a-4480 (ACC-BIH-4480)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:

In einem Artikel des Institute for War and Peace Reporting (IWPR) vom 3. Februar 2003 wird von einem bevorstehenden Prozess gegen einen bosnischen Muslim berichtet, der drei bosnische Kroaten erschossen haben soll. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass der Mann seit 1996 Mitglied der Vehabije, einer radikalislamischen Gruppierung, sei. Deren Name leite sich von der aus Saudi-Arabien stammenden islamischen Sekte der Wahhabiten ab:
“The arrest of a Muslim man accused of murdering three Bosnian Croats highlights the rise of ethnically motivated violence since last October's elections. Muamer Topalovic, a 26-year-old Bosniak (Bosnian Muslim), is due to stand trial in Mostar at the end of the February. It is alleged that he broke into the home of a Bosnian Croat family in the village of Kostajnica near Konjic, some 80 km south of Sarajevo, and opened fire with an AK-47 assault rifle.
Topalovic's court-appointed defence lawyer Aid Glavovic told IWPR, "His life story is a classic example of post-traumatic stress disorder", adding that the accused was only 15 years of age when the Bosnian war started in 1992. However, others are pointing the finger at the influence of radical Islamic organisations, whose lectures Topalovic is believed to have attended. In 1996, Topalovic joined the Vehabije - Muslims who follow a radical form of Islam, at odds with Bosnia's more tolerant Ottoman Muslim heritage. The group takes its name from the Wahabbi sect, a Saudi-based movement, whose adherents see themselves as the only true Muslims.” (IWPR, 3. Februar 2003)
IWPR nennt in dem Artikel weiters zwei Organisationen, die den Wahhabismus in Bosnien vertreten würden: Active Islamic Youth and Al Furkan. Die Morde seien vom Führer der muslimischen Gemeinde und von großen Teilen der bosnischen Gesellschaft verurteilt worden:
“Two organisations promote Wahabbi Islam in Bosnia - Active Islamic Youth and Al Furkan. At the beginning of the police investigation, Topalovic apparently told officers that he was a member of both - a claim that has since been denied by the organisations. Mustafa Ceric, the leader of Bosnia's Muslim community, was among the first to condemn the murder of innocent Croat returnees as "a crime against the faith of Islam", and called on young people to "stay away from superstition, false books, and teachers who do not want to understand the authentic life in our homeland". Whatever the motive for the killings, much of the country briefly united in condemning the violent nationalism that appears to be on the rise since October. Even Topalovic's father, Avdija, joined the chorus. "He is not my son any more. I do not want to hear about him ever again," he said.” (IWPR, 3. Februar 2003)
Der Serbian Unity Congress zitiert die Federation News Agency vom 17. April 2002, wonach in einer Analyse der NATO neun islamische Organisationen und Hilfsorganisationen in Bosnien erwähnt werden. Darunter auch Vehabije, die 1995 registriert worden sei und vom Sudan und Saudi-Arabien finanziert werde. Besonders aktiv sei die Organisation in Velika Kladusa, ihr dortiger Führer heiße Osman Galijasevic:
“Nine Islamic and several aid organizations are listed in a NATO analysis used as a basis for intelligence and security processing of individuals and organizations in Bosnia-Hercegovina, [the Banja Luka-based daily] Nezavisne novine reported today.  The analysis mentions the Elbard Bosnia (Free Bosnia) organization which is based in Zenica and Vehabije, a religious organization registered in 1995 and financed by Sudan and Saudi Arabia. Vehabije is particularly active in the Velika Kladusa region where it is headed by Osman Galijasevic. The NATO analysis says that evidence exists of links between the Red Rose organization and Hamas. It also mentions the Zetra organization which is active in the Cazin area, the Patriotic League which was registered as a political party at the beginning of the war in Bosnia and the extremist organization From Three to Nine. The Active Islamic Youth, headed by Adnan Pezo of Zenica, is also listed among organizations with terrorist links. The NATO analysis also mentions the Muslim Youth Association based in the municipality of Stari Grad in Sarajevo, the youth organization of the extreme Islamic organizations Young Muslims and Fatih which cultivate the traditions of the mojahedin [wartime unit] El Fatih. The Gorazde-based Hamas Turabe extremist organization is also mentioned as well as the Islamic Warriors, a paramilitary formation of local extremists which is active in the Kakanj area, the Pharaohs and the Oric Group. The analysis also lists the Black Swans organization and the Seve terrorist organization which was modelled on the Iranian secret intelligence organizations. The aid organizations with terrorist links are Nahala, Fund for Islamic Revival, Human Appeal International, Al Haramani and TWRA. According to the Israeli secret services, this terrorist network in the Balkans (Bosnia, Macedonia, Albania, Bulgaria, Kosovo-Metohija and southern Serbia) is a part of the global Islamic terrorist network and it consists of some 6,000 terrorists. (Serbian Unity Congress, 18. April 2002)
Der Standard berichtet am 16. September 2004 über die Verfolgung von militanten Islamisten durch die bosnischen Staatsanwaltschaft:
„Der Leiter der Sonderabteilung für Organisierte Kriminalität bei der bosnischen Staatsanwaltschaft, John McNair, hat die Übernahme der Ermittlungen gegen einen militanten Islamisten als "bedeutenden Meilenstein" und "ersten in einer Serie von Fällen" bezeichnet, die künftig von bosnischen Behörden durchgeführt werden könnten. Bei dem im Juni von Kanada nach Bosnien ausgelieferten Mann handelt es sich um einen Bosnier irakischer Herkunft, der während des Bosnien-Krieges zwischen 1992 und 1995 nicht-moslemische Geiseln misshandelt und gefangen gehalten haben soll. Eine der Geiseln wurde später enthauptet. Die Erlaubnis zur Übernahme des Falls - des ersten Kriegsverbrecherverfahrens, in den islamistische Mujaheddin-Kämpfer verwickelt sind - erteilte Ende vergangener Woche das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Inwieweit sich die Ermittlungen auf Aktivitäten des Angeschuldigten nach dem Ende des Bosnien-Krieges beziehen, wollte die bosnische Staatsanwaltschaft auf Nachfrage der APA nicht beantworten. In den vergangenen Wochen war es immer wieder zu Berichten über mögliche Verwicklungen nach dem Krieg in Bosnien gebliebener Kämpfer aus islamischen Staaten in die Planung von Anschlägen gekommen. So hieß es Anfang August, dass in der nordostbosnischen Stadt Brcko ein Attentat auf den Papst vorbereitet werde. Auch vor der Wiedereröffnung der Alten Brücke von Mostar im Juli hatte es geheißen, dass dem Terrornetzwerk Al Kaida nahe stehende Kreise einen Anschlag am Tag der Zeremonie planten. Vergangene Woche bestätigte die bosnische Staatsanwaltschaft zudem, dass sie derzeit ermittle, ob Hilfs- und andere Organisationen, Unternehmen und Banken das Netzwerk von Al Kaida unterstützten. Im Rahmen der Ermittlungen seien auch die Firma Risala und die Vakufska Banka unter die Lupe genommen worden, die von einem Vertrauten Osama bin Ladens finanziert würden.“ (Der Standard, 16. September 2004)
Die deutsche Zeitung taz berichtet am 11. März 2005 über die Aktivitäten von Wahhabiten in Bosnien-Herzegowina:
„Islamisten sind in Bosnien nicht unbekannt. Schon im bosnischen Krieg (1992 bis 1995) war das Land ein beliebtes Ziel für Mudschaheddin, die zu Hunderten als Mitglieder islamischer Hilfsorganisationen aus den arabischen Staaten und Afghanistan einsickerten, um an der Seite der Bosnier gegen Serben und Kroaten zu kämpfen. Nach dem Friedensschluss von Dayton 1995 sorgten die westlichen Geheimdienste dann dafür, dass das Gros der Religionskämpfer das Land wieder verließ, eine andere Gruppe aber übersahen sie aber dabei: Unter dem Schirm der saudi-arabischen Botschaft hatte sich eine islamistische Szene gebildet, die mit den alten Mudschaheddinkämpfern kaum etwas zu tun hat. Finanziert von Saudi-Arabien wurden nämlich bis zum Jahr 2001 fast 100 neue Moscheen gebaut, die nicht die alten, im Krieg zerstörten ersetzen sollten, sondern als Ausbildungsstätte für die Anhänger Wahhabs, der saudi-arabischen Spielart des Islam, genutzt werden. Diese Moscheen verfügen über modern eingerichtete Gemeindehäuser, die Jugendliche in dem von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Land anlocken sollen. Die Islamisten machen Sozialarbeit, bieten Computerkurse an, Stipendien für arabische Universitäten gibt es auch.
Kurz nach dem 11. September nahmen sich die Soldaten der internationalen Friedenstruppen SFOR dann die Gemeindezentren vor. Bei Razzien stellten sie Material sicher, das auf Verbindungen zu terroristischen Netzwerken schließen ließ. Einige Büros wurden geschlossen. Auch die Regierung Saudi-Arabiens wurde nun von den USA unter Druck gesetzt. Im Juni 2002 dann wurden viele Leiter der wahhabitischen Gemeindezentren ausgetauscht. Doch ob damit die Aktivitäten der Islamisten wirklich eingeschränkt werden konnten, das kann niemand sagen. Westliche Diplomaten verweisen zwar gern darauf, dass in Ländern wie Deutschland mehr terroristische Aktivitäten als in Bosnien registriert wurden. Zudem seien die westlichen Geheimdienste auf dem Balkan sehr aktiv und hätten die Lage im Griff. Tatsache aber ist, dass in den neuen Moscheen und Gemeindehäusern bis heute radikale Positionen vertreten werden. Die traditionelle islamische Gemeinschaft in Bosnien, die seit jeher einen vergleichsweise liberalen Islam vertritt, ist unter Druck geraten. Die Gemeinden sind arm. In manchen ländlichen Gebieten wie um die westbosnische Stadt Bihac oder in Zentralbosnien ist der Einfluss der Islamisten gestiegen, auch in den Jugendorganisationen. Für das traditionelle islamische Establishment in Bosnien werden die Extremisten zunehmend gefährlich. Die Saudis spenden weiter Geld.“ (taz, 11. März 2005)
IWPR erwähnt im Jänner 2003 im Zusammenhang mit der umstrittenen Verhaftung und anschließenden Freilassung eines mutmaßlichen Extremisten durch die NATO-Friedenstruppen eine Gemeinschaft in Maoca, die als Vehabije bezeichnet werden. Die Polizei und lokale Behörden hätten wiederholt betont, dass keine Bedrohung von dieser Gemeinschaft ausginge:
“While the Maoca community includes a number of radical Muslims who fought during the war in Bosnia, they deny all links with Osama bin Laden's al-Qaeda network. Locally, they are known as Vehabije - a name given to those who follow puritanical interpretations of Islam. Police and other local officials in the Tuzla canton - which has jurisdiction in the area - have repeatedly said that the community did not pose a threat. "So far we have not had any incidents or complaints about members of this group from their neighbours, nor people of different nationalities who live with them. There are no indications that they represent a special danger to the safety of the area or the community they belong to," Tuzla police commissioner Ivica Divkovic told IWPR.” (IWPR, 31. Jänner 2003)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.

Quellen: