Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Lage von LGBT-Personen, speziell in Dhaka und anderen Großstädten: Gewalt und Behandlung durch den Staat [a-10588]

30. Mai 2018

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Absatz 377 des Strafgesetzbuchs von Bangladesch bestimmt, dass jeder, der freiwillig „gegen die Ordnung der Natur“ Geschlechtsverkehr mit einem Mann, einer Frau oder einem Tier hat, mit lebenslanger Haft oder einer Haftstrafe, die sich über eine Dauer von 10 Jahren erstrecken kann, zu bestrafen ist und zudem einer Bußgeldzahlung unterliegt:

 „377. Whoever voluntarily has carnal intercourse against the order of nature with any man, woman or animal, shall be punished with [imprisonment] for life, or with imprisonment of either description for a term which may extend to ten years, and shall also be liable to fine.“ (The Penal Code of Bangladesh, 1860, Chapter XVI)

Das US-Außenministerium (USDOS) schreibt in seinem Menschenrechtsbericht im März 2017 (Berichtszeitraum: 2016), dass einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwar nach Abschnitt 377 des Strafgesetzbuches illegal seien, dieses Gesetz jedoch keine Anwendung finde:

„Consensual same-sex sexual activity is illegal under Section 377 of the Code of Criminal Procedure, but the law was not enforced.“ (USDOS, 3. März 2017, Section 6)

Eine Vertreterin von Boys of Bangladesh (BoB), einer freiwilligen Gruppierung mit Sitz in Dhaka, die sich für homosexuelle Männer in Bangladesch wie auch im Ausland einsetzt, habe im Zuge einer Fact-Finding Mission des britischen Innenministeriums im Mai 2017 angegeben, von keinen Verurteilungen nach Abschnitt 377 zu wissen, da es notwendig sei, dass man „auf frischer Tat ertappt“ werden müsse. Üblicherweise würden andere Gesetze benutzt, um homosexuelle Männer und Frauen zu kriminalisieren, wie zum Beispiel eine Anklage aufgrund von Drogendelikten:

„The representative [from Boys of Bangladesh (BoB)] was not aware of any convictions under Section 377 because of the need to be ‘caught in the act’. Generally, other laws are used to criminalise gay men and women, such as the drug offences charges.“ (UK Home Office, September 2017, S. 118)

Human Rights Watch (HRW) berichtet in seinem Jahresbericht vom Jänner 2018 (Berichtzeitraum: 2017), dass sich die bangladeschische Regierung während der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zweimal geweigert hätte, das aus der Kolonialzeit stammende Gesetz, das gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr verbiete, abzuschaffen:

„The government twice rejected recommendations during its Universal Periodic Review at the UN Human Rights Council (UNHRC) to repeal the colonial-era law forbidding same-sex conduct.“ (HRW, 18. Jänner 2018)

Im Menschenrechtsbericht vom April 2018 (Berichtzeitraum: 2017) bezieht sich das US-Außenministerium auf LGBTI-Gruppen, die berichtet hätten, dass die Polizei das Gesetz gegen gleichgeschlechtliche Aktivitäten als Vorwand benutzen würde, um LGBT-Personen, und jene, die unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung als unmännlich betrachtet werden, zu schikanieren und um die Registrierung von LGBTI-Organisationen einzugrenzen. Einige Gruppen hätten von Schikanen aufgrund einer im Polizeigesetz enthaltenen Bestimmung gegen verdächtiges Verhalten berichtet. Die Transgender-Bevölkerung sei seit langem ein marginalisierter, jedoch wahrgenommener Teil der Gesellschaft gewesen, im Zuge gewalttätiger extremistischer Angriffe auf gefährdete Gruppen sei sie jedoch mit einem andauernd hohen Niveau an Angst, Belästigung und Kontakt mit der Exekutive konfrontiert.

Im Mai 2017 hätten Truppen des Rapid Action Bataillons (RAB), einer Spezialeinheit der bangladeschischen Polizei zur Verbrechens- und Terrorbekämpfung, eine Razzia bei einem von der lokalen LGBTI-Gemeinschaft organisierten Abendessen im Chayaneer Gemeindezentrum in Keranigan durchgeführt. Laut Zeugen seien 28 der 120 während der Razzia anwesenden Personen festgenommen worden. Zeugen hätten zudem berichtet, dass die RAB die Gäste in kleine Gruppen geteilt und sie geschlagen hätte, bevor sie Personen für die Festnahme identifiziert hätte. Während der Razzia hätte die RAB den Medien bekannt gegeben, dass die Razzia aufgrund des Verdachtes homosexueller Aktivitäten durchgeführt werde und hätte es Medien erlaubt, manche der festgenommenen Personen zu fotografieren. Die RAB habe später gemeldet, dass die Anwesenden zur Zeit der Razzia nicht in „illegale sexuelle Aktivitäten“ verwickelt gewesen und stattdessen wegen Drogenbesitzes verhaftet worden seien. Das Gericht habe vier Personen in Untersuchungshaft behalten. Von den übrigen 24 seien zwölf für weitere Befragungen festgehalten worden und zwölf weitere direkt ins Gefängnis gekommen:

„Consensual same-sex sexual activity is illegal under the law. LGBTI groups reported police used the law as a pretext to bully LGBTI individuals, as well as those considered effeminate regardless of their sexual orientation, and to limit registration of LGBTI organizations. Some groups also reported harassment under a suspicious behavior provision of the police code. The transgender population has long been a marginalized, but recognized, part of society, but it faced continued high levels of fear, harassment, and law enforcement contact in the wake of violent extremist attacks against vulnerable communities.

In May, RAB [Rapid Action Bataillon] forces raided the Chayaneer Community Center in Keranigan during a dinner organized by the LGBTI community from that area. According to witnesses, 28 individuals were arrested of the 120 persons present at the time of the raid. The witnesses also stated RAB separated the diners into small groups and beat them before identifying individuals for arrest. During the raid RAB announced to the media the raid was conducted based on suspicion of homosexual activity and allowed the media to photograph some of the arrested individuals. RAB later announced the attendees were not engaged in ‚illegal sexual activities‘ at the time of the raid and were instead arrested for possession of narcotics -specifically ‘yaba’ (a combination of methamphetamine and caffeine) and cannabis. The court system remanded four of the individuals. Of the remaining 24 individuals, 12 were detained for further questioning and 12 were sent directly to jail.“ (USDOS, 20. April 2018, Section 6)

Laut dem Bericht zur bereits erwähnten Fact-Finding Mission des britischen Innenministeriums hätten mehrere Quellen angegeben, dass LGBT-Personen nicht das Gefühl hätten, Schutz bei der Polizei suchen zu können. Die bereits zitierte Vertreterin von BoB habe angegeben, dass es hier vermutlich Ausnahmen gebe, so beispielsweise Mitglieder einflussreicher Familien. Mitglieder der Presse hätten wiederum erwähnt, dass die Polizei verpflichtet sei, sich unabhängig von der Sexualität desjenigen, der ein Verbrechen meldet, um einen Fall zu kümmern. Laut dem Bangladeshi Legal Aid and Service Trust (BLAST) gebe es nur sehr wenig Forschung zu diesem Thema:

„Several sources suggested that LGBT people would not feel that they could approach the police for protection. BoB said there may be some exceptions to this, for instance someone from an influential family. However, members of the press noted that the police are obliged to take on a case, irrespective of the sexuality of the reporter of the crime; and BLAST noted that there is ‘very little research on these issues’.“ (UK Home Office, September 2017, S. 35)

Im bereits zitierten Länderbericht von Human Rights Watch wird berichtet, dass die Regierung in den letzten Jahren zwar Schritte, wie die erklärte Anerkennung einer dritten Gender-Kategorie für Hijras, in die Wege geleitet hätte, die Umsetzung davon allerdings nur mangelhaft bliebe und sexuelle Minderheiten weiterhin unter konstantem Druck und Bedrohung verbleiben würden:

 „Although the government took some steps in recent years, such as declaring legal recognition of a third gender category for hijras, policy implementation remains weak and sexual and gender minorities remained under constant pressure and threat.“ (HRW, 18. Jänner 2018)

Laut einem Beamten der nationalen Menschenrechtskommission, der im Zuge der Fact-Finding Mission des britischen Innenministeriums 2017 befragt wurde, gebe es in Bangladesch unterschiedliche Kategorien von LGBT-Personen. Hijras würden in der Gesellschaft mehr und mehr anerkannt werden. Zwar würde eine Regierungsverordnung Hijras als drittes Geschlecht anerkennen, dies sei aber noch nicht gesetzlich verankert:

„An official from the National Human Rights Commission (NHRC official) stated there were different categories of LGBT persons in Bangladesh […]. Hijras have become more recognised in society, and although an Executive Order states they are recognised as a third gender, this recognition has not been enacted in law.“ (UK Home Office, September 2017, S. 87)

Bezüglich der Behandlung von LGBT-Personen gab die bereits zitierte Vertreterin von BoB an, dass Frauen und Männer unterschiedlich behandelt würden. So werde von einem Mädchen beispielweise erwartet, dass es nach dem Schulabschluss heirate, und die Familie würde sie auch dazu drängen, dies zu tun. Wenn ein Mädchen im Alter von rund 30 Jahren noch nicht verheiratet sei, würde ihre Kernfamilie mit Druck der entfernteren Verwandtschaft und Nachbarn konfrontiert werden. In ländlichen Gegenden werde von der Jugend, vor allem von Mädchen, erwartet, noch früher zu heiraten als in städtischem Gebieten. Dort liege das durchschnittliche Heiratsalter bei 23 Jahren, auf dem Land hingegen bei 16 bis 17 Jahren:

„On the treatment of LGBT persons, the BoB representative explained that men and women are treated differently in Bangladesh. For example, after graduation a girl is expected to get married and the family may pressure her to do this. If a girl is not married by a certain age (about 30) her immediate family would face pressure from wider family members and neighbours. In rural areas the youth, especially girls, are expected to get married at an even younger age than in urban areas – where the average marriage age is 23 – opposed to 16 - 17 years old in rural areas.“ (UK Home Office, September 2017, S. 118)

Ein Mitglied der Presse teilte dem britischen Innenministerium während der Fact-Finding Mission 2017 mit, dass die meisten der LGBT-Gruppen ihren Sitz in Dhaka hätten. Diese Ideen seien neu und durch die Intervention der Medien hervorgebracht worden, jedoch nicht gesellschaftlich akzeptiert. Dies sei auch nicht nur unter Muslimen so. Der Pressemitarbeiter habe erst kürzlich ein Gespräch mit einem Nicht-Muslim darüber geführt. Es gebe einfach kulturelle Gründe, weshalb es gesellschaftlich nicht akzeptiert sei:

„Most of these [LGBT] groups are based in Dhaka. Such ideas are new and brought forward by media intervention. But these things are not socially acceptable. This is not just among the Muslims but also others. I had a conversation yesterday with a non - Muslim for example. There are cultural reasons why it is not socially acceptable.“ (UK Home Office, September 2017, S. 74)

Die bereits zitierte Vertreterin von BoB habe erzählt, dass sie selbst, nachdem sie sich gegenüber ihrer Familie geoutet habe, von dieser in drei psychiatrische Zentren geschickt worden sei, und ihr Medikamente verschrieben worden seien um „geheilt“ zu werden. Laut der Vertreterin sei dies ein verbreitetes Phänomen, mit dem auch andere konfrontiert werden könnten, die sich outen:

„The representative [of BoB] described her own experience of coming out to her family, who sent her to three psychiatric centres. She was prescribed medication to ‘cure’ her. The representative thought this might be a common phenomenon that could happen to other people who came out.“ (UK Home Office, September 2017, S. 120)

Auf die Frage, ob homosexuelle Männer und Frauen offen in Bangladesch leben könnten, habe die BoB-Vertreterin mit einem klaren Nein geantwortet. Sie könnten dies weder in städtischen noch in ländlichen Gebieten. Vor drei bis vier Jahren seien homosexuelle Menschen noch nicht einmal von der Gesellschaft wahrgenommen worden. Während sich Homosexuelle sehr wohl verabreden würden, würde dies in den Augen der Gesellschaft als freundschaftliches Treffen wahrgenommen werden. Nur wenige homosexuelle Paare würden sich dazu entscheiden zusammenzuwohnen, da dies ein Outing gegenüber ihrer Familie bedeuten würde. Daher würden manche heterosexuelle Ehen eingehen, aber weiterhin homosexuelle Beziehungen (Affären) führen. Im letzten Jahr sei die Anzahl von LGBT-Menschen, die Bangladesch (Richtung Europa) verlassen hätten, angestiegen, da sie sich in Folge der Angriffe auf homosexuelle Aktivisten im Vorjahr bedroht gefühlt hätten:

„When asked if gay men and lesbians could live openly in Bangladesh the BoB representative replied ‘No, definitely not’. Not in urban or rural areas. The representative added that 3 - 4 years ago gay people were not even recognised (by society) in Bangladesh. Whilst gay people do date, in the eyes of society this is just seen as a friendly encounter. Few gay couples choose to live together as this would mean coming out to their family. Some may enter into ‘straight’ marriages but may continue to have gay relationships (affairs) following this. In the last year there has been an increase in the number of LGBT persons leaving Bangladesh (for Europe) as they felt threatened following the attack against the gay activists last year.“ (UK Home Office, September 2017, S. 117)

Amnesty International (AI) berichtet im April 2016 von der brutalen Ermordung des Herausgebers einer LGBTI-Zeitschrift und dessen Freund, wenige Tage nachdem ein Universitätsprofessor zu Tode gehackt worden sei. Dies würde die entsetzlichen Mängel unterstreichen, die bezüglich des Schutzes einer Reihe von friedlichen AktivistInnen im Land bestehen würden, so Champa Patel, Leiter von Amnesty International in Südasien.

Amnesty International habe LGBTI-Aktivisten, die sich im Exil befinden, interviewt. Diese hätten angegeben, dass, wenn sie Drohungen bei der Polizei gemeldet hätten, diese angedroht hätte, sie aufgrund „unnatürlicher Vergehen“ anzuzeigen.

Seit Beginn des Monats [April 2016] sei es zu vier brutalen Ermordungen von bangladeschischen Aktivisten und deren Partnern gekommen. Am 7. April [2016] hätten vier maskierte Männer den 28-jährigen Nazimuddin Samad mit Macheten attackiert, bevor sie ihn erschossen haben sollen. Samad sei ein Studentenaktivist gewesen, der Kampagnen für Säkularismus in sozialen Netzwerken organisiert habe. Er sei neben 84 weiteren Bloggern auf einer ‚Abschussliste‘, die von einer Gruppe radikaler Islamisten 2013 veröffentlicht worden sei, genannt worden.

Am 23. April [2016] sei Rezaul Karim Siddique, ein 58-jähriger hoch angesehener Universitätsprofessor auf dem Weg zur Busstation in der Stadt Rajshahi von mit Macheten bewaffneten Männern angegriffen worden. Die Verantwortung für die Tat hätten zum IS gehörende Jihadisten übernommen.

Am 25. April [2016] sei Xulhaz Mannan, der 35-jährige Herausgeber von Roopbaan, dem einzigen bangladeschischen LGBTI-Magazin, und sein Freund Tanay Mojumdar zu Tode gehackt worden, nachdem eine Gruppe von Angreifern sich als Boten ausgegeben hatte und sich so Zugang zu Mannans Wohnung verschafft hätte. Im Jahr 2015 seien fünf säkulare Blogger zu Tode gehackt worden. Die erste Attacke dieser Art sei 2013 begangen worden. Für die Ermordungen, die im Februar 2015 begonnen hätten, sei nicht eine einzige Person zur Rechenschaft gezogen worden:

„‘The brutal killing today of an editor of an LGBTI publication and his friend, days after a university professor was hacked to death, underscores the appalling lack of protection being afforded to a range of peaceful activists in the country,‘ said Champa Patel, Amnesty International’s South Asia Director.

Amnesty International has interviewed exiled LGBTI activists who said that when they tried to report threats against them to police, the police instead said they could be charged for ‘unnatural offences.’

Since the start of the month, four brutal killings have taken place of Bangladeshi activists and their associates. On 7 April, four masked men attacked Nazimuddin Samad, 28, with a machete before shooting him dead. Samad was a student activist who had organised campaigns for secularism on social media. He was named on a ‘hit list’ of 84 bloggers published by a group of radical Islamists in 2013.

On 23 April, Rezaul Karim Siddique, 58, a much-admired university professor was attacked by men carrying machetes as he walked to the bus station in the city of Rajshahi. Responsibility for the attack was claimed by jihadists belonging to Islamic State.

On 25 April, Xulhaz Mannan, 35, the editor of Roopbaan, Bangladesh’s first LGBTI magazine, and his friend Tanay Mojumdar were both hacked to death after a group of attackers posed as couriers to gain entry to Mannan’s apartment.

During 2015, five secular Bangladeshi bloggers were hacked to death using machetes. The first attack of this kind took place in 2013. For the killings starting in February 2015, not a single person has been held to account.“ (AI, 25. April 2016)

Im April 2017 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht eines bangladeschischen LGBT-Aktivisten, der die Situation der LGBT-Gemeinschaft nach den Ermordungen von Xulhaz Mannan und Tanay Mojumdar 2016 beschreibt. Laut dem Artikel seien LGBT-AktivistInnen schon lange mit Drohungen konfrontiert, doch diese seien nach den Ermordungen noch unheimlicher geworden. Sofort seien noch mehr Drohbriefe gekommen und man habe flüchten müssen. Innerhalb von einem Jahr hätte die Angst dazu geführt, dass viele der Freunde des Aktivisten ihre Heimat verlassen hätten, vermutlich für den Rest ihres Lebens.

Vier Tage nach den Ermordungen habe Ansar al-Islam, eine bewaffnete bangladeschische Gruppe, die behaupte mit Al-Qaida am indischen Subkontinent in Verbindung zu stehen, sich zu den Ermordungen bekannt. Kurze Zeit später habe der bangladeschische Innenminister Asaduzzaman Khan Kamal gesagt, dass die bangladeschische Gesellschaft keine Bewegungen dulde, die unnatürlichen Geschlechtsverkehr fördern. So wie in den Fällen der säkularen Blogger, die seit 2013 ermordet wurden, scheine es, als würden die Regierungsbeamten implizieren, dass die Menschen, die zur LGBT-Gemeinschaft gehören, für ihre Situation selbst verantwortlich seien:

 „We LGBT activists have lived with threats for a long time, but these became more sinister after the murders. More threatening letters started immediately. We had to escape. […] In one year, fear made many of my friends leave their homeland, probably for the rest of their lives. When I talk to them, I always want to ask them when they think they will come home […].

Four days after the murders, Ansar al-Islam (a Bangladeshi armed group which claims it is linked to al-Qa’ida in the Indian subcontinent) released a statement claiming responsibility. Soon after, Home Minister Asaduzzaman Khan Kamal said: ‚[o]ur society does not allow any movement that promotes unnatural sex.‘ Just like in the cases of the secular bloggers who have been killed since 2013, government officials seemed to imply that we had brought our situation on ourselves.“ (AI, 25. April 2017)

Die Dhaka Tribune berichtete im April 2018, dass die Mörder von Xulhaz Mannan, des Gründers von Bangladeschs einzigem LGBT-Magazin, und seinem Freund Mahbub Rabbi Tonoy zwei Jahre nach ihrer Ermordung immer noch nicht verhaftet worden seien. Die Polizei habe angegeben, dass sie bereits fünf Verdächtige verhaftet habe und drei davon ihre Beteiligung an dem Verbrechen gestanden hätten. Informationen zu mehreren anderen Verdächtigen seien gesammelt worden und die Polizei habe gesagt, sie würden an deren Verhaftung arbeiten:

 „The killers of Bangladesh’s only LGBT magazine founder Xulhaz Mannan and his friend Mahbub Rabbi Tonoy have still not been arrested two years after their murder. Police say they have already arrested five suspects, and three of them have confessed to their involvement in the crime. Information about several other suspects has been collected and police say they are pursuing their arrest.“ (Dhaka Tribune, 25. April 2018)

Die New York Times (NYT) veröffentlichte im Juni 2017 einen Kommentar von Raad Rahman, einem in New York lebenden bangladeschischen Autor, dem zufolge die Ermordungen von Xulhaz Mannan und Mahbub Rabbi Tonoy einen Wendepunkt in der Verfolgung von LGBT-Gemeinschaften in Bangladesch darstellen würde. Etliche AktivistInnen hätten im vergangen Jahr ihre Spuren in sozialen Medien gelöscht. Manche seien verhaftet worden oder hätten Todesdrohungen erhalten. Andere seien gezwungen gewesen, monatelang in sicheren Häusern, die von ausländischen Botschaften in Dhaka zur Verfügung gestellt worden waren, zu bleiben, bevor sie nach Schweden, Deutschland oder in die USA geflüchtet seien. Jene, die nach der Ermordung von Xulhaz Mannan das Wort ergriffen, darunter auch die englischsprachige Tageszeitung Dhaka Tribune, hätten von Al-Qaida in Südasien Warnungen erhalten, sie würden anti-islamische Äußerungen unterstützen:

„Mr. Mannan and Mr. Tonoy’s murders were a turning point in Bangladesh’s persecution of L.G.B.T. communities. Several L.G.B.T. activists spent the past year erasing their social media traces. Some were arrested, or received death threats. Others were forced to reside in safe houses for months, provided by foreign embassies in Dhaka, before they fled into Sweden, Germany and the United States. Those who spoke up about Mr. Mannan’s murder, including the English-language daily Dhaka Tribune newspaper, have received warnings about supporting anti-Islamic speech from Al Qaeda in South Asia.“ (NYT, 30. Juni 2017)

Im Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums vom April 2018 (Berichtzeitraum: 2017) wird erwähnt, dass nach der Razzia und den Verhaftungen im Chayaneer Community Center sowie den andauernden Schikanen viele Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft, inklusive der Leitung der wichtigsten Organisationen zur Unterstützung, ihre Aktivitäten weiter eingeschränkt hätten und im Inland wie im Ausland Zuflucht suchen würden. Dies habe zu einer gravierenden Schwächung der Interessenvertretung und des Unterstützungsnetzwerks für LGBTI-Personen geführt. Organisationen, die speziell homosexuelle Frauen unterstützen, seien nach wie vor selten. Ein starkes soziales Stigma aufgrund von sexueller Orientierung sei verbreitet und habe eine offene Diskussion des Themas verhindert:

 „Following these events and continued harassment, many members of LGBTI communities, including the leadership of key support organizations, continued to reduce their activities and sought refuge both inside and outside of the country. This resulted in severely weakened advocacy and support networks for LGBTI persons. Organizations specifically assisting lesbians continued to be rare. Strong social stigma based on sexual orientation was common and prevented open discussion of the subject.“ (USDOS, 20. April 2018, Section 6)

Weitere Informationen finden sich auch in einer Anfragebeantwortung von ACCORD vom Juni 2016:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Bestimmungen und Anwendung des bangladeschischen Strafgesetzes zur Homosexualität, gesellschaftlicher Umgang mit Homosexualität, Existenz von Organisationen, die sich für LGBT-Personen einsetzen, Vernetzung von Homosexuellen, Berichte über Gewalt gegen Homosexuelle [a-9690], 1. Juni 2016
https://www.ecoi.net/de/dokument/1159976.html

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 30. Mai 2018)