Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Sicherheitslage für Ismailiten in der Provinz Baghlan; Berichte über gezielte Angriffe durch die Taliban oder Hezb-e Islami [a-9116]

3. April 2015

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Allgemeine Informationen zu Ismailiten in Afghanistan

Ludwig W. Adamec, Afghanistan-Experte und emeritierter Professor der University of Arizona, schreibt in seinem im Jahr 2012 erschienenen historischen Wörterbuch zu Afghanistan (vierte Auflage), dass es sich bei den Ismailiten um eine schiitische Religionsgemeinschaft handle, die nach dem Tod des schiitischen Imam Ismail im Jahr 765 entstanden sei. Die Ismailiten würden Ismail als letzten und siebenten Imam betrachten und dessen Rückkehr am Tag des Jüngsten Gerichts erwarten. Der aktuelle religiöse Führer der Ismailiten sei Karim Agha Khan IV., der für rund 300.000 in Afrika, Syrien, Iran, Tadschikistan, Indien, Pakistan sowie im Nordosten Afghanistans lebende Personen verantwortlich sei. Der Führer der ismailitischen Gemeinschaft in Afghanistan sei Nadir Shah Kayani, bekannt als Sayyid-I Kayan, gewesen. Bei den Ismailiten handle es sich um eine kleine Religionsgemeinschaft, die eine Zusammenarbeit mit den in ihrem Gebiet agierenden Mudschaheddin abgelehnt hätte. Nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban hätten sich die Ismailiten allerdings mit (Anti-Taliban-Milizenführer, Anm. ACCORD) Dostum verbündet:

„Isma’ilis (Isma’iliyya). A Shi’i Islamic sect begun when the Shi’i Imam Isma’il (son of Ja’far al-Sadeq) died in 765 A.D. and was thought by his followers to be the final, Seventh Imam, who was to return on the Day of Judgment. The present leader of the Isma’ili community is Karim, Agha Khan IV, who administers to some 300,000 people residing in Africa, Syria, Iran, Tajikistan, India, and Pakistan, as well as northeastern Afghanistan. […] The head of the Isma’ili community in Afghanistan was Nadir Shah Kayani, known as Sayyid-I Kayan. As a small sectarian community, the Isma’ilis refused to cooperate with the mujahedin groups operating in their territory, but they allied themselves with Dostum against the Taliban after the latter captured Kabul.” (Adamec, 2012, S. 217)

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) führt in seinem Länderbericht zur Religionsfreiheit vom Juli 2014 (Berichtszeitraum 2013) an, dass die Ismailiten sich selbst als Schiiten betrachten und rund zwei Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen würden:

„Sunni Muslims comprise 80 percent of the population and Shia Muslims make up about 19 percent, including Ismailis, who self-identify as Shia and make up approximately 2 percent of the total population.” (USDOS, 28. Juli 2014, Section 1)

In einem Beitrag für ein im Jahr 2007 erschienenes Buch über Afghanistan schreiben Nancy Hatch Dupree, Gründerin und Leiterin des Afghanistan Centre der Universität Kabul, und Thomas E. Gouttierre vom Center for Afghanistan Studies an der University of Nebraska, dass es in Afghanistan weniger Isamiliten als Imamiten (Anhänger der Zwölfer-Schia, Anm. ACCORD) gebe. Die Imamiten würden die Ismailiten als Häretiker ansehen. Wie die Autoren anführen, würden die Ismailiten hauptsächlich im oder in der Nähe des östlichen Hazarajat, im Gebiet Baghlan nördlich des Hindukuschs, unter der tadschikischen Bergbevölkerung in Badachschan sowie unter den Wakhi im Wakhan-Korridor leben:

„Ismaili communities in Afghanistan are less populous than the Imami who consider the Ismailis heretical. They are found primarily in and near the eastern Hazarajat, in the Baghlan area north of the Hindu Kush, among the mountain Tajik of Badakhshan, and amongst the Wakhi in the Wakhan Corridor.” (Dupree/Gouttierre, 2007, S. 107)

In einer Übersicht zu ethnischen Gruppen in Afghanistan aus dem Jahr 2001 beschreibt BBC News die schiitischen Ismailiten als eine regionalbezogene religiöse Minderheit. Ethnisch würden sich die Ismailiten vor allem aus Hazara, Tadschiken und Paschtunen zusammensetzen:

„The Shia Ismailis of Afghanistan are a religious rather than ethnic minority, but they do make up a distinct regionally based community. Ismailis come mainly from Hazara, Tajik and Pashtun backgrounds.” (BBC News, 2001)

Die Heritage Society, eine in Kanada ansässige gemeinnützige Organisation, die nach eigenen Angaben um die Bewahrung und Dokumentation ismailitischer Geschichte bemüht ist, betreibt die Website Ismaili.net. Dort findet sich ein undatierter Artikel von Mumtaz Ali Tajjdin, zu dem keine weiteren Informationen gefunden werden konnten. Dem Artikel zufolge würden fast 90 Prozent der Ismailiten in Afghanistan den Hazara und zwei Prozent den Tadschiken angehören. Eine Ausnahme bilde die Provinz Badachschan, in der alle Ismailiten den Tadschiken zugerechnet werden könnten. In Badachschan gebe es Schätzungen zufolge mehr als 200.000 Ismailiten:

„The Ismailis in Afghanistan except Badakhshan almost 90 percent belong to the ethnic of Hazara community and 2 percent to the Tajik ethnic. The Ismailis in Badakhshan entirely belong to Tajik ethnic. Hazarajat is however mainly Ismailis. […] It has been estimated without official record that there are over 200,000 Ismailis in Badakhshan, Afghanistan.” (Ismaili.net, ohne Datum)

Sicherheitslage für Ismailiten in der Provinz Baghlan; Berichte über gezielte Angriffe durch die Taliban oder Hezb-e Islami

Dr. Yahia Baiza, Wissenschaftler am in London ansässigen Institute of Ismaili Studies, das von Agha Khan, dem geistlichen Oberhaupt der Ismailiten, gegründet wurde und dessen erklärtes Ziel die Erforschung muslimischer Kulturen und Gesellschaften ist, übermittelte in einer E-Mail vom 1. April 2015 einen vom ihm im Jahr 2015 verfassten Kurzbericht zu Ismailiten in Afghanistan. Darin erwähnt Baiza, dass die Ismailiten in Afghanistan eine kleine und gefährdete („vulnerable“) Minderheit seien und oftmals Opfer religiöser Intoleranz geworden seien. Trotz der Entwicklungen in den vergangenen 14 Jahren (2002 bis 2015) sei die Gefahr des und Bedrohung durch den religiösen Extremismus in ganz Afghanistan deutlich erkennbar. Der Kurzbericht stelle eine Zusammenfassung der Situation von Ismailiten in Afghanistan und deren Sicherheitsproblemen dar. Er lege einen Fokus auf die Frage, wie politische Entwicklungen in Afghanistan das Leben von afghanischen Ismailiten, darunter auch in der Provinz Baghlan, beeinträchtigen könnten. Der Kurzbericht basiere auf der kontinuierlichen Forschung des Autors zu Geschichte, Politik, Religion und dem Leben von Ismailiten in Afghanistan.

Wie Baiza anführt, sorge die derzeitige problematische Sicherheitslage („security gap“) und die Unfähigkeit der Zentralregierung, dieses Problem effektiv anzugehen, für große Besorgnis, insbesondere unter Minderheitengruppen. Inmitten all der politischen Unsicherheiten sei eine Sache allerdings klar: Das Leben von Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten, insbesondere von Schiiten, sei immer in Gefahr. Während der vergangenen Jahre hätten die Taliban und andere extremistische Gruppierungen gezielt Hazara, und vor allem schiitische Hazara, entführt und getötet.

Gegenwärtig sei es einem tadschikischen Ismailiten oder einem ismailitischen Hazara in keinem Landesteil Afghanistans (außer im Stadtzentrum von Kabul) möglich, sich offen als ismailitischer Muslim zu bekennen. Man müsse anerkennen, dass sich die Menschen in Afghanistan stark verändert hätten. Diejenigen, die zumindest in den Iran oder nach Pakistan migriert seien, hätten dort eine andere Welt gesehen und seien wesentlich offener geworden. Diese Personen würden religiösen und ethnischen Pluralismus begrüßen. Jedoch müsse man auch bedenken, dass viele junge Leute in diesen Ländern in Richtung eines religiösen Fundamentalismus und Extremismus indoktriniert worden seien. Es sei deshalb nicht überraschend, dass der religiöse Extremismus Unterstützer in vielen Gesellschaftsschichten habe.

Vor zwei Jahren habe Gulbuddin Hikmatyar (Anführer der Hizb-e Islami, Anm. ACCORD) öffentlich seine Absicht erklärt, Schiiten bestrafen zu wollen. Er habe deutlich gemacht, dass er dies tun werde, sobald die ausländischen Truppen abgezogen seien. Angesichts der Vergangenheit von Gulbuddin Hikmatyar und seiner Allianz mit den Taliban hätten die Ismailiten, insbesondere die im Norden Afghanistans, jedes Recht, besorgt zu sein und sich vor religiösem Extremismus in Afghanistan zu fürchten.

Ein Theologieprofessor an der Universität in Kabul habe vor weniger als zwei Jahren die Ismailiten in seinem Buch, das er zur Erlangung seiner Professur geschrieben habe, als Ungläubige (kufar) und als unreligiös (mulhid) bezeichnet. Solche Ansichten würden den afghanischen Ismailiten, unabhängig davon, in welchem Teil des Landes sie leben würden, Furcht einflößen.

Baiza führt weiters an, dass die Taliban selbst unter hochrangigen Politikern in Afghanistan zunehmende Akzeptanz finden würden. Darüber hinaus gebe es eine neue Bedrohung, die aus dem Nahen Osten komme. Seit kurzem gebe es insbesondere in öffentlichen Mainstream-Medien in zunehmendem Maße Debatten und Berichte über die Präsenz des Islamischen Staates (IS) in Afghanistan. Viele Taliban-Kämpfer und -kommandanten hätten dem IS-Anführer im Irak ihre Treue geschworen. In Syrien habe der IS viele ismailitische Familien getötet. Ohne Zweifel habe die zunehmende Präsenz des IS und der Taliban in Afghanistan im Allgemeinen und in den nördlichen Provinzen im Besonderen zu Sorgen bei den Ismailiten hinsichtlich ihrer Sicherheit geführt.

Schlussfolgernd schreibt Baiza, dass die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin unberechenbar sei. Die Ismailiten würden weiterhin zu den gefährdetsten („most vulnerable“) Minderheitengruppen zählen. Angesichts der Vergangenheit und der jüngsten Geschichte des Landes würden die Sicherheitslage und die politische Lage in den nächsten Jahrzehnten die größte Sorge aller Ismailiten sein:

Introduction

The Ismailis in Afghanistan constitute a small and vulnerable minority group. They have often been victims of religious intolerance. Despite recent developments in the past fourteen years (2002-15), the danger and threat of religious extremism is highly visible throughout Afghanistan. […]

This brief writing presents a synopsis of the Ismailis of Afghanistan and their security concerns. In analyzing the security developments in Afghanistan, this brief synopsis focuses on how political developments in the country might affect the life of Ismailis in Afghanistan, including those in the Baghlan Province. It is based on the writer’s continuous research on the history, politics, religion and the life of Ismailis in Afghanistan.

Afghanistan: a land of unpredictable events

[…]

The current security gap and the inability of the central government to address it effectively, have made people, particularly minority groups, extremely worried.

Amid all these political uncertainties, one thing is certain: the life of religious and ethnic minorities, particularly Shia Muslims, is always at risk. Over the past years, the Taliban and other religious extremist groups have intentionally targeted the kidnapping and killing of Hazaras, particularly of Shia background. A recent event involved the kidnapping of 30 Hazara Shia Muslims in Uruzgan province of Afghanistan. It shows how minority groups, particularly of Shia background, are vulnerable in Afghanistan.

Today, it is not possible for a Tajik or Hazara Ismaili in any part of Afghanistan, except the city centre in Kabul, to openly identify himself/herself as an Ismaili Muslim. One ought to acknowledge the fact that the people in Afghanistan have changed tremendously. Those who have migrated at least to Iran and Pakistan have seen a different world, where they have become much more open minded and welcome religious and ethnic pluralism. However, one ought also to remember that many young people in these countries have been indoctrinated into religious fundamentalism and extremism. It is, therefore, not surprising that religious extremism has supporters among many segments of society.

Religious extremism and the Ismailis’ security concerns

[…]

Two years ago, Gulbuddin Hikmatyar publically declared his intention of punishing Shia Muslims in an open statement, which he issued on the occasion of the religious festival of sacrifice. He clearly stated that he would do it as soon as the foreign military forces leave the country. Given Gulbuddin Hikmatyar’s past, and his alliance with the Taliban, the Ismailis of Afghanistan, particularly those in the north, have every right to be concerned and fearful of religious extremism in Afghanistan.

Less than two years ago, a professor of theology at Kabul University in Kabul described the Ismailis as infidels (kufar) and irreligious (mulhid) in his book, which he wrote to obtain his professorship degree from the university. Undoubtedly, such views are terrifying for the Ismailis of Afghanistan, regardless in which part of the country they reside.

The Taliban and the ISIS: old and new threats

The Taliban find increasing acceptance even among high ranking politicians in Afghanistan. Recently, President Ashraf Ghani Ahmadzai has stated that the government should give a formal apology to the Taliban, some of whom have wrongly been put in prison and punished. The Taliban have been responsible for the killing and massacre of thousands of people, particularly Shia Muslims in Afghanistan. Despite the president’s good intention behind offering an apology to the Taliban, in order to heal national wounds, it is not clear how armed fighters, who identify themselves with the Taliban ideology, could be innocent; and how these innocent Taliban are different from those innocent civilians who have been killed and massacred by the Taliban. These unpredictable developments are causing serious concerns to the ordinary people, particularly the Shia Muslims in Afghanistan.

There is also a new threat coming from the Middle East. Recently, there have been increasing debates and reports, particularly in the mainstream public media, about the presence of the Islamic State of Iraq and Syria (ISIS, also known as the Islamic State, IS) in Afghanistan. Many Taliban fighters and commanders have pledged their allegiance to the ISIS leader in Iraq.

The horror of ISIS is not hidden from the public. They have been massacring many Ismaili families in Syria. On 21 March they killed 70 Ismailis in Salamiya, a major Ismaili city in Syria. Undoubtedly, the increasing presence of ISIS and the Taliban in Afghanistan in general and in the northern provinces in particular has made the Ismailis worried about their safety and security.

Conclusion

The security situation in Afghanistan remains unpredictable. The Ismailis continue to be among the most vulnerable minority groups. Given the past and recent history of the country, the security and political situation will be the highest concern for all Ismailis in the decades to come.” (Baiza, 2015)

Darüber hinaus konnten keine spezifischen Informationen zur Sicherheitslage für Ismailiten in der Provinz Baghlan gefunden werden. Die Fragestellung wurde daher an weitere externe Experten weitergeleitet. Sollte eine Antwort einlangen, werden wir diese unverzüglich an Sie weiterleiten.

 

Folgende zwei Quellen wurden gefunden, die Informationen zur Lage (jedoch nicht zur Sicherheitslage) von Ismailiten in der Provinz Baghlan beinhalten:

 

Der staatliche afghanische Fernsehsender National Afghanistan TV erwähnt im Februar 2015, dass der zweite Vizepräsident des Landes, Sarwar Danesh, Mitglieder des Koordinierungsrates der afghanischen Ismailiten empfangen habe. Der Rat habe sich über das diskriminierende Vorgehen von Beamten im Distrikt Tala wa Barfak in der Provinz Baghlan beschwert:

Second Vice-President Sarwar Danesh receives members of the coordinating council of Afghan Ismaili sect. Sarwar Danesh says discrimination and prejudice are no longer acceptable. The council complains about the discriminatory approach of officials in Tala wa Barfak District, Baghlan Province.” (National Afghanistan TV, 18. Februar 2015)

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) geht in einem Bericht vom Mai 2011 unter anderem auf Binnenvertriebene in der Provinz Baghlan ein. Der Bericht führt den Fall einer Gruppe von 63 ismailitischen Familien an, die behaupten würden, ihnen seien von der Nadschibullah-Regierung im Jahr 1988 jeweils zehn Dscherib (Maßeinheit für Land in Afghanistan; ein Dscherib entspricht 2.000m2, Anm. ACCORD) Land zugesprochen worden. Als regierungsfeindliche Elemente die Provinz Baghlan im Jahr 1998 eingenommen hätten, seien die Ismailiten gezwungen gewesen, nach Pakistan zu fliehen. 2002 seien sie allerdings nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Larkhabi-Stamm habe jedoch das Eigentum an dem Land beansprucht und die Ismailiten am Zugang zu dem Gebiet gehindert. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts würden die Ismailiten als Vertriebene in einer Gegend in der Nähe von Pul-I-Khumri leben:

Puli Khumri, Baghlan - A group of 63 Ismaili returnee families claim that 10 Jeribs of land was allocated for each by the Najibullah Government in 1988. In 1998, when the AGE [Anti Government Elements] captured the province, the Ismailis were forced to flee to Pakistan but in 2002 they returned to Afghanistan. However the Larkhabi tribe which lives across the road from the disputed land prevented the Ismailis from accessing the area by claiming ownership to the particular land. Currently the Ismailis are living in displacement in an area close to Pul-I-Khumri of Baghlan province.” (UNHCR, 11. Mai 2011)

Im Folgenden finden sich allgemeinere Informationen zur Lage von Ismailiten in Afghanistan:

 

Marine Corps Intelligence Activity (MCIA), der Militärnachrichtendienst des United States Marine Corps, schreibt in einem undatierten Überblick zu Tadschiken in Afghanistan, dass ismailitischen Bergtadschiken in Afghanistan von anderen ethnischen Gruppen im Allgemeinen mit Misstrauen begegnet werde. Wie MCIA anführt, würden sie als weniger eifrig als andere Muslime angesehen. In den meisten Fällen sei ihr wirtschaftlicher Status sehr schlecht:

Mountain Tajik Ismailis in Afghanistan are generally regarded with suspicion by other ethnic groups. For the most part their economic status is very poor. Considered less zealous than other Afghan Muslims, Ismaili are seen to follow their leaders uncritically.” (MCIA, ohne Datum, S. 17)

In seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum 2013) erwähnt das USDOS, dass es wenige Berichte über gezielte Diskriminierungen von Ismailiten gegeben habe:

There were few reports of targeted discrimination against Ismailis (a minority Shia Muslim group).” (USDOS, 27. Februar 2014, Section 6)

Dieselbe Quelle führt in ihrem bereits weiter oben zitierten Länderbericht zur Religionsfreiheit vom Juli 2014 (Berichtszeitraum 2013) an, dass, obwohl vier Ismailiten Parlamentsmitglieder gewesen seien, sich einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft darüber beschwert hätten, dass ihnen einflussreiche politische Positionen vorenthalten blieben:

Although four Ismailis served as members of parliament, some members of the Ismaili community complained of being excluded from positions of political authority.” (USDOS, 28. Juli 2014, Section 2)

Der vom US-amerikanischen Kongress finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet in einem Artikel vom Februar 2014, dass bei einem Selbstmordanschlag auf ein schiitisches Kulturzentrum in Kabul eine Person getötet und vier weitere verletzt worden seien. Laut Angaben des Innenministeriums habe der Angreifer den Sprengstoff gezündet, nachdem ihn ein Wachmann am Zutritt zum Kulturzentrum der ismailitischen Glaubensgemeinschaft gehindert habe. Niemand habe sich zu dem Anschlag bekannt, allerdings hätten sich in der Vergangenheit die Taliban zu solchen Angriffen bekannt:

A suicide bomber targeting a Shi’ite cultural center has killed one person and wounded four others in the Afghan capital, Kabul. The Interior Ministry said the attacker's explosives detonated on the morning of February 20 after a security guard prevented the attacker from entering the Naser Khosraw-e-Balkhi Culture Center of the Ismailia sect. The bomber and the security guard were both killed in the blast. No one claimed responsibility but in the past such strikes have been claimed by the Taliban.” (RFE/RL, 20. Februar 2014)

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, schreibt in einem zuletzt im Juni 2014 aktualisierten Länderprofil zu Afghanistan, das auf der Website der Wohltätigkeitsorganisation Tony Blair Faith Foundation veröffentlicht wurde, dass die (schiitisch-)ismailitische Minderheit, die in zwei isolierte Gruppen in den Provinzen Baghlan und Badachschan geteilt sei, unter Druck gesetzt werde. Dies geschehe vor allem durch radikale Sunniten, von denen die Ismailiten als „Nicht-Muslime“ angesehen würden:

The (Shia) Ismaili minority, split into two isolated groups in the Baghlan and Badakhshan provinces, are also pressured; particularly by radical Sunnis, by whom they are considered 'non-Muslim'.” (Tony Blair Faith Foundation, 16. Juni 2014)

Einige wenige weitere Informationen zur Lage von Ismailiten in Afghanistan finden sich in folgender Anfragebeantwortung:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von Ismailiten [a-8500-1], 28. August 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/257562/382829_de.html

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in der Provinz Baghlan entnehmen Sie bitte folgender Anfragebeantwortung:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Provinz Baghlan [a-9051], 13. Februar 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/296814/433159_de.html

 

Informationen zur Situation von Schiiten in Afghanistan finden sich unter anderem in folgenden Dokumenten:

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan [HCR/EG/AFG/13/01], 6. August 2013, S. 45 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1375862717_2013-08-06-unhcr-afghanistan-eligibility-guidelines.pdf

·      USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: United States Commission on International Religious Freedom - Annual Report 2014 - 15th Anniversary Retrospective: Renewing the Commitment, 30. April 2014, S. 110
http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF 2014 Annual Report PDF.pdf

·      USDOS - US Department of State: 2013 International Religious Freedom Report - Afghanistan, 28. Juli 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/281815/412196_de.html

 

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 3. April 2015)

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von Ismailiten [a-8500-1], 28. August 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/257562/382829_de.html

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Provinz Baghlan [a-9051], 13. Februar 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/296814/433159_de.html

·      Adamec, Ludwig W.: Historical Dictionary of Afghanistan, 4th edition, 2012

·      Baiza, Yahia: Ismailis in Afghanistan and their security concerns: a brief synopsis, 2015

·      BBC News: War on Terror: Key Maps: Ethnic Ismaili, 2001
http://news.bbc.co.uk/hi/english/static/in_depth/world/2001/war_on_terror/key_maps/ethnic_ismaili.stm

·      Dupree, Nancy Hatch / Gouttierre, Thomas E.: Chapter 2: The Society and Its Environment, S. 54-133. In: Afghanistan: Past and Present (Hg.: Alfred Aghajanian), 2007 (Auszüge auf Google Books verfügbar)
http://books.google.at/books?id=a0Mp1AHpp0gC&pg=PA107&dq=ismailis+shia+afghanistan+religious+groups&hl=de&sa=X&ei=gbgdUsLOIpCP7Abnk4GADQ&ved=0CDMQ6AEwAA#v=onepage&q=ismailis%20shia%20afghanistan%20religious%20groups&f=false

·      Ismaili.net: Ismailis in Afghanistan (Autor: Mumtaz Ali Tajjdin), ohne Datum
http://ismaili.net/Source/mumtaz/behsud/ismailis.html

·      MCIA - Marine Corps Intelligence Activity: Central Asian Cultural Intelligence for Military Operations: Tajiks in Afghanistan, ohne Datum (verfügbar auf Website von Public Intelligence)
https://info.publicintelligence.net/MCIA-AfghanCultures/Tajik.pdf

·      National Afghanistan TV: [Programme summary of National Afghanistan TV news 1530 gmt 18 Feb 15], 18. Februar 2015 (zitiert nach BBC Monitoring)

·      RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty: Suicide Bomber Targets Shi’ite Cultural Center In Kabul, 20. Februar 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/270195/398709_de.html

·      Tony Blair Faith Foundation: Country Profile Afghanistan (Autor: Thomas Ruttig), letzte Aktualisierung am 16. Juni 2014
http://tonyblairfaithfoundation.org/religion-geopolitics/country-profiles/afghanistan/situation-report

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Afghanistan Protection Cluster: Protection Overview (Northern and North-Eastern Region - 2010), 11. Mai 2011 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1305723532_4dd21fe52.pdf

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan [HCR/EG/AFG/13/01], 6. August 2013 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1375862717_2013-08-06-unhcr-afghanistan-eligibility-guidelines.pdf

·      USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: United States Commission on International Religious Freedom - Annual Report 2014 - 15th Anniversary Retrospective: Renewing the Commitment, 30. April 2014
http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF 2014 Annual Report PDF.pdf

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Afghanistan, 27. Februar 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/270628/399487_de.html

·      USDOS - US Department of State: 2013 International Religious Freedom Report - Afghanistan, 28. Juli 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/281815/412196_de.html