Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zu einer Schauspielschule in Kabul, Angriff der Taliban [a-10297-2]

15. September 2017

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Die Universität Kabul verfügt laut ihrer eigenen Website über einen Fachbereich für Theater („Theatre Department“). Dort würden Personen im Bereich Schauspiel für Theater, Radio, Fernsehen und Kino ausgebildet. Der Fachbereich biete Ausbildungen in Theaterregie, Schauspiel und Schreiben an:

„This department has the responsibility of growing academic cadres of young and educated people in the field of drama such as theater, radio, television and cinema. Many of the artists of the country graduated from this field that many of them have enrolled into the academic cadre of fine arts faculty, and many others attracted by different cultural centers such as Radio Television, Kabul theatre, Afghan film, and many more which the best actors of radio television and cinema are included in them. […] Fields of theater directing, acting and writing are included in this department, in which students classified according to these fields of study in the second year. (Universität Kabul, ohne Datum)

World Cultures Connect (WCC), eine Plattform, die KulturmanagerInnen und KünstlerInnen vernetzen will, beschreibt in einem Eintrag vom September 2015 den Fachbereich für Theater an der Universität Kabul. Als Adresse wird die Fakultät für bildende Künste an der Universität Kabul, Jamal Mina, Distrikt 3 in Kabul angegeben. Der Fachbereich habe 2009 ein Austauschprogramm mit dem Nationaltheater in Bergen (Norwegen) gestartet. Die 15 Studentinnen des Instituts seien im Rahmen eines Projekts zur Einrichtung eines vierjährigen Bachelorstudiums für Schauspielerinnen an der Universität Kabul nach Norwegen geschickt worden.

Der Fachbereich habe enge Verbindungen zum Zentrum für darstellende Kunst („Dramatic Arts Centre“), das ebenfalls an der Fakultät für bildende Künste („Faculty of Fine Arts“) angesiedelt sei.

Neben anderen theaterbezogenen Fächern wie Bühnenausstattung und Kostümdesign, Maske, Licht und Ton müssten alle StudentInnen Kurse zu Literatur in Dari, Paschtu und Englisch, zu Kunstgeschichte, Kunstwissenschaft („Aesthetics“), Psychologie, Islamischen Studien und Statistik besuchen. Der Fachbereich biete ein vierjähriges Studium an, das zum Abschluss Bachelor of Arts führe. Das Studium umfasse allgemeine Theaterstudien im ersten Jahr, Schauspielen, Regie und das Schreiben von Stücken im zweiten Jahr und eine Spezialisierung auf einem dieser Gebiete in der Folge. Derzeit habe der Fachbereich 250 Studierende, darunter 15 Frauen. Es gebe sechs Unterrichtende, darunter eine Frau:

Faculty of Fine Arts, University of Kabul, Jamal Mina, District 3 Kabul […]

In 2009 the Department signed up for an exchange programme with the National Theatre in Bergen, Norway. The Department sent its 15 female students for training courses to Norway as part of a project to establish a dedicated four-year Bachelors course for actresses at the University of Kabul, and in exchange acting teachers from the National Theatre in Bergen came to Kabul. The Department is closely related to the work of the Dramatic Arts Centre of Afghanistan (2), which is also based at the Faculty of Fine Arts. […]

In addition to other theatre-related subjects like set and costume design, make up, light and sound, all students have to attend classes in Dari, Pashtu and English Literature, Art History, Aesthetics, Psychology, Islamic Studies and Statistics. The Department offers students a four-year study programme leading to the award of a Bachelor of Arts. The academic curriculum includes general theatre studies in the first year; acting, directing and play writing in the second year and a specialisation in one of these fields thereafter. The Department of Theatre currently has 250 students including 15 female students. Study programmes are taught by six teachers, one of whom is female.” (WCC, 27. September 2015)

Die indische Tageszeitung Hindustan Times erwähnt in einem Artikel vom Jänner 2016, dass der Dekan des Fachbereichs für Theater an der Universität Kabul bei einem Selbstmordanschlag auf ein Theaterstück im französischen Kulturinstitut im Dezember 2014 schwer verletzt worden sei. Im Fachbereich gebe es 250 StudentInnen:

„Little more than a year ago in December 2014 a suicide attack during a performance at the French Cultural Institute in Kabul had left the dean of Kabul University department of theatre, Mohammad Azim Hussainzadah, severely injured. But the blast failed to dent his spirit in pursuing theatre and guiding the 250-odd students at the theatre department.“ (Hindustan Times, 21. Jänner 2016)

Der Deutschlandfunk, ein Hörfunkprogramm des öffentlich-rechtlichen Deutschlandradios, berichtet im Dezember 2015 Folgendes über Theater-AbsolventInnen in Kabul:

„Theaterprobe an der Kabuler Fakultät der Künste. Rund 250 Studenten machen hier in vier Jahren ihren Bachelor. Frauen sind auch darunter. […]

Als Frau braucht es besonderen Mut, erzählt Friba, auf dem Kopf eine Rapper-Mütze, nach Art amerikanischer DJs: ‚Es ist nach wie vor schwer für Frauen, auf der Bühne zu stehen. Es ist gesellschaftlich schlecht angesehen, Theater zu spielen. Oft fängt es in der Familie an, dass nahe Verwandte oder Eltern es nicht erlauben, wenn die Tochter Kunst macht oder Theater spielen will.‘ […]

Theater-Absolventen sehen keine Zukunft in Afghanistan

‚Wir haben elf Frauen hier, bei 67 Männern. Das ist ja nichts, könnte man jetzt sagen. Aber letztes Jahr hatten wir nur drei Frauen. Es bewegt sich also etwas. Wir sprechen ihnen Mut zu. Einige sind aus benachbarten Studienbereichen zu uns gestoßen. Beim Festival letztes Jahr hatten wir 20 Prozent Frauen im Publikum. Dieses Jahr sind es 40 bis 60 Prozent, viele Junge darunter, das ist das Positive daran.‘

Männer haben auch Anlass zur Sorge.

Yama: ‚Für Theater-Absolventen gibt keine wirkliche Beschäftigung hier als Schauspieler. Es sei denn die Fakultät stellt mich als Dozent ein. Wenn alles nicht klappt, arbeite ich am Ende vielleicht als Polizist oder Soldat. Oder ich gehe ins Ausland.‘“ (Deutschlandfunk, 2. Dezember 2015)

Das Institut Francais Afghanistan (IFA) berichtet in einem undatierten Eintrag, dass es am Institut ein Programm für Theater und darstellende Künste gebe. Es würden unter anderem Masterklassen in den Bereichen Theater, Bewegungstheater, Pantomime und Zirkus mit eingeladenen französischen Schauspielern abgehalten. Die Schauspieler würden die erarbeiteten Stücke regelmäßig auf die Bühne bringen. Der Fokus werde jedes Jahr auf eine Schauspielertruppe gelegt, deren Professionalisierung begleitet werde:

La programmation théâtre et arts de la scène est construite de façon à illustrer et promouvoir les cultures française et afghane, les arts traditionnels et contemporains en dialogue constant ; des périodes de résidence d’artistes français et afghans sont organisées pour des projets de création ainsi que des cessions de master class avec les artistes français invités: théâtre, physical theatre, pantomime, cirque… les artistes investissent régulièrement le plateau pour nous livrer leurs dernières créations avec un public toujours croissant. Chaque année un focus est créé sur une troupe afghane pour l’accompagner dans sa professionnalisation : résidence de création, représentations, appuis à la diffusion. ” (IFA, ohne Datum)

Es konnten keine Informationen dazu gefunden werden, ob die oben genannten Institutionen privat sind.

Anschlag auf eine Schauspielschule in Kabul

Die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin berichtet in ihrem Newsletter Buschfunk Nr.1 aus dem Jahr 2015 Folgendes:

Kurz vor Weihnachten erreichte die HfS [Hochschule für Schauspielkunst] ein Hilferuf aus Afghanistan. Wenige Tage zuvor hatte es während einer Theatervorstellung in der vollbesetzten Aula einer Schule einen Selbstmordanschlag gegeben. Ein deutscher Mitarbeiter einer NGO wurde getötet, viele weitere Personen wurden verletzt. Die Schule befindet sich mitten in Kabul, auf dem Gelände des französischen Kulturinstituts und unweit des Präsidentenpalastes. Eigentliches Ziel der Terroristen waren die Puppenspieler der Gruppe PARWAZ, die sich in ihrem Stück mit den Folgen von Bombenattentaten auf das Zusammenleben in der afghanischen Gesellschaft auseinandersetzten. Für die Taliban stellte dies eine Verunglimpfung des Islams und Propaganda gegen den Dschihad dar. Daher befanden sich die Künstler und ihre Familien auch nach dem Anschlag in akuter Lebensgefahr.“ (Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, 2015, S. 1)

Die britische Tageszeitung The Guardian meldet im Dezember 2014 zum selben Vorfall, dass ein Selbstmordattentäter einen Deutschen während eines Angriffs auf eine Schule in Kabul getötet habe. Der Attentäter habe seine Bombe während eines Theaterstücks, das Selbstmordattentate verurteile, zur Explosion gebracht.. Die Istiqlal-Schule, die sich im Zentrum Kabuls befinde, beherberge ein französisches Kulturzentrum. Die Taliban hätten sich zu dem Anschlag bekannt:

„A teenage suicide bomber has killed a German citizen in an attack on a high school in Kabul. The bomber detonated explosives hidden in his underwear as a crowd of spectators attended a performance of a drama condemning suicide attacks. The Taliban claimed responsibility for the attack at a French cultural centre located on the grounds of Istiqlal high school in the centre of the Afghan capital.” (The Guardian, 11. Dezember 2014)

Der US-amerikanische Nachrichtensender NBC News meldet im Dezember 2014 ebenfalls, dass in Kabul ein französisches Kulturzentrum, wo eine Theateraufführung stattgefunden habe, Ziel eines Selbstmordanschlags geworden sei. Dabei seien mindestens vier Personen getötet worden. Der betroffene Gebäudekomplex beherberge das Kulturzentrum und eine Schule:

KABUL, Afghanistan — A suicide blast ripped through a packed screening of a documentary on violence at the French cultural center in the Afghan capital on Thursday, killing at least four people just hours after a separate bomber targeted an army bus. In a statement, the Taliban claimed responsibility for the attack. A senior Kabul police official who declined to be named said at least four people were killed, among them foreigners, and 23 people were wounded in the attack inside the compound housing the cultural center and a high school - just a short distance away from the presidential palace. The suicide bomber appeared to be between 15 and 16 years old and detonated at the front of an auditorium, he added.” (NBC News 11. Dezember 2014)

Auch die folgenden Medienartikel berichten über den Anschlag:

·      CNN: Deadly suicide bombing interrupts play condemning suicide bombings, 11. Dezember 2014
http://edition.cnn.com/2014/12/11/world/asia/afghanistan-french- school-attack/

·      Tolo News: Ghani Promises Security 'At Any Cost' After Suicide Attack on High School Theater, 12. Dezember 2014
http://www.tolonews.com/afghanistan/ghani-promises-security-any-cost-after-suicide-attack-high-school-theater

 

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 15. September 2017)

·      CNN: Deadly suicide bombing interrupts play condemning suicide bombings, 11. Dezember 2014
http://edition.cnn.com/2014/12/11/world/asia/afghanistan-french- school-attack/

·      Deutschlandfunk: Theater in Afghanistan - Ein Akt der Zivilcourage, 2. Dezember 2015
http://www.deutschlandfunk.de/theater-in-afghanistan-ein-akt-der-zivilcourage.1773.de.html?dram:article_id=338542

·      Hindustan Times: Theatre is our way of solving a crisis, say Kabul actors, 21. Jänner 2016 (verfügbar auf Factiva)

·      Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“: Verfolgter Künstler studiert an HfS, 2015
https://www.hfs- berlin.de/fileadmin/user_upload/hfs/Buschfunk/2015_1_Buschfunk.pdf

·      IFA - Institut Francais Afghanistan, ohne Datum (auf archive.org verfügbar)
https://web.archive.org/web/20160402184447/http:/institutfrancais-afghanistan.com/Afghanistan/afghanistan/culture/theatre-arts-de-la- scene/

·      NBC News: Suicide Bomber Hits French Cultural Center in Kabul, 11. Dezember 2014
https://www.nbcnews.com/news/world/suicide-bomber-hits- french-cultural-center-kabul-n266071

·      The Guardian: German citizen killed in suicide bomb attack at Kabul high school, 11. Dezember 2014
https://www.theguardian.com/world/2014/dec/11/suicide-bomber-school-french-cultural-centre-kabul-afghanistan

·      Tolo News: Ghani Promises Security 'At Any Cost' After Suicide Attack on High School Theater, 12. Dezember 2014
http://www.tolonews.com/afghanistan/ghani-promises-security-any-cost-after-suicide-attack-high-school-theater

·      Universität Kabul: Theatre Department, ohne Datum
http://ku.edu.af/en/page/social-science/877/theatre-department

·      WCC - World Cultures Connect: About University of Kabul - Department of Theatre, 27. September 2015
http://www.worldculturesconnect.com/profiles/115300/university-of-kabul---department-of-theatre