(ACC-IRQ-3742)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:

Allgemeine Hintergrundinformation

Nach Angaben des US State Department (USDOS) und des UK Home Office bekennen sich etwa 5 Prozent der irakischen Bevölkerung zum christlichen Glauben (in diese 5 Prozent werden auch Juden und Mandäer mit eingerechnet). Die im Irak verbreiteten christlichen Konfessionen umfassen Assyrer, Chaldäer, römisch Katholische sowie Angehörige des armenisch orthodoxen Glaubens (USDOS, 25.02.2004, Sec. 2.c; UK Home Office, Oct 2002, Par. 6.41). Andere Quellen sprechen von 3% Christen. (z.B. FIDH, Jänner 2003, S. 6)

Die Dänische Einwanderungsbehörde (DIS - Danish Immigration Service) zitiert die Angaben ihrer Botschaft in Amman, wonach zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Christen im Irak leben. Neben den oben bereits genannten Konfessionen zählt das DIS zu dem im Irak ansässigen christlichen Glaubensgemeinschaften Syrer, Griechen, koptische Christen und Protestanten (DIS, 27 Aug 2002, Se. 5.1). Nach Angaben des US State Department konzentriert sich die christliche Bevölkerung Iraks überwiegend im Norden und in der Gegend um Bagdad (USDOS, Religious Freedom Report, 18.12.2003, sec. I).

Im Middle East Report N°19 mit dem Titel “Iraq’s Constitutional Challenge” der International Crisis Group (ICG) vom 13. November 2003 findet man eine Differenzierung der assyrischen Christen im Irak. Orthodoxe Christen werden danach als Assyrer bezeichnet, die Chaldäer hingegen seien katholisch, beide Gruppen seien aber ethnische Assyrer. Die Chaldäer würden sich auch als Assyro-Chaldäer (oder Chaldäo-Assyrier) bezeichnen, um auf ihren spezifischen Glauben innerhalb der assyrischen Volksgruppe hinzuweisen. Das Assyrian Democratic Movement (ADM, siehe unten) stelle den Vertretungsanspruch für die “Assyrisch-Chaldäische Nation”. (ICG, 13.11.2003, S. 11, Fn 63)

Stellung der Christen vor dem Sturz des Baath-Regimes

Die Dänische Einwanderungsbehörde erwähnt, dass grundsätzlich keine Verfolgung von Angehörigen der christlichen Minderheit stattfindet, beobachtet allerdings Einzelfälle sozialer Diskriminierung (DIS, 27 Aug 2002, sec. 5.1). Nach Angaben des Niederländischen Außenministeriums (Ministerie van Buitenlandse Zaken) sollen sich vor allem Christen im Nordirak zunehmend einem sozialen Druck durch das islamische Umfeld ausgesetzt sehen (Ministerie van Buitenlandse Zaken, 23. Oktober 2002, S. 52).

Während von einer allgemein guten sozio-ökonomischen Stellung von irakischen Christen sowie vorhandener politischer Repräsentanz ausgegangen wird, beobachtet die Delegation der Dänischen Einwanderungsbehörde bei ihrer Erkundungsreise in den Irak eine Diskriminierung auf dem Bildungssektor. So gehören beispielsweise Koran-Kurse und der kurdische bzw. arabische Sprachunterricht in christlichen Schulen zum verpflichteten Lehrplan. Darüber hinaus, so DIS, sollen nicht näher genannten internationalen Quellen zufolge alle Schulkinder ihre christlichen Namen in arabisierter Form tragen müssen (DIS, 27 Aug 2002, sec. 5.1).

Das US State Department (USDOS) berichtet in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Irak vom Februar 2004, der sich noch auf die Lage vor dem Sturz Saddam Husseins am 9. April 2003 bezieht, von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen der Regierung gegenüber den assyrischen und chaldäischen Christen. Insbesondere handelt es sich hierbei laut USDOS um Vertreibungen aus dem Norden und die Unterdrückung politischer Rechte. Derartige Maßnahmen werden nach Angaben des US State Department von den irakischen Behörden mit angeblicher Kollaboration der assyrischen Christen mit den irakischen Kurden begründet. USDOS weist in seinem Jahresbericht auch auf die 1988 von irakischen Streitkräften begangene Zerstörung zahlreicher assyrischer Kirchen sowie auf Berichte über zeitgleiche Hinrichtungen und Folter von Assyrern hin. (USDOS, 25.02.2004, Sec. 2.c; siehe auch ICG, 1 Feb 2003)

Das UK Home Office berichtet von gewaltsamen Übergriffen von Moslems, insbesondere Anhänger der kurdischen PKK, auf Angehörige der assyrischen Minderheit in den letzten Jahren im Nordirak. (UK Home Office, Oktober 2002)

Assyrische Christen und Chaldäer im Nordirak

Im Hinblick auf gewaltsame Übergriffe gegen Angehörige religiöser Minderheiten berichtet ICG von der Ermordung einer kurdischen Christin Mitte Februar 2003 in Zahko/Nordirak. ICG schildert darüber hinaus den tätlichen Angriff eines islamischen Extremisten auf den Taxifahrer Ziwar Muhammad Ismail. Nach der Weigerung sich dem christlichen Glauben zu entsagen, soll der Angreifer Herrn Ziwar Muhammad Ismail mit den Worten „Gott ist groß“ ins Gesicht geschossen haben (ICG, 1.02.03, Recent Actions).

Protestantische Christen im Nordirak

Gegen Mitglieder protestantischer Gemeinden im Nordirak wurden laut International Christian Concern (ICG) wiederholt Todesdrohungen ausgesprochen. ICG berichtet darüber hinaus von er Ermordung eines Geistlichen und mehreren Angriffen auf das Haus eines Priesters (ICG, 1.02.03, Extremist Groups).

Zentralirak

In Bagdad lebende assyrische Christen laufen nach Angaben der Dänischen Einwanderungsbehörde generell keine Gefahr von der irakischen Regierung verfolgt zu werden. (DIS, 27 Aug 2002, sec. 5.2) ICG berichtet in seinem Länderprofil Irak von der Ermordung der assyrischen Nonne Cecilia Moshi Hanna am 15. August 2002 im Sacred Heart Jesus Monastery in Bagdad. Nähere Angaben zu den Tätern werden allerdings nicht gemacht (ICG, 1.02.03, Recent Actions).

Weitere Informationen zu Christen im Irak finden Sie darüber hinaus im Nordirak Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (30. Mai 2002) und in zwei Anfragebeantwortungen des Immigration and Refugee Board (IRB) in Ottawa aus den Jahren 1998 und 2000.

Situation der Christen nach dem Sturz des Baath-Regimes

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) hält es in einer Presseaussendung vom 16. März 2004 weiterhin für erforderlich, Asylsuchenden aus dem Irak Schutz zu gewähren.

„UNHCR hat heute erneut dazu aufgerufen, bei Prüfung individueller Asylgesuche von Irakern die Gefahr einer nicht-staatlichen Verfolgung der Betroffenen besonders zu berücksichtigen. Begründung: In vielen Teilen des Landes fehlt weiterhin eine rechtsstaatliche Ordnung. Ein effektiver nationaler Schutz ist in vielen Teilen Iraks nicht gewährleistet. Im Irak herrscht ein Klima politischer Ungewissheit. Die Präsenz extremistischer Kräfte sowie anhaltende Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen bergen ein erhöhtes Gewaltpotential in sich. Die aktuelle Debatte über die zukünftige Verfassung und Regierung sowie über den Umfang der Autonomie der Kurdengebiete hat das Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen noch verstärkt. [...] Vor diesem Hintergrund empfiehlt die UN-Organisation, auch neuankommenden Asylsuchenden aus dem Irak vorläufig Schutz zu gewähren. [...] Nach Auffassung der UN-Organisation dürfen Iraker - auch abgelehnte Asylsuchende - weder in ihr Heimatland (einschließlich Nordirak) noch in die benachbarten Länder der Region abgeschoben werden.“ (UNHCR, 16. März 2004)

Das U.S. Citizenship and Immigration Services (USCIS) weist in einer Anfragebeantwortung vom 19. Mai 2003 darauf hin, dass die Informationen im Lichte der sich ständig verändernden Nachkriegslage im Irak betrachtet werden müssen und sehr schnell als überholt gelten könnten. Zur Situation von Christen im Nachkriegs-Irak schreibt USCIS, dass einige Christen eine schiitisch dominierte Regierung befürchten, dass bisher jedoch keine Angriffe auf christliche Gemeinden stattgefunden hätten.

“Currently, only about 3 percent of Iraqis are Christians, their numbers having dwindled over the past 20 years as those with close ties in Europe or the U.S. fled Iraq in search of greater prosperity and freedom. In relation to other religious groups, Iraq’s Christians are wealthier, and some fear that democracy in Iraq will lead to a Shi’ite-dominated government that may be unfriendly to Christians. Nevertheless, "there have not been attacks on Christian communities, and Christians hope the chaos will end before any attacks can occur." (USCIS, 19.05.2003)

USCIS zitiert auch den Direktor des Amnesty International USA Flüchtlingsprogrammes, wonach Christen sich unter der Baath-Regierung oft als Opfer gefühlt hätten, obwohl die Regierung Christen nicht wegen ihrer Religion verfolgt hätten. Die christliche Gemeinde habe eine Kooperation mit dem früheren Regime akzeptiert und fürchte sich nun sehr davor, mit der Saddam-Regierung assoziiert zu werden. (USCIS, 19. Mai 2003)

Der Mission Report von Human Rights Without Frontiers (HRWF) vom November 2003 „The Chaldoassyrian Community In Today’s Iraq - Opportunities And Challenges“, beschreibt im Kapitel „The Chaldoassyrian Community in Post-Saddam Iraq“ die politische Wiedergeburt der assyrischen Volksgruppe:

„The ouster of Saddam Hussein and the Ba’ath party is an event of enormous importance to the Chaldoassyrian community in Iraq. After years of severe repression and exclusion from the country’s governance, the Iraqi Chaldoassyrians live through the exciting time of political revival and mobilization. Structures, which were clandestine six months ago, have come out as new legitimate players in the process of political reconstruction. The major shift came on September 14, 2002 when the US State Department called on the Assyrian Coalition and the Assyrian American League to formally request Assyrian participation in the next meeting of the Iraqi opposition parties. The Assyrian Coalition, consisting of the major mainstream Assyrian political organizations, designated as Assyrian representative Mr Yonadan Kanna, Secretary General of the Assyrian Democratic Movement (ADM). On December 9, 2002, President Bush designated five Iraqi groups as “democratic opposition organization - Assyrian Democratic Movement, [Aufzählung der anderen, RJ] to join the other six opposition groups previously designated [...] The Iraqi Governing Council (IGC) was inaugurated on July 13, 2003. Mr Yonadan Kanna was appointed to represent the Christian Chaldoassyrian community. The distribution of the twenty-five seats on the Council seeks to represent the demographic weight of all ethnic and religious communities in Iraq. On 1 September 2003, the Iraqi Governing Council announced the appointment of Iraq’s first post-Hussein cabinet. The new ministers are entrusted with the oversight of the day-to-day operations of Iraq’s 25 ministries. Behnam Zayya Bulis, a Chaldoassyrian Christian, is in charge of transport. These events are of crucial importance as the Chaldoassyrian community has been recognized as an indispensable part of the Iraqi opposition movement and a legitimate player in the future political reconstruction of Iraq. Within the context of this new opposition formula, “Assyrians may finally address grievances as well as minimal political aspirations such as constitutional recognition on a free, sovereign, secular and democratic Iraq”.” (HRWF, November 2003, Kap. II.1.)

Unter dem Kapitel “The Chaldoassyrian Community In Mosul” geht der Bericht von HRWF auf die Befürchtungen der assyrischen Bevölkerung ein, die in in der Grenzzone zwischen dem kurdisch kontrollierten Gebiet und dem Rest Iraks lebt:

„Mosul is another town with considerable Chaldoassyrian community. Moreover, Mosul is in the Ninevah plain, which is the ancestral homeland of the Assyrian people. Mosul, like Kirkuk, is a town that has remained outside of the de facto independent “Iraqi Kurdistan”. [...] Lying on the fault line between the Kurdish-controlled territory and the rest of Iraq there have been attempts to redraw the borders of Mosul administrative region. Human Rights Without Frontiers received reports reflecting the concerns of the Chaldoassyrians living in Alqosh, that “the redrawing of administrative lines would throw them and their children into Kurdish-controlled governmental systems and in particular, force their children into schools where Kurdish rather than Arabic forms the main language of instruction”. There is concern that “such a step would handicap those who have grown up with Arabic language schools, and in all likelihood make it more difficult for them to find jobs or enter higher education in most of Iraq where Arabic is used”. These concerns have been voiced in other places in Mosul-Ninevah provinces with Chaldoassyrian population as well. (HRWF, November 2003, Kap. III.3.)

Die Assyrian International News Agency (AINA) berichtet unter dem Titel „Kurdish Autonomy Proposal Threatens Iraqi Territorial Integrity” am 8. Jänner 2004 über einen kurdischen Vorschlag zu künftigen autonomen Gebieten:

„A recent Kurdish proposal to establish an ethnically based autonomous area even beyond the current occupied northern provinces has alarmed various Iraqi communities including Assyrians (also known as Chaldeans and Syriacs), Arabs, Turkman, and Yezidis within Iraq and abroad. The Patriotic Union of Kurdistan’s (PUK) Barham Salih recently declared that the Kurdish autonomous area ought to be extended beyond the three occupied and already diversely populated and contentious provinces of Dohuk (Nohadra), Arbil, and Sulaimaniya to include large portions of Diyala, Nineveh [=Ninawa, RJ], and Karkuk.” (AINA, 8.01.2004)

In einem von HRWF zitierten Artikel von Zenit vom 17. November 2003 mit dem Titel „Christians in Northern Iraq reportedly facing intimidation” finden sich Informationen zu berichteten Einschüchterungen christlicher Gemeinden in Mosul:

„Christian communities in the northern Iraqi city of Mosul are facing serious acts of intimidation, says Fides, the news agency of the Vatican Congregation for the Evangelization of Peoples. "Last week a bomb was found in front of a Catholic school in Mosul; luckily it was defused before it could explode," Chaldean Catholic priest Father Nizar Semaan told Fides. [...] "Also last week a round from a Kalashnikov was fired against the residence of the Syro-Antiochian bishop in my city," the priest added. "This is probably the work of Wahabi extremists in Mosul." Wahabi Muslims are a puritanical sect from Saudi Arabia. "With these actions of intimidation extremists want to demonstrate their power, and what is more serious, to prevent the civil society from returning to normality," Father Semaan said." (Zenit, 17.11.2003)

Am 16. Mai 2003 berichtet die AINA unter dem Titel „Assyrians Call for End to Kurdish Terror Raids in Karkuk, Mosul” über Angriffe kurdischer Kräfte auf nicht-kurdische Bewohner von Mosul und Karkuk:

„The precipitous disintegration of Iraqi armed forces towards the end of "Operation Iraqi Freedom" led to a provocative advance of Kurdish forces into the cities of Mosul and Karkuk. The ensuing looting and terror raids against the majority non-Kurdish residents of those cities have led to increased ethnic tension. American forces that were supposed to secure the urban areas in order to prevent just such terror raids by Kurds did not arrive until Kurdish bands looted and ransacked the cities unhindered.” (AINA, 16.05.2003)

Assyrisch Demokratische Bewegung - Assyrian Democratic Movement

Das Danish Immigration Service berichtet von der “Joint British-Danish Fact Finding Mission to Damascus, Amman and Geneva on Conditions in Iraq” vom Juli 2003 über das ADM und zitiert Emmanuel Khoshaba, wonach zur Zeit keine Sicherheitsprobleme für Assyrer im Nordirak bestünden:

„Emmanuel Khoshaba from the Assyrian Democratic Movement (ADM) informed the delegation that the ADM worked for the establishment of a situation where Iraqis will no longer leave Iraq. He thought that security is a problem and ADM have had meetings with the CPA to Joint British-Danish Fact Finding Mission to Damascus, Amman and Geneva on Conditions in Iraq discuss the issue. In the immediate aftermath of the war, Assyrians in northern Iraq in some cases had been attacked by criminal Kurds. ADM’s armed wing is licensed to carry weapons and has protected Assyrians in northern Iraq in the area from Mosul to Al Qush and from Mosul towards the north-west. There are at moment no security problems for Assyrians in northern Iraq: ADM cooperates with KDP, PUK and Arabic and Islamist parties in the area.” (DIS, August 2003, S. 21-22)

Laut DIS seien jene Assyrer, die in Verbindung mit der im Nordirak ansässigen Assyrischen Demokratischen Bewegung (al-Harakah al-Ashuriyyah al-Dimuqratiyyah) stehen, vom [früheren] Irakischen Regime verfolgt worden. (DIS, 27 Aug 2002, sec. 5.2).

Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.

Quellen (Zugriff auf alle Quellen am 19. Mai 2004):

Stellung der Christen vor dem Sturz des Baath-Regimes

Situation der Christen nach dem Sturz des Baath-Regimes