Dokument #1204068
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor)
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Eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom März 2014 enthält Informationen zur innerstaatlichen Fluchtalternativen für Paschtunen aus den FATA, unter anderem in Hinblick auf die Situation in Karachi, die wirtschaftliche Lage von alleinstehenden Männern und Möglichkeiten der internen Relokation:
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Innerstaatliche Fluchtalternative für alleinstehende Männer (Paschtunen) aus den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) ohne soziales/familiäres Netzwerk in anderen Gebieten Pakistans [8637-1 (8637)], 26. März 2014 (siehe Kopie im Anhang)
Lage von Schiiten in Pakistan
Die US-amerikanische Kommission für Internationale Religionsfreiheit (US Commission on International Religious Freedom, USCIRF), eine staatliche Körperschaft zur Beobachtung des Zustands der Meinungs- und Gewissens-, sowie der Religions- und Glaubensfreiheit im Ausland, beschreibt in seinem Jahresbericht 2015 (Beobachtungszeitraum 2014) die hohe ethnische und religiöse Diversität Pakistans. Laut Bevölkerungszensus aus 1998 seien 95 Prozent der Bevölkerung muslimisch, wobei 75 Prozent der muslimischen Bevölkerung SunnitInnen und 25 Prozent SchiitInnen seien. Bewaffnete terroristische Organisationen hätten im Jahr 2014 weiterhin ungestraft Prozessionen, Moscheen und Zusammenkünfte von Schiiten gezielt angegriffen. Der Polizei sei es nicht möglich gewesen, Attentate mit Todesopfern zu verhindern und die Regierung sei unzureichend gegen anti-schiitische Gruppierungen vorgegangen:
„Pakistan is an ethnically and religiously diverse country of over 190 million people. The 1998 census of Pakistan found that 95 percent of the population identified as Muslim. Of that, 75 percent identified as Sunni, but that is divided among numerous Sunni sects and denominations. 25 percent of the Muslim population identified as Shi’a. […] During 2014, militants and terrorist organizations continued to target Shi’a processions and mosques, as well as social gathering places, with impunity. Police, if present, have failed to stop attackers before people are killed, and the government has not cracked down on the groups that repeatedly target Shi’a Muslims.” (USCIRF, 30. April 2015, S. 109-110)
Das US-amerikanische Außenministerium berichtet in seinem Jahresbericht zu Religionsfreiheit im Oktober 2015 ebenfalls von gezielten Tötungen von schiitischen MuslimInnen. Gesellschaftliche Intoleranz würde weiterhin bestehen und resultiere unter Anderem in Mob-Angriffen („mob attacks“), Blasphemie-Beschuldigungen, gewalttätigen extremistischen Handlungen und Einschüchterung durch Extremisten. Laut einer öffentlichen Datenbank seien 2014 in Sindh bei 141 unterschiedlichen Anschlägen 139 Menschen getötet und 49 verletzt worden. Es sei weiterhin zu religiös motivierter Gewalt zwischen sunnitischen und schiitischen militanten Islamisten gekommen und landesweit seien einige Angehörige und Gemeinschaften religiöser Minderheiten zum Ziel religiös motivierter Gewalt geworden. Besonders in Dera Ismail Khan, Quetta, Hangu, Kohat, Tank, Dera Ghazi Khan, Gilgit, und in den Agencies Kurram und Orakzai sei es weiterhin zu Anschlägen auf schiitische Minderheiten gekommen. Anschläge auf Gebetsstätten, religiöse Zusammenkünfte und religiöse Anführer hätten 2014 hunderte Todesopfer gefordert:
„There were targeted killings of Shia Muslims and those accused of committing blasphemy. Societal intolerance persisted, including mob attacks, blasphemy accusations, and violent extremist activities. Violent extremists in some parts of the country threatened citizens who did not follow their authoritarian interpretation of Islam. […] A public database of attacks on Shia in Sindh reported 139 people killed and 49 injured in 141 separate attacks during the year. Sectarian violence between violent Sunni and Shia militants continued, and several religious minority individuals and communities across the country were the targets of religiously motivated violence. Attacks on the Shia minority continued, particularly in Dera Ismail Khan, Quetta, Hangu, Kohat, Tank, Dera Ghazi Khan, Gilgit, and in Kurram and Orakzai Agencies. Attacks on houses of worship, religious gatherings, and religious leaders perpetrated by sectarian, violent extremist, and terrorist groups resulted in hundreds of deaths during the year.” (USDOS, 14. Oktober 2015)
In seinem Jahresbericht zu Menschenrechten für das Jahr 2014 berichtet das US-amerikanische Außenministerium, dass es der Polizei nicht gelungen sei religiöse Minderheiten zu schützen. Es sei allerdings zu Verbesserungen in der Professionalität der Polizeiarbeit gekommen. Auch Gerichte hätten beim Schutz von religiösen Minderheiten versagt. Gesetze gegen Blasphemie würden Schia, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten diskriminieren. Blasphemie-Anklagen würden vor erstinstanzlichen Gerichten oft keine Beweismaterialen benötigen und manche verurteilte Personen seien erst nach jahrelanger Gefängnisstrafe von einer höheren Instanz freigesprochen worden. Der Bericht beschreibt große Demonstrationen gegen Schiiten in Islamabad im März und in Quetta im Oktober 2014. Anti-schiitische Graffiti seien in Quetta verbreitet:
„Police often failed to protect members of religious minorities – including Christians, Ahmadiyya Muslims, and Shia Muslims – from attacks. There were improvements, however, in police professionalism. […]
Courts routinely failed to protect the rights of religious minorities. Laws prohibiting blasphemy were used discriminatorily against Shia, Christians, Ahmadis, and members of other religious minority groups. Lower courts often did not require adequate evidence in blasphemy cases, and some accused and convicted persons spent years in jail before higher courts eventually overturned their convictions or ordered them freed […]
Anti-Shia graffiti was common in Quetta. In March Ahle-Sunna-wa-Jamaat held a major rally in Quetta and another in October, in Islamabad, where large crowds chanted anti-Shia slogans.” (USDOS, 25. Juni 2015)
Das vom Institut für Konfliktmanagement, einer in Neu Delhi ansässigen Non-Profit-Organisation, betriebene South Asia Terrorism Portal (SATP), stellt eine Chronologie zu in Pakistan getöteten SchiitInnen zur Verfügung, die auf einer Zusammenstellung aus Nachrichtenartikeln basiere. Für das Jahr 2015 finden sich 38 Vorfälle, der letzte Eintrag datiert vom 13. Dezember 2015. Demnach seien 2015 251 SchitInnen bei den angegebenen Vorfällen getötet und 316 verletzt worden. Ein Großteil der Vorfälle seien in der Provinz Sindh (18) vermerkt worden, gefolgt von Belutschistan (10), Khyber Pakhtunkhwa (4), Punjab (3) und FATA (3). (SATP, 31. Dezember 2015)
Das Pak Institute for Peace Studies (PIPS), eine unabhängige, gemeinnützige Denkfabrik, die in Islamabad ansässig ist und sich auf Friedens- und Sicherheitsfragen spezialisiert hat, veröffentlicht jährlich einen Sicherheitsbericht für Pakistan. Für den Beobachtungzeitraum 2015 wurde bereits ein Überblick des Berichtes öffentlich zugänglich gemacht. Demnach sei 2015 eine beachtliche Verringerung (59 Prozent) von Vorfällen religiös motivierter Gewalt in Pakistan verzeichnet geworden. Die Zahl der Personen, die 2015 durch religiös motivierte Gewalt getötet wurden, sei allerdings aufgrund von tödlichen Explosionen in Sindh und Karachi um 7 Prozent gestiegen, 2014 seien demnach 225 Personen und 2015 insgesamt 272 Personen gestorben. Geographisch hätte sich religiös motivierte Gewalt 2015 vor Allem auf insgesamt acht Städte bzw. Distrikte konzentriert. Zu den Städten zählen Jacobabad, Shikarpur und Karachi in Sindh, Quetta und Bolan in Balochistan, Islamabad und Rawalpindi, Peshawar in Khyber Pakhtunkhwa und Parachinar in der Agency Kurram in der FATA:
„Representing a significant decrease of 59 percent from the year before, a total 58 incidents of sectarian violence were recorded across Pakistan in 2015; all these incidents were sectarian-related terrorist attacks, as no sectarian clash was reported during the year. However, the number of people killed in sectarian violence in 2015 increased by about 7 percent, from 255 in 2014 to 272 in 2015 due to some lethal sectarian-related blasts in interior Sindh and Karachi. About 98 percent of the total number of people killed and over 99 percent of those injured in sectarian-related terrorist attacks across Pakistan in 2015 were concentrated in eight cities/districts including Jacobabad, Shikarpur and Karachi in Sindh; Quetta and Bolan in Balochistan; the twin cities of Islamabad and Rawalpindi; Peshawar in Khyber Pakhtunkhwa; and Parachinar in Kurram Agency of the Federally-Administered Tribal Areas. Also, out of the total 58 reported sectarian-related attacks across Pakistan, as many as 52 (90 percent) occurred in these eight locations.” (PIPS, Jänner 2015, S. 9)
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in ihrem Jahresbericht 2016, dass es der Regierung auch im Jahr 2015 nicht gelungen sei, angemessene Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von tödlichen Anschlägen auf SchiitInnen umzusetzen. Im Jänner 2015 seien mindestens 53 Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine schiitische Moschee in der Stadt Shikarpur in der Provinz Sindh ums Leben gekommen. Eine Splittergruppe der Taliban namens Jundullah habe die Verantwortung für das Attentat übernommen. Im Februar seien 19 Personen bei einem Anschlag der Taliban auf eine schiitische Moschee in Peshawar ums Leben gekommen und im Mai wurden 43 Personen bei einem weiteren Anschlag der Jundullah auf eine schiitische Moschee getötet. Diese Anschläge würden die Gefahr, die von bewaffneten extremistischen Gruppierungen ausgehe, und das staatliche Versagen die Täter zu überführen, veranschaulichen:
„The government failed to take adequate steps to prevent and respond to deadly attacks on Shia and other religious minorities in 2015. In January, at least 53 people were killed in a bomb blast at a Shia mosque in the city of Shikarpur in Sindh province. Jundullah, a splinter group of the Taliban that has pledged support for the armed extremist group Islamic State (also known as ISIS), claimed responsibility for the attack. In February, 19 people were killed after Taliban militants stormed a Shia mosque in Peshawar. […] In May, an attack by Jundullah on members of the Ismaili Shia community in Karachi killed 43 people. The attacks highlighted the threat armed extremist groups to pose to religious minorities, and the government’s failure to apprehend or prosecute perpetrators.” (HRW, 27. Jänner 2016)
Mehrere Zeitungsartikel berichten im Jahr 2015 von Anschlägen auf Schiiten in unterschiedlichen Regionen Pakistans. Im Jänner 2015 berichtet die deutsche Nachrichten-Website Spiegel Online über den von HRW erwähnten Bombenanschlag auf eine schiitische Moschee in der Stadt Shikarpur im Süden Pakistans, laut dem örtlichen Gesundheitsminister belief sich die Zahl der Todesopfer zu diesem Zeitpunkt noch auf 20 Personen:
„Bei einem Bombenanschlag auf eine schiitische Moschee in der südpakistanischen Stadt Shikarpur sind mindestens 20 Menschen getötet worden. Mehr als 70 weitere Menschen seien bei dem Anschlag verletzt worden, sagte der örtliche Gesundheitsminister in der Provinz Sindh, Jam Mehtab Daher. Die Bombe explodierte, als hunderte Gläubige in dem vollbesetzten Gotteshaus in Shikarpur zum Freitagsgebet versammelt waren. Das Dach des Gebäudes war unter der Wucht der Detonation eingestürzt. ‚Das ganze Gebiet ist voller Blut und Leichenteile, es riecht nach verbranntem Fleisch, Menschen schreien - es ist das Chaos‘, sagte ein Augenzeuge. Fernsehbilder zeigten, wie Opfer hektisch in Autos, mit Rikschas und auf Motorrädern ins Krankenhaus gebracht wurden. Es war der schwerste Anschlag gegen Schiiten in Pakistan seit einem Jahr. Am 22. Januar 2014 waren bei einem Anschlag auf einen Pilgerbus in der südwestlichen Provinz Belutschistan 24 schiitische Pilger getötet worden. In den vergangenen zwei Jahren wurden etwa tausend Schiiten in Pakistan getötet. Viele Anschläge werden von der sunnitischen Extremistengruppe Lashkar-e-Jhangvi verübt.“ (Spiegel Online, 30. Jänner 2015)
Im Februar 2015 berichtete die deutsche Wochenzeitung die Zeit über den von HRW gemeldeten Anschlag auf eine schiitische Moschee in der Stadt Peshawar im Norden Pakistans:
„Bei einem Anschlag auf eine Moschee in der pakistanischen Stadt Peshawar sind mindestens 18 Menschen getötet worden. Zahlreiche weitere wurden nach Angaben der Polizei verletzt, der Sprecher eines örtlichen Krankenhauses berichtet von 41 eingelieferten Verletzten. Die Besucher des schiitischen Gotteshauses hatten einem Augenzeugen zufolge gerade das Freitagsgebet beendet, als fünf oder sechs bewaffnete Männer in Militäruniformen das Gebäude stürmten und das Feuer eröffneten. ‘Dann sprengte sich einer der Angreifer in die Luft. Überall war Rauch und Staub‘, berichtete der Zeuge. Nach Angaben der Polizei erschütterten insgesamt drei Explosionen die Moschee. Die Moschee liegt in unmittelbarer Nähe zu mehreren Regierungsgebäuden, darunter dem Sitz des Geheimdienstes. Der pakistanische Teil der radikalislamischen Taliban bekannte sich zu dem Anschlag. Sie kämpfen für einen sunnitischen Gottesstaat in Pakistan. Schiiten sind für sie Ungläubige.“ (Die Zeit, 13. Februar 2015)
Im Mai 2015 berichtet die deutsche Wochenzeitung die Zeit über das Attentat auf einen Bus in Karachi mit mehr als 43 Todesopfern:
„Im Süden Pakistans haben Attentäter in Karachi einen Bus mit schiitischen Gläubigen angegriffen und mindestens 43 Menschen getötet. Dies teilte die Polizei mit. Bei der Attacke habe es auch mehrere Verletzte gegeben, sagte Provinzpolizeichef Ghulam Haider Jamali. […] Der Bus war nach seinen Worten auf dem Weg zu einer Gebetsstätte der schiitischen Minderheit der Ismailiten. Die Attentäter seien in den Bus eingedrungen und hätten auf die Passagiere geschossen. Etwa 60 Menschen seien in dem Bus auf dem Weg zu einer Moschee gewesen, hieß es. In Karachi mit seinen 20 Millionen überwiegend sunnitischen Einwohnern kommt es immer wieder zu religiös oder politisch begründeter Gewalt. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Terrorakt. Es könnten aber religiöse Extremisten gewesen sein: Die Taliban und andere sunnitische Radikale sehen die Schiiten als Ungläubige und verüben immer wieder Anschläge auf sie.“ (Die Zeit, 13. Mai 2015)
Die österreichische Tageszeitung Die Presse berichtet ebenfalls von dem Attentat in Karachi. Demnach hätten sich die Tehrik-i-Taliban Pakistan und eine den Taliban nahestehende sunnitische Gruppierung namens Jundullah zu dem Attentat bekannt:
„Jundullah, eine militante sunnitische Gruppe aus dem Umfeld der Pakistanischen Taliban, die vorgibt, Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) zu haben, bekannte sich zu den Morden. Diese seien erfolgt, da es sich bei den Getöteten um ‘Ungläubige‘ gehandelt habe. Auch die militante Dachorganisation Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP, Pakistanische Taliban) bekannte sich zu dem Massaker. Ersten Ermittlungen zufolge waren sechs Angreifer an dem Anschlag beteiligt. Drei Bewaffnete seien in das Innere des Busses eingedrungen und hätten dort mit Pistolen und Maschinengewehren um sich geschossen, erklärte ein Polizeisprecher. Drei weitere hätten vor dem Bus gewartet. Alle Angreifer konnten unerkannt entkommen. Pakistans Armeechef, Raheel Sharif, sagte eine Reise nach Sri Lanka ab und übernahm die Leitung bei den Ermittlungen.“ (Die Presse, 14. Mai 2015)
Der Österreichische Rundfunk (ORF) berichtet auf seiner Nachrichtenseite von einem Anschlag auf eine schiitische Prozession im Oktober 2015:
„Bei einem Anschlag auf eine schiitische Prozession in der südpakistanischen Stadt Jacobabad sind gestern mindestens 20 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Nach Angaben der Polizei und von Krankenhausmitarbeitern wurden zahlreiche Verletzte und Leichen in eine Klinik der Stadt gebracht. Der Anschlag ereignete sich vor dem Haus eines örtlichen Schiitenführers. Die Polizei ging davon aus, dass es sich um einen Selbstmordanschlag handelte, wollte das aber durch weitere Ermittlungen noch überprüfen. Die Gläubigen waren anlässlich des schiitischen Trauermonats Moharram versammelt, in dem an den Tod von Imam Hussein in der Schlacht von Kerbala im Jahr 680 erinnert wird. Radikale Sunniten lehnen öffentliche Trauerfeiern für den Prophetenenkel ab. Die schiitische Minderheit, die rund 20 Prozent der pakistanischen Bevölkerung ausmacht, ist seit Jahren Opfer von Angriffen radikaler sunnitischer Islamisten.“ (ORF, 23. Oktober 2015)
Das Deutsche Auswärtige Amt schreibt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen von Gewalt gegen Schiiten in Gilgit-Baltistan und Belutschistan:
„In Gilgit-Baltistan, den früheren Northern Areas, führen Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. […] Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban werden in Belutschistan beobachtet. Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen.“ (AA, 11. Februar 2016)
Eine ACCORD-Anfragebeantwortung aus dem Jänner 2015 bietet eine detaillierte Beschreibung zur Lage der Schiiten in Pakistan:
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Pakistan: Lage der Schiiten (Schwerpunkt aktuelle Sicherheitslage und mögliche Diskriminierungen) [a-8967-2 (8968)], 9. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/295978/431505_de.html
Folgende ACCORD-Anfragebeantwortung vom November 2014 und Jänner 2015 gehen auf die Lage von schiitischen Paschtunen in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Federally Administered Tribal Areas, FATA) ein:
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Behandlung schiitischer Paschtunen durch Sunniten in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Federally Administered Tribal Areas, FATA) [a-9289], 19. November 2014 (siehe Kopie im Anhang)
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Pakistan: Lage der Turi (allg. Informationen und aktuelle Lage) [a-8967-1], 9. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/294224/431495_de.html
Lage von Paschtunen in Pakistan
Die Minority Rights Group International (MRG), eine internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, berichtet in ihrem Jahresbericht 2015 (Beobachtungszeitraum 2014) zur Lage von Minderheiten in Pakistan. Aufgrund von schlecht geplanter städtischer Entwicklung und rapiden demographischen Wachstums sei eine Eskalation von konfessioneller Gewalt möglich, was sich sehr stark auf Pakistans Minderheiten auswirken könne. Besonders in Karachi sei Ethnizität politisiert. Gewalttätige Auseinandersetzungen verschiedener Parteien zur Kontrollgewinnung von lokalen Siedlungsgebieten seien zunehmend durch Ethnizität bestimmt, was für Minderheiten ein erhöhtes Gefahrenpotenzial bedeute. In Karachi hätten Paschtunen den größten Anteil an Neuzugezogenen, was Spannungen zwischen der Muttahida Qaumi Bewegung (MQM), die hauptsächlich die Muhajir-Bevölkerung vertrete und der paschtunisch dominierten Awami National Party verschärfen könne. Tatsächlich hätte eine Umsiedelung in Städte nicht immer die Sicherheit von Minderheiten in Pakistan erhöht. Militante Gruppierungen würden ihre Anschläge zunehmend auf Städte konzentrieren. Aufgrund der steigenden Zahl von Taliban-Kämpfern und eines generell erhöhten Levels an Gewalt seien zwischen September 2013 und September 2014 750 religiös motivierte gezielten Tötungen gemeldet worden. Staatliche Anti-Terror-Maßnahmen hätten oft zu einer Verschlechterung der Lage von Minderheiten und marginalisierten Gruppen in Städten geführt. Nach einem Selbstmordattentat in Islamabad im März 2014 sei die Regierung zum Beispiel gegen die lokalen Slums, in denen viele Minderheiten wohnen, vorgegangen. Die Zerstörung der Slums habe wiederum Proteste bei deren BewohnerInnen ausgelöst. Eine solche Vorgehensweise sei beispielhaft für die zunehmende Feindseligkeit der Regierung gegen solche Siedlungen, die als Sicherheitsgefahr gelten. Manche BewohnerInnen seien auch der Ansicht, dass der Versuch solche Siedlungen zu räumen auch aufgrund von kommerziellen Interessen erfolge:
„Though it is important not to oversimplify ethnic and other divisions, poorly planned urban development and rapid demographic growth have the potential to escalate levels of violence along sectarian lines, with serious implications for Pakistan’s minorities. This is particularly the case in Karachi, where ethnicity is highly politicized. Violent disputes between different parties over control of local settlements are therefore defined increasingly in ethnic terms, placing minorities at even greater risk of attack. With Pashtuns now constituting the largest segment of new arrivals in Karachi, there is concern this could exacerbate tensions between the locally ruling Muttahida Qaumi Movement (MQM), which largely represents the muhajir population – mostly Urdu-speaking Muslims who migrated from northern and western India following partition – and the Pashtun-dominated Awami National Party. Indeed, relocating to cities has also not always ensured greater security for Pakistan’s minorities. […] Militants have also increasingly focused their attacks against minorities in urban areas. In Karachi, growing numbers of TTP [Therik-i-Taliban Pakistan] fighters and high levels of violence led to 750 sectarian targeted killings reported between September 2013 and September 2014. However, government anti-terrorism measures have often only served to increase the vulnerability of minorities and other marginalized groups in urban areas. In response to a double suicide bomb attack in Islamabad in March 2014, for example, the government swiftly blamed and conducted raids on the city’s slums, or katchi abadis, where many minorities make their homes. Subsequent efforts to demolish slums have been met with protests from those living in these areas, including many of Islamabad’s Christians who migrated from other parts of the country in search of better opportunities. These actions reflected increasing hostility from the recently elected government towards these settlements, which it has regarded as a security threat, though some inhabitants have argued that the attempted clearances are also driven by commercial interests.” (MRG, 2. Juli 2015, S. 180-181)
Die pakistanische Tageszeitung Dawn schreibt im Oktober 2015 über die Rechte von intern vertriebenen Personen aus den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) in Peshawar. Verwaltung und Polizei hätten die Bewegungsfreiheit von intern Vertriebenen und afghanischen Flüchtlingen stark eingeschränkt. Laut öffentlichen Informationen, die in der Stadt aufgehängt wurden, sei die Einreise und der Aufenthalt auf den Straßen der Stadt für intern Vertriebenen und afghanischen Flüchtlinge verboten. Mit solchen Maßnahmen bestehe die Möglichkeit tausende Personen in ihrem fundamentalen Recht auf Bewegungsfreiheit einzuschränken. Laut einem lokalen NGO-Vertreter seien Personen aus den Stammesgebieten gerade um stärkere Integration in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa bemüht, solche Maßnahmen seien daher eventuell ein Versuch, den Hass zwischen den Zugezogenen und den BewohnerInnen zu schüren. Peshawar sei als das Zentrum der Pashtunen bekannt, derartige Klassifikationen unter Paschtunen aus unterschiedlichen Gebieten seien daher nicht gerechtfertigt:
„In a strange twist of fate hundreds of thousands of inhabitants of the Federally Administered Tribal Areas (Fata) were turned into aliens in their own country. Carrying the National Identity Card of Pakistan by these tribal people is no longer a guarantee of enjoying the fundamental rights enshrined in the Constitution of Pakistan. The latest decision, taken by the administration and police in the start of Muharramul Haram, of banning the entry and roaming around of internally displaced persons (IDPs) in Peshawar has been drawing flak from different quarters. Banners have been displayed by the local police in parts of Peshawar city carrying a public notice wherein several instructions are mentioned for general public. At serial No 5 of the instructions it is mentioned that entry of Afghan refugees and IDPs and their roaming around in the city is banned. […] It has given rise to the question whether because of security concerns hundreds of thousands of people could be deprived of their fundamental right to movement. […] He [Zar Ali Khan Afridi, chairperson of Tribal NGOs Consortium] said that making such announcements at a time when tribal people had been campaigning for their integration with Khyber Pakhtunkhwa might be a conspiracy to create hatred among the inhabitants of tribal areas as well as that of this province. ‘Peshawar is considered a centre of Pakhtuns and making classifications among Pakhtun population of different areas is unjustified,’ he said.” (DAWN, 19. Oktober 2015)
Folgende ACCORD-Anfragebeantwortungen vom Jänner 2015 enthalten Informationen zur Lage von Schiiten in Pakistan und des paschtunischen Stamms der Turi aus dem Kurram-Tal sowie zur Lage von Paschtunen in Pakistan und zum Anteil von Paschtunen an der pakistanischen Bevölkerung:
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Lage der Paschtunen (Schwerpunkt mögliche Diskriminierungen und aktuelle Sicherheitslage) [a‑8967-4 (8970)], 9. Jänner 2015 (siehe Kopie im Anhang)
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Anteil der Paschtunen an der Bevölkerung in folgenden Provinzen bzw. Städten: Punjab, Sindh, Belutschistan, Lahore, Rawalpindi/Islamabad, Karatschi, Quetta und Peschawar [a‑8967-3 (8969)], 9. Jänner 2015
http://www.ecoi.net/local_link/294226/431496_de.html
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 29. März 2016)
· AA - Auswärtiges Amt: Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise, 11. Februar 2016
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherheit.html
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Innerstaatliche Fluchtalternative für alleinstehende Männer (Paschtunen) aus den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) ohne soziales/familiäres Netzwerk in anderen Gebieten Pakistans [8637-1 (8637)], 26. März 2014
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Behandlung schiitischer Paschtunen durch Sunniten in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Federally Administered Tribal Areas, FATA) [a-9289], 19. November 2014
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Pakistan: Lage der Schiiten (Schwerpunkt aktuelle Sicherheitslage und mögliche Diskriminierungen) [a-8967-2 (8968)], 9. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/295978/431505_de.html
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Anteil der Paschtunen an der Bevölkerung in folgenden Provinzen bzw. Städten: Punjab, Sindh, Belutschistan, Lahore, Rawalpindi/Islamabad, Karatschi, Quetta und Peschawar [a‑8967-3 (8969)], 9. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/294226/431496_de.html
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Pakistan: Lage der Paschtunen (Schwerpunkt mögliche Diskriminierungen und aktuelle Sicherheitslage) [a‑8967-4 (8970)], 9. Jänner 2015
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Pakistan: Lage der Turi (allg. Informationen und aktuelle Lage) [a-8967-1], 9. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/294224/431495_de.html
· DAWN Group of Newspapers: View from the courtroom: IDPs made aliens in their own country, 19. Oktober 2015 (veröffentlicht von ReliefWeb)
http://reliefweb.int/report/pakistan/view-courtroom-idps-made-aliens-their-own-country
· Die Presse: Pakistan: Erneut Terror gegen Schiiten, 14. Mai 2015
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4731555/Pakistan_Erneut-Terror-gegen-Schiiten?from=simarchiv
· Die Zeit: Dutzende Tote bei Anschlag auf schiitische Moschee, 13. Februar 2015
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/pakistan-anschlag-moschee-peshawar
· Die Zeit: Attentäter töten mehr als 40 Schiiten in Pakistan, 13. Mai 2015
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/pakistan-anschlag-schiiten-sunniten-karachi
· HRW - Human Rights Watch: World Report 2016 - Pakistan, 27. Jänner 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/318383/457386_de.html
· MRG - Minority Rights Group International: State of the World’s Minorities and Indigenous Peoples 2015, 2. Juli 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1440494002_10-mrg-state-of-the-worlds-minorities-2015-asia.pdf
· ORF – Österreichischer Rundfunk: Selbstmordattentäter tötete in Pakistan 20 Schiiten, 23. Oktober 2015
http://orf.at/stories/2305818/
· PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2015, Jänner 2015
http://pakpips.com/downloads/293.pdf
· SATP - South Asia Terrorism Portal: Shias killed in Pakistan since 2011, 31. Dezember 2015
http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/database/Shias_killed_Pakistan.htm
· Spiegel Online: Pakistan: Mindestens 20 Tote bei Anschlag auf Moschee, 30. Jänner 2015
http://www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-mindestens-20-tote-bei-anschlag-auf-moschee-a-1015890.html
· USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: USCIRF; Annual Report 2015; 2015 Country Reports: Tier 1 CPCS recommended by USCIRF; Pakistan, 30. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1432895931_pakistan-2015.pdf
· USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2014 - Pakistan, 25. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/306342/443617_de.html
· USDOS - US Department of State: 2014 Report on International Religious Freedom - Pakistan, 14. Oktober 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/313360/451624_de.html