Dokument #1129338
AI – Amnesty International (Autor)
Die Sicherheitskräfte folterten Gefangene oder misshandelten sie auf andere Weise. Sie gingen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vor, in einigen Fällen sogar mit Todesfolge. Es waren keine angemessenen Mechanismen zur Rechenschaftslegung vorhanden, die Gerechtigkeit gewährleisten oder als effektive Abschreckung gegen polizeiliche Willkür wirken konnten. Das Strafjustizsystem war nach wie vor nicht dazu geeignet, gegen die anhaltende Straflosigkeit bei aktuellen und zurückliegenden Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. In Gebieten wie Papua und Maluku gab es massive Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Religiöse Minderheiten, Homo- und Bisexuelle sowie Transgender-Personen waren gewalttätigen Übergriffen und Diskriminierung ausgesetzt. Die Müttersterblichkeitsrate war weiterhin eine der höchsten in der Region Ostasien und Pazifik. Im Jahr 2010 erfolgte keine Hinrichtung.
Gefangene erfuhren durch Sicherheitskräfte Folterungen oder andere Misshandlungen. Opfer waren vor allem straftatverdächtige Personen aus armen und marginalisierten Gemeinschaften sowie Personen, die im Verdacht standen, sich in den Provinzen Papua und Maluku an Aktivitäten für die Unabhängigkeit beteiligt zu haben. Die vorhandenen Mechanismen der Rechenschaftslegung bei Übergriffen blieben unzureichend.
Bei Festnahmen und der Auflösung von Demonstrationen ging 2010 die Polizei mit unverhältnismäßiger Härte vor und tötete in einigen Fällen Menschen.
Es gab weiterhin einige Fälle der Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. So wurden Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und andere engagierte Bürger eingeschüchtert, schikaniert und in einigen Fällen sogar getötet.
Religiöse Minderheiten und die Gruppen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) waren gewalttätigen Übergriffen und Diskriminierung ausgesetzt. Die Polizei ergriff nicht die erforderlichen Maßnahmen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Nach der Androhung gewaltsamer Repressalien durch radikale islamistische Gruppen wurde eine regionale LGBT-Konferenz, die im März in Surabaya stattfinden sollte, abgesagt. Die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyyah wurde zur Zielscheibe für Übergriffe und Diskriminierung. Im August 2010 rief der Religionsminister zur Auflösung der Gemeinschaft auf. Etwa 90 Ahmadis, die im Jahr 2006 nach Brandanschlägen aus ihren Häusern geflohen waren, lebten weiterhin in Behelfsunterkünften in Mataram in Lombok. Im Laufe des Jahres wurden mindestens 30 Kirchen angegriffen oder zur Schließung gezwungen. Im April bestätigte das Verfassungsgericht gesetzliche Bestimmungen, die Blasphemie unter Strafe stellten. Zum Jahresende befanden sich mindestens 14 Personen unter der Anklage der Blasphemie im Gefängnis.
Gesetze, die sexuelle und reproduktive Rechte einschränkten, behinderten die Bemühungen der Regierung zur Eindämmung der Müttersterblichkeit. Darunter fielen Gesetze, die klischeehafte Geschlechterrollen - besonders bezüglich Eheschließung und Schwangerschaft - unterstützten, wie auch Gesetze, die bestimmte einvernehmliche sexuelle Praktiken sowie die Bereitstellung von Informationen über Sexualität und Fortpflanzung kriminalisierten. Einige Gesetze und Bestimmungen verweigerten unverheirateten Frauen und Mädchen den uneingeschränkten Zugang zu gesundheitlichen Versorgungsleistungen für Schwangere und zur Verhütung. Es galt als illegal, wenn verheiratete Frauen und Mädchen ohne Zustimmung des Ehemanns bestimmte Leistungen der reproduktiven Medizin in Anspruch nahmen. Schwangerschaftsabbrüche wurden generell als strafrechtliche Vergehen bewertet. Ausgenommen waren Fälle, in denen die Gesundheit der Mutter oder des ungeborenen Kindes gefährdet war oder es sich um Opfer von Vergewaltigung handelte.
Viele Frauen und Mädchen waren dem Risiko ungewollter Schwangerschaft und damit schutzlos gesundheitlichen Problemen und Verstößen gegen die Menschenrechte ausgesetzt. Dazu zählten der Zwang, jung zu heiraten, oder die Schule vorzeitig verlassen zu müssen. Einige riskierten Abtreibungen, die häufig unter nicht sicheren Bedingungen durchgeführt wurden.
Regierungsangaben zufolge waren 5-11% der Fälle von Müttersterblichkeit in Indonesien auf unsichere Abtreibungen zurückzuführen. Mit 228 Todesfällen von Müttern bei 100000 Lebendgeburten war die Müttersterblichkeitsrate weiterhin eine der höchsten in der Region Ostasien/Pazifik.
Schätzungsweise 2,6 Mio. Hausangestellte, in der Mehrzahl Frauen und Mädchen, wurde der volle gesetzliche Schutz vorenthalten, den andere Arbeiter unter dem Arbeitsgesetz (Manpower Act) genossen. Die Kommission für Arbeit, Migration, Bevölkerungsangelegenheiten und Gesundheit beriet über einen Gesetzentwurf zu Hausangestellten, doch war das Gesetz bis Ende 2010 noch nicht verabschiedet worden.
Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverletzungen, die in der Vergangenheit in Aceh, Papua, Timor-Leste und andernorts begangen worden waren, blieben weiterhin straffrei. Die Regierung trieb die Versöhnung mit Timor-Leste weiter voran um den Preis, dass Verbrechen, die während der indonesischen Besatzung von Timor-Leste (1975-99) begangen worden waren, nicht geahndet wurden. Die meisten in der Vergangenheit an Menschenrechtsverteidigern verübten Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter, Mord und "Verschwindenlassen", blieben unaufgeklärt, und die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Im September unterzeichnete die Regierung das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (International Convention for the Protection of all Persons from Enforced Disappearance).
Es liegen keine Berichte über Hinrichtungen vor. Gegen mindestens 120 Menschen waren jedoch Todesurteile anhängig.
Delegierte von Amnesty International besuchten Indonesien in den Monaten Februar, März, Oktober und November.
Displaced and forgotten: Ahmadiyya in Indonesia (ASA 21/006/2010)
Indonesia: Left without a choice - barriers to reproductive health (ASA 21/013/2010)
© Amnesty International
Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte (Periodischer Bericht, Deutsch)
Amnesty International Report 2011 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)