Anfragebeantwortung zu Äthiopien: Informationen zur Lage von AktivistInnen der Oromo-Befreiungsfront (Oromo Liberation Front, OLF) [a-9286-1]

30. Juli 2015

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

 

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) schreibt in einem Bericht vom Oktober 2014, dass die Oromo-Befreiungsfront (Oromo Liberation Front, OLF) (und deren bewaffneter Flügel, die Oromo-Befreiungsarmee (Oromo Liberation Army, OLA)) in den 1970er-Jahren gegründet worden sei und eine der Gruppen gewesen sei, die gegen die Regierung von Mengistu Hailemariam gekämpft hätten. Nach dem Sturz von Mengistu Hailemariam im Jahr 1991 sei die OLF kurzzeitig Teil einer von der Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker (Ethiopian Peoples’ Revolutionary Democratic Front, EPRDF) geführten Übergangsregierung gewesen. Jedoch habe die OLF immer eine angespannte („uneasy“) Beziehung zur Volksbefreiungsfront von Tigray (Tigray People's Liberation Front, TLPF), der stärksten politischen Partei innerhalb der EPRDF-Koalition, gehabt. Diese Spannungen hätten dazu geführt, dass die OLF im Jahr 1992 die Übergangsregierung verlassen habe. In der Folge seien Tausende KämpferInnen und (mutmaßliche) UnterstützerInnen der OLF verhaftet worden. Seither führe die OLF einen niederschwelligen („low-level“) bewaffneten Kampf gegen die Regierung und gebe als ihr grundlegendes Ziel die Selbstbestimmung der Oromo an. Die Verfassung von 1994 garantiere das „Recht auf Selbstbestimmung bis hin zur Abspaltung“ (Artikel 39). Trotzdem seien seit dem Austritt der OLF aus der Übergangsregierung Tausende Oromo wegen des Vorwurfs der Unterstützung der OLF festgenommen und inhaftiert worden, oftmals ohne Anklage oder Gerichtsverfahren und manchmal für einen Zeitraum von vielen Jahren. Im Juni 2011 habe das Parlament die OLF als terroristische Organisation eingestuft:

„The majority of Oromos arrested for actual or suspected dissent interviewed by Amnesty International, as well as suspected Oromo dissidents arrested in scores of other cases reported to the organization, were accused of supporting the Oromo Liberation Front (OLF). The OLF (and its armed wing the Oromo Liberation Army, OLA), formed in the 1970s, was one of a number of armed groups that fought against the previous government of Mengistu Hailemariam. When Mengistu Hailemariam was overthrown in 1991, the OLF was briefly part of a transitional government led by the Ethiopian Peoples’ Revolutionary Democratic Front (EPRDF) coalition. However, the OLF always had an uneasy relationship with the TPLF [Tigray People's Liberation Front] – the strongest political party in the EPRDF coalition. These tensions led to the OLF leaving the transitional government in 1992. Subsequently, thousands of OLF fighters, supporters and suspected supporters were arrested. Since then, the OLF has continued to wage a low-level armed struggle against the government, stating that its fundamental objective is to exercise the Oromo peoples’ right to self-determination. The 1994 Constitution guarantees the ‘right of self-determination up to secession’ (Article 39). Nevertheless, since the OLF left the transitional government, thousands of Oromos have been arrested and detained, often without charge or trial, and sometimes for many years, on the allegation of supporting the OLF. In June 2011, parliament proscribed the OLF as a terrorist organization.” (AI, 28. Oktober 2014, S. 19)

Laut der Verfassung sei Äthiopien als multikulturelle Föderation auf Grundlage ethno-nationaler Vertretung eingerichtet worden, so AI weiters. Es seien neun Regionalstaaten, die auf ethnischen Grundlagen beruhen würden, vorgesehen. Jedoch würden die Regierungen der Regionalstaaten im Vergleich zur Bundesregierung als schwach angesehen. Zudem sei die Oromo-Partei innerhalb der regierenden EPRDF-Koalition, die Demokratische Organisation des Oromo-Volkes (Oromo People’s Democratic Organisation, OPDO), weithin als von der TPLF gegründet bekannt und habe nie über dieselbe Unterstützung aus der regionalen Bevölkerung verfügt wie die OLF. Der OPDO werde von vielen Oromo weiterhin misstraut. Zudem werde die OPDO als schwach innerhalb der regierenden Koalition wahrgenommen:

„The Constitution established Ethiopia as a multicultural federation based on ethno-national representation and provided for nine ethnic-based regional states. However, the regional state governments are considered to be weak compared to the federal government. Further, the Oromo-based party in the ruling EPRDF coalition – the Oromo People’s Democratic Organisation (OPDO), which was formed in 1990 – is widely known to have been created by the TPLF, and never had the same base of popular support in the region as the OLF. The OPDO continues to be distrusted by many Oromos. In addition, the OPDO is considered weak within the ruling coalition.” (AI, 28. Oktober 2014, S. 19-20)

Die OLF sei seit einigen Jahren durch Unstimmigkeiten innerhalb der Führung zerrissen und relativ inaktiv. Schätzungen zufolge verfüge die OLF über ein paar tausend Kämpfer („a few thousand“). Die letzte verfügbare Zusammenfassung der Aktivitäten der OLF von 2012 liste etwa 65 Vorfälle, darunter einzelne gezielte Tötungen, Angriffe auf Militärstützpunkte, Angriffe aus dem Hinterhalt und Gefechte. Die Gruppe habe angegeben, im Jahr 2012 etwa 150 Menschen getötet zu haben, darunter Soldaten, Polizeibeamte, Sicherheitsbeamte und Angehörige von Milizen. Die OLF sei über die Jahre zudem der Menschenrechtsverletzungen beschuldigt worden. Die Regierung habe die Gruppe beschuldigt, für eine landesweite Bombenserie verantwortlich zu sein. Die Gruppe führt in ihrer Liste der Aktivitäten im Jahr 2012 an, dass einige Menschen getötet worden seien, weil sie sich geweigert hätten, ihre Zusammenarbeit mit der Regierung einzustellen. Die Regierung behaupte, dass die OLF in Oromia weiterhin von der Bevölkerung unterstützt werde und viele Beobachter würden dieser Behauptung zustimmen. Dies könne aufgrund einer weit verbreiteten Auffassung der Marginalisierung und Unterdrückung der Oromo durch die Regierung zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß wahr sein. Dies könnte einige Oromo unter anderem dazu veranlassen, weiterhin Sympathien für die Ziele der OLF zu empfinden. Einige junge Oromo würden jedoch angeben, dass die OLF bevor sie geboren wurden, aufgehört habe zu existieren und die OLF aktuell keine Relevanz für sie besitze:

„The OLF has been riven by leadership divisions and relatively inactive in recent years. Estimates put the number of fighters now at a few thousand. A summary of the group’s activities in 2012 (the latest available) listed around 65 incidents, including single targeted killings, attacks on military camps, ambushes and skirmishes. The group says it killed around 150 people during 2012 including soldiers, local and federal police, ‘security officers’ and militia. The OLF has also been accused of human rights abuses through the years. The government has accused the group of responsibility for a series of bombings throughout the country. The group openly states in its list of 2012 activities that some people were killed for refusing to stop collaborating with the government. The government suggests the OLF continues to enjoy popular support in Oromia and many observers agree. This may be true, at least to some extent - a widely-held perception of marginalisation and repression of the Oromo at the hands of the government may cause some Oromos to retain sympathy for the aims of the OLF, and a belief that the OLF represents their interests, although some young Oromos state the OLF ceased to exist before they were born and is not relevant to them in the current context.” (AI, 28. Oktober 2014, S. 20)

Die Regierung setze die Ausübung verschiedener Rechte, wie Teilnahme an friedlichen Protesten, Mitgliedschaft in einer politischen oppositionellen Partei oder die Weigerung, sich der regierenden Partei anzuschließen, regelmäßig mit „Beweisen“ für eine Unterstützung der OLF gleich. Im Kontext der Feindseligkeit der EPRDF gegenüber Dissens sei es oft unklar, ob die Regierung weiterhin annehme, dass ein hohes Maß an Unterstützung für die OLF herrsche oder ob es für die Regierung nur politisch nützlich sei, dies zu behaupten. Die Regierung erwarte in Oromia Opposition gegenüber der EPRDF und der Vorwand der Unterstützung der OLF werde häufig dazu benutzt, Stimmen, die die Regierung nicht hören möchte, zum Schweigen zu bringen und um die groß angelegte Unterdrückung allen Dissens in Oromia zu rechtfertigen:

„However, the government regularly equates exercising various rights such as participation in peaceful protests, membership of a political opposition party or refusal to join the ruling political party, as ‘evidence’ of OLF support. In the context of the EPRDF’s hostility to dissent, it is often unclear whether the government still believes there to be a high level of support for the OLF or whether it is merely politically expedient for it to say so. The government anticipates opposition to the EPRDF in Oromia and the pretext of OLF support is frequently used to silence voices the government does not wish to be heard and justify the large-scale repression of all dissent in Oromia.” (AI, 28. Oktober 2014, S. 20)

Der oben zitierte Bericht von AI enthält zudem detaillierte allgemeine Informationen zur Lage der Oromo:

·      AI - Amnesty International: ‘Because I am Oromo’: Sweeping repression in the Oromia region of Ethiopia [AFR 25/006/2014], 28. Oktober 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1437548477_afr250062014en.pdf

 

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Juni 2015 (Berichtszeitraum 2014), dass die Regierung die Anti-Terrorism Proclamation (ATP) benutzt habe, um Kritik zu unterdrücken. JournalistInnen hätten sich unter anderem davor gefürchtet, über die OLF zu berichten, die vom äthiopischen Parlament im Jahr 2011 als terroristische Organisation eingestuft worden sei. Die JournalistInnen hätten dies mit Unklarheiten hinsichtlich der gesetzlichen Lage („might be punishable under the law“) bei einer Berichterstattung über diese Gruppe erklärt. Mehrere JournalistInnen, sowohl inländische als auch ausländische KorrespondentInnen, hätten über eine Zunahme der Selbstzensur berichtet:

„The government used the ATP [Anti-Terrorism Proclamation] to suppress criticism. Journalists feared covering five groups designated by parliament in 2011 as terrorist organizations (Ginbot 7, the ONLF [Ogaden National Liberation Front], the OLF, al-Qaida, and al-Shabaab), citing ambiguity on whether reporting on these groups might be punishable under the law. Several journalists, both local and foreign correspondents, reported an increase in self-censorship.” (USDOS, 25. Juni 2015, Section 2a)

In einem Bericht vom Jänner 2015 geht die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) auf den Seiten 42 bis 43 genauer auf die Lage von JournalistInnen hinsichtlich einer Berichterstattung über die OLF ein:

·      HRW - Human Rights Watch: “Journalism Is Not a Crime”, Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1421920118_ethiopia0115-forupload.pdf

 

Die sich im staatlichen Besitz befindende Ethio Telecom sei der einzige Internet-Provider im Land, so das USDOS in seinem Länderbericht weiters. Die Regierung habe den Zugang zum Internet eingeschränkt, darunter zu Websites der OLF:

„The state-owned Ethio Telecom was the only internet service provider in the country. The government restricted access to the internet and blocked several websites, including blogs, opposition websites, and websites of Ginbot 7, the OLF, and the ONLF.” (USDOS, 25. Juni 2015, Section 2a)

Regierungsbeamte hätten laut dem USDOS unter anderem gemutmaßt, dass viele Mitglieder legitimer Oromo-Oppositionsparteien insgeheim OLF-Mitglieder seien:

„Government officials alleged many members of legitimate Oromo opposition parties were secretly OLF members and more broadly that members of many opposition parties had ties to Ginbot 7.” (USDOS, 25. Juni 2015, Section 3)

HRW erwähnt in einer Pressemitteilung vom April 2015 ebenfalls, dass die Oromo Liberation Front (OLF) im Jahr 2011 vom Volksrepräsentantenhaus des äthiopischen Parlaments als „terroristische Organisation“ eingestuft worden sei und fordert die Behörden auf, neun BloggerInnen und JournalistInnen freizulassen, die vor einem Jahr festgenommen worden seien. Den Festgenommenen werde vorgeworfen, unter anderem von der OLF Unterstützung erhalten zu haben:

„Ethiopian authorities should immediately release nine bloggers and journalists arrested a year ago who are being prosecuted on politically motivated charges, Human Rights Watch said today. The six bloggers, who belong to the Zone 9 blogging collective, and three journalists were arrested on April 25 and 26, 2014, in a coordinated sweep in Ethiopia’s capital, Addis Ababa. They were charged under the criminal code and anti-terrorism law for having links to banned opposition groups and trying to violently overthrow the government. […] The prosecution claims the bloggers and journalists received support from Ginbot 7 and the Oromo Liberation Front (OLF), both among groups designated as ‘terrorist organizations’ in 2011 by the House of Peoples’ Representatives, the lower chamber of Ethiopia’s parliament.” (HRW, 23. April 2015)

HRW erwähnt in seinem Jahresbericht vom Jänner 2015 (Berichtszeitraum 2014), dass ethnische Oromo, die etwa 45 Prozent der äthiopischen Bevölkerung ausmachen würden, oftmals willkürlich verhaftet und beschuldigt würden, der verbotenen Oromo Liberation Front (OLF) anzugehören:

Ethnic Oromos make up approximately 45 percent of Ethiopia’s population and are often arbitrarily arrested and accused of belonging to the banned Oromo Liberation Front (OLF).” (HRW, 29. Jänner 2015)

Weitere allgemeine Informationen zur Menschenrechtslage in Äthiopien, darunter Informationen die OLF betreffend, finden sich auch in folgendem Dokument:

·      AI - Amnesty International: Zur Menschenrechtssituation in Äthiopien, November 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/6_1417784737_141113-aethiopien-menschenrechtssituation.pdf

 

image001.gif 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 30. Juli 2015)

·      AI - Amnesty International: ‘Because I am Oromo’: Sweeping repression in the Oromia region of Ethiopia [AFR 25/006/2014], 28. Oktober 2014
http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1437548477_afr250062014en.pdf

·      AI - Amnesty International: Zur Menschenrechtssituation in Äthiopien, November 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/6_1417784737_141113-aethiopien-menschenrechtssituation.pdf

·      HRW - Human Rights Watch: “Journalism Is Not a Crime”, Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1421920118_ethiopia0115-forupload.pdf

·      HRW - Human Rights Watch: World Report 2015 - Ethiopia, 29. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/295488/430520_de.html

·      HRW - Human Rights Watch: Free Zone 9 Bloggers, Journalists, 23. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/301353/438119_de.html

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2014 - Ethiopia, 25. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/306259/443531_de.html