Dokument #1357624
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Republik Bulgarien
Staatsoberhaupt: Georgi Parwanow
Regierungschef: Bojko Borissow
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 7,4 Mio.
Lebenserwartung: 73,4 Jahre
Kindersterblichkeit: 10 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 98,3%
Die Behörden standen in der Kritik, weil sie eine Welle der Gewalt gegen Angehörige der Roma, die sich im September 2011 im ganzen Land ausbreitete, nicht verhinderten. In Sofia endete eine Demonstration von Anhängern einer rechtsextremen Partei mit einem gewaltsamen Angriff auf Muslime. Asylsuchende wurden Berichten zufolge routinemäßig inhaftiert, was einen Verstoß gegen die nationale und die EU-Gesetzgebung darstellte.
Im Juli 2011 äußerte der UN-Menschenrechtsausschuss Bedenken wegen der fortgesetzten und weit verbreiteten Diskriminierung von Angehörigen der Roma. Bemängelt wurden ihre eingeschränkten Möglichkeiten, sich an die Justiz zu wenden, ihre geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie ihr mangelnder Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen im Bereich Bildung und Wohnen. Der Ausschuss erinnerte die Behörden an ihre Verpflichtung, in Fällen von Hassverbrechen und Schikanen gegen Minderheiten und religiöse Gemeinschaften - insbesondere Roma und Muslime - vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, Ermittlungen aufzunehmen und die Verantwortlichen zu bestrafen.
Gewaltsame Angriffe auf Roma
 Nachdem am 24. September 2011 in dem südbulgarischen Dorf Katuniza ein  junger Mann, der nicht zur Roma-Gemeinschaft gehörte, von einem Kleinbus  überfahren wurde, den ein Roma-Angehöriger steuerte, kam es zu  gewaltsamen Übergriffen auf Roma. In dem Ort wurden mehrere Häuser, die  Roma gehörten, in Brand gesetzt. In ganz Bulgarien fanden in Reaktion  auf den Vorfall Roma-feindliche Demonstrationen statt. NGOs wie das  Bulgarische Helsinki-Komitee warfen den Behörden vor, nicht rechtzeitig  die notwendigen Schritte eingeleitet zu haben, um die Gewalt  einzudämmen.
Dem Vernehmen nach bewachte die Polizei erst Tage später die Zugänge zu einigen Roma-Siedlungen und nahm mehr als 350 Personen fest. Medienberichten zufolge erinnerte der Generalstaatsanwalt nach den Protesten die regionalen Staatsanwälte daran, dass sie auf Geschehnisse zu reagieren hätten, die den Straftatbestand Gewalt aus rassistischen, religiösen und ethnischen Gründen erfüllen könnten.
Mehrere Strafverfahren gegen Personen, die während der Proteste und danach festgenommen worden waren, sollen dem Vernehmen nach abgeschlossen worden sein.
Gewaltsame Angriffe auf Muslime
 Am 20. Mai 2011 wurden in Sofia Muslime während ihres Gebets vor der  Banja-Baschi-Moschee tätlich angegriffen, als eine von Anhängern der  nationalistischen Partei Ataka organisierte Demonstration in Gewalt  umschlug. Vier muslimische Männer und eine Parlamentsabgeordnete von  Ataka sollen dabei verletzt worden sein. Es wurden zwar Ermittlungen  eingeleitet, das Bulgarische Helsinki-Komitee berichtete jedoch, der  Überfall werde strafrechtlich eher als "Rowdytum" und nicht als  diskriminierende Gewalttat verfolgt. Der UN-Menschenrechtsausschuss  zeigte sich besorgt über den Angriff und übte Kritik an den Behörden,  weil sie das existierende Antidiskriminierungsgesetz kaum anwendeten.
Gewaltsame Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
 Am 18. Juni 2011 wurden im Anschluss an die Pride Parade von Lesben,  Schwulen, Bisexuellen und Transgendern in der Hauptstadt Sofia fünf  freiwillige Helfer der Veranstaltung von einer Gruppe Unbekannter  tätlich angegriffen. Drei der Helfer wurden bei dem Angriff leicht  verletzt. Die Aktivisten vermuteten, dass die Angreifer ihnen gefolgt  waren, als sie die Kundgebung verließen. Sie fürchteten, dass der  Vorfall von den Behörden als "Rowdytum" und nicht als Hassverbrechen  behandelt werden würde, da das bulgarische Strafgesetzbuch sexuelle  Orientierung als mögliches Motiv für derartige Straftaten nicht  vorsieht. Der Innenminister teilte mit, die polizeilichen Ermittlungen  seien eingestellt worden, ohne dass man die Täter ausfindig gemacht  habe.
Im November äußerte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt über die mangelnde Transparenz bei der Auswahl und Ernennung von Richtern und Mitgliedern des Obersten Richterrats. Der Ausschuss bemängelte, dass das Prinzip einer unabhängigen Gerichtsbarkeit von hochrangigen Regierungsvertretern nicht respektiert worden sei und auch innerhalb der Justizbehörden nicht ausnahmslos angewandt werde.
Im November 2011 äußerte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt über den exzessiven Einsatz von Gewalt und von Schusswaffen durch Polizeikräfte. Der Ausschuss rief Bulgarien auf, Maßnahmen zu ergreifen, um jede Form von Schikane oder Misshandlung während polizeilicher Ermittlungen künftig zu verhindern.
Psychiatrische Einrichtungen
 Im Februar 2011 verhandelte der Europäische Gerichtshof für  Menschenrechte den Fall eines Mannes, der unter Vormundschaft gestellt  und in ein Heim für Personen mit psychischen Störungen in Pastra  eingewiesen worden war. Der Mann hatte in seiner Beschwerde  argumentiert, die dort herrschenden Lebensbedingungen kämen Misshandlung  gleich und sein Freiheitsentzug sei rechtswidrig und willkürlich.
Im November 2011 erhob das Bulgarische Helsinki-Komitee den Vorwurf, Asylsuchende würden in Verletzung der nationalen Gesetzgebung und der EU-Asylverfahrensrichtlinie von den Behörden in Haft gehalten. Berichten zufolge befanden sich bis zu 1000 Asylsuchende in den Haftzentren von Liubimets und Busmansti. Der Direktor der staatlichen Flüchtlingsbehörde erklärte, man sei zu dieser Praxis übergegangen, weil die offenen Einrichtungen ausgelastet seien. In einem Entwurf für eine Nationale Strategie zu Asyl, Migration und Integration hieß es ebenfalls, Bulgarien verfüge nicht über die institutionellen Möglichkeiten, um die Grundvoraussetzungen für die Aufnahme von Asylsuchenden zu erfüllen.
Delegierte von Amnesty International besuchten Bulgarien im Juni.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)