Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Gambia
Regierungschef: Yahya Jammeh
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 1,7 Mio.
Lebenserwartung: 55,7 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 123/109 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 42,5%

Nach wie vor unterdrückte die Regierung abweichende Stimmen aus Politik und Gesellschaft. Angehörige des gambischen Geheimdienstes National Intelligence Agency (NIA), der Armee, der Militärpolizei und der Polizei nahmen vermeintliche Gegner der Regierung, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und frühere Angehörige der Sicherheitsdienste ohne rechtliche Grundlage fest und hielten sie in Haft. Staatspräsident Yahya Jammeh soll Menschenrechtsverteidigern und denen, die mit ihnen zusammenarbeiten, öffentlich gedroht haben. Nach einer Pause von mehr als 20 Jahren kündigten die Behörden an, wieder Todesurteile zu vollstrecken.

Willkürliche Festnahmen und Haft

Die Polizei, der NIA und die Armee nahmen Menschen fest und inhaftierten sie. Die Sicherheitsorgane verstießen damit gegen entsprechende Schutzbestimmungen im gambischen Recht. Inhaftierte Personen wurden in offiziellen Haftzentren wie dem Gefängnis "Mile 2 Central", der Zentrale des NIA und in Hafteinrichtungen der Polizei festgehalten, aber auch in geheimen Haftzentren, darunter Kasernen, geheime Räumlichkeiten auf Polizeiwachen, Polizeiwachen in entlegenen Gebieten und Lagerhäuser.

  • Im März 2009 wurden mehr als 1000 Dorfbewohner im Distrikt Foni Kansala von sogenannten Hexenjägern, die aus Guinea und Burkina Faso kamen, in geheime Haftzentren verschleppt. Die Hexenjäger sollen von Präsident Jammeh ins Land geholt worden sein. Gambische Polizisten, Soldaten, NIA-Agenten und Angehörige der Leibwache des Präsidenten begleiteten sie. Berichten zufolge wurden die Dorfbewohner zum Trinken halluzinogener Kräutermixturen gezwungen sowie zum Geständnis der Hexerei. Die Mixturen verursachten offenbar Nierenprobleme und sollen den Tod von mindestens sechs Menschen zur Folge gehabt haben. Weil der führende Oppositionspolitiker Halifa Sallah in der Zeitung Foroyaa, die der Opposition nahesteht, auf die "Hexenjagd" aufmerksam gemacht hatte, wurde er unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet, angeklagt und im Gefängnis "Mile 2 Central" inhaftiert. Nach Einstellung des Verfahrens gegen ihn wurde er Ende März wieder freigelassen. Die "Hexenjagd" nahm zwar ein Ende, nachdem sie öffentlich gemacht worden war, doch wurde aus dem Kreis der Personen, die an den Übergriffen beteiligt waren, nicht eine einzige vor Gericht gestellt.

Mehrere Menschen wurden über einen langen Zeitraum hinweg in Haft gehalten, ohne vor Gericht gestellt zu werden. Dazu gehörten mindestens 19 Personen, unter ihnen auch senegalesische und nigerianische Staatsangehörige, die ohne Anklagerhebung im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses "Mile 2 Central" inhaftiert waren, einer von ihnen seit mindestens 13 Jahren.

  • Mindestens zwei Männer, die im Zusammenhang mit dem angeblichen Putschversuch im März 2006 festgenommen worden waren, blieben in Haft. Weder Alieu Lowe, der ohne Anklage festgehalten wurde, noch der wegen Vertuschung von Verrat angeklagte Hamadie Sowe waren bis Ende 2009 vor Gericht gestellt worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung blieb weiterhin stark eingeschränkt. Journalisten waren Drohungen und Schikanen ausgesetzt, wenn sie verdächtigt wurden, an Artikeln zu arbeiten, in denen die Behörden in ungünstigem Licht dargestellt würden, oder derartige Informationen an Medien weiterzugeben.

  • Am 15. Juni 2009 wurden sieben Journalisten festgenommen, nachdem sie den Präsidenten wegen seiner Kommentare im Zusammenhang mit dem Mord an Deyda Hydara, dem ehemaligen Chefredakteur der Zeitung The Point, kritisiert hatten. Der 2004 verübte Mord ist nach wie vor nicht aufgeklärt. Die sieben Journalisten wurden wegen Verleumdung und Staatsgefährdung unter Anklage gestellt. Ein Journalist kam später gegen Kaution frei, die Vorwürfe gegen ihn wurden fallen gelassen. Die übrigen sechs wurden am 6. August schuldig gesprochen und zu zwei Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe verurteilt. Die gewaltlosen politischen Gefangenen Emil Touray, Generalsekretär des nationalen Presseverbands Gambian Press Union (GPU), Sarata Jabbi Dibba, stellvertretender Vorsitzender des GPU, Pa Modou Faal, Schatzmeister des GPU, Pap Saine und Ebrima Sawaneh, Verleger bzw. Herausgeber der Zeitung The Point, und Sam Sarr, Herausgeber der Zeitung Foroyaa, wurden am 3. September im Rahmen einer Begnadigung durch den Staatspräsidenten aus der Haft entlassen.

"Verschwindenlassen"

Über das Schicksal und den Aufenthaltsort von mindestens acht Menschen, die in den vergangenen Jahren festgenommen worden waren und unter denen sich auch Anhänger der Opposition und Journalisten befanden, gab es keinen neuen Erkenntnisse.

  • Der 2006 festgenommene Journalist Chief Ebrima Manneh, der für den Daily Observer gearbeitet hatte, blieb trotz eines 2008 vom Gerichtshof der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) gefällten Urteils verschwunden. Der Gerichtshof hatte die Regierung Gambias angewiesen, Chief Ebrima Manneh freizulassen und seiner Familie eine Entschädigung zu zahlen. Die Regierung bestritt im Oktober, seinen Aufenthaltsort zu kennen.
  • Über das Schicksal des im September 2006 festgenommenen Oppositionsanhängers Kanyiba Kanyie herrschte weiterhin Ungewissheit, da die Regierung auch hier angab, seinen Aufenthaltsort nicht zu kennen.

Ungesetzliche Tötungen

Im April 2009 legte ein von der ECOWAS und den UN eingerichtetes Untersuchungsgremium seinen Bericht über die Tötung von mehr als 50 ausländischen Staatsbürgern - überwiegend aus Ghana - vor, die im Juli 2005 auf dem Meer vor der Küste Gambias von gambischen Sicherheitskräften aufgebracht worden waren. In dem Bericht hieß es, dass Sicherheitskräfte zwar an den Tötungen beteiligt waren, aber nicht auf Anweisung der Regierung gehandelt hätten. Die Regierung beteiligte sich an den Bestattungskosten für sechs Ghanaer, deren Leichen gefunden worden waren, unternahm jedoch nichts, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für die Tötungen verantwortlich waren.

Todesstrafe

Im September kündigte der Präsident an, dass es in Gambia wieder Hinrichtungen geben werde. Dies sei eine Reaktion auf die steigende Kriminalität. Die letzte bekannte Hinrichtung fand in den 1980er Jahren statt. Der Leiter der Anklagebehörde soll im Oktober gesagt haben, dass alle zum Tode verurteilten Gefangenen so bald wie möglich durch den Strang hingerichtet würden.

2009 wurde eine Person zum Tode verurteilt. Ende des Jahres sollen sich mindestens zwölf Menschen in den Todeszellen befunden haben. Es wurden keine Hinrichtungen gemeldet.

  • Im August wurde Kalilou Conteh vom Gericht in Banjul wegen Mordes zum Tode verurteilt.
    Menschenrechtsverteidiger

Am 21. September 2009 soll der Staatspräsident gedroht haben, jeden zu töten, der die Absicht habe, das Land zu destabilisieren. Er richtete eine besondere Warnung an Menschenrechtsverteidiger sowie an diejenigen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Internationale Organisationen und Mitglieder der gambischen Zivilgesellschaft boykottierten daraufhin die Sitzung der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (African Commission on Human and Peoples' Rights), die im November in Gambia stattfand. Zwei Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen und ein Berichterstatter der Afrikanischen Kommission verurteilten die Äußerungen des Präsidenten als inakzeptabel und erklärten, er verstoße damit gegen alle Menschenrechtsverträge, die Gambia ratifiziert habe.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International hielten sich im November zur Recherchen in Gambia auf.

Gambia: Amnesty International Demands Freedom for Gambians (AFR 27/005/2009)

Gambia: Submission to the UN Universal Periodic Review (AFR 27/006/2009)

Gambia: Amnesty International expresses solidarity with civil society in Gambia (AFR
27/008/2009)

Gambia: Hundreds accused of "witchcraft" and poisoned in government campaign (18 March 2009)

Gambia: Six journalists condemned to two years in Mile 2 prison (7 August 2009)

© Amnesty International

Verknüpfte Dokumente

Wir führen eine Nutzer·innenbefragung durch und währen dankbar, wenn Sie sich die Zeit nehmen könnten, uns zu helfen ecoi.net zu verbessern.

Die Umfrage dauert ca. 7-15 Minuten.

Klicken Sie hier: zur Umfrage... Danke!

ecoi.net-Umfrage 2025