Übersicht zum Land

Fläche: 117.600 km²
Hauptstadt: Asmara
Einwohnerzahl: ca. 6,3 Mio.
Amtssprachen: Tigrinya, Arabisch, Englisch
Währung: Nakfa[1]

1. Kurzüberblick zu Eritrea

Von 1890 bis 1941 befand sich das Gebiet des heutigen Eritreas unter italienischer Kolonialherrschaft. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es von Großbritannien erobert und stand unter britischer Militärverwaltung. Ab dem Jahr 1952 bestand eine Föderation mit Äthiopien, jedoch wurde Eritrea 1962 vom äthiopischen Kaiser Haile Selassie annektiert. In den frühen 1960er-Jahren begann die Eritreische Befreiungsfront (Eritrean Liberation Front, ELF) einen Unabhängigkeitskrieg, wobei sich die Eritreische Volksbefreiungsfront (Eritrean People's Liberation Front, EPLF) in den 1970er-Jahren von der ELF abspaltete.[2] Der 30-jährige Konflikt endete 1991, nachdem eritreische Kämpfer die Regierungskräfte besiegt hatten.[3] Bei einem Referendum im April 1993 stimmte die überwältigende Mehrheit der Eritreer·innen für die Unabhängigkeit. Im Mai 1993 wurde Isaias Afwerki, der Generalsekretär der EPLF, zum Präsidenten einer Übergangsregierung ernannt, und die offizielle Unabhängigkeit Eritreas verkündet.[4] Die EPLF wurde 1994 in Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (People’s Front for Democracy and Justice) umbenannt.[5]

Nach dem Grenzkrieg mit Äthiopien (1998–2000) erfolgte eine umfassende Militarisierung der Gesellschaft, begleitet von einer Einschränkung der Privatwirtschaft zugunsten staatlich gelenkter Unternehmen.[6] Die Spannungen an der geschlossenen und stark befestigten Grenze zu Äthiopien blieben bis ins Jahr 2018 hoch, als Äthiopien eine überraschende diplomatische Initiative startete, die den Kriegszustand zwischen den beiden Ländern offiziell beendete.[7]

Eritrea ist ein Einparteienstaat mit einer hochmilitarisierten Gesellschaft[8] und es besteht weder eine in Kraft getretene Verfassung noch wird Gewaltenteilung ausgeübt (siehe auch Gesetzesübersicht zu Eritrea). Die bürgerlichen Grundrechte sind erheblich eingeschränkt.[9] Isaias Afwerki ist seit der Unabhängigkeit der einzige Präsident Eritreas. Seine Herrschaft, insbesondere seit 2001, ist durch ein stark autokratisches und repressives Vorgehen gekennzeichnet.[10] HRW zufolge gibt es in Eritrea keine Legislative, keine unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Medien und keine unabhängige Judikative und seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1993 haben noch nie Wahlen stattgefunden.[11] Anhaltende Konflikte und schwere Dürreperioden haben Eritreas Agrarwirtschaft beeinträchtigt, und das Land ist nach wie vor eines der ärmsten in Afrika. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind in den vergangenen Jahren Hunderttausende Eritreer·innen aus dem Land geflohen und haben sich über die Sahara und das Mittelmeer nach Europa begeben.[12]

2. Wehrdienst

Alle Staatsbürger·innen zwischen 18 und 50 Jahren sind gesetzlich verpflichtet einen 18-monatigen Nationaldienst abzuleisten, wobei es begrenzte Ausnahmen gibt. In Notstandszeiten kann die Regierung die Dauer des Nationaldienstes auf unbestimmte Zeit verlängern, und seit Beginn des Krieges mit Äthiopien 1998 befindet sich das Land offiziell im Ausnahmezustand.[13] Eritrea verfolgt eine Politik des unbefristeten Nationaldienstes, der eine Zivildienstkomponente und eine verpflichtende Militärdienstkomponente umfasst.[14] Zumeist werden Männer und unverheiratete Frauen zu einem geringen Lohn und ohne Mitspracherecht bei der Wahl ihres Berufs oder ihres Arbeitsortes verpflichtet.[15] Außerdem gibt es eine Pflichtmiliz (siehe auch SEM, 17. Dezember 2019) für alle Männer, die nicht zum Militär gehören, darunter viele, die aus dem Nationaldienst entlassen wurden, in der Vergangenheit vom Militärdienst befreit waren oder älter sind. Das Gesetz sieht weder Kriegsdienstverweigerung aus religiösen Gründen vor, noch gibt es alternative Aktivitäten für Personen, die bereit sind, Nationaldienst zu leisten, aber nicht bereit sind, sich an militärischen oder Milizaktivitäten zu beteiligen.[16] Deserteur·innen und Wehrdienstverweiger·innen waren dem Bericht des UN-Sonderberichterstatters zur Menschenrechtslage in Eritrea vom Mai 2023 weiterhin willkürlicher Inhaftierung unter schwersten Strafen, gewaltsamem Verschwindenlassen und Folter ausgesetzt.[17] (-> ecoi.net-Suche zum Wehr- bzw. Nationaldienst)

3. Zwangseinberufung und Zwangsarbeit

Der UN-Sonderberichterstatter erwähnt in seinem Bericht vom Mai 2023 einen Anstieg von Zwangseinberufungen zwischen Mitte und Ende des Jahres 2022. Zwangsmaßnahmen wurden in steigendem Ausmaß gesetzt, um die Bevölkerung zu mobilisieren und Einzelpersonen zur Teilnahme an Militäraktionen in Äthiopien (in der Region Tigray)[18] zu zwingen. Die eritreische Armee führte im ganzen Land groß angelegte Einberufungsaktionen durch und Berichten zufolge kam es zu schweren Razzien (auf Tigrinya als „giffa“ bezeichnet), die im August 2022 eskalierten.[19] Die Zunahme der weit verbreiteten und willkürlichen Razzien führte unter anderem dazu, dass eine beträchtliche Anzahl von Kindern im schulpflichtigen Alter aus der Schule genommen und zum Militär eingezogen wurde. Um der Einberufung zu entgehen, brechen die Kinder ihre Ausbildung ab, um unterzutauchen und/oder in immer jüngerem Alter aus dem Land zu fliehen. Neben der Androhung von Strafen gegen die Wehrpflichtigen selbst wurden auch ihren Familien schwere Strafen angedroht. In einigen Fällen wurden Familien gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben.[20]

Eritreer·innen müssen im Rahmen des verpflichtenden Nationaldienstes, der Bürgermiliz und öffentlicher Bauprojekte Zwangsarbeit leisten. Die meisten Personen wurden nach ihrer verpflichtenden Dienstzeit nicht aus den staatlichen Arbeitseinheiten demobilisiert, sondern unter Androhung von Inhaftierung, Folter oder Repressalien gegen ihre Familien zu unbefristetem Dienst gezwungen. Darüber hinaus verfolgte die Regierung eine Politik, die die Mobilisierung von Kindern zur Zwangsarbeit, üblicherweise in der Landwirtschaft während des Sommerarbeitsprogramms für SchülerInnen (Maetot), aufrechterhielt.[21]

4. Meinungsfreiheit

Dem UN-Sonderberichterstatter zufolge gibt es in Eritrea keinen Raum für die Artikulation jeglicher Form von politischer Opposition, die Äußerung kritischer Ansichten oder den freien Austausch von Ideen und Meinungen.[22] Reporter ohne Grenzen (RSF) zufolge ist Meinungsfreiheit in Eritrea nicht vorhanden und Journalismus praktisch verboten.[23] Öffentliche oder private Kritik an der Regierung ist durch Einschüchterung seitens der nationalen Sicherheitskräfte stark beschränkt. Das Gesetz verbietet private Rundfunk- und Fernsehsender sowie ausländisches Eigentum an Medien.[24] Im Jahr 2001 ließ Isaias Afwerki alle unabhängigen Zeitungen schließen.[25] Etwa 16 Journalist·innen, darunter der schwedisch-eritreische Journalist und Dichter Dawit Isaak, sind seit mehr als 20 Jahren verschwunden und damit die am längsten inhaftierten Journalist·innen der Welt.[26] Auf dem Index zur Pressefreiheit von RSF belegt Eritrea im Jahr 2023 Platz 174 von 180.[27] Die Regierung kontrolliert alle inländischen Medien, darunter eine in vier Sprachen erscheinende Zeitung, drei Radiosender und zwei Fernsehsender. Das Gesetz schreibt vor, dass Journalist·innen eine Lizenz besitzen müssen. Das Gesetz schränkt den Druck und die Veröffentlichung von Materialien durch Personen ein, die keine Genehmigung haben, und der Druck oder die Verbreitung verbotener ausländischer Veröffentlichungen wird unter Strafe gestellt.[28] (-> ecoi.net-Suche zur Meinungsfreiheit)

5. Willkürliche Haft

Die Behörden nehmen gezielt tatsächliche oder vermeintliche Regierungskritiker·innen und -gegner·innen ins Visier und inhaftieren sie ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren. Journalist·innen, politische Gegner·innen oder politisch aktive Personen, Künstler·innen, gläubige Menschen, Wehrdienstverweigerer·innen und zurückgekehrte Asylwerber·innen werden dem UN-Sonderberichterstatter zufolge weiterhin willkürlich inhaftiert, in vielen Fällen über längere Zeiträume hinweg.[29] Laut dem Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums für das Jahr 2022 nahmen die Behörden in einigen Fällen Personen fest, deren Papiere nicht in Ordnung waren, und hielten sie fest, bis sie ihren Milizstatus oder ihre Demobilisierung aus dem Nationaldienst nachweisen konnten.[30] Zahllose Gefangene innerhalb des ausgedehnten formellen und informellen Gefängnisnetzes des Landes werden in überfüllten Haftanstalten mit unzureichender Ernährung, Wasserversorgung und medizinischer Versorgung festgehalten.[31] (-> ecoi.net-Suche zu willkürlichen Verhaftungen)


Fußnoten

[1] CIA – Central Intelligence Agency: The World Fact Book – Eritrea, letzte Aktualisierung am 9. Jänner 2024, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/

[2] BpB – Bundeszentrale für politische Bildung: Der lange Arm des Regimes – Eritrea und seine Diaspora, 16. April 2023, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/ostafrika/304246/der-lange-arm-des-regimes-eritrea-und-seine-diaspora/#footnote-target-1

[3] CIA – Central Intelligence Agency: The World Fact Book – Eritrea, letzte Aktualisierung am 9. Jänner 2024, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/

[4] Encyclopaedia Britannica: Eritrea - History, letzte Aktualisierung am 11. Jänner 2024, https://www.britannica.com/place/Eritrea/Federation-with-Ethiopia

[5] Encyclopaedia Britannica: Eritrea - Government and society, letzte Aktualisierung am 11. Jänner 2024, https://www.britannica.com/place/Eritrea/Transportation#ref37660

[6] Auswärtiges Amt (Deutschland): Eritrea: Politisches Porträt, 18. September 2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/eritrea-node/politisches-portraet/226210

[7] BBC News: Eritrea country profile, 18. April 2023, https://www.bbc.com/news/world-africa-13349078

[8] BBC News: Eritrea country profile, 18. April 2023, https://www.bbc.com/news/world-africa-13349078

[9] Auswärtiges Amt (Deutschland): Eritrea: Politisches Porträt, 18. September 2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/eritrea-node/politisches-portraet/226210

[10] CIA – Central Intelligence Agency: The World Fact Book – Eritrea, letzte Aktualisierung am 9. Jänner 2024, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/

[11] HRW – Human Rights Watch: World Report 2023 - Eritrea, 12. Jänner 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085412.html

[12] BBC News: Eritrea country profile, 18. April 2023, https://www.bbc.com/news/world-africa-13349078

[13] USDOS – US Department of State: 2022 Report on International Religious Freedom: Eritrea, 15. Mai 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091856.html

[14] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 7

[15] HRW – Human Rights Watch: World Report 2023 - Eritrea, 12. Jänner 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085412.html

[16] USDOS – US Department of State: 2022 Report on International Religious Freedom: Eritrea, 15. Mai 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091856.html

[17] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 7

[18] Siehe: Deutschlandfunk: Der Krieg in der Region Tigray, 11. Dezember 2022, https://www.deutschlandfunk.de/aethiopien-tigray-konflikt-100.html

[19] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 7-8

[20] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 8

[21] USDOS – US Department of State: 2023 Trafficking in Persons Report: Eritrea, 15. Juni 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2093603.html

[22] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 10

[23] RSF - Reporters Without Borders: Africa, Eritrea, ohne Datum, https://rsf.org/en/country/eritrea

[24] USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, 20. März 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089067.html, Section 2a

[25] HRW – Human Rights Watch: World Report 2023 - Eritrea, 12. Jänner 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085412.html

[26] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 10

[27] RSF - Reporters Without Borders: Africa, Eritrea, ohne Datum, https://rsf.org/en/country/eritrea

[28] USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, 20. März 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089067.html, Section 2a

[29] HRC – UN Human Rights Council: Situation of human rights in Eritrea; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, 9. Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, S. 10

[30] USDOS – US Department of State: 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, 20. März 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089067.html, section 1d

[31] HRW – Human Rights Watch: World Report 2023 - Eritrea, 12. Jänner 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085412.html