Anfragebeantwortung zu Pakistan / Afghanistan: 1) Informationen zu in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion lebenden Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit; 2) Lage von staatenlosen Personen bzw. Personen, die ihre Staatsbürgerschaft nicht nachweisen können (u.a. Zugang zu Arbeit, staatliche Unterstützung) [a-8639-2 (8640)]

31. März 2014
Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.
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1) Informationen zu in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion lebenden Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit
Das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), ein in London ansässiges internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien, berichtet in einem Artikel vom August 2013 über den Fall von Saber, einem afghanischen Staatsangehörigen aus der Provinz Kunar, der über in Pakistan ausgestellte Ausweispapiere verfüge. Laut Saber habe er keine andere Möglichkeit gehabt, als das Dokument zu beantragen, da er in den vergangenen acht Jahren in der pakistanischen Stadt Mardan gearbeitet habe. Er sei immer noch im Besitz eines afghanischen Ausweises und habe sich den pakistanischen Ausweis unter einem falschen Namen ausstellen lassen. Den Angaben von Saber zufolge seien die pakistanischen Behörden rasch zur Stelle, wenn es darum ginge, einer Person, die erwähne, über die afghanische Staatsbürgerschaft zu verfügen, einen Ausweis auszustellen. Die meisten seiner Verwandten hätten sich ebenfalls pakistanische Ausweispapiere ausstellen lassen, um die afghanisch-pakistanische Grenze ungehindert überqueren zu können.
Ein auf der afghanischen Seite der Grenze für die Ausstellung von Ausweispapieren verantwortlicher Offizieller habe bestritten, dass pakistanische Ausweise an Personen in Afghanistan ausgestellt würden und betont, dass nur BewohnerInnen Pakistans diese erhalten könnten. Dies wiederum werde sowohl von Behörden als auch lokalen BewohnerInnen in Kunar bestritten. Der Provinzgouverneur habe laut eigenen Angaben gehört, dass die Dokumente an Personen in der Grenzregion ausgestellt würden, und die Leiter der Distriktverwaltungen angewiesen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ein Stammesführer aus dem Distrikt Bar Kunar habe bestätigt, dass pakistanische Ausweispapiere ausgestellt würden und hinzugefügt, dass er vermute, dass es sich dabei um ein Komplott handle, um die Zahl der Personen zu erhöhen, die als de-facto-StaatsbürgerInnen Pakistans gezählt werden könnten. Ein Mitglied des Provinzrats von Kunar glaube, dass die pakistanische Regierung ihre Kontrolle bis zum Fluss Kunar ausweiten wolle. Lokale Anführer hätten Drohungen erhalten, um sie zu zwingen, pakistanische Dokumente für ihre Verwandten zu beschaffen:
„Although Saber is an Afghan national from the eastern Kunar province, he now holds identity papers issued in Pakistan. He says he had no option but to apply for the document as he has worked as a labourer in Mardan on the other side of the border for the last eight years. He still holds an Afghan ID card, and made out the Pakistani one under a false name. According to Saber, Pakistani officials are quick to issue ID to anyone the moment they mention they hold Afghan citizenship. Most of his relatives have acquired Pakistani papers as well, allowing them to cross the border unhindered. Fazil Khaleq, the official in charge of issuing identity documents on the Afghan side, denies that Pakistani IDs are being distributed to people inside Afghanistan, insisting that only residents of Pakistan can acquire them. But both officials and local residents in Kunar say this is not the case. Provincial governor Sayed Fazlullah Wahidi says he has heard that the documents are being issued to people in border areas, and he has asked the heads of district administrations to look into the matter. Malek Sayed Ahmad Khan, a tribal leader from the Bar Kunar district, confirmed that Pakistani papers were being issued, adding his suspicion that this was a plot to boost the numbers of people who could be counted as de facto nationals of that country. Nasrullah Safi, a member of Kunar’s provincial council, believes that the government in Islamabad wants to extend its control as far as the river Kunar. He claims that local leaders have received threats intended to force them to obtain Pakistani documents for relatives, and that officials from across the border have asked locals to fly the Pakistani flag on their homes.” (IWPR, 5. August 2013)
Reuters-Journalist Sanjejew Miglani schreibt in einem im Oktober 2011 auf der Blog-Plattform der Nachrichtenagentur veröffentlichten Beitrag, dass es laut Angaben eines afghanischen Grenzpolizeikommandeurs bis August 2011 zu 50 Grenzverletzungen durch pakistanische Streitkräfte gekommen sei. Außerdem hätten die pakistanischen Truppen innerhalb des afghanischen Territoriums 16 Kontrollposten errichtet, die Kontrolle über manche Gebiete übernommen und den lokalen Stämmen die pakistanische Staatsbürgerschaft angeboten. Dem Kommandeur zufolge gebe es Beweise dafür, dass Pakistan in Grenzstädten lebenden AfghanInnen, vor allem in den Provinzen Kunar und Nuristan, pakistanische Staatsbürgerschaftsausweise ausgestellt habe:
„By August there had been 50 incidents of border violation by Pakistani forces, Afghan border police commander Aminullah Amarkhel said. He also made the startling claim that Pakistani forces had established 16 checkpoints inside the territory of Afghanistan in the east, taken control of some parts and even offered offered citizenship to the local tribes. He said there was proof that Pakistan provided Pakistani citizenship cards to Afghans in the eastern border towns, particularly in Kunar and Nuristan provinces.” (10. Oktober 2011)
Die englischsprachige pakistanische Tageszeitung Dawn berichtet in einem Artikel vom August 2009 über zwei nomadische Stämme, die in der pakistanisch-afghanischen Grenzregion leben und über keine Staatsangehörigkeit verfügen würden. Allerdings könnten sie die Grenze in das jeweils andere Land überqueren, da ihre Familien auf beiden Seiten der Grenze leben würden und sie auch in beiden Ländern Eigentum besäßen. Wie der pakistanische Staatssekretär für Inneres angegeben habe, habe bislang keines der beiden Länder über den Status der Nomaden entschieden. Diese bräuchten kein Visum, um die pakistanisch-afghanische Grenze zu überqueren, sondern müssten sich nach der Grenzüberquerung lediglich Genehmigungen der betreffenden Behörden einholen. Dem Staatssekretär zufolge habe Pakistan an einigen Stellen entlang der Grenze biometrische System installiert, um die Bewegungen dieser Personen zu überwachen. Außerdem habe man ihnen spezielle Ausweise ausgestellt und die afghanische Regierung gebeten, ein ähnliches System auf ihrer Seite der Grenze zu errichten. Allerdings habe die afghanische Regierung weder solch ein System installiert, noch akzeptiere sie die von Pakistan ausgestellten Ausweise. Deshalb sei der Status dieser Stämme weiterhin ungeklärt.
Ein aus Belutschistan stammendes Mitglied des Ständigen Ausschusses für Inneres der Nationalversammlung habe sich über die Registrierung einiger Nomaden in der Provinz durch die Nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (National Database and Registration Authority, NADRA) beschwert und gefordert, dass alle ausgestellten Identitätsausweise annulliert werden, um die Registrierungen auf gefälschte oder illegale Registrierungen von Nomaden hin zu überprüfen. Dem Mitglied des Ausschusses zufolge würden sich diese Nomaden in Afghanistan als Afghanen und in Pakistan als Pakistaner bezeichnen. Der Staatssekretär für Inneres habe mitgeteilt, dass es unmöglich sein könnte, alle Ausweise in der Provinz zu annullieren. Allerdings könnten verdächtige Ausweise überprüft werden:
„Nomads on Pakistan-Afghanistan border and Bengalis have been living in Karachi since the country's independence but they are still stateless citizens with no nationality. The nomads are without nationality but they have freedom to move across territorial limits of the two countries because of their divided families and property on both sides of the border. ‘Unfortunately none of the two countries have so far decided the status of these people,’ said Secretary Interior Syed Kamal Shah in a meeting of the National Assembly Standing Committee on Interior. The secretary while describing the problems being faced by the National Database Registration Authority (Nadra) in Balochistan, said there were two tribes living on both sides of the border. Some of these separated families have relatives and some own houses on either sides of the border and they have been given easement rights and so they do not need visas to travel across the border, he said. They only require permits from the concerned officials of the two countries after crossing border, he added. ‘We have installed biometrics system at some points on the border to monitor movements of these people and issued special cards to them and asked Afghan government to install a similar system on its side,’ the secretary said. He said Afghan government had neither installed such a system nor accepted the cards issued by Pakistan and therefore the status of these tribes was still undecided. […] A member of the committee from Balochistan, Sardar Muhammad Israr Tarin, complained about registration of some nomads by the Nadra in the province and demanded cancellation of all identity cards issued to check fake or illegal registration of nomads. ‘These nomads become Afghan when they are in Afghanistan and claim to be Pakistanis when they come to our country,’ he said. He was of the view that the population of Balochistan was not big and therefore the Nadra could cancel previously issued cards and issue new ones in a short time. The interior secretary said it might be impossible to cancel all the cards issued in the province but, he added, suspicious cards could be rechecked.” (Dawn, 14. August 2009)
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine weiteren Informationen zu oben genannter Fragestellung gefunden werden.
2) Lage von staatenlosen Personen bzw. Personen, die ihre Staatsbürgerschaft nicht nachweisen können (u.a. Zugang zu Arbeit, staatliche Unterstützung)
Pakistan
Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtsjahr 2013), dass Staatenlosigkeit weiterhin ein Problem gewesen sei. Es gebe keine nationale Gesetzgebung zu Staatenlosigkeit und die Regierung erkenne die Existenz staatenloser Personen nicht an. Internationale und nationale Organisationen würden schätzen, dass es als Folge der Aufspaltung von Indien und Pakistan bzw. von Pakistan und Bangladesch womöglich tausende staatenlose Personen gebe:
„Statelessness continued to be a problem. There is no national legislation on statelessness, and the government does not recognize the existence of stateless persons. International and national agencies estimated there were possibly thousands of stateless persons deriving from the breakup of India and Pakistan, and of Pakistan and Bangladesh.” (USDOS, 27. Februar 2014, Section 2d)
Der International Council of Voluntary Agencies (ICVA), ein globales Netzwerk von NGOs aus dem Menschenrechts-, humanitären und entwicklungspolitischen Bereich, schreibt in einer im Juni 2013 veröffentlichten Stellungnahme in einem Abschnitt zu konfliktbedingter Binnenvertreibung, dass nationale und internationale Hilfsorganisationen viele Unterstützungsleistungen erbracht hätten. Allerdings verbiete ihnen die Regierung, Lebensmittel an nicht registrierte Binnenvertriebene zu verteilen und beschränke die Registrierung auf Familien, deren Vorstand aus einem Gebiet oder von einem Stamm komme, das bzw. der von der Regierung offiziell als vom Konflikt beeinträchtigt anerkannt werde. Außerdem müssten die Familien über gültige nationale Ausweise verfügen. Binnenvertriebene, die diese Kriterien nicht erfüllen würden, würden nicht registriert oder erhielten keine Unterstützung:
„National and international aid agencies have provided much assistance. However, the government prohibits them from giving food to non-registered IDPs and restricts registration to families whose head originates from an area or tribe the government officially recognizes as conflict-affected and who hold a valid national ID card. IDPs who do not meet those criteria are not registered or assisted.” (ICVA, 27. Juni 2013, S. 21)
Weitere ausführliche Informationen zu oben genannter Fragestellung finden sich auf den Seiten 113 bis 116 des ACCORD-Länderberichts zu Pakistan vom Juni 2013:
Afghanistan
Als Annex zu einem im Dezember 2013 veröffentlichten Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) finden sich an die afghanische Regierung gerichtete Empfehlungen des UNO-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of Discrimination Against Women, CEDAW) vom August 2013. Dem Ausschuss zufolge erkenne der Entwurf des Staatsangehörigkeitsgesetzes („National Law“) die doppelte Staatsangehörigkeit für AfghanInnen an. Der Ausschuss sei allerdings angesichts der großen Zahl von Frauen, die über keine persönlichen Ausweisdokumente verfügen würden, besorgt. Das Fehlen der Dokumente erhöhe das Risiko der Staatenlosigkeit und beschränke die Gewährleistung der Rechte der betroffenen Frauen. Zu diesen Rechten gehörten Land- und Eigentumsrechte sowie das Recht auf Zugang zu Bildung, Gesundheitsdiensten und Beschäftigungsmöglichkeiten:
„The Committee notes that the draft National Law recognizes double nationality for Afghan citizens. It is concerned about the high number of women who lack personal identity documentation in the State party, which increases the risks of statelessness and restricts women’s enjoyment of their rights such as to secure land and property and to access education, health care and employment opportunities.” (UNAMA, Dezember 2013, S. 41)
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) erwähnt in einem Bericht vom Juni 2013, dass die afghanische Regierung weder dem Übereinkommen über die Rechtsstellung Staatenloser von 1954 noch dem Übereinkommen über die Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 beigetreten. Obwohl in Afghanistan keine umfassende Analyse zum Umfang und Ausmaß der Staatenlosigkeit im Land durchgeführt worden sei, gebe es klare Anhaltspunkte dafür, dass es Personen mit ungeklärtem Staatsbürgerschaftsstatus gebe. Dies seien vor allem die Angehörigen der ethnischen Gruppe der Jat, zu der die Gemeinschaften der Jogi, Chori Frosh und Gorbat zählten:
„The Government of Afghanistan has not acceded to the 1954 Convention relating to the Status of Stateless Persons (1954 Convention), nor to the 1961 Convention on the Reduction of Statelessness (1961 Convention). Although no in-depth assessment has been undertaken in Afghanistan on the scope and magnitude of statelessness in the country, there are clear indications that there are persons with unclear citizenship status who may be of concern to UNHCR, in particular members of the Jat ethnicity, which encompasses the Jogi, Chori Frosh and Gorbat communities.” (UNHCR, Juni 2013, S. 3)
In seinen im August 2013 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan führt UNHCR unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen Folgendes an:
„Zu den am stärksten marginalisierten Gemeinschaften in Afghanistan gehört die ethnische Minderheit der Jat, die die Gemeinschaften der Jogi, Chori Frosh und Gorbat mit umfasst. Ein großes Hindernis für die Mitglieder dieser Gemeinschaften stellt Berichten zufolge die institutionelle Diskriminierung dar. So weigert sich das Innenministerium Berichten zufolge, die ethnische Gruppe der Jogi als afghanische Staatsangehörige anzuerkennen. Demzufolge erhalten sie keine tazkira – den afghanischen Personalausweis - und haben als Folge hiervon nur beschränkten Zugang zu sozialen Einrichtungen, wie staatlichen Schulen, Arbeitsstellen und Landbesitz.“ (UNHCR, 6. August 2013, S. 76-77)
Die englischsprachige afghanische Tageszeitung Daily Outlook Afghanistan führt in einem älteren Artikel vom Juli 2011 an, dass die Jogi von der afghanischen Regierung nicht offiziell anerkannt würden und keine Tazkira (afghanischer Ausweis) erhielten. Trotzdem seien sie im Besitz von Wählerkarten und könnten bei Wahlen ihre Stimme abgeben. Dem Artikel zufolge seien die Jogi wie Gefangene, denen alle Rechte verwehrt würden. Sie seien außerdem gezwungen, umherzuziehen, da sie über keine Tazkiras verfügen würden und Angst davor hätten, von der Polizei als Spione verdächtigt zu werden. Darüber hinaus könnten die Jogi nicht legal in andere Länder reisen, weshalb sie auf die Dienste von Menschenschmugglern angewiesen seien.
Da die Jogi keine Tazkiras erhielten, könnten ihre Kinder nicht zur Schule gehen. Jogi-Kinder, die auf Grundlage gefälschter Dokumente zur Schule zugelassen worden seien, würden riskieren, von der Schule verwiesen zu werden, sollte dies den Schulbehörden bekannt werden:
The government of Afghanistan has not officially recognized the Jogis and no Tazkira (Afghan identity card) is issued to them. In other word the Jogis still have no particular identity. Although the Jogis have not been issued any Tazkira, they hold voting cards and can cast their votes during elections. […] In the history of Afghanistan there is no evidence available that can show that the Jogis took part in politics. They live a normal and natural life. The Jogis have had no share in the billions of dollars aids donated to Afghanistan by international community after 2001. They are like prisoners and are deprived of all rights. They even travel with fear from place to other. The Jogis say, they have to relocate because they do not possess any Tazkira and are afraid that police may suspect them as spies. Also, the Jogis cannot travel legally to other countries and have to avail the services of human smugglers for this purpose. […] As mentioned Jogis are not issued Tazkira and therefore, their children can not go to schools. The children of Jogis have interest in getting education and therefore have got admission in schools using fake documents. If this fact is disposed to their school authorities, they could be dismissed and lose the chance of getting education.” (Daily Outlook Afghanistan, 10. Juli 2011)
In einer älteren Pressemitteilung vom April 2009 berichtet die UNAMA über die Minderheit der Jogi, deren Angehörige seit Jahrzehnten in Afghanistan leben, allerdings nicht über die afghanische Staatsbürgerschaft verfügen würden. UNHCR habe vor kurzem eine Studie zu den Lebensbedingungen und dem Status der Jogi in Mazar-i-Sharif durchgeführt. Dieser Studie zufolge würden die Jogi unter schwierigen Bedingungen in Zelten leben und seien gezwungen, umherzuziehen. Aufgrund ihrer fehlenden afghanischen Ausweisdokumente („lack of Afghan identity“) bliebe ihnen der Zugang zu Schulen, Arbeit und Unterstützungsleistungen durch die Regierung und viele internationale Hilfsorganisationen verwehrt. Aus demselben Grund könnten sie auch keine Häuser kaufen oder mieten, und würden deshalb an abgeschiedenen Orten um Mazar-i-Sharif herum leben. Jogi-Frauen seien oftmals Wahrsagerinnen und Bettlerinnen.
Wie der Artikel weiters anführt, hätten die afghanische Regierung und die Vereinten Nationen vor kurzem Hilfspakete an 126 Jogi-Familien verteilt, die unter anderem Decken, Jacken und Schuhe enthalten hätten. UNHCR engagiere sich nun dafür, den Jogi zu ordnungsgemäßen nationalen Ausweisdokumenten zu verhelfen. Dies werde den Jogi ermöglichen, ihre Kinder zur Schule zu schicken und eine reguläre Arbeit zu finden:
„Five thousand families have lived across Afghanistan for decades, but none of them have Afghan citizenship. Among several minorities in Afghanistan, a forgotten and isolated minority is the Jogi tribe. Jogies have Uzbek and Tajik origins and many crossed the border from Bukhara in Uzbekistan during the period of the Soviet Union to seek asylum in the northern parts of Afghanistan. A recent study by the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) on the living conditions and status of this minority has been conducted in Mazar-i-Sharif. Assisting stateless people is a part of UNHCR’s mandate across the world. […] Jogies live in difficult conditions under tents and are forced to move from place to place. Their lack of Afghan identity deprives them from access to schools, employment, receiving assistance from government and many international aid organisations. They cannot buy or rent a house because of their lack of an identity card – so they live in isolated locations around Mazar-i-Sharif. ‘People don’t take us for labour – they think we are dirty and dangerous, I don’t know why. We are the most vulnerable people,’ said Kakul, a Jogi man while he was receiving an assistance package. Jogi men and women search for work, but mostly to no avail. Jogi women are often fortune-tellers and beggars. Many of them offer fortune-telling around the blue mosque in Mazar-i-Sharif. […] Assistance packages were recently distributed to 126 Jogi families by the Government of Afghanistan and the United Nations. Each family package provided by International Organisation for Migration (IOM) included two quilts, three jackets, three blankets, three pairs of shoes and three pairs of socks. UNHCR distributed plastic sheets for each family and the Department of Returnees and Repatriation in Balkh provided soap. UNHCR is now committed to help Jogies get proper national identification. This will help them send their children to school and Jogi men and women will be able to get official jobs.” (UNAMA, 26. April 2009)
Die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission, AIHRC) schreibt in einem älteren Bericht vom Dezember 2011, dass nationale Ausweisdokumente („national identification“) die nationale Zugehörigkeit („national identity“) einer Person beweisen würden und die betreffende Person rechtmäßig ihre Rechte und Privilegien als StaatsbürgerIn des Landes in Anspruch nehmen könne. Ohne diese Dokumente könne einer Person ihre Bürgerrechte in Bereichen wie Bildung, Ehe, Arbeit, Auslandsreisen, Bestrafung, ordentliches Gerichtsverfahren usw., vorenthalten werden. Die Geburtenregistrierung spiele eine ähnliche Rolle. Leider würden die Menschen in ländlichen und abgelegenen Gebieten dem Besitz nationaler Ausweise keine große Bedeutung zumessen und sich erst um einen Ausweis kümmern, wenn sie ihn brauchen würden. Der Besitz von Geburtsurkunden sei selbst in städtischen Gebieten selten:
„National identification establishes a person‘s national identity, whereby that person can legally enjoy his/her rights and privileges as part of the country‘s citizenry. Without national identification, a person can be deprived of his/her civil rights in such areas as education, marriage, work, overseas travel, punishment, due process of law, and so on. Birth registration plays a similar role. Unfortunately, people do not attach much importance to national identification (possessing national ID cards) in rural and outlying areas. People try to obtain national ID cards when they have to do so. Obtaining birth certificates is rare even in urban areas.“ (AIHRC, Dezember 2011, S. 115-116)
Im Länderinformationsblatt Afghanistan vom Oktober 2013, das im Auftrag der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende Informationen:
„Die Eröffnung eines Bankkontos ist denkbar einfach. Es müssen in der Regel Pass oder Personalausweis (Tazkira) und zwei Passfotos vorgelegt werden. Außerdem müssen zwischen 1.000 und 5.000 AFA als Guthaben eingezahlt werden.“ (IOM, Oktober 2013, S. 13)
„Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehr hat ein Landverteilungsprogramm ins Leben gerufen, das intaktes und unkultiviertes staatliches Land zur Verfügung stellen soll. Das Programm soll vor allem der Unterkunftsnot von ausgewählten Rückkehrern und vertriebenen Landsleuten entgegenwirken. In insgesamt 29 Provinzen wurden von 300.000 Stücken Land bisher 17.800 Parzellen zugewiesen. Um das Programm in Anspruch nehmen zu können, müssen Rückkehrer (a) einen Ausweis ‚Tazkera‘ ihrer jeweiligen Provinz vorweisen, (b) ein Formular über die Freiwillige Rückkehr (VRF) besitzen oder ein anderes gültiges Dokument vorlegen, das eine dauerhafte Rückkehr bestätigt. Außerdem darf der Rückkehrer (c) kein eigenes Land oder Haus besitzen und es darf auch dem Ehepartner oder minderjährigen Kind kein Grundstück oder Haus urkundlich gehören. Es wird darauf hingewiesen, dass die meisten Stücke Land häufig nicht mehr sind als ein einzelnes Areal in einem Gebiet ohne jede Infrastruktur.“ (IOM, Oktober 2013, S. 15-16)
 
 
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 31. März 2014)