Anfragebeantwortung zu Äthiopien: Lage von Mitgliedern der Partei Andenet, der Partei Unity for Democracy and Justice (UDJ) sowie der Partei Ethiopia Citizens for Social Justice (ECSJ, EZEMA), Situation bei Rückkehr [a-11390]

10.11.2020

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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The Africa Report, ein englischsprachiges Monatsmagazin, veröffentlichte am 14. Mai 2019 einen Artikel über die Gründung einer neuen Partei namens Ethiopia Citizens for Social Justice (ECSJ). Sieben Oppositionsparteien hätten sich unter der Führung von Professor Berhanu Nega, einem Wirtschaftsprofessor, der seit den 70er Jahren in der äthiopischen Opposition tätig sei, zusammengeschlossen. Eine der Parteien, die in der ECSJ aufgegangen sei, sei die Partei Unity for Democracy and Justice (UDJ) (The Africa Report, 14. Mai 2019, siehe unten). Das australische Außen- und Handelsministerium (Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT) veröffentlichte mit dem Zweck der Verwendung in Verfahren zum internationalen Schutz im August 2020 einen Bericht zu Äthiopien. Darin findet sich die Information über den Parteienzusammenschluss ebenfalls und der DFAT-Bericht ergänzt, dass die UDJ auch unter dem Namen Andinet bekannt sei und die neue Partei EZEMA heiße. Außerdem sei EZEMA eine der wenigen politischen Parteien Äthiopiens, die keinen ethnisch geprägten Hintergrund habe:

„Seven opposition parties dissolved themselves last week to create a new entity called Ethiopia Citizens for Social Justice (ECSJ). The new party’s leader is Professor Berhanu Nega, an economics professor who has been involved in Ethiopia’s opposition since the late ‘70s. The seven parties are:

Patriotic Genbot 7, Ethiopian Democratic Party (EDP), All Ethiopian Democratic Party (AEDP), Semayawi Party, New Generation Party (NGP), Gambella Regional Movement (GRM), Unity for Democracy and Justice (UDJ) party.” (The Africa Report, 14. Mai 2019)

„Ezema was formed in May 2019 through the merger of several opposition parties, including Ginbot 7, the Ethiopian Democratic Party (EDP), the Semayawi Party (known as the Blue Party) and Unity for Democracy and Justice (UDJ, also known as Andinet, the successor party of the CUD/Qinjit). […] Ezema is one of the few political parties that is not ethnic-based.” (DFAT, 12. August 2020, S. 16)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) erwähnt im Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, dass es im Zuge der Attentate vom 22. Juni 2019, bei denen der Regionalpräsident des Regionalstaats Amhara sowie weitere[1] Personen getötet wurden, die Polizei über 300 ZivilistInnen, PolitikerInnen und JournalistInnen verhaftet habe. Der Äthiopische Menschenrechtsrat (HRCO) [eine unabhängige, unparteiliche und nicht gewinnorientierte Organisation mit Sitz in Addis Abeba, Anmerkung ACCORD] habe seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass Mitglieder des National Movement of Amhara (NaMA), des Oromo Federalist Congress und der Ethiopian Citizen’s Party for Social Justice (EZEMA) gemeinsam mit JournalistInnen und ZivilistInnen verhaftet worden seien. Laut dem HRCO seien 102 Personen verhaftet worden, unter ihnen Mitglieder der oben genannten Parteien:

„On June 22, an armed group attacked and fatally shot Amhara regional president Ambachew Mekonnen and Amhara regional government office advisor Ezez Wassie in Bahir Dar. On June 24, the Amhara Region’s attorney general, Migbaru Kebede, died from injuries sustained in the June 22 attack.” (USDOS, 11. März 2020, Section 1a)

„In the wake of the June 22 killings in Bahir Dar and Addis Ababa, police reportedly arrested more than 300 activists, politicians, and journalists. Media reported that police detained suspects in ‘inhuman’ conditions inside the Addis Ababa Police Commission compound in Piassa, where they were kept in crowded, cold, and dark cells and only allowed to use the toilet once every 24 hours. According to media reports, police also did not allow family members and friends to visit the suspects. Police called detainees for nightly interrogations where they were forced to stand for long periods of time. The Ethiopian Human Rights Council (HRCO) voiced concern over the arrests of members of NaMA, the Oromo Federalist Congress (OFC), the Ethiopian Citizens’ Party for Social Justice (EZEMA), journalists, and civilians.” (USDOS, 11. März 2020, Section 1c)

„The HRCO stressed the detention of 102 members of NaMA, the OFC, and EZEMA, journalists and other individuals not only would affect the political parties and individuals but also represented a backsliding in the entire process of reform in the country.“ (USDOS, 11. März 2020, Section 1d)

Die schwedische Einwanderungsbehörde Migrationsverket publizierte am 14. Mai 2020 einen Bericht zur Sicherheitslage in Äthiopien. Dieser Bericht basiere schwerpunkthaft auf mündlichen Quellen, die vor Ort konsultiert worden seien (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 7). Alle aus dieser Publikation für die vorliegende Anfragebeantwortung verwendeten Inhalte basieren auf einer Arbeitsübersetzung unter Verwendung technischer Übersetzungshilfen.

Ein Gespräch führte Migrationsverket am 21. Oktober 2019 mit einem ehemaligen hochrangigen Mitglied von Ginbot 7[2], das gesagt habe, es gebe in der Region Tigray Mitglieder von EZEMA, diese seien aber nicht gefährdet (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 24). Ebenfalls am 21. Oktober 2019 fand ein Gespräch mit dem PR-Manager von EZEMA statt, der wiederum berichtet habe, dass Tigray für EZEMA das schwierigste Gebiet sei, um dort tätig zu sein. Im Gegensatz zu der obigen Aussage des ehemaligen Ginbot 7 Mitglieds sei es gefährlich als Mitglied oder UnterstützerIn der von EZEMA vertretenen Ideologie identifiziert zu werden. Dies gelte für alle Oppositionsparteien, nicht nur für EZEMA (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 25).

Der PR-Manager von EZEMA habe im Oktober 2019 weiters angegeben, dass die Partei in 400 von 547 Wahlkreisen tätig sei, die im ganzen Land und in allen Regionen verteilt seien. Die Partei habe keinen vollständigen Überblick über seine Mitglieder, es seien aber mindestens 6.000 bis 7.000. Er habe gesagt, dass es in Addis Abeba und in der Southern Nations, Nationalities, and Peoples’ Region [SNNPR, Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker, Anmerkung ACCORD] ziemlich einfach sei, tätig zu sein, in Oromia und Tigray sei es schwieriger. Die Situation in Amhara sei weniger aggressiv (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 33-34). Weiters habe er gesagt, dass Parteimitglieder in der Arsi-Zone Oromias, aufgrund herrschender Konflikte ihre Häuser nicht verlassen könnten. Dies treffe auch für die Welega-Zonen zu, in denen Mitglieder ihr Leben riskieren würden, wenn sie zugäben, dass sie EZEMA-Mitglieder seien. Die Bedrohung gehe von informellen Gruppen aus, von bewaffneten Mitgliedern der Oromo Liberation Front und möglicherweise untergeordneten Regierungsvertretern. Die Bundes- oder Regionalebene würde keine Probleme verursachen, im Gegenteil sei vor allem die Bundesebene manchmal hilfreich gewesen, als EZEMA-Mitglieder verhaftet worden seien. Bei diesen Gelegenheiten habe der Bund geholfen, die Mitglieder freizulassen. Problematisch sei, dass die Bundesebene heute schwächer sei und die Gefahr bestehe, dass sich die Regionen als Beschützer bestimmter ethnischer Gruppen verstehen würden. Ein Beamter einer westlichen Botschaft habe in einem Telefongespräch vom 21. Oktober 2019 erklärt, dass Berhanu Nega Abiy Ahmed [Ministerpräsident Äthiopiens, Anmerkung ACCORD] nahestehe. Laut Gesprächen mit derselben westlichen Botschaft am 17. Oktober 2019 sei EZEMA weniger exponiert als andere Oppositionsgruppen, da sie eine politische Ideologie teilen würden und die im Juni 2019 festgenommenen EZEMA-Mitglieder (siehe oben) seien relativ schnell wieder freigelassen worden (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 34).

 

Anwältin und Richterin Birtukan Midekssa, eine Gründungsfigur und danach Vorsitzende der Partei Unity for Democracy and Justice (UDJ), die von 2005 bis 2007 und von 2008 bis 2010 im Gefängnis gewesen sei, sei, einem Artikel der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom November 2018 zufolge, zur Leiterin des Nationalen Wahlgremiums (NEBE, National Electoral Board of Ethiopia) ernannt worden:

„There was good news from Ethiopia as former opposition leader, lawyer and judge Birtukan Midekssa was named head of the National Electoral Board of Ethiopia (NEBE). […] Birtukan understands all too well the ruling Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front’s (EPRDF) stifling political control. Following the 2005 elections, she was sentenced to life imprisonment on politically motivated charges. After receiving a pardon in 2007, she founded and became the chair of the opposition Unity for Democracy and Justice (UDJ) party. But in 2008, she was again detained and only released after the 2010 elections, when the EPRDF won 99.6% of parliamentary seats.” (HRW, 22. November 2018)

Laut der Webseite des NEBE, die zuletzt am 26. Oktober 2020 aktualisiert wurde, sei Birtukan Midekssa nach wie vor die Vorsitzende des Nationalen Wahlgremiums (National Election Board of Ethiopia, 26. Oktober 2020)

Lage bei Rückkehr, insbesondere von politisch aktiven Mitgliedern

Zur Lage von RückkehrerInnen, die politisch aktive Mitglieder von EZEMA sind oder von Andinet oder UDJ waren, konnten in den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen keine Informationen gefunden werden.

Gesucht wurde mittels ecoi.net, AllAfrica und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Ethiopia, Andinet, Unity for Democracy and Justice, UDJ, return, asylum, asylum seekers.

 

Folgende Informationen konnten zum Thema Rückkehr nach Äthiopien gefunden werden:

Der bereits oben genannte Bericht zur Sicherheitslage in Äthiopien der schwedischen Einwanderungsbehörde Migrationsverket vom 14. Mai 2020 enthält ein Kapitel, das sich der Situation von RückkehrerInnen nach Äthiopien widmet. Demnach arbeite die EU an einem System für Rückkehr von Flüchtlingen und MigrantInnen nach Äthiopien.

Außerdem schiebe Saudi-Arabien seit April 2017 kontinuierlich ÄthiopierInnen ab, bereits circa 340.000 ÄthiopierInnen seien aus Saudi-Arabien nach Äthiopien zurückgekehrt. Bei der Rückkehr helfe nur eine Organisation, die über sehr geringe Ressourcen verfüge. In Addis Abeba sei seit Beginn dieser Abschiebungen ein deutlicher Unterschied in der Demographie bemerkbar, es würden mehr Erwachsene wie auch Kinder auf der Straße leben. Von den monatlich circa 10.000 RückkehrerInnen aus Saudi-Arabien sei die überwiegende Mehrheit jung und männlich. Es gebe aufgrund ihrer großen Zahl nur sehr begrenzte Ressourcen mit diesen RückkehrerInnen zu arbeiten und nur rare Informationen darüber, wie ihre Lage nach Rückkehr in ihre Heimatorte sei. (Migrationsverket, 14. Mai 2020, S. 42)

 

Das Danish Institute for International Studies (DIIS) publizierte im März 2020 eine Studie, die auf Interviews mit männlichen Rückkehrern nach Äthiopien beruhe. Für diese Studie habe DIIS 25 Rückkehrer in Addis Abeba und zehn Rückkehrer im Distrikt Shirka im Regionalstaat Oromia interviewt. Die Interviews hätten unter anderem auch Fragestellungen zum Rückkehrprozess und zu einer potentiellen Reintegration umfasst (DIIS, 25. März 2020, S. 11-12). Dazu berichtet DIIS zusammenfassend:

„Zu den größten Herausforderungen, denen sich rückkehrende Migranten bei ihrer Rückkehr gegenübersehen, gehören Gesundheitsprobleme, die stereotypen Einstellungen anderer, Stigma, Diskriminierung und Ablehnung durch ihre Familien sowie finanzielle und ressourcenmäßige Beschränkungen. Männliche Rückkehrmigranten stehen vor besonderen Herausforderungen: absolute Armut (Mittellosigkeit), Frustration, Schuldgefühle und Mangel an Zuversicht. Obwohl Rückkehrer oft mit der Erwartung zurückkehren (manchmal aufgrund von Versprechungen, manchmal aufgrund von Gerüchten), dass das MoLSA [Ministerium für Arbeit und Soziales] oder die IOM [Internationale Organisation für Migration] die Kosten für Reintegration, Unterkunft, Kleidung und Transport übernimmt, sehen sich viele mit der harten Realität konfrontiert, dass dies möglicherweise nicht möglich ist, was ihre Rückkehr noch weiter erschwert". (DIIS, 25. März 2020, S. 48, Arbeitsübersetzung unter Verwendung von technischen Übersetzungshilfen)

DIIS berichtet, dass rückkehrende Migranten unter Traumata, Hoffnungslosigkeit, einem Gefühl der Entmannung, Schuldknechtschaft und finanziellen Herausforderungen leiden würden. (DIIS, 25. März 2020, S. 49, 51)

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 10.11.2020)

·      DFAT – Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade: Country Information Report Ethiopia, 12. August 2020
https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-ethiopia.pdf

·      DIIS - Danish Institute for International Studies: 'No place for me here'; The challenges of Ethiopian male return migrants, 25. März 2020 (veröffentlicht von ReliefWeb)
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/The_challenges_of_Ethiopian_male_return_migrants_DIIS_Report_2020_01.pdf

·      DW – Deutsche Welle: Die Feinde des Abiy Ahmed lauern überall, 24. Juni 2019
https://www.dw.com/de/die-feinde-des-abiy-ahmed-lauern-%C3%BCberall/a-49334587

·      HRW – Human Rights Watch: Making Ethiopia’s Electoral Board Independent, 22. November 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1452086.html

·      Migrationsverket: Landinformation: Etiopien - Säkerhetsläget, politisk utveckling och utsatta grupper, 14. Mai 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2030031/200514400.pdf

·      NEBE - National Election Board of Ethiopia: የቦርድ አባላት (Vorstandsmitglieder), 26. Oktober 2020
https://nebe.org.et/am/board-members

·      Reuters: Ethiopia's army chief, three others killed in failed regional coup, 23. Juni 2019
https://de.reuters.com/article/us-ethiopia-security-idUSKCN1TO0CR

·      The Africa Report: Ethiopia opposition leader Berhanu Nega leads new party, 14. Mai 2019
https://www.theafricareport.com/12910/ethiopia-opposition-leader-berhanu-nega-leads-new-party/

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Ethiopia, 19. Juli 2017
https://www.ecoi.net/de/dokument/1404795.html

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Ethiopia, 1. November 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019265.html

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ethiopia, 11. März 2020
https://www.ecoi.net/de/dokument/2026381.html



[1] Reuters berichtet von Attentaten im Juni 2019, denen unter anderen Äthiopiens Armeestabschef, ein pensionierter General und der Regionalpräsident von Amhara, ein Verbündeter des Regierungschefs Abiy Ahmed, am 22. Juni 2019 im Zuge eines regionalen Putschversuchs zum Opfer fielen. (Reuters, 23. Juni 2019; siehe auch DW, 24. Juni 2019).

[2] Eine Gruppe, die vom äthiopischen Parlament im Jahr 2011 zu einer terroristischen Organisation erklärt worden sei (USDOS, 19. Juli 2017). Abiy Ahmed habe Ginbot 7 und zwei weitere Gruppen von der Liste der terroristischen Organisationen streichen lassen (USDOS, 1. November 2019).