dass bewaffnete Zusammenstöße um 41 Prozent von 104 auf 61 Vorfälle zurückgingen, Detonationen von improvisierten Sprengsätzen um 72 Prozent von 65 auf 18 und gezielte Tötungen um 50 Prozent von 74 auf 37 zurückgingen. 49 Prozent aller Vorfälle fanden in den nordöstlichen, westlichen und östlichen Regionen statt, wobei die Provinzen Herat, Kabul, Kundus und Nangarhar die am stärksten betroffenen waren. Festnahmen durch die De-facto-Behörden nahmen im Vergleichszeitraum 2022 um 25 Prozent zu (UNGA & UNSC, 1. Dezember 2023, S. 4).

Die bewaffnete Opposition machte den Taliban zwischen dem 1. August 2023 und dem 22. Oktober 2023 die territoriale Kontrolle nicht streitig. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2022 gab es weniger tatsächliche Angriffe auf die De-facto-Behörden, obwohl die von den Gruppen in den sozialen Medien kommunizierte Zahl der Angriffe zunahm. Zwischen September und Dezember 2023 war die Afghanistan Freedom Front (AFF) die aktivste Oppositionsgruppe, wenngleich ihre Angriffe weiterhin von geringem Umfang waren, während die National Resistance Front (NRF) deutlich weniger aktiv war als im Jahr 2022 und in ihrer traditionellen Hochburg Pandschschir keine Angriffe verübte. Überdies gaben vier weitere bewaffnete politische Oppositionsgruppen im genannten Zeitraum ihre Existenz bekannt - die Afghanistan National Guard Front, die National Mobilization Front, die National Battle Front und die Afghanistan United Front - wobei sich die beiden letztgenannten Gruppen zu keinen Anschlägen bekannten (UNGA & UNSC, 1. Dezember 2023, S. 4).

Bezogen auf die anhaltenden Zusammenstöße zwischen De-facto-Sicherheitskräften und bewaffneten Oppositionsgruppen in Pandschschir und anderen Provinzen zeigte sich der UNO-Sonderberichterstatter im Februar 2023 nach wie vor besorgt, da diese Zusammenstöße weiterhin zu Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte führen. Glaubwürdige Berichte und Dokumente weisen auf außergerichtliche Hinrichtungen von gefangenen Kämpfern, Folter, willkürliche Verhaftungen und das Verschwinden von Personen, die als Mitglieder der Nationalen Widerstandsfront angesehen werden, hin. Zudem wird von massiver Unterdrückung von Gemeinden und einer Informationssperre berichtet. Zivilist·innen, die von den Taliban als mit der Nationalen Widerstandsfront in Verbindung stehend angesehen werden, sind weiterhin routinemäßig Hausdurchsuchungen, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen, außergerichtlichen Tötungen, Folter und Vertreibung ausgesetzt (HRC, 9. Februar 2023, S. 14).

Einem Bericht von Amnesty International (AI) vom Juni 2023 zufolge bestraften die Taliban seit ihrer Machtübernahme im August 2021 die Bewohner·innen der Provinz Pandschschir kollektiv. Dies war AI zufolge besonders in Ortschaften der Fall, wo die Taliban Sicherheitskräfte stationiert haben. Um die aus Pandschschir stammende NRF zu bekämpfen, übten die Taliban Rache an festgenommenen NRF-Kämpfern und nahmen die zivile Bevölkerung ins Visier. In den dem Bericht vorangegangenen 18 Monaten organisierten die Taliban Dörfer-übergreifende willkürliche Festnahmen von Männern und männlichen Jugendlichen. Viele von ihnen wurden AI zufolge Schlägen und Misshandlungen ausgesetzt. Unter anderem verbrannten und beschlagnahmten die Taliban Häuser in Pandschschir, hinderten Schäfer am Zugang zu ihrem traditionellen Weideland und setzten die einzige afghanistanweite Ausgangssperre in Kraft (AI, Juni 2023, S. 5).

„Meldungen vom 12.07.23 zufolge wurden in der nördlichen Provinz Panjshir dutzende Familien aufgrund des verschärften Konflikts zwischen den Taliban und der Nationalen Widerstandsfront (NRF) gewaltsam aus vier Dörfern im Bezirk Shotul der Provinz vertrieben.“ (BAMF, 17. Juli 2023, S. 1)

In seinem Bericht vom Dezember 2023 verweist der UNO-Generalsekretär auf einen Rückgang der Angriffe, zu denen sich die Gruppe ISKP bekannt hat oder die ihr zugeschrieben werden. Seit der zweiten Oktoberhälfte sei jedoch ein Anstieg zu beobachten. Zwischen dem 1. August und dem 7. November 2023 verzeichneten die Vereinten Nationen 8 Angriffe der Gruppe in drei Provinzen, verglichen mit 27 Angriffen in 6 Provinzen im gleichen Zeitraum 2022. Die Angriffe zielten auf Taliban-Anhänger und Zivilist·innen, insbesondere Schiit·innen, ab (UNGA & UNSC, 1. Dezember 2023, S. 4-5). USDOS berichtet im November 2023, dass die Taliban den ISKP als ihre größte Bedrohung ansahen (USDOS, 30. November 2023).

Über einen ISKP-Anschlag vom Oktober 2023 schreibt der Afghanistanexperte Thomas Ruttig: “Die Hiobsbotschaften aus Afghanistan reißen nicht ab. Gestern (13.10.2023) hat ein Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in Pul-e Chumri zahlreiche Menschen ermordet. Er hatte sich während des Freitagsgebets in der Imam-Zaman-Takiachana im Schiitenviertel Tschaharbagh der Hauptstadt der Provinz Baghlan in die Luft gesprengt. Inzwischen übernahm der Islamische Staat (Daesch) über seinen Medienarm Amaq die Verantwortung für den Anschlag.“ (Ruttig, 14. Oktober 2023)

Unter Verweis auf den Global Terrorism Index (GTI) berichtete das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im März 2023, dass Afghanistan das vierte Jahr in Folge das am stärksten von Terrorismus betroffene Land ist (BAMF, 20. März 2023, S. 1).

Der UN-Sicherheitsrat (UNSC) berichtete im Juli 2023, dass in Afghanistan etwa 20 Terrorgruppen operieren würden (UNSC, 25. Juli 2023, S. 15).

Das Institute for the Study of War (ISW) und das Critical Threats Project (CTP) hielten im August 2023 fest, dass die Taliban De-facto-Regierung die Beteiligung der Taliban an Angriffen außerhalb Afghanistans delegitimierte. Der Quelle zufolge erfolgte das eventuell als Reaktion auf jüngste diplomatische Annäherungen mit den Vereinigten Staaten und auf Druck Pakistans (ISW/CTP, 9. August 2023).

Im Jänner 2023 berichtet das BAMF von einem Anschlag auf den Eingang des militärischen Bereichs des Kabuler Flughafens am 1. Jänner 2023. Taliban-Angaben zufolge wurden 10 Zivilist·innen getötet und acht weitere verletzt (BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1). Der Islamische Staat in der Provinz Chorasan (ISKP) bekannte sich Berichten des amerikanischen Auslandsnachrichtenportals Voice of America (VOA) zufolge zu dem Anschlag und meldete, dass 20 Personen getötet und 30 weitere verletzt wurden, was von den Taliban nicht bestätigt wurde (VOA, 2. Jänner 2023).

Bei einem Anschlag in der Nähe des afghanischen Außenministeriums in Kabul am 11. Jänner 2023, zu dem sich der ISKP laut BBC News bekannte, wurden offiziellen Taliban-Angaben zufolge zwischen 5 und 20 Zivilist·innen getötet (BBC News, 11. Jänner 2023).

Der UNO-Generalsekretär berichtete im Juni 2023, dass die Anzahl der Grenzvorfälle seit Mitte Februar zurückging. Insgesamt wurden 14 Vorfälle im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan, sechs Vorfälle an der Grenze zum Iran und mindestens vier Vorfälle an der Grenze zu Tadschikistan registriert (UNGA/UNSC, 20. Juni 2023, S. 5).

3. Taliban-Richtlinien und -Gesetze

Detaillierte Informationen zu Taliban-Richtlinien und Gesetzen betreffend Frauen und Mädchen befinden sich in Kapitel 4 dieses Dokuments.

Der UNO-Menschenrechtsrat berichtete, dass im Zeitraum März 2022 bis August 2023 von der De-facto-Regierung eine Reihe von administrativen Veränderungen eingeführt wurden, die Einfluss auf die Verwaltung der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit hatten. Diese Änderungen führten zu Unklarheiten im nationalen Rechtsrahmen und zu widersprüchlichen Praktiken innerhalb des Rechtssystems. Darüber hinaus führten sie zu einer Einschränkung der Rolle der Anwälte sowie der Teilhabe von Anwältinnen und Richterinnen am Rechtssystem. Seit Februar 2022 habe es das De-facto-Höchstgericht zugelassen, dass die De-facto-Polizei Strafsachen direkt an De-facto-Gerichte zur Untersuchung übergibt und Staatsanwälte übergeht. Im August 2022 wurden Staatsanwälte von ihren Aufgaben entbunden und noch nicht abgeschlossene Untersuchungen an De-facto-Richter übergeben. Im März 2023 wurden die Generalstaatsanwaltschaft formell aufgelöst, indem mittels Dekrets die De-facto-Direktion zur Überwachung und Rechtsverfolgung von Dekreten und Erlässen eingerichtet wurde (HRC, 11. September 2023, S. 4-5).

SIGAR berichtete im Juli 2023, dass die Taliban bisher keine formale Verfassung in Kraft gesetzt haben (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 82-83; siehe auch Migrationsverket, 6. Juli 2023, S. 5-6). Der UNO-Menschenrechtsrat berichtete im September 2023, dass eine Kommission mit der Entwicklung einer neuen Verfassung beauftragt worden sei, mit Stand August 2023 jedoch keine weiteren Informationen über die Arbeit der Kommission bekannt sind (HRC, 11. September 2023, S. 4). Auch jede Form von schriftlichem Rechtskodex fehlte weiterhin (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 82-83; siehe auch USDOS, 15. Mai 2023). Die Menge schriftlicher Regelungen hatte einem Migrationsverket-Bericht von Juli 2023 zufolge seit der Machtübernahme zugenommen, doch das Rechtssystem der Taliban befand sich noch im Werden. Institutionelle Strukturen und die Umsetzung von Regeln unterschieden sich landesweit. Viele Regelungen waren ungenau formuliert und boten Interpretationsspielraum. Einige Richtlinien wurden nur mündlich kommuniziert und es war im Allgemeinen schwierig, einen genauen Überblick über bestehende Gesetze zu erhalten. Nachdem Haibatullah Achundsada die vollständige Umsetzung der Scharia im November 2022 verkündet hatte, war der Einsatz körperlicher Bestrafung landesweit bedeutend gestiegen. Neben körperlicher Bestrafung, die im Rahmen des formalen Taliban-Rechtssystems durchgeführt wurde, kam es auch zur Ausführung solcher Bestrafungen durch nicht-rechtliche Organe, zum Beispiel durch Gouverneure. Körperliche Bestrafungen wurden von der De-facto-Regierung auch ad hoc und willkürlich durchgeführt. Migrationsverket zufolge war die Lage geprägt von einem Mangel an Rechtsstaatlichkeit (Migrationsverket, 6. Juli 2023, S. 5-6). USDOS berichtete im Mai 2023, dass laut den Taliban die Gesetze, die vor August 2021 bestanden hatten, weiterhin bestehen würden, sofern sie die Scharia nicht verletzten (USDOS, 15. Mai 2023). Im September 2023 berichtete der UN-Menschenrechtsrat, dass die De-facto-Behörden wiederholt geäußert haben, dass die Scharia der geltende Rechtsrahmen in Afghanistan ist (HRC, 11. September 2023, S. 4).

The South Asia Collective berichtete im Februar 2023, dass die Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 zur Zerschlagung des aufkeimenden Menschenrechtssystems und zur Wiedereinführung der Verfassung von 1964 führte. Dadurch trat die Scharia wieder in Kraft, die vielen Minderheitengruppen keinen Schutz gewährt. Seitdem haben die Taliban die Justiz auf Feldgerichte reduziert und das Ministerium für Frauenangelegenheiten durch das Ministerium für Laster und Tugenden ersetzt. Die Menschenrechtskommission wurde aufgelöst, und die meisten Menschenrechtsverteidiger·innen und andere Mitglieder der Zivilgesellschaft sind aus dem Land geflohen. Diejenigen, die geblieben sind, leben unter strenger Überwachung durch die Taliban. Sämtliche Rechenschaftsmechanismen zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenrechte wurden abgeschafft. In Afghanistan lebende Minderheiten sind Unterdrückung ausgesetzt. Sie sind von außergerichtlichen Tötungen, Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen betroffen und die Rechte von Frauen und LGBTIQ-Personen sind vollständig eingeschränkt. (The South Asia Collective, Februar 2023, S. xi).

Am 18. September 2021 lösten die Taliban-Behörden das Ministerium für Frauenangelegenheiten auf, das 2001 eingerichtet worden war, um Geschlechtergleichstellung zu fördern. Die Räumlichkeiten des Ministeriums wurden vom de facto-Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters (Ministry for the Propagation of Virtue and the Prevention of Vice, MPVPV) übernommen (HRC, 4. März 2022, S. 8-9; BBC, 17. September 2021). Während der ersten Taliban-Regierung von 1996 bis 2001 war dieses Ministerium laut Human Rights Watch (HRW) zu einem berüchtigten Symbol für Diskriminierung („abuse“), insbesondere von Frauen und Mädchen, geworden (HRW, 29. Oktober 2021). Im Juni und Juli 2022 berichteten UNAMA und AAN, dass die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters wie schon bei der ersten Taliban-Machtübernahme in den Jahren 1996-2001 eine der obersten Prioritäten der neuen Taliban-De-facto-Regierung ist. Der Ansicht der Taliban nach ist dies eine der Voraussetzungen für ein islamisches Regierungssystem (AAN, 21. Juni 2022). Laut UNAMA scheint das derzeitige Mandat der De-facto-MPVPV und ihrer Abteilungen auf lokaler Ebene eine Mischung aus Politikgestaltung, Beratung, Überwachung, Beschwerdemanagement und Durchsetzungsbefugnis in einer Reihe von Fragen zu umfassen, die mit der Interpretation der De-facto-Behörden darüber zusammenhängen, was zur Gewährleistung der Verbreitung von Tugend und der Verhinderung von Lastern erforderlich sei. Während die Auslegung dieses weit gefassten Mandats auf lokaler Ebene von Provinz zu Provinz sehr unterschiedlich sein kann, hat UNAMA zwischen August 2021 und Juni 2022 eine zunehmende Aktivität dieser Einrichtung bei der Erteilung von Anweisungen zu Verboten, Verpflichtungen und „Ratschlägen“ zu einer scheinbar unbegrenzten Reihe von Themen beobachtet. Die meisten der von der de facto-MPVPV erteilten Anweisungen beinhalten die Beschneidung grundlegender Menschenrechte wie der Bewegungsfreiheit, der Meinungsfreiheit und des Rechts auf Privatsphäre. Darüber hinaus lässt die unklare rechtliche Natur solcher Anweisungen, die oft lediglich von einem Taliban-Sprecher in einem Medieninterview oder über Twitter verkündet werden, Raum für Interpretationen und Missbrauch (UNAMA, Juli 2022, S. 22-23).

Am 19. September 2021 verkündeten die Taliban “11 Journalismus-Regeln”, die afghanische Journalist·innen strikt befolgen müssen und die Zensur und Repressalien ermöglichen würden (RSF, 22. September 2021).

Laut einem Bericht der BBC vom 21. November 2021 enthalten die jüngsten Richtlinien der Taliban, die an afghanische Fernsehsender ausgegeben wurden, acht neue Regeln: darunter das Verbot von Filmen, die gegen die Prinzipien der Scharia und die afghanischen Werte verstoßen. Verboten sind auch Comedy- und Unterhaltungsshows, die die Religion beleidigen oder von den Afghan·innen als anstößig empfunden werden könnten. Die Taliban legten außerdem fest, dass ausländische Filme, die fremde kulturelle Werte fördern, nicht ausgestrahlt werden dürfen (BBC, 21. November 2021). Richtlinien des de facto-MPVPV schreiben die Kleidung von Journalistinnen im Fernsehen vor und verbieten Unterhaltungsprogramme mit weiblichen Darstellern (HRW, 22. November 2021).

BBC berichtete am 27. Dezember 2021, dass das de facto-MPVPV per Erlass verbot, Musik in Fahrzeugen zu spielen (BBC, 27. Dezember 2021).

Laut einem Bericht der Associated Press (AP) vom 26. Dezember 2021 teilte Bilal Karimi, der stellvertretende Sprecher der Taliban-Regierung, mit, dass die unabhängige Wahlkommission des Landes und die Wahlbeschwerdekommission aufgelöst wurden. Karimi zufolge seien diese Institutionen aufgrund der gegenwärtigen Situation in Afghanistan nicht notwendig. Auch das Friedensministerium und das Ministerium für parlamentarische Angelegenheiten seien ihm zufolge aufgelöst worden, da sie für die gegenwärtige Regierungsstruktur nicht notwendig seien (AP, 26. Dezember 2021). Am 23. Mai 2022 berichtete das BAMF von der Auflösung von fünf Institutionen der vorangegangenen Republik, die von der Taliban-Regierung als „unnötig“ erachtet wurden. Darunter die Afghan Independent Human Rights Commission (AIHRC) (siehe auch OHCHR, 26. Mai 2022, S. 4), die Sekretariate des parlamentarischen Ober- und Unterhauses, den nationalen Sicherheitsrat, den hohen Rat für nationale Aussöhnung (High Council for National Reconciliation) sowie die unabhängige Kommission zur Überwachung und Umsetzung der Verfassung (BAMF, 23. Mai 2022, S. 1). Mit der Auflösung des AIHRC stünden Opfern von Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch wenige Zufluchtsorte offen, so das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) im Mai 2022 (OHCHR, 26. Mai 2022, S. 4).

Laut dem juristischen Online-Nachrichtenportal Jurist, gab das afghanische Justizministerium am 3. Jänner 2022 bekannt, dass unabhängige Anwälte ein neuerliches Zulassungsverfahrung durchlaufen müssen, das vom Ministerium festgelegt wird. Dies ist, der Quelle zufolge, ein Zeichen dafür, dass die Taliban-Regierung dem Berufsstand der Jurist·innen die Unabhängigkeit entziehen wolle (Jurist, 3. Jänner 2022). Einem Bericht der Vereinten Nationen vom 28. Jänner 2022 zufolge hat das Justizministerium UNAMA mitgeteilt, dass Anwälte, die eine Zulassung vom Ministerium bekommen, unabhängig und ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können und auch Anwältinnen erlaubt wird, unter Berücksichtigung notwendiger Voraussetzungen, zu arbeiten (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 8). Einem Bericht des UNO-Menschenrechtsrats vom September 2023 zufolge war das Zulassungsverfahren nur männlichen Anwälten zugänglich. Mit Stand Juli 2023 haben 1.479 Anwälte eine neue Zulassung erhalten. Anwälten wurde dem Bericht zufolge fast durchwegs der Zugang zu Personen in Untersuchungshaft der De-facto-Polizei oder des Geheimdienstes verweigert. Überdies weigerten sich Berichten zufolge Richter der De-facto-Behörden bei Gericht hartnäckig, die Rolle von Anwälten in Verfahren anzuerkennen und beschimpften, bedrohten oder ignorierten sie oft (HRC, 11. September 2023, S. 6).

Nach einem tödlichen Vorfall, gab das Taliban-Innenministerium Ende Februar 2022 Berichten zufolge eine Anweisung heraus, die das Sicherheitspersonal aufforderte, an Kontrollpunkten nicht auf Zivilist·innen zu schießen, Verdächtige nicht zu belästigen, zu beleidigen oder zu schlagen sowie keine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss durchzuführen (HRC, 4. März 2022, S. 7).

Unter Bezugnahme auf Berichte vom 15. Mai 2022, schrieb das BAMF, dass die Taliban ehemalige Soldaten in der Provinz Pandschschir mittels biometrischer Daten identifizierten und festnahmen. In der Provinz Ghazni wurde männlichen Angestellten der öffentlichen Verwaltung verboten, den Dienst ohne Bart und Turban anzutreten. In der Provinz Herat wurde Berichten zufolge offiziell die Geschlechtertrennung in Parks und Restaurants eingeführt (BAMF, 16. Mai 2022, S. 1).

Laut UNSC versuchten die Taliban, Militär- und höherrangige Sicherheitskräfte sowie Piloten der Vorgängerregierung zu rekrutieren, um ihr Know-How im Kampf gegen den ISKP zu verbessern. Zudem wurden spezielle Kampfeinheiten für den Kampf gegen den ISKP gegründet (UNSC, 26. Mai 2022, S. 11).

Laut UNO-Quellen gebe es mit Stand Juni 2022 keine Anzeichen dafür, dass die Taliban Schritte unternommen hätten, um die Aktivitäten ausländischer terroristischer Kämpfer im Land einzuschränken. Terroristische Gruppen würden größere Freiheiten als zuvor genießen. Die De-facto-Behörden Afghanistans wiesen dies zurück (UNSC, 15. Juni 2022, S. 4).

Im Juli 2022 berichteten verschiedene Quellen, dass die Taliban die Rechte von Frauen seit ihrer Machtübernahme im August 2021 erheblich beschnitten haben (OHCHR, 15. Juli 2022; SIGAR, 30. Juli 2022, S. 5; FIDH, 1. Juli 2022; AI, Juli 2022, S. 4).

Im Juli 2022 berichtete UNAMA, dass ihre Beobachtungen in den Monaten zwischen August 2021 und Juni 2022 auf spezifische Probleme in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen durch De-facto-Beamte der Generaldirektion des Geheimdienstes (GDI, auch Istikhbarat genannt) in einer Reihe von Provinzen hindeuten. Verhaftungen und Inhaftierungen durch die De-facto-GDI scheinen oft willkürlich zu sein. Nach Berichten, die UNAMA vorliegen, wurden die Betroffenen nicht über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert, und ihre Familienangehörigen wussten oft nicht, wo sie sich aufhielten, oder durften sie nicht besuchen. In einigen Fällen wurde die Inhaftierung mit der Position einer Person als Medienmitarbeiter·in oder zivilgesellschaftliche/r Aktivist·in begründet. Die befragten Personen hatten keinen Zugang zu einem Verteidiger, und der Zugang zu einem Arzt wurde nur in den Fällen gewährt, in denen die Personen von den De-facto-Beamten der GDI gefoltert oder misshandelt worden waren. Die bisher dokumentierten Fälle zeigen eine Reihe von Formen der Folter und Misshandlung von Gefangenen durch die De-facto-GDI. Tritte, Schläge und Ohrfeigen, Schläge mit Kabeln und Rohren sowie der Einsatz von mobilen Elektroschockgeräten scheinen die häufigsten Methoden zu sein (UNAMA, Juli 2022, S. 18-19).

Im November 2022 wurden öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen in Afghanistan wieder aufgenommen. Zwischen 18. November und 16. Dezember wurden Berichten zufolge mehr als 100 Männer und Frauen in mehreren afghanischen Provinzen, darunter Tachar, Logar, Laghman, Parwan und Kabul, öffentlich ausgepeitscht. Die Auspeitschungen fanden in Stadien in Anwesenheit von Taliban-Funktionären und der Öffentlichkeit statt. Anfang Dezember 2022 fand die vermutlich erste öffentliche Hinrichtung seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 statt (OHCHR, 16. Dezember 2022). Berichten zufolge fanden Ende Dezember 2022 weitere, teils öffentliche Auspeitschungen in den Provinzen Laghman, Paktia und Herat sowie Anfang Jänner 2023 in der Provinz Kandahar (RFE/RL, 17. Jänner 2023) aufgrund von Vorwürfen des mutmaßlichen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Ehebruchs, Diebstahls, Alkoholkonsums, Verkaufs oder Konsums von Drogen, der Belästigung von Frauen (BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1) sowie der Homosexualität (RFE/RL, 17. Jänner 2023) statt. Auch im Jahr 2023 fanden UNAMA zufolge öffentliche Auspeitschungen statt, die in der Regel über Kanäle in den sozialen Medien von den De-facto-Behörden angekündigt wurden. Zusehern sei die Aufnahme von Videos oder Fotos der Auspeitschungen verboten (UNAMA, Jänner 2024, S. 7). Mit dem Schwinden der Aussichten auf internationale Anerkennung kehren die Taliban dem BAMF zufolge zunehmend zur repressiven Politik ihrer ersten Herrschaft von 1996 bis 2001 zurück (BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1).

UNAMA berichtete im Mai 2023 von der Wiedereinführung von Körper- und Todesstrafe seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021. Derartige Strafen werden, so UNAMA, sowohl auf der Grundlage von Gerichtsentscheidungen als auch auf Ad-hoc-Basis verhängt (UNAMA, Mai 2023, S. 5). UNAMA dokumentierte zahlreiche Fälle, in denen körperliche Strafen für „Vergehen“ wie Zina (Ehebruch), „Weglaufen“ und Homosexualität verhängt wurden. Frauen, die öffentlich für Zina und andere sittliche Vergehen bestraft werden, sind nach der Bestrafung möglicherweise einem erhöhten Risiko von Gewalt durch ihre Familien und Gemeinschaften ausgesetzt, da Frauen, die außerehelicher Beziehungen beschuldigt werden, die von den Behörden de facto als illegal angesehen werden, extrem stigmatisiert sind. Die strafrechtliche Verfolgung von Frauen wegen Zina ist mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Afghanistans unvereinbar, da sie insbesondere Frauen diskriminiert und eine schwerwiegende Verletzung ihrer Rechte auf Freizügigkeit, Privatsphäre und Gleichheit vor dem Gesetz darstellt (UNAMA, Mai 2023, S. 19).

Amnesty International (AI) schreibt in seinem Jahresbericht für 2022: „Die Einschränkungen der Frauenrechte, der Medienfreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung nahmen 2022 exponentiell zu. Institutionen, die sich für Menschenrechte einsetzten, wurden massiv behindert oder ganz geschlossen. Friedlich Protestierende wurden willkürlich festgenommen, gefoltert und Opfer des Verschwindenlassens. Die Taliban verbreiteten ein Klima der Angst, indem sie vermeintliche Gegner*innen außergerichtlich hinrichteten, willkürlich festnahmen, folterten und rechtswidrig inhaftierten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.” (AI, 28. März 2023)

Im Februar 2023 berichtet der UNO-Generalsekretär, dass die De-facto-Behörden der Taliban die Kontrolle über die Bevölkerung durch die Verabschiedung zusätzlicher restriktiver Maßnahmen weiter verschärft haben (UNGA, 27. Februar 2023, S. 1). Der zuständige UNO-Sonderberichterstatter führte in einem Bericht vom Februar 2023 an, dass sich die Menschenrechtskrise in Afghanistan weiter verschärft hat. Die systematische Verletzung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen hat sich weiter zugespitzt, und die Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts, sich friedlich zu versammeln und zu vereinigen, des Rechts auf freie Meinungsäußerung, des Rechts auf Leben und des Rechts auf Schutz vor Misshandlung, wurden zunehmend missachtet. Die Behörden haben hudud- und qisas-Strafen eingeführt, Maßnahmen, die auf eine Wiederbelebung der Politik der 1990er Jahre hindeuten. Der Sonderberichterstatter zeigte sich zutiefst besorgt darüber, dass die Taliban Afghanistan zunehmend durch Angst und eine repressive Politik regieren, die darauf abzielt, die Gemeinschaften und insbesondere die Frauen zu unterdrücken. Inklusion ist verschwindend gering; es gibt sehr wenig Toleranz für Unterschiede und keine für Dissens (HRC, 9. Februar 2023, S. 2)

Der UNO-Sonderberichterstatter hält im Februar 2023 fest, dass die Verfassung von 2004, die die Gewaltenteilung, die Rechte der Bürger, einschließlich des Rechts auf Zugang zur Justiz und Gleichheit vor dem Gesetz, sowie die Unabhängigkeit der Justiz garantierte, nach wie vor außer Kraft ist und die afghanischen Behörden angeben, dass sie derzeit eine neue Verfassung auf der Grundlage der Scharia ausarbeiten. Beide Kammern des Parlaments wurden abgeschafft, ebenso die Wahlkommission, die Menschenrechtskommission und das Frauenministerium. Die Richterschaft wurde ersetzt. Die Medien wurden mundtot gemacht. Alles in allem sind die Kontrolle und das Gleichgewicht der Macht stark beeinträchtigt (HRC, 9. Februar 2023, S. 2-3; 10).

Die Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan ist nach wie vor ernsthaft in Frage gestellt, da irreguläre Verfahren eingeführt wurden, keine klaren rechtlichen Befugnisse bestehen und frühere Gesetze außer Kraft gesetzt wurden. Der Sonderberichterstatter stellte fest, dass das Fehlen eines kodifizierten Gesetzes eines der größten Probleme darstellt, da die De-facto-Behörden zwar bekräftigen, dass sie die Scharia (und diese gemäß der Hanafi-Schule des Islam) befolgen, diese jedoch unterschiedlich ausgelegt wird. Derzeit gibt es in Afghanistan keine standardisierten Verfahren oder materiellen Gesetze in Straf- oder Zivilsachen, an die sich Polizei, Richter oder Anwälte halten können. Schlüsselpositionen in der Justiz wurden nicht mit Juristen, sondern mit Religionsgelehrten besetzt, bei denen es sich hauptsächlich um Mitglieder der Taliban handelt, die mit hochrangigen Beamten in Verbindung stehen und während des Krieges aktiv waren. Sie werden von Muftis (islamische Gelehrte, die befugt sind, sich in bestimmten Fällen zu einem Punkt der Scharia zu äußern) beraten, die vom Obersten Richter ernannt werden. Seit September 2022 haben die Behörden de facto die Rolle und die Arbeitsweise der Staatsanwälte zurückgedrängt und zuvor die meisten Richter systematisch abgesetzt. Besorgniserregend ist, dass mutmaßliche Täter häufig noch am selben Tag von der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden festgenommen, verurteilt und bestraft werden, ohne dass ein ordnungsgemäßes Verfahren oder eine gerichtliche Überprüfung stattfindet. Zudem gab es Vorwürfe über Bestechungsgelder (HRC, 9. Februar 2023, S. 10).

In einem Artikel vom 17. August 2023 berichtete Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), dass die Taliban-de-facto-Regierung alle politischen Parteien mit der Begründung verbot, dass es für diese keine „Rechtfertigung“ unter der Scharia gebe (RFE/RL, 17. August 2023).

4. Gefährdete Gruppen

Ausführliche Informationen über die Situation gefährdeter Gruppen nach der Machtübernahme durch die Taliban finden sich auch im Bericht zum COI-Webinar mit Katja Mielke und Emran Feroz (ACCORD, März 2022).

Informationen zur Lage von Rückkehrer·innen, die Afghanistan vor oder nach der neuerlichen Taliban-Machtübernahme das Land verlassen hatten, finden sich in einem vom Danish Refugee Council (DRC) verfassten Konferenzbericht vom Dezember 2022 (DRC, 30. Dezember 2022).

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) berichtete im September 2023 unter Bezugnahme auf Berichte des UNO-Sonderberichterstatters zu Afghanistan, dass die Taliban-Regierung ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzt und diese daher besonders gefährdet sind, Opfer von Diskriminierung und gezielter Gewalt zu werden. CoE-PACE nennt in der Folge insbesondere Angehörige ethnischer und religiöser Gruppen, speziell Hazara, Tadschik·innen und Christ·innen, sowie Angehörige der LGBTIQ-Gemeinschaft (CoE-PACE, 25. September 2023, S. 8). In einem gemeinsamen Bericht vom September 2021 verwiesen Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International (AI), auf Verletzungen der Rechte von Frauen und Mädchen, Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidiger·innen, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, Repressalien gegen ehemalige Regierungsmitarbeiter·innen sowie auf Schwierigkeiten, denen Geflüchtete und Menschen, die Afghanistan verlassen wollen, ausgesetzt sind (AI et al., September 2021, S. 1). Im November 2021 veröffentlichte Berichte von UNHCR und FIDH wiesen auf die schwierige Situation für Zivilist·innen seit der Machtübernahme der Taliban hin (UNHCR, 19. November 2021; FIDH, 23. November 2021), insbesondere auf die Lage von Frauen und Mädchen, Menschenrechtsverteidiger·innen, Journalist·innen (FIDH, 23. November 2021) sowie Personen, denen Verbindungen zur früheren afghanischen Regierung, internationalen Organisationen oder den internationalen Streitkräften zugeschrieben werden (UNHCR, 19. November 2021). Im März 2022 berichtete Amnesty International von einer Zunahme an willkürlichen Verhaftungen und Fällen von Verschwindenlassens und der zunehmenden Beschneidung der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit (AI, 21. März 2022, S. 1).

Ende März 2022 berichtete HRW, dass die Taliban über Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Regierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen hatten, verfügen und sich dadurch Tausende Afghan·innen in Gefahr befinden. Seit der Machtübernahme durch die Taliban am 15. August sind viele Menschen, die sich selbst für gefährdet halten, untergetaucht und häufig umgezogen. Durch den Zugriff der Taliban auf diese Systeme wird es für diese Menschen möglicherweise sehr viel schwieriger oder gar unmöglich, sich zu verstecken. Die Taliban haben, so HRW, außerdem Maßnahmen ergriffen, um Menschen an der Flucht aus dem Land zu hindern. Bereits 2016 und 2017 hätten die Taliban Berichten zufolge biometrische Daten genutzt, um Menschen ins Visier zu nehmen (HRW, 30. März 2022).

Mitte August 2022 berichtete das Global Protection Cluster (GPC), dass das Klima in Afghanistan von Angst und Sorge um Sicherheit gekennzeichnet ist, besonders was Personen mit bestimmten Profilen betrifft. Diese Sorge spiegelt sich laut der Quelle in 11.281 Anfragen von Afghan·innen wider, die sich zwischen Jänner und März 2022 an den UNHCR wandten, in den meisten Fällen aufgrund der Sorge um die persönliche Gefährdung/allgemeine Sicherheitslage („safety/security“). Die Quelle erläuterte, dass weiterhin eine hohe Anzahl an Anfragen von ehemaligen Regierungsbeamt innen, sozialen Aktivist·innen und Journalist·innen mit der Bitte um Unterstützung bei der Außerlandesbringung wegen mutmaßlicher Drohungen und Angst aufgrund ihrer Profile einlangt (GPC, 14. August 2022, S. 3-4).

Der UNO-Sonderberichterstatter bringt in seinem Bericht vom 6. September 2022 zum Ausdruck, dass er ernsthafte Sorgen hinsichtlich der Lage von Minderheiten in Afghanistan seit August 2021 hat, deren Andachtsstätten sowie Gesundheits- und Bildungszentren systematisch angegriffen werden. Deren Mitglieder, so der Bericht, werden willkürlich verhaftet sowie gefoltert und sind Massenexekutionen, Zwangsumsiedelungen und Marginalisierung ausgesetzt und in manchen Fällen gezwungen, das Land zu verlassen (HRC, 6. September 2022, S. 10).

Unter Bezugnahme auf im Exil lebende Journalist·innen der Online-Zeitung Hasht-e Subh berichtete das BAMF von einer Liste mit 11.000 Namen von Personen, die von den Taliban ein Ausreiseverbot erhalten haben, darunter Mitglieder der NRF, Angehörige der ehemaligen nationalen Sicherheitskräfte, ISKP-Anhänger·innen, Richter·innen und politisch, sozial oder kulturell bedeutende Persönlichkeiten, die als Opponent·innen der Taliban angesehen werden (BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1).

a. Frauen und Mädchen

In einem Bericht vom Juni 2023 konstatierte der UNO-Menschenrechtsrat, dass eine Gefährdung der Rechte von Frauen und Mädchen in den letzten Jahren zwar in verschiedenen Ländern und Regionen beobachtbar, diese jedoch nirgendwo sonst so systematisch, verbreitet und allumfassend war wie in Afghanistan. Die groß angelegte, systematische Verletzung der Grundrechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan durch die Politik der Taliban stellt dem UNO-Menschenrechtsrat zufolge Verfolgung auf Grundlage des Geschlechts und institutionalisierte Geschlechter-Apartheid dar (HRC, 20. Juni 2023, S. 17-18).

In einem im März veröffentlichten Bericht zu geschlechtsspezifischer Verfolgung und zum Entzug fundamentaler Rechte, wird auf eine Aussage des UNO-Sonderberichterstatters verwiesen, wonach Afghanistan aktuell für Frauen und Mädchen das schlimmste Land der Welt ist (City University of New York/MADRE, März 2023, S. 2). In seinem Bericht vom Februar 2023 führt der Sonderberichterstatter an, dass die diskriminierende Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte von Frauen und Mädchen auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung hinausläuft, was ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Die Verletzungen der Rechte von Frauen und Mädchen erhöhen in ihrer Gesamtheit das Risiko, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt zu sein, und haben schwerwiegende Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit (HRC, 9. Februar 2023, S. 3).

Die International Crisis Group berichtete im Februar 2023, dass die Taliban die weitreichendsten Einschränkungen der Frauenrechte seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2021 angeordnet haben. Dies ist Teil einer Reihe eskalierender Maßnahmen zur Durchsetzung des heterodoxen Konservatismus der Gruppe, auf die der Führer der Taliban, Hibatullah Achundsada, aus persönlicher Überzeugung zu bestehen scheint und durch welche er seine Autorität über die Bewegung und das Land zu behaupten versucht (International Crisis Group, 23. Februar 2023).

Auch der UNO-Generalsekretär hält im Februar 2023 fest, dass sich die Situation der Grundrechte und -freiheiten von Frauen und Mädchen weiter verschlechtert. Weiterhin wurden Vorfälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gemeldet, die von Mord und Ehrenmord über Zwangsehen und Schlägen, die zu Verletzungen oder Behinderungen führten, bis hin zu Selbstmorden reichten. Berichten zufolge nutzten die lokalen Behörden de facto eine Kombination aus formellen und informellen Justizmechanismen, um zivil- und strafrechtliche Angelegenheiten zu regeln, darunter auch gemeldete Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Diese Mechanismen standen jedoch nicht überall im Land gleichermaßen zur Verfügung und gingen nicht speziell auf die Bedenken hinsichtlich des Zugangs von Frauen zur Justiz ein, insbesondere da es keine Justizbeamtinnen gibt (UNGA, 27. Februar 2023, S. 8-9).

Im Jänner 2024 berichtete HRW, dass 2023 von den Taliban-Behörden verhängte Maßnahmen auf eine weitere Verschlechterung der Lage für Frauen und Mädchen hindeuten (HRW, 11. Jänner 2024). UNAMA berichtete ebenso im Jänner 2024, dass das Ministerium zur Förderung der Tugend und Verhinderung von Laster und ihm unterstellte Abteilungen auf Provinzebene die Einhaltung der Hidschab- und Mahram-Regelungen und anderweitiger Regelungen, die Frauen und Mädchen betreffen, überwachten und diesbezüglich Kontrollpunkte eingerichtet haben (UNAMA, Jänner 2024, S. 2, 3). Der UNO-Menschenrechtsrat berichtet im September 2023 von gehäuften Fällen, in denen Frauen an Kontrollpunkten aufgrund der Nicht-Einhaltung der Hidschabregelung belästigt oder geschlagen wurden oder vom Markt nachhause geschickt wurden, weil sie nicht in Begleitung eines Mahrams einkaufen waren (HRC, 11. September 2023, S. 8).

Der UNO-Menschenrechtsrat berichtet weiters, dass das Verbot für Frauen, für NGOs zu arbeiten, das wirksame Erreichen von Frauen und Mädchen zu humanitären Zwecken erschwere (HRC, 11. September 2023, S. 4).

Laut dem zuständigen UNO-Sonderberichterstatter ist der Zugang von Frauen zu den Gerichten nach wie vor stark eingeschränkt. Frauen müssen in der Regel von einem Mann begleitet werden, und Zeugenaussagen von Frauen sind möglicherweise nicht zulässig oder werden geringer gewichtet als die eines Mannes. Weibliche Richter und solche, die religiösen Minderheiten, vor allem schiitischen Muslimen, angehören, wurden abgesetzt. Männliche Strafverteidiger haben nach und nach ihre Funktionen wieder aufgenommen, wobei sie de facto vom Justizministerium beaufsichtigt werden. Die De-facto-Behörden haben die Fachgerichte für Frauen aufgelöst und alle Richterinnen abgesetzt, was sich negativ auf den Zugang von Frauen zur Justiz ausgewirkt hat. Es gibt nur noch sehr wenige weibliche Strafverteidiger, die im Gerichtssystem tätig sind. Der fehlende Zugang von Frauen zu Rechtsberatung in Verbindung mit einem allgemeinen Mangel an Wissen darüber, wie sie ihre Rechte verteidigen können, untergräbt weiterhin die Rechenschaftspflicht bei Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt (HRC, 9. Februar 2023, S. 10).

In einem im Februar veröffentlichten Bericht zur Lage von Frauen in Afghanistan führt das BAMF Folgendes an: „Während die aktuelle Gesetzeslage nur einzelne Bereiche abdeckt und viel Interpretationsspielraum lässt, zeichnet sich eine Steigerung von Gewalt gegen Frauen bei gleichzeitiger Verschlechterung der Schutzsituation ab. Außerdem sind Frauen und Mädchen größtenteils aus dem Bildungssystem und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und ihr Zugang zu Gesundheitsversorgung und humanitärer Hilfe ist stark eingeschränkt. Auf Proteste gegen diese Politik reagierten die Taliban teilweise mit Gewalt und Verhaftungen.“ (BAMF, Februar 2023)

Im Jänner 2023 schrieb HRW, dass die Taliban seit ihrer neuerlichen Machtübernahme eine lange und immer länger werdende Liste an Vorschriften und Maßnahmen einführten, die Frauen und Mädchen in umfassender Weise an der Ausübung ihrer Grundrechte hindern, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Freizügigkeit, Arbeit und Bildung. Dies wirkt sich, so HRW, praktisch auf alle ihre Rechte aus, einschließlich des Rechts auf Leben, Lebensunterhalt, Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Nahrung und Wasser (HRW, 12. Jänner 2023; siehe auch AAN, 28. Dezember 2022).

Das OHCHR berichtete unter Bezugnahme auf Aussagen von UN-Menschenrechtsexpert·innen am 17. Jänner 2022, dass die Anführer der Taliban in Afghanistan systematische und großflächige geschlechtsbezogene Diskriminierung sowie Gewalt gegen Frauen und Mädchen institutionalisieren. Eine Reihe von restriktiven Maßnahmen, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan eingeführt wurden, insbesondere jene, die Mädchen und Frauen betreffen, veranlassten die Expert·innen zur wiederholten Äußerung dieser Sorge. Diese wiesen laut dem OHCHR weiters auf das erhöhte Risiko der Ausbeutung von Frauen und Mädchen hin, etwa durch Menschenhandel zum Zweck von Kinder- und Zwangsehen sowie sexuelle Ausbeutung und Zwangsarbeit. Zu den ausgrenzenden und diskriminierenden Maßnahmen zählen zum Beispiel das Verbot für Frauen, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, die Pflicht, sich nur in Begleitung eines männlichen Verwandten (mahram) in der Öffentlichkeit aufzuhalten, das Verbot für Frauen, öffentliche Verkehrsmittel unbegleitet zu benutzen sowie eine strenge Kleiderordnung für Frauen und Mädchen (OHCHR, 17. Jänner 2022).

Laut dem UNO-Menschenrechtsrat wirkt sich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen auch negativ auf andere Aspekte ihres Lebens aus, wie den Zugang zu Gesundheitsdiensten und zur Beschäftigung. In einigen Provinzen wurde Berichten zufolge Frauen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt, weil sie nicht von einem Mahram begleitet wurden. Auch das Armutsrisiko für Haushalte, die von Frauen geführt werden, wird als erhöht eingeschätzt, da sie in ihrer Bewegungsfreiheit und Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sind (HRC, 4. März 2022, S. 8-9).

Im Juli 2022 berichteten verschiedene Quellen, dass die Taliban die Rechte von Frauen nicht respektieren und diese in den letzten zehn Monaten seit ihrer Machtübernahme im August 2021 erheblich beschnitten haben (OHCHR, 15. Juli 2022; SIGAR, 30. Juli 2022, S. 5; FIDH, 1. Juli 2022; AI, Juli 2022, S. 4). In manchen Fällen wurden friedliche Frauenproteste gewaltsam unterdrückt. Laut FIDH gibt es zahlreiche Berichte zu von Taliban ausgehenden Drohungen, Einschüchterungsversuchen, Beschränkungen, Festnahmen, erzwungenen Geständnissen, Entführungen und Fällen von Verschwindenlassen, die Frauen betreffen (FIDH, 1. Juli 2022; siehe auch AI, Juli 2022, S. 4). Zwischen Jänner und Oktober 2022 wurde von Entführungen von und Drohungen sowie Gewaltanwendung gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen (AI, 1. April 2022) oder die an Demonstrationen gegen die Taliban teilnahmen, berichtet (UNHCR, 23. Jänner 2022, S. 2; siehe auch ACLED, 13. Oktober 2022).

Die Nachrichtenagentur Inter Press Service Agency (IPS) berichtete im Oktober 2021, dass die Taliban systematisch Frauenhäuser schlossen und Frauensport verboten (IPS, 29. Oktober 2021).

Für Frauen, die geschlechterspezifische Gewalt erleben, wirken sich die veränderten Machtverhältnisse negativ auf den Zugang zu Justiz, Schutz und Unterstützung aus. Die Schließung verschiedener Einrichtungen, die sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt befassen, wie z. B. Frauenhäuser, hat eine große institutionelle Lücke für Unterstützung und Schutz gefährdeter Frauen und Mädchen verursacht (HRC, 4. März 2022, S. 8-9). Laut einem Bericht des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „zeichnet sich eine Steigerung von Gewalt gegen Frauen bei gleichzeitiger Verschlechterung der Schutzsituation ab.“ (BAMF, 7. Februar 2022)

BBC berichtete am 27. Dezember 2021, dass das de facto-Ministerium für Tugend und Laster per Erlass festlegte, dass Frauen, die mehr als 72 Kilometer (45 Meilen) reisen, von einem nahestehenden, männlichen Familienmitglied begleitet werden müssen. Fahrzeugbesitzer werden aufgefordert, Frauen, die keine islamische Kopf- oder Gesichtsbedeckung tragen, die Mitnahme zu verweigern, wobei der Erlass nicht festlegt, welche Bedeckung verwendet werden soll. Die meisten afghanischen Frauen tragen bereits ein Tuch um den Kopf (BBC, 27. Dezember 2021).

In einem Artikel berichtete Al Jazeera, dass die Taliban am 3. Dezember 2021 einen Erlass herausbrachten, der besagt, dass Frauen nicht als „Eigentum“ betrachtet werden dürfen und dass ihr Einverständnis für eine Eheschließung erforderlich ist. Ein Mindestalter, welches zuvor 16 Jahre betrug, wird im Erlass nicht genannt. Die Taliban äußerten dem Artikel zufolge zudem, dass Witwen 17 Wochen nach dem Tod des Ehemannes wieder heiraten und den Ehemann selbst wählen dürfen. Langjährige Stammestraditionen sahen es bisher vor, dass eine Witwe einen Bruder des verstorbenen Ehemannes oder einen seiner Verwandten heiratet. Aussagen der Taliban-Führung zufolge habe diese afghanische Gerichte beauftragt, Frauen, insbesondere Witwen in Erbschaftsfragen, gerecht zu behandeln und die Regierung gebeten, Bewusstsein rund um Frauenrechte in der Bevölkerung zu schaffen (Al Jazeera, 3. Dezember 2021). Die Vereinten Nationen berichteten am 28. Jänner 2022, dass der Erlass, mit dem unter anderem das De-facto-Höchstgericht beauftragt wird, über Fälle zu entscheiden, die Frauen betreffen, von manchen begrüßt wurde. Andere kritisierten den Erlass, weil er nicht die volle Breite der Frauenrechte, inklusive dem Recht auf Arbeit sowie dem Recht auf Bildung für Mädchen nach dem 11. oder 12. Lebensjahr, behandelt (UNGA, 28. Jänner 2022, S. 2).

Am 7. Mai 2022 verabschiedeten die Taliban ein Dekret, dass Frauen in öffentlichen Räumen zum Tragen einer Ganzkörperbedeckung (Burka) verpflichtet, so das BAMF. Bei Verstoß gegen das Dekret soll ein männlicher Vormund zur Verantwortung gezogen werden. Frauen, die sich am Arbeitsplatz nicht an das Dekret halten, werden entlassen. Im Ministerium für Tugend und Laster wurde zur Überwachung des Dekrets eine eigene Abteilung eingerichtet. Berichten zufolge wurde die Ausstellung von Führerscheinen für Frauen von den Taliban ausgesetzt (BAMF, 9. Mai 2022, S. 1). Am 19. Mai 2022 beschloss das Ministerium für Tugend und Laster, dass alle Fernsehmoderatorinnen das Gesicht bedecken, also eine Burka tragen, müssen, wenn sie auf Sendung sind (BAMF, 23. Mai 2022, S. 1).

Die Taliban-Regierung bekräftigte, dass Frauenrechte im Scharia-Recht geschützt sind, so der UNO-Menschenrechtsrat. Die bisher gesetzten Maßnahmen bieten jedoch Grund zur Sorge darüber, was das in der Praxis für Frauen und Mädchen bedeutet. Das Außerkraftsetzen der Verfassung von 2004 und die Prüfung aller Gesetze stellen den rechtlichen Status der Frau in Frage. Die Auflösung frauenspezifischer Gerichte und der Unwillen der Taliban-Regierung, Richterinnen zuzulassen, beeinflussen den Zugang von Frauen zur Justiz in negativer Weise. Der Sonderberichterstatter ist tief besorgt über verschiedene, sich in der Entwicklung befindliche, Richtlinien, die einen Einfluss auf die Rechte von Frauen und Mädchen haben, etwa der Zugang von Mädchen zu Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe, verpflichtende Hidschab-Regelungen oder die Forderung an Frauen, das Haus nur zu verlassen, wenn notwendig. Als besonders besorgniserregend beschreibt der UNO-Menschenrechtsrat den Erlass, der vorsieht, dass männliche Familienmitglieder für das Verhalten von Frauen bestraft werden. Dies setze de-facto die Handlungsfähigkeit der Frauen außer Kraft und fördere häusliche Gewalt. Mit Ausnahme des Erlasses vom 28. Dezember 2021, der unter anderem die Zwangsehe verbietet und Erbrechte für Witwen vorsieht, verletzen die Richtlinien die Rechte von Frauen und Mädchen, so HRC (HRC, 6. September 2022, S. 4). In einem Online-Artikel vom 15. September 2022 berichtete der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig, dass eine neue Anordnung der Taliban vorsieht, dass Frauen öffentliche Gebäude nur mehr in Begleitung eines männlichen Angehörigen (mahram) betreten dürfen und es den Anschein habe, dass diese Anordnung landesweit umgesetzt werde (Ruttig, 15. September 2022).

Während Schulen der Sekundarstufe für Buben im Oktober 2021 wieder geöffnet wurden, blieben sie für die Mehrheit der Mädchen geschlossen. Viele Lehrerinnen wurden entlassen (IPS, 29. Oktober 2021; International Crisis Group, 28. September 2021). In den nördlichen Provinzen Afghanistans wurde es Mädchen der siebten bis zwölften Schulstufe wieder erlaubt, die Schule zu besuchen (UNHCR, 26. Oktober 2021, S. 1). Obwohl die Taliban angekündigt hatten, mit 23. März 2022 die Bildungseinrichtungen wieder für alle Kinder und Jugendlichen zu öffnen, wurde die Entscheidung, Mädchen der 7. bis 12. Klasse die Rückkehr in die Schule zu erlauben, kurz vor den angekündigten Öffnungen revidiert (IPS, 28. März 2022). Laut einem Artikel der britischen BBC hatten lokale Taliban-Beamte – trotz einer fehlenden offiziellen Herangehensweise – bereits 2021 in einer Reihe von Provinzen Sekundarschulen für Mädchen wiedereröffnet. Der chaotische Charakter der Kehrtwende vom März 2022 deutet laut BBC darauf hin, dass die zentrale Führung der Taliban in letzter Minute beschlossen hatte, aus Angst ihre ultrakonservativen Mitglieder zu verärgern, ihr eigenes Bildungsministerium zu überstimmen (BBC, 23. März 2022). Die De-facto-Regierung verschob die Schulöffnung für Mädchen bis auf Weiteres, berichtete Pajhwok am 8. Mai 2022 (Pajhwok, 8. Mai 2022). Der UNO-Menschenrechtsrat berichtete am 6. September 2022, dass Mädchenschulen der Sekundarstufe in 24 der 34 Provinzen geschlossen sind. Dadurch bleibt 850.000 Mädchen der Schulbesuch verwehrt (HRC, 6. September 2022, S. 3-4). Am 12. Jänner 2023 berichtete Thomas Ruttig, dass das de facto-Bildungsministerium verkündete, dass „staatliche Mädchenschulen bis einschließlich Klasse 6 und private Lernzentren für denselben Altersbereich weiterarbeiten sollen, ebenso alle Koranschulen (Madrassas) für Mädchen ohne Altersbeschränkung.” Einrichtungen dieser Art, die zuvor geschlossen worden waren, wurden zudem aufgefordert wieder zu öffnen. Auch NGO-geführten Mädchenschulen sei erlaubt worden, Mädchen bis zur sechsten Klasse weiterhin zu unterrichten und Lehrerinnen, unter der Bedingung der Berücksichtigung der Hidschab-Regeln und vorausgesetzt der Vorlage einer behördlichen Genehmigung, zu beschäftigen. Der Unterricht für Mädchen über die sechste Klasse hinaus sei „‚bis auf weiteres‘ nicht zugelassen.” (Ruttig, 12. Jänner 2023; siehe auch AI, 12. Jänner 2023)

Im Dezember 2022 wurde berichtet, dass die Taliban Frauen den Zugang zu den Universitäten in Afghanistan verwehren. Der Taliban-Minister für Hochschulbildung kündigte den Schritt am 20. Dezember 2022 an und erklärte, er werde mit sofortiger Wirkung in Kraft treten (BBC, 21. Dezember 2022; BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1; siehe auch AAN, 28. Dezember 2022). Ebenso wurde Frauen die Arbeit in NGOs verboten (AAN, 28. Dezember 2022; BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1). Das Verbot sei damit begründet worden, dass manche in NGOs arbeitende Frauen die islamischen Kleidungsvorschriften nicht beachten würden. Mehrere NGOs haben daraufhin ihre Arbeit eingestellt. Die Vereinten Nationen teilten dem BAMF zufolge mit, ihre humanitären Hilfsprojekte trotz dieser Einschränkungen weiterhin ausführen zu wollen (BAMF, 2. Jänner 2023, S. 1). Einer afghanischen Forscherin zufolge wird das Verbot für Frauen in NGOs zu arbeiten, gravierende Auswirkungen auf die afghanische Bevölkerung haben, so ein RFE/RL-Artikel. Laut der Forscherin werden viele Mangelernährungs- und Ernährungssicherheitsprogramme von Frauen umgesetzt, da nur sie Zugang zu anderen Frauen und Kindern haben. Viele NGOs forderten die Taliban auf, den Beschluss rückgängig zu machen, ebenso Stammesführer der südöstlichen Provinz Khost. Laut dem Artikel wurde weibliches Gesundheitspersonal vom de facto-Gesundheitsministerium bereits aus dem Beschluss ausgenommen (RFE/RL, 7. Jänner 2023). Drei Monate, nachdem die Taliban den NGOs bis auf weiteres untersagt hatten, afghanischen Frauen mehr einzustellen, wurde dieses Verbot auch auf Frauen ausgeweitet, die für die Vereinten Nationen tätig sind (AAN, April 2023, S. 3).

SIGAR berichtete, dass das Ministerium für Tugend und Laster am 5. Juli die Gültigkeit eines mündlichen Erlasses des Taliban-Führers Achundsada bestätigte, wonach alle Schönheitssalons für Frauen innerhalb eines Monats zu schließen seien (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 96).

„Am 24.08.23 haben die Taliban ca. 100 Frauen, die ein Stipendium zum Studieren in Dubai erhalten hatten und in einem gecharterten Flugzeug dorthin reisen wollten, die Ausreise verboten. Teilweise hatten die Frauen die von den Taliban vorgeschriebene männliche Begleitung. Am 26.08.23 erklärte der von den Taliban ernannte Tugendminister Mohammad Khaled Hanafi, dass es Frauen verboten sei, die als Urlaubsort sehr beliebte Seenkette Band-e Amir in der Provinz Bamyan zu besuchen.“ (BAMF, 28. August 2023, S. 2)

b . Angehörige der Vorgängerregierung und der nationalen Sicherheitskräfte

Informationen zur Lage Angehöriger der Vorgängerregierung und der nationalen Sicherheitskräfte in der Zeit zwischen 15. August 2021 und Dezember 2021 befinden sich in Kapitel 2.1 Entwicklungen im Jahr 2021 des ACCORD-Themendossiers zu Afghanistan vom September 2023.

Im Jänner 2024 berichtete UNAMA, dass es – trotz der von den Taliban verkündeten Generalamnestie – im Zeitraum Oktober bis Dezember 2023 weiterhin zu außergerichtlichen Tötungen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie zu Folter und Misshandlung von Mitarbeiter·innen der Vorgängerregierung und Angehörigen der ehemaligen nationalen Sicherheitskräfte (ANDSF) kam. Ende Dezember wiederholte das De-facto-Verteidigungsministerium indessen die vollständige Verbindlichkeit der Generalamnestie und verkündete, dass in den letzten 12 Monaten keine Verletzung der Amnestie erfolgt sei. Damit im Widerspruch stehende Berichte seien unwahr, so die De-Facto-Behörden (UNAMA, Jänner 2024, S. 5).

Zwischen 1. April 2021 und 8. Juni 2023 wurden Berichten zufolge 32 ehemalige ANDSF-Mitglieder oder Regierungsbeamt·innen von Taliban angegriffen oder wurden zum Opfer von Verschwindenlassen. Die Amnestie wurde unterschiedlich umgesetzt und von einigen Mitgliedern der Gruppe nicht beachtet, wobei Berichten zufolge Taliban-Mitglieder der niederen Ränge für die Vergeltungsangriffe verantwortlich waren. Es deute nur wenig darauf hin, dass diese Angriffe von höheren Ebenen angeordnet worden seien. Ehemalige Mitglieder der ANDSF und Beamt·innen berichteten, dass sie in ständiger Angst vor Vergeltung durch Taliban-Anhänger lebten. Einige hielten sich weiterhin versteckt und viele flüchteten aus dem Land (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 115).

“Laut Berichten von Hasht-e Subh vom 09.08.23 wurden seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 mindestens 30 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte von den Taliban oder ehemaligen verurteilten Straftätern ermordet und elf weitere verletzt.(BAMF, 14. August 2023, S. 2)

UNAMA berichtete im August 2023, dass sich die Taliban De-facto-Regierung in den zwei Jahren nach ihrer Machtübernahme wiederholt öffentlich zur im August 2021 ausgesprochenen Generalamnestie bekannte und verkündet hatte, dass Verstöße gegen die Amnestie geahndet würden. In diesem Zeitraum dokumentierte UNAMA glaubwürdige Berichte hunderter Menschenrechtsverletzungen, darunter außergerichtliche Tötungen, willkürliche Inhaftierungen und Festnahmen, Folter und Misshandlung, die von den De-facto-Behörden gegen Mitglieder der Vorgängerregierung und der ANDSF gerichtet wurden. Es gab UNAMA zufolge nur wenig Informationen zu Bemühungen der De-facto-Behörden, diesen Vorfällen nachzugehen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen (UNAMA, August 2023, S. 1).

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan verzeichnete UNAMA mindestens 218 außergerichtliche Tötungen ehemaliger afghanischer Sicherheitskräfte (ANDSF) und Regierungsmitarbeiter·innen. Die Mehrheit dieser Fälle trat in den vier Monaten nach der Machtübernahme (15. August 2021 bis 31. Dezember 2021) auf, in denen UNAMA fast die Hälfte aller außergerichtlichen Tötungen ehemaliger afghanischer Sicherheitskräfte (ANDSF) und Regierungsmitarbeiter·innen dokumentierte. Menschenrechtsverletzungen hielten jedoch auch danach an. Zwischen dem 1. Jänner 2022 und 31. Dezember 2022 dokumentierte UNAMA 70 außergerichtliche Tötungen (UNAMA, August 2023, S. 6).

Im März berichtete das BAMF von der Verhaftung von drei ehemaligen Soldaten in den Provinzen Baghlan und Chost. Laut dem BAMF zeigt ein in den sozialen Medien weit verbreitetes Video angeblich, wie die Taliban einen ehemaligen Soldaten ersticken, indem sie ihm einen Plastiksack über Kopf und Gesicht stülpen (BAMF, 20. März 2023, S. 1).

c. Schiitische Minderheit und Hazara

Informationen zur Lage der schiitischen Minderheit und der Hazara in der Zeit zwischen 15. August 2021 und Dezember 2021 befinden sich in Kapitel 2.1 Entwicklungen im Jahr 2021. Weiterführende Informationen zur Lage marginalisierter Gruppen, einschließlich der Hazara, finden sich in einem vom Danish Refugee Council (DRC) verfassten Konferenzbericht vom Dezember 2022 (DRC, 30. Dezember 2022).

SIGAR berichtete Ende Juli 2023, dass im ersten Regierungskabinett der Taliban De-facto-Regierung keine Hazara-Schiiten vorgesehen waren. Die Taliban hatten in der Zwischenzeit jedoch drei Hazara-Schiiten zu stellvertretenden Ministern ernannt. Zusätzlich zu dem Ruf nach politischer Repräsentation forderten Anführer der Hazara-Schiit·innen weiterhin den Schutz ihrer Rechte und ihres Bodens sowie ihres Eigentums von der Taliban-Führung. Ebenso forderten sie ein beherzteres Eingreifen der Taliban-Behörden hinsichtlich des Schutzes ihrer Moscheen, Bildungszentren und Wohnviertel vor anhaltenden Angriffen durch extremistische Gruppierungen, wie den ISKP. SIGAR seien keine neuen Maßnahmen oder bedeutenden Schritte bekannt, die die Taliban im zweiten Quartal 2023 getroffen hätten, um religiöse Minderheiten zu schützen (SIGAR, 30. Juli 2023, S. 98).

AAN führte in einem Bericht vom Februar 2023 an, dass die öffentlichen Äußerungen der Taliban gegenüber Schiit·innen und Hazara bislang weitgehend versöhnlich waren, da die Taliban versuchten, ihre Kontrolle zu etablieren. Den Worten seien jedoch bisher keine positiven Taten gefolgt (AAN, Februar 2023, S. 2).

Dem UNO-Menschenrechtsrat zufolge gab es einen Anstieg bei Hassreden gegen Hazara, sowohl online als auch in manchen Moscheen im Zuge des Freitagsgebets, inklusive Aufforderungen Hazara zu töten (HRC, 6. September 2022, S. 10).

Das Danish Immigration Service (DIS), die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration, führte im Dezember 2021 unter Bezugnahme auf zwei Expertengespräche an, dass die Hazara in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban beim Zugang zum Rechtssystem und zu Ressourcen diskriminiert werden (DIS, Dezember 2021, S. 28).

Die schiitische Hazara-Gemeinschaft im Westen der Stadt Kabul, insbesondere im Viertel Dasht-e Barchi, ist seit 2016 verstärkt das Ziel einiger der tödlichsten Anschläge in der Stadt, schildert ein AAN-Artikel vom 17. Jänner 2022. Hazara und Schiit·innen wurden aber auch in anderen Teilen Afghanistans angegriffen. Nach der Machtübernahme der Taliban im August setzten Angriffe auf das Viertel für eine kurze Zeit aus. Doch danach wurde es wieder Ziel einer neuen Serie von Attentaten und Bombenanschlägen, weshalb die Angehörigen der Hazara-Volksgruppe und schiitische Muslim·innen dort besonders gefährdet sind, Opfer einer anhaltenden Serie gezielter Tötungen zu werden (AAN, 17. Jänner 2022).

UNAMA berichtete im Juni 2023, dass schiitische Hazara zwischen 15. August 2021 und 30. Mai 2023 nicht nur in schiitischen Gebetsstätten, sondern auch in Schulen, Bildungseinrichtungen, auf belebten Straßen und in öffentlichen Verkehrsmitteln angegriffen wurden. Während sich der ISKP zu einem Großteil der Angriffe bekannt hatte, blieben die Täter anderer bedeutender Vorfälle unbekannt (UNAMA, Juni 2023, S. 10).

Bei einer vom DRC veranstalteten Konferenz im Dezember 2022 zur Lage in Afghanistan berichtete der Afghanistan-Experte Ehsan Qaane, dass die Taliban versuchen, zu vermitteln, dass sie für den Schutz gefährdeter Gruppen sorgen. Sie hätten verschiedenen Medien gegenüber Angriffe auf Schiit·innen verurteilt und ihre Schutzverantwortung gegenüber dieser Gruppe betont. In der Realität gibt es laut Qaane jedoch in den von Hazara bewohnten Gegenden nicht viele Sicherheitsvorkehrungen und keinen Schutz (DRC, 30. Dezember 2022, S. 31). Qaane berichtete weiters, dass Massentötungen von Hazara in Afghanistan nicht nur durch den ISKP, sondern auch durch die Taliban erfolgten. Er nannte den Fall einer neunköpfigen Familie in Daikundi, die wenige Tage zuvor unter dem Vorwurf einer vermeintlichen NRF-Mitgliedschaft von den Taliban, einschließlich dreier Kinder und einer Frau, getötet worden war, als Beispiel. Im Juni 2022 ereilte laut Qaane eine mindestens sechsköpfige Familie in Ghor das gleiche Schicksal. Qaane zufolge scheinen derlei Vorfälle im Einklang mit der Taliban-Politik zu stehen und daher systematischer Natur zu sein. Laut dem Experten könnten Vorfälle dieser Art den Grad von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreichen (DRC, 30. Dezember 2022, S. 33). UNAMA berichtet von einer Reihe gezielter Tötungen schiitischer Kleriker im Herbst und Winter 2023 in der Stadt Herat durch unbekannte Angreifer (UNAMA, Jänner 2024, S. 5).

1.3.4 Andere religiöse Minderheiten

USDOS berichtete im Juni 2023, dass Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Hazara-Schiit·innen, Ahmadi-Muslim·innen, Sikhs, Hindus, Bahai und Christ·innen, aufgrund von Drohungen und anderen Gefahren, denen sie durch die Taliban und nicht-staatliche Akteure, wie dem ISKP, ausgesetzt sind, zunehmend von Ausbeutung bedroht sind (USDOS, 15. Juni 2023).

Einem USDOS-Bericht vom Mai 2023 zufolge berichteten Mitglieder religiöser Minderheiten, dass sie aus Angst vor Verfolgung und gesellschaftlicher Diskriminierung ihren Glauben nicht öffentlich zum Ausdruck brachten. Christ·innen, Ahmadis, Bahai, Hindus und Sikhs berichteten, dass sie die Teilnahme an öffentlichen Aktivitäten weiter reduziert hätten, während sich die meisten versteckt hielten oder das Land verlassen wollten. USDOS zufolge sei es in vielen Fällen von Diskriminierung oder Ungleichbehandlung schwierig, festzustellen, ob diese ausschließlich auf die religiöse Zugehörigkeit zurückzuführen sind, da die religiöse und ethnische Zugehörigkeit sehr eng miteinander verbunden sind (USDOS, 15. Mai 2023).

Im Februar 2023 führte der zuständige UNO-Sonderberichterstatter an, dass trotz einiger Fortschritte in den letzten zwei Jahrzehnten die Menschenrechte von Minderheiten in Afghanistan nie vollständig geschützt wurden, was insbesondere für religiöse Minderheiten gilt. Diskriminierende Bestimmungen im Rechtsrahmen und die unzureichende Anerkennung von Gruppenrechten haben zu einer verstärkten Marginalisierung religiöser Minderheiten geführt, was sich insbesondere auf ihr Recht auf Teilnahme an öffentlichen und politischen Angelegenheiten auswirkt (HRC, 9. Februar 2023, S. 6-7).

USDOS berichtete im Juni 2022 von der Festnahme von 22 Anhänger·innen der islamischen Ahmadiyya-Strömung im Jahr 2021, darunter Minderjährige. Laut internationalen Ahmadiyya-Organisationen hätten Taliban-Mitglieder manche der Festgenommenen körperlich misshandelt und gezwungen, eine ISKP-Anhängerschaft zu gestehen. Mit Jahresende 2021 wurden 10 entlassen, während 18 weiterhin in Haft waren (USDOS, 2. Juni 2022).

Laut einem Bericht der US- Commission on International Religious Freedom (USCIRF) sind Afghan·innen, die nicht der strikten Interpretation des sunnitischen Islam der Taliban folgen oder anderen Glaubensgruppen angehören oder Atheist·innen sind, großer Gefahr ausgesetzt. Viele Gruppen, wie Konvertit·innen zum Christentum, Baha’i oder Ahmadiyya-Muslime üben laut USCIRF aus Furcht vor den Taliban und vor dem ISKP ihren Glauben im Geheimen aus (USCIRF, April 2022, S. 1).

Im Oktober 2023 berichtete das Danish Immigration Service (DIS) von der Lage der Ahl-e Hadith in Afghanistan. Von DIS interviewten Quellen zufolge würden die Ahl-e Hadith in Afghanistan den Anhänger·innen des Salafismus gleichgestellt. Anhänger·innen sind dem Bericht zufolge vor allem in den Provinzen Kunar, Nuristan, Nangarhar und Laghman sowie Badachschan und Kundus zu finden (DIS, Oktober 2023, S. 4). Der Gemeinschaft zufolge werden Salafist·innen in Afghanistan diskriminiert und sind vom Staatsapparat sowie von Regierungspositionen ausgeschlossen. Einem/einer interviewten Wissenschaftler/Wissenschaftlerin zufolge wird Anhänger·innen der Ahl-e Hadith aufgrund von Überschneidungen mit dem Salafismus und den Terroraktivitäten des ISKP in Afghanistan mit Argwohn begegnet. Der Quelle seien jedoch keine Fälle von Tötungen von Anhänger·innen der Ahl-e Hadith durch Taliban-Mitglieder aufgrund ihres Glaubens bekannt (DIS, Oktober 2023, S. 6-7).

e. Journalist·innen und Medienbedienstete

Informationen zur Lage von Journalist·innen und Medienbediensteten in der Zeit zwischen 15. August 2021 und Dezember 2021 befinden sich in Kapitel 2.1 Entwicklungen im Jahr 2021.

HRW zufolge nahmen willkürliche Festnahmen von Medienbediensteten im Jahr 2023 zu (HRW, 11. Jänner 2024).

In einer Veröffentlichung vom 11. Jänner 2022 forderte das Committee to Protect Journalists (CPJ) von der Taliban-Regierung, die Journalist·innen Faisal Modaris, Idris Rahimi und Milad Azizi unverzüglich und bedingungslos freizulassen und aufzuhören, Journalist·innen aufgrund ihrer Tätigkeit zu verhaften. Die drei Journalisten, die für den Youtube-Kanal Kabul Lovers tätig sind, wurden am 6. Jänner 2022 gemeinsam mit Azizis Bruder Rashid Azizi von bewaffneten Taliban-Mitgliedern in einem Kabuler Restaurant festgenommen, so CPJ unter Berufung auf Aussagen von Personen vor Ort sowie Twitter-Postings (CPJ, 11. Jänner 2022).

Human Rights Watch erklärte im März 2022, dass die Taliban-Behörden weitreichende Zensur und Gewalt gegen die afghanischen Medien in den Distrikt- und Provinzzentren anwenden und damit die kritische Berichterstattung in Afghanistan drastisch einschränken. Die Situation für Journalist·innen außerhalb Kabuls scheint wesentlich schlechter zu sein als innerhalb der Hauptstadt, insbesondere für Frauen. Journalist·innen in den Provinzen haben berichtet, dass Taliban-Mitglieder sie und ihre Kolleg·innen bedrohen, festhalten und verprügeln würden. Viele Journalist·innen sahen sich gezwungen, sich selbst zu zensieren und nur über Aussendungen der Taliban und offizielle Ereignisse zu berichten. Journalistinnen waren am stärksten von Repressionen betroffen. Journalist·innen in ganz Afghanistan haben erklärt, dass die Taliban ihre Arbeit stark einschränken und damit gegen das afghanische Mediengesetz und die internationalen Menschenrechtsstandards zur Meinungs- und Medienfreiheit verstoßen. Schätzungsweise 80 Prozent der Journalist·innen in ganz Afghanistan haben seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 ihren Arbeitsplatz verloren oder ihren Beruf aufgegeben, und Hunderte von Medienunternehmen wurden geschlossen (HRW, 7. März 2022).

Am 12. Jänner 2023 berichtete HRW, dass Medienmitarbeiter·innen vom de facto-Geheimdienstministerium bedroht und eingeschüchtert und Journalist·innen gezielt getötet worden sind. Um Medien „zum Schweigen zu bringen“ sei eine Reihe restriktiver Maßnahmen beschlossen worden und Geheimdienstler seien ausgeschickt worden, um Medienmitarbeiter·innen zu treffen und zu falschen Verbrechens-Geständnissen zu zwingen. Zudem wurde das Senden internationaler Nachrichtenprogramme in Dari, Paschto und Usbekisch, darunter von VOA und BBC, verboten (HRW, 12. Jänner 2023; siehe auch CPJ, 11. Jänner 2022). Im Februar 2023 berichtete der UNO-Generalsekretär, dass die De-facto-Behörden weiterhin gegen Medienschaffende und Mitglieder der Zivilgesellschaft, die sich gegen die Politik der Taliban aussprachen, vorgingen (UNGA, 27. Februar 2023, S. 9).

Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, RSF) berichtete in einem Artikel vom 15. August 2023 von der willkürlichen Festnahme von neun Journalisten im Zuge von Razzien in fünf Provinzen durch Taliban-Sicherheitskräfte im August 2023. Es wurden keine Gründe für die Festnahmen genannt. Mit Stand 15. August 2023 wurden alle bis auf einen weiterhin an einem unbekannten Ort festgehalten (RSF, 15. August 2023).

f. Personengruppe der LGBTIQ

In einem im März veröffentlichten Bericht zu geschlechtsspezifischer Verfolgung und zum Entzug fundamentaler Rechte wird angeführt, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queers und Intersexuelle in Afghanistan rechtlich nicht geschützt sind und sich erhöhter Gefahr ausgesetzt sehen. Die offizielle Politik der Taliban besteht, laut dem Bericht, darin, Menschen, die als „homosexuell“ gelten, auszupeitschen, zu steinigen oder auf andere Weise zu töten (City University of New York/MADRE, März 2023, S. 2). UNAMA hält in ihrem Bericht zu Körperstrafe vom Mai 2023 fest, dass sich das Risiko für LGBTIQ-Personen erhöht, wenn diese wegen Homosexualität bestraft werden und wenn ihre Bestrafung ihren Familien und Gemeinschaften bekannt ist (UNAMA, Mai 2023, S. 19).

In einem Artikel vom 2. November 2021 berichtete France 24 von einem Telefoninterview mit Kimahli Powell, dem Leiter von Rainbow Railroad, der einzigen LGBTIQ-Organisation vor Ort in Afghanistan, zur Situation von LGBTIQ-Personen in Afghanistan. Powell zufolge habe die Organisation Berichte darüber erhalten, dass Namen von Personen die Runde machen würden, die verdächtigt werden, der LGBTIQ-Personengruppe anzugehören. In manchen Fällen könne es sogar lebensgefährlich sein, auf einer solchen ad-hoc-Liste zu landen. Die Organisation wisse mit Sicherheit, dass die Taliban „Tötungslisten“ im Umlauf habe, auf denen LGBTIQ-Personen stehen würden, so Powell laut France 24. Diese Listen seien höchstwahrscheinlich in der Zeit des Machtvakuums nach dem Abzug der US-Truppen entstanden, indem genauestens darauf geachtet worden sei, wer auf den Evakuierungslisten ausländischer Menschenrechtsgruppen gestanden habe. Durch das Stellen von Fallen und durch Datenlecks scheinen die Taliban diese Listen aktiv ergänzt zu haben, äußerte Powell gegenüber France 24. Es hätten sich Personen an Rainbow Railroad gewandt, die dubiose E-Mails erhalten hätten. Die Absender hätten behauptet, in Verbindung mit Rainbow Railroad zu stehen und um Daten sowie den Reisepass der Empfänger·innen gebeten. Dadurch wisse die Organisation, dass Informationen durchgesickert seien (France 24, 2. November 2021).

Am 26. Jänner 2022 veröffentlichte HRW einen 43-seitigen Bericht zur Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgenderpersonen in Afghanistan, der auf 60 Interviews mit LGBTIQ-Afghan·innen basiert. LGBTIQ-Personen in Afghanistan finden sich in einer zunehmend aussichtslosen Lage wieder und sehen sich unter der Taliban-Regierung massiven Bedrohungen ihrer Sicherheit und ihres Lebens gegenüberstehen, so HRW.

Viele der Interviewten berichteten, dass die Taliban sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität angegriffen oder bedroht haben. Andere berichteten von Missbrauch durch Familienmitglieder, Nachbar·innen und Lebensgefährt·innen, die nunmehr die Taliban unterstützen und der Meinung sind, sich gegen LGBTIQ-Personen wenden zu müssen, um ihre eigene Sicherheit zu garantieren. Manche der Interviewten flohen aufgrund von Angriffen der Taliban oder der Verfolgung durch deren Anhänger von zuhause oder sahen das Leben, das sie sich über die Jahre aufgebaut hatten, über Nacht zusammenbrechen.

Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 ein gefährlicher Ort für LGBTIQ-Personen. 2018 verabschiedete die ehemalige Regierung ein Gesetz, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen explizit kriminalisiert. Die Interviewten hatten bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban Misshandlung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität erlebt. Doch mit der Machtübernahme verschlechterte sich die Lage bedeutend, so HRW. Die Taliban bekräftigten die Gesetzgebung der Vorgängerregierung und manche der Anführer versichterten, bei den Rechten von LGBTIQ-Personen eine harte Linie zu verfolgen (HRW, 26. Jänner 2022)

Die afghanische Online-Nachrichtenagentur Khaama Press berichtete im Juli 2022, dass die Taliban die Arbeit der australischen Journalistin und Schriftstellerin Lynne O'Donnell, die für das Magazin Foreign Policy tätig ist, missbilligten, da diese zu LGBTQ-Personen berichtete und es laut Taliban „keine Homosexuellen“ im Land gebe (KP, 21. Juli 2022).

5. Quellen

(Zugriff auf alle Quellen 8. Februar 2024, wenn nicht anders angegeben)


6. Kurzbeschreibungen der Quellen

Das Afghanistan Analysts Network (AAN) ist eine unabhängige, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul.

Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) war eine nationale Menschenrechtsorganisation in Afghanistan, die sich der Verbreitung, Wahrung und Kontrolle von Menschenrechten und der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen widmet.

Al Jazeera ist ein in Qatar ansässiger arabischer Nachrichtensender.

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) sammelt, analysiert und kartiert Informationen zu Krisen und Konflikten in Afrika, Süd- und Südostasien und im Nahen Osten und stellt Datensätze zu konfliktbezogenen Vorfällen bereit.

Action on Armed Violence (AOAV) ist eine in London ansässige Nichtregierungsorganisation, die weltweit Informationen zu bewaffneten Gewaltvorfällen gegen Zivilist·innen sammelt, untersucht und verbreitet.

Associated Press News (AP) ist eine Nachrichtenagentur mit Sitz in New York.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die für die Durchführung von Asylverfahren und die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes zuständige Bundesbehörde Deutschlands. Das BAMF koordiniert außerdem die Integrationsförderung und betreibt darüber hinaus Forschung im Bereich der Migration.

Die British Broadcasting Corporation (BBC) ist eine britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit Hauptsitz in London.

Die parlamentarische Versammlung des Europarates (CoE-PACE) ist eine interparlamentarische Organisation, die aus 318 Delegierten aus den Parlamenten der Mitgliedstaaten besteht und sich mit Demokratie, Menschenrechten und politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen befasst.

Das Committee to Protect Journalists (CPJ) ist ein Komitee von NGOs mit Sitz in den USA zum Schutz von Journalist·innen.

Das Critical Threats Project (CT) des American Enterprise Institute sammelt Informationen zur Sicherheitslage und erstellt nachrichtendienstliche Analysen zur kontinuierlichen Bewertung von möglichen Bedrohungen für die USA und ihren Verbündeten.

Die Zeit ist eine deutsche Wochenzeitung.

Das Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT) ist das Außenministerium Australiens. Sein Ziel ist die Förderung und der Schutz der internationalen Interessen Australiens mit Blick auf die Sicherheit und den Wohlstand des Landes.

Das Danish Immigration Service (DIS) ist die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration.

Der Danish Refugee Council (DRC) ist eine internationale NGO mit Fokus auf Vertreibung.

France24 ist ein internationaler Nachrichtensender im Maghreb und in den französischsprachigen Ländern Afrikas.

Die Internationale Föderation für Menschenrechte (Fédération internationale des ligues des droits de l'Homme, FIDH) ist ein Dachverband von Menschenrechts-NGOs.

Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

Die International Crisis Group, gegründet 1995 und ansässig in Brüssel, ist eine transnationale, unabhängige Nonprofit-Organisation, die durch feldbasierte Analysen und Fürsprache auf hoher Ebene daran arbeitet, tödliche Konflikte zu vermeiden, mildern oder lösen.

The Inter Press Service – News Agency (IPS) ist eine weltweit tätige, nichtstaatliche Nachrichtenagentur ohne Erwerbszweck, die sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Entwicklung, der Globalisierung, der Menschenrechte und der Umwelt befasst.

Das US-amerikanische Institute for the Study of War (ISW) ist eine überparteiliche Forschungsorganisation im Bereich Militärangelegenheiten.

Jurist ist eine Online-Plattform für rechtliche Nachrichten und Kommentare. Dahinter steht ein Team von etwa 50 Studierenden der Rechtwissenschaften, Redakteur·innen, Kommentator·innen, Designer·innen und Entwickler·innen aus 12 Rechtsfakultäten in den USA, im Vereinigten Königreich und in Indien. Die Plattform wird in Zusammenarbeit mit der University of Pittsburgh School of Law in Pittsburgh, Pennsylvania, in den USA betrieben.

Die Khaama Press News Agency (KP) ist eine afghanische Online-Nachrichtenagentur.

MADRE ist eine international tätige US-amerikanische Frauenrechtsorganisation.

Die Schwedische Einwanderungsbehörde (Migrationsverket) ist eine Regierungseinrichtung, die für die Entscheidungsfindung und Bereitstellung von Dienstleistungen in den Bereichen Asyl, Migration und Staatsbürgerschaftswesen zuständig ist. Die Behörde betreibt eine Datenbank für Herkunftsländerinformationen namens Lifos.

Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) ist eine Abteilung des Sekretariats der Vereinten Nationen mit dem Auftrag, Menschenrechte zu fördern und zu schützen sowie Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) ist eine Rundfunkanstalt, die 1949 von der amerikanischen antikommunistischen Organisation National Committee for a Free Europe gegründet wurde und vom US-Kongress finanziert wird. Sie liefert Nachrichten aus Ländern in Osteuropa, Zentralasien und dem Nahen Osten.

Reporters Sans Frontières (RSF) (Deutsch: Reporter ohne Grenzen) ist eine in Paris ansässige internationale Nichtregierungsorganisation, die sich mittels Berichterstattung zu Verletzungen der Pressefreiheit für den Schutz der Meinungsfreiheit einsetzt.

Das Amt des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) ist eine US-Behörde, die sich mit der Aufsicht über den Wiederaufbau in Afghanistan befasst.

The South Asia Collective ist ein Zusammenschluss von Organisationen und Menschenrechtsaktivist·innen, die sich mit der Lage von Minderheiten in der Region auseinandersetzt.

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) ist eine politische Mission der Vereinten Nationen, welche auf der am 28. März 2002 vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Resolution 1401 basiert.

Die UNO-Generalversammlung (UN General Assembly, UNGA) ist die Vollversammlung der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen.

Das Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) ist eine Behörde der Vereinten Nationen mit dem Mandat zum Schutz und zur Unterstützung von Flüchtlingen und zur Hilfestellung bei freiwilliger Rückkehr, lokaler Integration und Neuansiedelung in einem Drittland.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN Human Rights Council (HRC), ehemals bekannt als UN Commission on Human Rights bzw. Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen), ist ein zwischenstaatliches Gremium innerhalb der Vereinten Nationen, das sich für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte weltweit einsetzt.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNSC), eines der sechs Hauptorgane der UNO, ist dafür verantwortlich, Frieden und internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten. Der UNSC veröffentlicht regelmäßig Berichte über ihre internationalen Missionen und weltweiten Entwicklungen, die Politik, Sicherheit, Menschenreche etc. betreffen.

Das US Department of State (USDOS) ist das Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika.

Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) ist eine staatliche Einrichtung der Vereinigten Staaten zur Beobachtung des Zustands der Meinungs- und Gewissens-, sowie der Religions- und Glaubensfreiheit im Ausland.

Voice of America (VOA) ist der offizielle staatliche Auslandssender der USA.

Die Washington Post (WP) ist eine US-amerikanische Tageszeitung.

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