Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Republik Ecuador
Regierungschef: Rafael Vicente Correa Delgado
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 13,6 Mio.
Lebenserwartung: 75 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 29/22 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 91%

Zahlreiche Demonstranten wurden bei Massenprotesten gegen die neuen Gesetze über die Nutzung von natürlichen Ressourcen willkürlich inhaftiert und misshandelt. Es lagen Meldungen über die Einschüchterung und Bedrohung von Menschenrechtsverteidigern vor, darunter Vertreter indigener Gemeinschaften und andere Gemeindesprecher.

Hintergrund

Am 26. April 2009 wurde Präsident Rafael Correa für eine weitere Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt. Er versprach, Ungleichheit und Armut zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung zu verbessern.

Im gesamten Jahr kam es zu Massendemonstrationen und Straßensperren aus Protest gegen die neuen Gesetze über die Nutzung von natürlichen Ressourcen, insbesondere Wasser. Ferner gab es Proteste gegen ein im Januar verabschiedetes Bergbaugesetz, welches das in der Verfassung verankerte Recht indigener Gemeinschaften auf Konsultation bei Bergbau- und Erdölförderprojekten einschränkte.

Im Oktober ratifizierte Ecuador das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem "Verschwindenlassen".

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger, vor allem Sprecher indigener Gemeinschaften und anderer Gemeinden, waren Opfer von Einschüchterungsversuchen und Schikanen. Gemeindesprecher und Menschenrechtsverteidiger gehörten zu der großen Zahl von Protestierenden, die bei Massendemonstrationen gegen das neue Bergbaugesetz willkürlich inhaftiert und misshandelt wurden.

  • Im Januar 2009 wurde der Menschenrechtsverteidiger Joel Vicente Zhunio Samaniego angeschossen und schwer verletzt, als man ihn zwang, in einen Polizeiwagen zu steigen. Er wurde ohne Haftbefehl festgehalten und beschuldigt, bei Massendemonstrationen gegen das Bergbaugesetz die öffentliche Ordnung sabotiert zu haben. Während seiner 18-tägigen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wurde er geschlagen und mit dem Tod bedroht. Bei seiner anschließenden Freilassung ließ man alle Anklagen gegen ihn fallen.
  • Im Januar 2009 nahmen Polizisten in Molleturo in der Provinz Azuay die Menschenrechtsverteidigerinnen Etelvina de Jesús Misacango Chuñir, Virginia Chuñir und Yolanda Gutama in Haft und schlugen sie. Die drei Frauen wurden beschuldigt, Anfang des Monats bei Protesten gegen das Bergbaugesetz Straßensperren errichtet zu haben. Einen Tag nach der Festnahme kamen die Frauen unter Auflagen wieder frei. Am 22. April wurde Etelvina de Jesús Misacango Chuñir vor ihrem Haus in der Stadt Molleturo von vier Männern überfallen. Es gab Vermutungen, dass der Angriff im Zusammenhang mit ihrem Widerstand gegen Bergbauprojekte in der Region stand.
  • Der seit über 20 Jahren im Umweltbereich tätigen NGO Acción Ecológica wurde von März bis August 2009 ihre rechtliche Zulassung aberkannt. Bei dieser Maßnahme scheint es sich um den Versuch gehandelt zu haben, die öffentliche Kritik am Bergbaugesetz einzudämmen.

Unternehmensverantwortung

Im April reichte eine kanadische Anwaltskanzlei im Namen dreier Einwohner aus der Gegend von Intag in Cantón Cotacachi (Provinz Imbabura) eine Schadenersatzklage gegen eine kanadische Bergbaugesellschaft und die Börse von Toronto ein. Die drei Kläger, eine Frau und zwei Männer, gaben an, 2006 von Wachleuten im Dienste des Unternehmens angegriffen worden zu sein. Einer der Männer erklärte zudem, in den Jahren 2005, 2006 und 2007 mehrfach Opfer von Drohungen und Einschüchterungsversuchen durch Personen ausgesetzt gewesen zu sein, die mutmaßlich Verbindungen zu dem Unternehmen hatten. Grund für die Drohungen und Angriffe war nach Angaben der drei Personen die von ihnen organisierte Kampagne gegen die Inbetriebnahme einer Kupfermine in der Region. Die Börse von Toronto soll die Finanzierung des Unternehmens unterstützt haben, obwohl sie über mögliche schädliche Folgen für die Bevölkerung informiert war. Der Fall war Ende 2009 vor dem Obersten Gerichtshof von Ontario anhängig.

In einem Fall, der 1993 von lokalen Gemeinschaften vor das Provinzgericht von Lago Agrio gebracht worden war, wurde die Urteilsverkündung auf das Jahr 2010 verschoben. Die Gemeinschaften hatten die Erdölfirma Chevron (ehemals Texaco) beschuldigt, für Umweltschäden verantwortlich zu sein, die aus mehr als 20 Jahren Erdölförderung resultierten.

Straflosigkeit

Das Mandat der Wahrheitskommission (Comisión de la Verdad), die im Mai 2007 zur Aufklärung der seit 1984 begangenen Menschenrechtsverletzungen eingerichtet worden war, wurde verlängert. Ende 2009 hatte die Kommission 700 Zeugenaussagen zu Fällen von Folter und "Verschwindenlassen", zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Todesfällen im Gewahrsam angehört.

Fälle von Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen blieben nach wie vor unaufgeklärt. Opfer sowie Angehörige von Opfern, die sich um Gerechtigkeit und Entschädigung bemühten, wurden bedroht und eingeschüchtert.

  • Die Polizistin Leidy Johanna Vélez Moreira und ihre Familie waren auch weiterhin Opfer einer Einschüchterungskampagne der Polizei, die begonnen hatte, nachdem sie wegen einer Polizeirazzia in ihrem Haus im Oktober 2007 Anzeige erstattet hatte. Die jüngsten Vorfälle dieser Art ereigneten sich am 23. und 24. Januar 2009, als sie und ihr Lebensgefährte von Polizisten verfolgt wurden. Die Familie Vélez hat mehrfach Klage gegen die Polizei eingereicht, u. a. wegen der Folterung und Tötung der Brüder von Leidy Johanna Vélez Moreira, Yandry Javier Vélez Moreira und Juan Miguel Vélez Cedeño, in Montecristi in der Provinz Manabí im Dezember 2008.
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