Dokument #1304220
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor)
28. März 2014
Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.
Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.
Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.
Strafbarkeit von Ehebruch bzw. außerehelichem Geschlechtsverkehr, sowie der Strafrahmen für dieses Delikt
In einem im April 2013 veröffentlichten Informationsheft für Asylsuchende nennt das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) Ehebruch und „unmoralische Handlungen“ (einschließlich Prostitution) als Beispiele für „schwere Strafvergehen“ gemäß dem ägyptischen Strafgesetzbuch (Gesetz Nr. 58 von 1937):
„Some examples of serious offences under the Egyptian Penal Code (Law No 58 of 1937) include: forgery; disobeying the orders of public officials (including law enforcement officers); violence (including assault, rape and domestic violence); theft; publication of affronts to public figures and authorities; abortion; gambling; adultery and ‘immoral acts’ (including prostitution).” (UNHCR, April 2013, S. 9)
Das ägyptische Strafgesetzbuch von 1937, das in englischer Übersetzung in der Fassung von 1999 verfügbar ist, regelt in § 273, dass eine Ehebrecherin nur aufgrund einer durch ihren Ehemann eingebrachten Anklage vor Gericht gestellt werden kann. Doch wenn ihr Ehemann in dem Haus, das er mit ihr bewohne, Ehebruch begehe, könne er nicht gerichtlich gegen sie vorgehen. Artikel 274 des Gesetzes schreibt vor, dass eine verheiratete Frau, deren Ehebruch erwiesen ist, mit einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zu bestrafen sei. Ihr Ehemann könne jedoch um Aussetzung der Strafvollstreckung ansuchen, indem er einer Wiederaufnahme des Geschlechtsverkehrs mit ihr zustimme. Gemäß § 275 ist der Ehebrecher, der mit der Frau die „Ausschweifung“ begangen habe, mit derselben Strafe zu belegen. Nach § 276 seien folgende Beweismittel zulässig: Die Festnahme des Ehebrechers bei der Begehung der Tat, sein Geständnis, das Vorliegen von Korrespondenz bzw. anderen von ihm verfassten schriftlichen Dokumenten oder seine Anwesenheit in einem für Frauen vorgesehenen Teil im Haus eines Muslimen. In § 277 wird geregelt, dass ein Ehemann, der im ehelichen Haus Ehebruch begeht, der ihm im Zuge des von seiner Ehefrau angestrengten Strafverfahrens nachgewiesen werden kann, mit einer Haftstrafe von nicht mehr als sechs Monaten zu bestrafen sei. Nach § 279 sei eine Person, die (öffentlich oder nichtöffentlich) eine „unmoralische Handlung“ mit einer Frau begeht, mit einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr oder mit einer Geldstrafe von nicht mehr als 300 ägyptischen Pfund zu belegen:
„Article 273
An adulteress may not be tried except on the basis of a prosecution from her spouse. However, if the husband commits adultery in the house wherein he lives with his wife, as indicated in Article 277, his trial shall not be heard.
Article 274
A married woman whose adultery is established shall be punished with detention for a period not exceeding 2 years. However, her husband may request staying the execution of that ruling by his consent to her sexual intercourse with him as was the case.
Article 275
The adulterer committing debauchery with that woman shall also be punished with the same penalty.
Article 276
The evidences to be accepted and be a plea against the one convicted with adultery shall be the actual arrest of the man in the act, or his confession, or the existence of correspondence or other written papers from him, or his presence in the house of a muslim in the place appropriated for the women’s partition in his household.
Article 277
Any husband who commits adultery in the marital house and such adultery is established against him by the wife’s prosecution, shall be punished with detention for a period not exceeding six months.
Article 278
Whoever commits in public a scandalous act against pudency shall be punished with detention for a period not exceeding one year or a fine not exceeding three hundred pounds.
Article 279
Whoever perpetrates with a woman an immoral act, even not publicly, shall be punished with the previous penalty.” (Strafgesetzbuch, 1999, §§ 273-279)
In einem Artikel vom August 2011 zitiert Al Bawaba, ein in Amman (Jordanien) ansässiges Netzwerk mehrerer Nachrichtenplattformen und Blogs aus Ländern des Nahen Ostens, einen ägyptischen Rechtsanwalt namens Samir Khater. Diesem zufolge beschränke der § 277 des ägyptischen Strafgesetzbuchs das Recht von Ehefrauen, gerichtlich gegen ihre untreuen Ehemänner vorzugehen, auf solche Fälle, in denen der Ehebruch im Haus des Ehepaares begangen wurde. Derselbe Artikel von Al Bawaba beruft sich weiters auf einen anderen Rechtsanwalt namens Mohammed Youssef, laut dem in § 277 geregelt sei, dass Ehefrauen bei Ehebruch eine zweijährige Haftstrafe erhalten würden, während Ehemänner für dasselbe Vergehen nur zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt würden (Al Bawaba, 21. August 2011).
Die US-Menschenrechtsorganisation Freedom House schreibt in einem älteren, im März 2010 veröffentlichten Bericht zu Frauenrechten im Nahen Osten und in Nordafrika, dass das Strafgesetzbuch den Tatbestand des Ehebruchs für Männer und Frauen unterschiedlich definiere:
„The penal code offers lenient sentences for men convicted of committing honor killings and defines the crime of adultery differently for male and female perpetrators.” (Freedom House, 3. März 2010, S. 3)
Ein älterer gemeinsamer Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) und des ägyptischen Instituts für Nationale Planung aus dem Jahr 2010 hält fest, dass außereheliche sexuelle Aktivität bzw. Ehebruch nach islamischem und koptischem Recht streng verboten seien. Es lägen vereinzelte Hinweise dafür vor, dass bei Missachtung sexueller Normen Frauen gewöhnlich viel schwerer bestraft würden. In seltenen Fällen würde dies zu „Ehrenmorden“ führen:
„Extramarital sexual activity or adultery is strictly forbidden by Islamic and Coptic law. Anecdotal evidence suggests that penalties are usually much more severe on women if sexual codes are broken, in some rare instances leading to ‘honor’ killings.” (UNDP/ Institute of National Planning, 2010, S. 95)
Wird das Delikt ggf. von der Polizei bzw. den Behörden geahndet?
Al Arabiya, ein Nachrichtensender mit Sitz in Dubai, berichtet im März 2012, dass Sicherheitskräfte ein Ehepaar verhaftet hätten, das auf dem sozialen Netzwerk Facebook eine Seite erstellt habe, auf der es anderen Ehepaaren einen „EhepartnerInnen-Tausch“ („spouse swapping“) angeboten habe. Weiters habe ein Kairoer Gericht im April 2009 einen Mann zu sieben Jahren und dessen Ehefrau zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem diese einen Swinger-Club gegründet hätten. Dem Gericht zufolge hätten die beiden gestanden, mit anderen Paaren Geschlechtsverkehr gehabt zu haben:
„Egyptian security forces arrested a married couple who created a Facebook page for spouse swapping, an Egyptian daily reported on Saturday. The Facebook page for spouse swapping, created by an Egyptian accountant and his wife, attracted several couples, Omar Abdul Al, top security official at the Giza police department, was quoted as saying by Egypt’s al-Masry al-Youm. The Facebook page facilitates spouse swapping under the condition that the swingers be married, Abdul Al said. The suspects, both in their early thirties, told the police that they got the idea from a young Qatari man who swapped his wife with others six months ago. The police succeeded in arresting the suspects through a trap set up by a young couple who contacted the suspects via the Facebook, expressing interest and showing their desire to do a swap. Arrangements were made and dates were set for the swap, which eventually led to the arrest of the suspects. Upon questioning them, the suspects said that they had been married for five years and that they had a four-year-old girl. They said that many couples have showed interest in their project. Four swaps had already made with the interested couples who were satisfied with the conditions, one of the suspects told the police. In April 2009, a Cairo court sentenced a man to seven years and his wife to three for setting up a swingers’ club. The court said they confessed to having sex with other couples.” (Al Arabiya, 25. März 2012)
Über den letztgenannten Fall berichtet auch ein BBC-Artikel vom April 2009. Laut BBC sei außerehelicher Geschlechtsverkehr in Ägypten illegal, zumal in der Verfassung verankert sei, dass das islamische Recht die Hauptquelle der Gesetzgebung darstellt. Das Ehepaar sei im Oktober 2008 wegen Prostitution verhaftet worden, nachdem es im Internet Anzeigen veröffentlicht habe, die sich an Paare richteten, die an Sexpartys interessiert seien. Laut einem bereits lange bestehenden Gesetz könnten Personen bei außerehelichem Geschlechtsverkehr wegen Prostitution strafrechtlich belangt werden, selbst wenn dafür kein Geld gezahlt worden sei. Laut dem Gericht habe das Paar „Ehefrauen-Tausch-Partys und Orgien“ veranstaltet und zugegeben, mit drei anderen Paaren geschlechtlich verkehrt zu haben:
„An Egyptian couple accused of engaging in sex sessions with other couples have been jailed by a Cairo court. The man, a 48-year-old civil servant, was given seven years, his 37-year-old schoolteacher wife got three years. The judge described the case as one of the worst crimes committed. But the couple’s lawyer said the sentence was ‘very harsh’ and they would appeal. Extra-marital sex is illegal in Egypt, where the constitution says Islamic law is the main source of legislation. The pair were arrested in October 2008 on prostitution charges after they posted adverts on the internet for couples interested in sex parties. A long-standing law in Egypt allows people to be prosecuted for prostitution for having extra-marital sex even if no money changes hands. […] According to the court, the couple used the aliases Magdy and Samira to organise wife-swapping parties and orgies and admitted having sex with three other couples.” (BBC News, 5. April 2009)
Die englischsprachige ägyptische Zeitung Cairo Post berichtet im November 2013, dass im Dorf Zeneya in Nordluxor (Oberägypten) ein junger Mann 15 Tage nach seiner Hochzeit von zwei Brüdern seiner Ehefrau getötet worden sei, nachdem diese erfahren hätten, dass das Ehepaar bereits vor der Eheschließung eine Intimbeziehung gehabt habe:
„A young man was shot dead by his wife’s brothers on Wednesday after they discovered the newly-wed couple had been intimate before getting married. They killed the husband to remove the shame they believed fell upon the family because of the relationship. Pre-marital relations are highly frowned upon in many rural parts of Egypt, and are forbidden by both Islamic law and social norms in Upper Egypt. Mohamed S. KH (18) and his younger brother Tareq (16) killed their sister’s husband, Mohamed F. M. (17,) when they found out that their sister was already in love with him before they got married. After 15 days of the marriage, the two brothers and a cousin headed to their sister’s husband who was at a farm near the Zeneya village of northern Luxor (Upper Egypt) and killed him at once, preliminary investigations showed. Security forces intensified their presence in the village to arrest the suspects after filing a lawsuit against them.” (The Cairo Post, 20. November 2013)
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine weiteren Informationen darüber gefunden werden, ob das Delikt des außerehelichen Geschlechtsverkehrs bzw. Ehebruchs von der Polizei bzw. den Behörden geahndet wird.
Es wurde daher ein Experte zu dieser Fragestellung kontaktiert. Sobald eine Antwort einlangt, werden wir Ihnen diese weiterleiten.
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 28. März 2014)
· Al Arabiya: Egyptian couple arrested over ‘spouse swapping Facebook page’, 25. März 2012
http://english.alarabiya.net/articles/2012/03/25/202965.html
· Al Bawaba: Lawyer Challenges Constitutionality of Egypt’s Adultery Law, 21. August 2011
http://www.albawaba.com/news/lawyer-challenges-constitutionality-egypt%E2%80%99s-adultery-law
· BBC News: Egypt 'wife swap' couple jailed, 5. April 2009
http://news.bbc.co.uk/2/hi/7984462.stm
· Freedom House: Women’s Rights in the Middle East and North Africa 2010, 3. März 2010 http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Egypt.pdf
· Strafgesetzbuch (Law No. 58 01 The Year 1937 Promulgating The Penal Code), 1937 in der Fassung von 1999 (verfügbar auf der NATLEX-Datenbank der International Labour Organization (ILO))
https://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/57560/111585/F1337119832/EGY57560.pdf
· The Cairo Post: Newlywed shot dead over premarital relations with wife, 20. November 2013
http://thecairopost.com/news/40278/news/newlywed-shot-dead-over-premarital-relations-with-wife
· UNDP - United Nations Development Programme/ Institute of National Planning (Ägypten): Human Development Report 2010: Youth in Egypt: Building our Future, 2010
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1293012420_egypt-2010-en.pdf
· UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Information For Asylum-Seekers and Refugees in Egypt, April 2013
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1382625380_5267a1d9b.pdf