Anfragebeantwortung zu Indien: Informationen zur Kaste "ROR" und etwaige Diskriminierung, Einfluss der Kaste "JAT"; Probleme bei Widersetzung von Mitgliedern einer schwachen Kaste gegen Mitglieder einer starken Kaste [a-10410]

13. Dezember 2017

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Informationen zur Kaste "ROR" und etwaige Diskriminierung

Die IndoCanadian ROR Society, eine Gesellschaft zur Unterstützung von Angehörigen der Kaste Ror in Kanada, beschreibt auf einem undatierten Beitrag auf ihrer Website die Geschichte der Ror. Demnach handle es sich um eine Gemeinschaft, die vor allem aus einem Gebiet in der Nähe der Stadt Palanpur stamme und sich über den gesamten Bundesstaat Gujarat bis an die Grenze zu Rajasthan erstreckt habe. Historisch sei die Gemeinschaft auch um Ror (Sukkur) in der pakistanischen Provinz Sindh angesiedelt gewesen. Die Gemeinschaft bestehe Schätzungen zufolge aus 750.000 Personen und sei relativ klein und eng vernetzt. Zum heutigen Zeitpunkt gebe es fast 270 Ortschaften der Ror im Bundesstaat Haryana und 52 weitere im Westen des Bundesstaats Uttar Pradesh sowie im Distrikt Haridwar im Bundesstaat Uttarakhand. Die IndoCanadian ROR Society gibt an, dass die Ror als Suryavanshi [Abstammende einer mythologischen Dynastie aus dem altertümlichen Indien, Anmerkung ACCORD[1]] und Kshatriya [Kasten der Krieger und Herrscher, Anmerkung ACCORD[2]] eingestuft würden. Sie seien Hindu, würden die Sprachen Haryanvi, Khariboli, Hindi und Pahari sprechen und seien in den Bundesstaaten Haryana, Sindh, Gujarat, Rajasthan, Uttar Pradesh, Himachal, und Uttarakhand angesiedelt:

„The Ror (Suryavanshi Kshatriyas) (Hindi: रोड़) community hails primarily from an area, close to Palanpur, stretching across the Gujarat - Rajasthan border. Historically, the community was also found concentrated around Ror (Sukkur) in Sindh, Pakistan. It would be rather optimistic to put the total population of the Ror at one million and it would be fairer to assign a total head count of 750,000 to the community. The community is fairly small and well-knit; as of today, they hold nearly 270 villages in Haryana and 52 more in Western Uttar Pradesh and the Haridwar district of Uttaranchal. [...]

Classification: Suryavanshi, Kshatriya

Religions: Hinduism

Language: Haryanvi, Khariboli, Hindi, Pahari

Populated States: Haryana, Sindh, Gujarat, Rajasthan, Uttar Pradesh, Himachal, Uttarakhand” (IndoCanadian ROR Society, ohne Datum)

Die indische Tageszeitung Hindustan Times berichtet in einem älteren Artikel vom Dezember 2012 zu einer Kundgebung der Indischen Volkspartei (Bhartiya Janta Party, BJP), bei der versucht worden sei, die Ror-Gemeinschaft im Bundesstaat Haryana emotional anzusprechen. Der Artikel beschreibt, dass die Ror-Gemeinschaft zu einem großen Teil mit Landwirtschaft in Verbindung gebracht werde. Es handle sich um eine enge Gemeinschaft von Personen, die vor allem in den Distrikten Karnal, Kaithal und Panipat des Bundesstaats Haryana leben würden. Die Gemeinschaft sei maßgeblich im parlamentarischen Segment des Distrikts Karnal vertreten:

„The top brass of Bhartiya Janta Party on Sunday tried to strike an emotional chord with the Ror community of Haryana that claims to be the direct descendents of Marathas who had fought the Third Battle of Panipat. At a political rally organised here this afternoon, BJP national chief Nitin Gadkari and Leader of Opposition in Lok Sabha, Sushma Swaraj, lauded the brave past of the community largely associated with farming. [...] Presently, the Rors, a close knitted group of people, are largely settled in Karnal, Kaithal and Panipat districts of the state. The community has a significant presence in the Karnal parliamentary segment.” (Hindustan Times, 16. Dezember 2012)

Die englischsprachige indische Wirtschaftszeitung mit Hauptsitz in Mumbai, The Economic Times, veröffentlicht auf ihrer Webseite im März 2016 einen Blog-Eintrag des politischen Redakteurs Rajesh Ramachandran zu positiver Diskriminierung im Bundesstaat Haryana, der die Kaste Ror erwähnt und als höhere Kaste („upper caste“) beschreibt. Die Regierung des Chief Ministers des Bundesstaats Haryana, Manohar Lal, würde das Konzept der positiven Diskriminierung untergraben, da sie höhere Kasten wie die Rors und Jats als zurückgebliebene („backward“) Kasten einstufe. Kasten wie die Rors verstünden sich selbst als höhere Kasten, die von Geburt an privilegiert seien, und niemals als zurückgeblieben. Die staatliche Anerkennung als zurückgeblieben würde das Selbstverständnis dieser Kasten und die Art, wie sie ihnen untergeordneten Kasten unterdrücken, nicht ändern:

„The Manohar Lal government of Haryana has managed to subvert the very idea of affirmative action by terming upper castes as backward castes. Jats, Jat Sikhs, Bishnois, Rors, Tyagi Brahmins and Muslim Jats are all those who consider themselves upper castes and privileged by birth and by no stretch of imagination backward. The governmental stamp of backwardness is not going to change the way they view themselves or oppress those below in the caste hierarchy. All that this does is to help these dominant castes to violate the ‘lane discipline’ of social traffic and push weaker candidates out of the reserved lanes in their attempt to remain ahead of the traditionally lower castes.” (The Economic Times, 30. März 2016)

Eine Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2009 des australischen Refugee Review Tribunal, (RRT), das bis 2015 Überprüfungen von Visa-Entscheidungen des australischen Ministeriums für Einwanderung und Staatsbürgerschaft durchführte, geht auf die Frage ein, ob Rors als Dalits [Ausgeschlossene, Anmerkung ACCORD[3]] gelten würden. Demnach sei die Ror-Kaste nicht unter den gelisteten Kasten („scheduled castes“) des Direktorates für soziale Gerechtigkeit und Befähigung des Bundesstaat Haryana („Directorate of Social Justice & Empowerment“ of the Government of Haryana) vertreten. Die Ror Kaste sei auch nicht auf der Liste der „anderen zurückgebliebenen Klassen“ („Other Backward Classes“, OBC) der indischen nationalen Kommission des Bundesstaats Haryana zu finden:

„1. Are Rors considered to be Dalits?

Information previously provided in Research Response IND34295 in February 2009 states that the Ror caste is not included on the ‘List of Scheduled Castes in Haryana State’ provided by the Directorate of Social Justice & Empowerment of the Government of Haryana. Neither are the Ror on the list of ‘Other Backward Classes in Haryana’ provided by the Indian National Commission for Backward Classes (Directorate of Social Justice & Empowerment, Government of Haryana (undated), ‘List of Scheduled Castes in Haryana State’” (RRT, 28. April 2009, S. 1)

Auf der zuletzt im Jänner 2015 aktualisierten Liste der OBC im Bundesstaat Haryana der indischen nationalen Kommission für zurückgebliebene Klassen ist die Kaste Ror ebenfalls nicht aufgelistet (Indian National Commission for Backward Classes, 9. Jänner 2015). Die zuletzt im Dezember 2017 aktualisierte Website der Abteilung für gelisteten Kasten („scheduled castes“) und OBC der Regierung des Bundesstaats Haryana führt die Kaste Ror auch nicht auf den jeweiligen Listen an (Welfare of Scheduled Caste & Backward Classes Department, 12. Dezember 2017a,12. Dezember 2017b).

Einfluss der Kaste "JAT"

Die indische Tageszeitung mit Hauptsitz in Chennai, The Hindu, beschreibt in einem Artikel vom September 2017 die Jats im Bundesstaat Haryana als politisch einflussreiche Gemeinschaft, die aus fast 29 Prozent der Bevölkerung bestehe. Jats seien ursprünglich in der Landwirtschaft tätig gewesen und würden heutzutage vor allem in Haryana, Punjab, Delhi, Rajasthan und Uttar Pradesh leben. Insgesamt bestehe die Jat-Bevölkerung aus rund 82.5 Millionen Menschen. Über die Jahre seien Jats in manchen Staaten, insbesondere in den Bundestaaten Haryana und Punjab, politisch tätig geworden.

Der Artikel beschreibt weiters, dass Angehörige der Jat-Kaste, sowie der Kasten der Rors, Jats Sikhs, Tyagis und Bishnois, es anstreben würden, auf die Liste der OBC gesetzt zu werden:

„In Haryana, Jats are a politically influential community and constitute nearly 29 per cent of the population. Jats originally belonged to farming communities and now mostly live in Haryana, Punjab, Delhi, Rajasthan and UP. Their population in total is about 82.5 million. Over the years, they have become politically active in certain states, especially in Haryana and Punjab. [...] Jats, Jat Sikhs, Rors, Tyagis and Bishnois, are seeking reservation under the Other Backward Classes (OBC) category.” (The Hindu, 23. September 2017)

BBC News beschreibt in einem Artikel vom Februar 2016, dass die Land besitzende Jat-Gemeinschaft relativ wohlhabend sei und traditionell als höhere Kaste wahrgenommen werde. Jats seien hauptsächlich in Haryana und sieben anderen Bundesstaaten im nördlichen Indien vertreten. In Haryana seien Jats eine politisch einflussreiche Gemeinschaft, die 27 Prozent der WählerInnen stelle und ein Drittel der 90 Sitze im Parlament des Bundesstaats („state assembly“) dominiere. Sieben von zehn Regierungschefs in Haryana seien Jats gewesen. Jats würden derzeit zu den höheren Kasten zählen, aber DemonstrantInnen würden eine Einbeziehung in Arbeitsplatz-Kontingente und Bildungs-Möglichkeiten, die seit dem Jahr 1991 niedereren Kasten zustehen, fordern. Im März 2014 habe die Regierung angekündigt, die Kaste der Jats als OBC zu kategorisieren und ihnen dadurch Zugang zu Beschäftigungsquoten für Regierungsposten zu ermöglichen. Im Jahr 2015 habe das indische Höchstgericht jedoch entschieden, dass die Jats keine zurückgebliebene Gemeinschaft seien. Da es an Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft mangle und Einkommen aus der Landwirtschaft zurückgingen, fordere die Jat-Gemeinschaft zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Regierung eine Einstufung als zurückgebliebene Kaste:

„-The land-owning Jat community is relatively affluent and has traditionally been seen as upper caste.

- They are mainly based in Haryana and seven other states in northern India.

- Comprising 27% of the voters in Haryana and dominating a third of the 90 state assembly seats, they are a politically influential community. Seven of the 10 chief ministers in Haryana have been Jats.

- The Jats are currently listed as upper caste but the demonstrators have been demanding inclusion in caste quotas for jobs and education opportunities that have been available to lower castes since 1991.

- In March 2014 the Congress-led national government said it would re-categorise Jats as Other Backward Castes (OBC), opening the way to government job quotas.

- But India's Supreme Court ruled in 2015 that the Jats were not a backward community.

- As jobs have dried up in the private sector and farming incomes have declined, the community has demanded the reinstatement of their backward caste status to enable them to secure government jobs.” (BBC News, 26. Februar 2016)

Die indische Tageszeitung The Indian Express beschreibt die Jats in einem Artikel vom Februar 2016 als landwirtschaftliche Kaste in Haryana und sieben anderen Bundestsaaten im nördlichen Indien, insbesondere Uttar Pradesh, Rajasthan und Gujarat. In Haryana seien sie die dominierende Kaste und daher politisch einflussreich. Der Artikel gibt ebenfalls an, dass neun von zehn Regierungschefs und 27 Prozent der Wählerschaft in Haryana den Jats angehören würden und, dass Jats ein Drittel der 90 Sitze des Parlament des Bundesstaats („state assembly“) dominieren würden. Die Anführer der zwei wichtigsten Oppositionsparteien seien Jats.

Laut der K C Gupta Kommission [Kommission der Regierung Haryanas zu zurückgebliebenen Klassen, Anmerkung ACCORD[4]] seien 17,82 Prozent der Regierungsposten der beiden höchsten Ränge mit Jats besetzt. In niedereren Rängen würde der Anteil der Jats auf eine Höhe von 40 bis 50 Prozent geschätzt. Jats seien zu 10,35 Prozent in Bildungsinstitutionen vertreten, unter den Männern gebe es eine Alphabetisierungsrate von 45 Prozent, unter den Frauen liege die Alphabetisierungsrate bei ungefähr 30 Prozent.

Die meinsten Jats würden nach wie vor in der Landwirtschaft arbeiten. Der durchschnittliche Landbesitz bestehe aus zwei bis drei Hektar, nur 10 Prozent der Jats würden kein Land besitzen. Vor über einem Jahrzehnt seien manche Gruppen der Jats noch nicht bereit gewesen den Status einer niedrigen Klasse anzunehmen, da zu diesem Zeitpunkt die Landgüter der Jats groß gewesen seien. Mit der Zeit und durch Fragmentierung von Familien sei deren Landbesitz aber geschrumpft:

Jats are an agricultural caste group in Haryana, and seven other states in North India, notably Uttar Pradesh, Rajasthan and Gujarat. In Haryana, they are the predominant caste, and therefore politically influential. [...] The Jats currently out on the streets across Haryana are demanding reservation in government jobs and educational institutions under the OBC [Other Backward Class] category. [...] Since being carved out of Punjab in 1966, Haryana state has had 10 chief ministers, and seven have been Jats. Jats comprise 27% of the electorate, and are the state’s predominant caste group, who dominate a third of the 90 Assembly constituencies in the state. The leaders of the two main opposition political parties — Bhupinder Singh Hooda of the Congress and Abhay Singh Chautala of the Indian National Lok Dal — are Jats. Chief Minister Manohar Lal Khattar represents the Punjabi community, and belongs to the Khattar caste. [...]

According to the K C Gupta Commission, Jats had 17.82% representation in Class 1 and 2 government jobs. In the lower grades, this representation is estimated at as high as 40 to 50%. The representation of Jats in educational institutions was 10.35%. The literacy rate among Jat men is said to be 45%; among women, about 30%.The Jats’ primary occupation remains farming. The average landholding is 2-3 acres. Only 10% of Jats are landless. Over a decade ago, some sections of Jats were not ready to accept the status of ‘backward class’ because at that time land was not fragmented, and most Jat landholdings were large. With changing times and dividing families, however, holdings began to shrink.” (The Indian Express, 22. Februar 2016)

In einem im Jahr 2009 erschienenen Buch zu Landbesitz und Gender beschreibt die indische Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Prem Chowdhry, dass Jats in Haryana zu der größten Klasse von Landbesitzern gehören würden und, dass die Gruppe der Jats auch die dominanteste Kaste in ländlichen Gebieten sei. Die Lebensart der Jats („the Jat way of life”) werde als maßgeblicher gesellschaftlicher und kultureller Umgang akzeptiert und alle anderen Kasten, wie die Rors, Brahmins, Ahirs, Bishnoirs und Gujjars hätten diese Lebensart, mit kleinen jeweils spezifischen Variationen, übernommen. Im Bundesstaat Haryana, genau wie im Punjab, sei die numerisch-ökonomische Hierarchie wichtiger als die rituelle. Daher würden Jats eine erstklassige Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie des Bundesstaats besetzen:

„In Haryana, since the Jats are the most numerous landowning caste and also the most dominant caste group in the rural areas, the Jat way of life has been accepted as a major social and cultural practice and all other casts such as Brahmins, Ahirs, Bishnoirs, Rors and Gujjars have been following them with small variations specific to each one of them. In Haryana, just as in Punjab, the ritual hierarchy is less important than the economic or numerical hierarchy. It is for this reason that the Jats have been occupying a prime position in the social hierarchy of the state” (Chowdhry, 2009, S. 43 – 44)

Probleme bei Widersetzung von Mitgliedern einer schwachen Kaste gegen Mitglieder einer starken Kaste

Zu dieser Frage konnten vorwiegend Informationen zu Dalits gefunden werden:

 

Ein BBC News Artikel vom Juni 2015 zu Landstreitigkeiten zwischen Jats und angehörigen niederer Klassen, die zu den Dalits (früher als „Unberührbare“ bekannt) zählen würden, berichtet von einem Vorfall im Bundesstaat Rajasthan, bei dem sechzehn Dalits von Mitgliedern der höheren Kaste der Jats angegriffen worden seien und 3 Personen getötet worden seien. Badri Narayan, ein bekannter pro-Dalit-Aktivist, sei der Ansicht, dass der Anstieg solcher Vorfälle mit Fällen verbunden sei, bei denen Dalits versucht hätten sich durchzusetzen („to assert themselves“). Weiters sei laut Narayan die niedrige Verurteilungsrate bei Fällen von Gewalt zwischen Kasten beunruhigend.

Laut AktivistInnen stünden Landstreitigkeiten zwischen der dominierenden Jat-Gemeinschaft und schwächeren Dalits im Mittelpunkt der ansteigenden Gewalt zwischen Kasten in Rajasthan. Im März 2015 sei eine 83-jährige Frau ebenfalls wegen Landstreitigkeiten getötet und ihre Hütte angezündet worden:

„A heap of mud and bricks are all that distinguish this plot of land from the rest of the village of Dangawas in the northern Indian state of Rajasthan. Last month however, it was the scene of a brutal attack on its Dalit (formerly known as untouchables) occupants, who remain at the bottom of the country's outlawed but still prevalent caste system. Members of the upper caste Jat community had assaulted 16 Dalits who had been squatting there with a view to 'reclaiming their ownership of the land'. Three people died in the incident, which marks the latest confrontation between the two communities in the state. [...]

Badri Narayan, a prominent pro-Dalit campaigner, says that the low rate of convictions in cases of caste violence was worrying. He believes the rise in such incidents is linked to instances where Dalits try to assert themselves. [...]

Campaigners say land disputes between the dominant Jat community and the weaker Dalits are at the heart of increasing caste violence in Rajasthan. In March, an 83-year-old woman was killed after her hut was set on fire, again over a dispute about land.” (BBC News, 24. Juni 2015)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Menschenrechtsbericht vom März 2017 (Berichtszeitraum 2016), dass Dalits, die versuchen würden ihre Rechte durchzusetzen, oft Opfer von Angriffen würden, vor allem in ländlichen Gebieten. Verbrechen gegen Dalits würden Berichten zufolge oft nicht bestraft, entweder weil Behörden die Täter nicht strafrechtlich verfolgen würden, oder weil Opfer aus Angst vor Vergeltung die Verbrechen nicht anzeigen würden:

„Although the law protects Dalits, there were numerous reports of violence and significant discrimination in access to services, such as health care, education, temple attendance, and marriage. Many Dalits were malnourished. Most bonded laborers were Dalits. Dalits who asserted their rights were often victims of attacks, especially in rural areas. As agricultural laborers for higher-caste landowners, Dalits reportedly often worked without monetary remuneration. Reports from the UN Committee on the Elimination of Racial Discrimination described systematic abuse of Dalits, including extrajudicial killings and sexual violence against Dalit women. Crimes committed against Dalits reportedly often went unpunished, either because authorities failed to prosecute perpetrators or because victims did not report crimes due to fear of retaliation.” (USDOS, 3. März 2017, Section 6)

In einem von der Menschrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im November 2017 veröffentlichten Bericht zu sexueller Gewalt in Indien wird beschrieben, dass in mehreren Bundesstaten im nördlichen Indien, wie Haryana, Uttar Pradesh, Punjab und Rajasthan, inoffizielle Kasten-Räte („caste councils“), die „hap Panchayats“ genannt würden, Dalits und andere Familien von sogenannten niedrigen Kasten unter Druck setzen würden, Straftaten nicht nachzuverfolgen, wenn der Beschuldigte einer dominanten Kaste angehöre. Lokale PolitikerInnen und PolizistInnen hätten oft Verständnis oder würden bei Verordnungen dieser Räte ein Auge zudrücken und damit indirekt die Gewalt unterstützen:

„In several north Indian states such as Haryana, Uttar Pradesh, Punjab, and Rajasthan, unofficial village caste councils, called hap Panchayats, pressure Dalit or other so-called ‘low-caste’ families not to pursue a criminal case if the accused is from the dominant caste. Local politicians and police are often sympathetic or turn a blind eye to the councils' edicts, implicitly supporting the violence.” (HRW, 9. November 2017, S. 4)

Amnesty International (AI) beschreibt in einer Urgent Action vom September 2015 einen Vorfall im Distrikt Baghpat (Bundeststaat Uttar Pradesh), bei dem ein Mann mit einer verheirateten Frau der dominanten Kaste der Jat weggelaufen sei. Das Haus seiner Familie sei geplündert worden und Mitglieder des Khap Panachayts, eines nicht gewählten, nur aus Männern bestehenden Dorfrats, hätten angeordnet, dass seine beiden Schwestern zur Strafe für das Vergehen ihres Bruders vergewaltigt würden und nackt mit angeschwärzten Gesichtern zur Schau gestellt würden:

„On 24 May, the family fled their village in Baghpat district fearing violence after their brother eloped with a married woman from a Jat (dominant caste) family. On 30 May, their house in the village was ransacked. On 30 July, members of a village khap panchayat–an unelected all-male village council-ordered that Meenakshi Kumari and her sister be raped and paraded naked, with their faces blackened, as punishment for the actions of their brother.” (AI, 18. September 2015)

Das in London, Melbourne und New York ansässige digitale Magazin Aeon veröffentlicht im April 2017 ein Essay des in Mumbai lebenden Journalisten und Autors Prayaag Akbar zum Kastensystem in Indien. Der Artikel beschreibt die Ermordung eines Dalit-Mannes, der sich einer Beleidigung eines Lehrers der Kaste der Brahmanen widersetzt habe. Der Vorfall habe einen Aufschrei in nationalen Medien zufolge gehabt und Gruppen von Dalits in Uttarakhand hätten eine Reihe von Demonstrationen organisiert. Der brahmanische Lehrer sowie dessen Bruder und Vater, die die Familie des ermordeten Mannes bedroht hätten nicht zur Polizei zu gehen, seien festgenommen und unter dem Gesetz zur Verhinderung von Grausamkeiten („Prevention of Atrocities Act“) angeklagt worden. Das Gesetz sei ein essentieller Teil des indischen Strafgesetztes, das eine Reihe von gewalttätigen und nicht-gewalttätigen Taten gegen Mitglieder der untersten Kasten und Volksgruppen verbiete:

In October 2016, a young man walked into a flour mill in Uttarakhand, a state of northern India where the mist-wrapped mountains of the outer Himalayas begin. He was Dalit (Sanskrit for broken, scattered, downtrodden), a relatively recent collective identity claimed by communities across the nation that are considered untouchable in the caste system. Present in the mill was a Brahmin schoolteacher – Brahmins are the caste elite – who accused the Dalit man of having defiled all the flour produced there that day, merely by his entry: notions of purity and pollution are integral to caste. After the Dalit man objected to the insult, the schoolteacher took out a blade and slit the Dalit’s throat, killing him instantly.

The incident caused uproar in the national press. Dalit groups in Uttarakhand staged a series of protests. The Brahmin schoolteacher was arrested, along with his brother and father, who had threatened the murdered man’s family if they went to the police; booked for murder and criminal intimidation, the men were also charged under the ‘Prevention of Atrocities’ act – a vital part of the Indian Penal Code that prohibits a range of violent and non-violent action against members of the lowest castes and tribes.” (Aeon, 20. April 2017)

Ein Bericht von Amnesty International (AI) vom Juli 2016 beschreibt die Umsetzung des Gesetzes zur Verhinderung von Grausamkeiten („Prevention of Atrocities Act“), das Diskriminierung und Gewalt gegen Dalit- und Adivasi-Gemeinschaften verhindern solle, als historisch sehr schlecht. Im Jahr 2014 hätte die Rate der Verurteilung von Straftaten unter dem Gesetz bei unter 29 Prozent gelegen. Laut zivilgesellschaftlichen Gruppen würden viele Straftaten gegen Dalits und Adivasis nicht unter dem Gesetz registriert werden, da die Polizei bei der Anwendung des Gesetzes zögerlich sei:

„The Scheduled Castes and Scheduled Tribes (Prevention of Atrocities) Act (PoA Act) was enacted to tackle particular kinds of caste-based discrimination and violence faced by people from Dalit and Adivasi communities. Amendments to the Act that came into force in January 2016 criminalize a range of new offences, including the wrongful dispossession of land. [...] (The implementation of this law has historically been extremely poor. In 2014, the rate of convictions for crimes under the Act was under 29 per cent. Civil society groups have said that many crimes against Dalits and Adivasis are not registered under provisions of the PoA Act because the police are reluctant to use the law.)” (AI, 13. Juli 2016, S. 30)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 13. Dezember 2017)

·      Aeon: Caste lives on, and on, 20. April 2017
https://aeon.co/essays/how-india-deludes-itself-that-caste-discrimination-is-dead

·      AI - Amnesty International: Further Information on Urgent Action: 186/15 [ASA 20/2468/2015], 18. September 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1442820066_asa2024682015english.pdf

·      AI - Amnesty International: “When land is lost, do we eat coal?” Coal mining and violations of Adivasi rights in India [ASA 20/4391/2016], 13. Juli 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1468476815_asa2043912016english.PDF

·      BBC News: How land disputes are fuelling caste clashes in Rajasthan, 24. Juni 2015
http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-33132943#sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa

·      BBC News: India caste protests: Haryana police seek rape claim leads, 26. Februar 2016
http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-35667839#sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa

·      BBC News: What is India's caste system?, 20. Juli 2017
http://www.bbc.com/news/world-asia-india-35650616

·      Chowdhry, Prem: Gender Discrimination in Land Ownership, 2009 (Auszüge verfügbar auf GoogleBooks)
https://books.google.at/books?id=i9OGAwAAQBAJ&printsec=frontcover#v=onepage&q&f=false

·      Government of Haryana: Haryana Backward Classes commision, 28. Jänner 2015
http://www.haryana.gov.in/contacts/hbcc.html

·      Hindustan Times: Gadkari, Sushma try to strike emotional chord with Rors, 16. Dezember 2012
http://www.hindustantimes.com/chandigarh/gadkari-sushma-try-to-strike-emotional-chord-with-rors/story-4BCr8jOkkfH1N18kaIdqaM.html

·      HRW - Human Rights Watch: Everyone blames me - Barriers to justice and support services for sexual assault victims in India, 9. November 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/5228_1510126136_india1117-web.pdf

·      Indian National Commission for Backward Classes: Central List of OBC, State: Harayana, zuletzt aktualisiert am 9. Jänner 2015
http://www.ncbc.nic.in/User_Panel/GazetteResolution.aspx?Value=mPICjsL1aLtSFTL0ASsWZiEMIyxBfIugsntqBSwY0wBkzHKNx3nfxopTrWzuvL2A

·      IndoCanadian ROR Society: ROR History, ohne Datum
http://www.indocanadianror.com/index.asp?mid=5

·      Rajputs: History of Rajputs in India, ohne Datum
http://www.indianrajputs.com/history/

·      RRT - Refugee Review Tribunal (Australia): RRT Research Response: India: IND34832- India – Ror Caste – Dalits – Chur Majra, 28. April 2009 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/2107_1316008998_ind34832.pdf

·      The Economic Times: Haryana government turns pandits backward, 30. März 2016
https://blogs.economictimes.indiatimes.com/Polibelly/haryana-government-turns-pandits-backward/

·      The Hindu: Jat quota protests: What is it all about?, 23. September 2017
http://www.thehindu.com/specials/jat-quota-protests-what-is-it-all-about/article14091994.ece1

·      The Indian Express: Backward march: Who are the Jats, what do they want?, 22. Februar 2016
http://indianexpress.com/article/explained/backward-march-what-the-jats-want/

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2016 - India, 3. März 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/337150/479913_de.html

·      Welfare of Scheduled Caste & Backward Classes Department, Government of Haryana: List of Backward Classes in Haryana State, zuletzt akutalisiert am 12. Dezember 2017a
http://haryanascbc.gov.in/list-of-backward-classes

·      Welfare of Scheduled Caste & Backward Classes Department, Government of Haryana: List of Scheduled Castes in Haryana State, zuletzt akutalisiert am 12. Dezemeber 2017b
http://haryanascbc.gov.in/list-of-scheduled-castes

 



[1] Siehe dazu Rajputs, ohne Datum.

[2] Siehe dazu BBC News, 20. Juli 2017.

[3] Siehe dazu BBC News, 20. Juli 2017.

[4] Siehe dazu Government of Haryana, 28. Jänner 2015.