Dokument #1005934
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Demokratische Bundesrepublik Nepal
Staatsoberhaupt: Ram Baran Yadav
Regierungschef: Baburam Bhattarai (löste im August Jhala Nath Khanal im Amt ab, der im Februar Madhav Kumar Nepal abgelöst hatte)
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 30,5 Mio.
Lebenserwartung: 68,8 Jahre
Kindersterblichkeit: 48,2 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 59,1%
Nepal kam 2011 weiterhin nicht seinen Verpflichtungen nach, die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. An der Regierung beteiligte Parteien untergruben aktiv die Justiz, indem sie forderten, Hunderte von Strafanzeigen müssten zurückgezogen werden. Diese Forderung bezog sich auch auf Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen, die während des bewaffneten Konflikts verübt wurden. Folter und andere Misshandlungen in Polizeigewahrsam waren weit verbreitet. Die Polizei unterdrückte zunehmend die Rechte tibetischer Flüchtlinge auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit. Nepalesische Arbeitsmigranten im Ausland wurden nach wie vor Opfer von Ausbeutung und Zwangsarbeit.
Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit wurde zumeist nicht geahndet. Dies galt auch für die Diskriminierung von Frauen und Mädchen sowie für Fälle häuslicher Gewalt.
Die UN-Mission in Nepal (UNMIN) beendete im Januar 2011 ihren Einsatz zur Überwachung des Friedensabkommens von 2006, obwohl zentrale Bestandteile des Abkommens noch nicht umgesetzt waren.
Der im Februar gewählte Ministerpräsident Jhala Nath Khanal trat am 14. August von seinem Amt zurück, nachdem es ihm nicht gelungen war, Fortschritte bei der Umsetzung des Friedensprozesses und der Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu erzielen. Sein Nachfolger wurde Baburam Bhattarai, der stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Kommunistischen Partei Nepals - Maoisten (UCPN-M). Er räumte der verfassungsgebenden Versammlung eine letzte Fristverlängerung bis zum 27. Mai 2012 ein, um ihre Arbeit abzuschließen, und verpflichtete sich, die Ausarbeitung der neuen Verfassung zu beaufsichtigen.
Artikel 5 des nepalesischen Friedensabkommens sah die Schaffung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission vor, um mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen, die während des bewaffneten Konflikts begangen worden waren. Die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Einrichtung der Kommission war jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Regierung veranlasste auch weiterhin die Zahlung vorläufiger Entschädigungen an Familien von "Konfliktopfern". Sie versäumte es jedoch, dem Recht der Opfer auf Wahrheit und Gerechtigkeit nachzukommen.
Eine Kommission, die das Verschwindenlassen Tausender von Menschen durch die Konfliktparteien in den Jahren 1996 bis 2006 untersuchen sollte, war noch nicht eingerichtet, obwohl die Regierung versprochen hatte, dies bis September 2011 zu tun.
Um vor der Wahl des Ministerpräsidenten einen politischen Konsens zu erzielen, schloss die UCPN-M ein Abkommen mit Parteien der Terai-Region. Es sah u.a. die Rücknahme von Strafanzeigen gegen Parteimitglieder vor, die im Verdacht standen, während des bewaffneten Konflikts Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Am 28. August 2011 gab die Regierung die geplante Rücknahme der Strafanzeigen bekannt. Öffentliche Stellungnahmen des Generalstaatsanwalts gingen in dieselbe Richtung.
Folter und andere Formen der Misshandlung in Polizeigewahrsam waren nach wie vor weit verbreitet. Im Juni 2011 berichtete das in Nepal ansässige Zentrum für Folteropfer, seit dem Ende des bewaffneten Konflikts im Jahr 2006 sei die Mehrzahl der Folterfälle von der Polizei begangen worden. Von 989 befragten Häftlingen berichteten 74%, sie seien in der Haft gefoltert worden.
Folter war nach nepalesischem Recht noch immer kein Straftatbestand. Bei der erstmaligen Bewertung der Menschenrechtslage im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat bestritt die Regierung, dass es in Nepal systematische Folter gebe. Außerdem erklärte sie, ein Gesetz, das Bestimmungen des UN-Übereinkommens gegen Folter enthalte, sei Gegenstand "ernsthafter Erwägungen".
Armut und eine hohe Erwerbslosigkeit führten dazu, dass mindestens 300000 Arbeitsmigranten auf reguläre Art und Weise ins Ausland gingen. Einige Anwerber täuschten die Migranten hinsichtlich Entlohnung, Arbeitsbedingungen und Verträgen und schleusten sie in die Zwangsarbeit. In vielen Fällen konnten die Migranten die Arbeit nicht ablehnen, da sie hohe Darlehenszinsen bezahlen mussten, weniger Lohn bekamen als versprochen und ihre Ausweispapiere einbehalten wurden. Nepal hatte zwar einige Gesetze zum Schutz von Arbeitsmigranten eingeführt, doch versäumten es die Behörden häufig, die Arbeitsvermittlungen wirksam zu kontrollieren. Auch wurden Verstöße gegen das Auslandsbeschäftigungsgesetz nur selten geahndet.
Auf Druck Chinas kam es 2011 zu einer verstärkten Unterdrückung der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit tibetischer Flüchtlinge durch die Polizei. Friedliche Zusammenkünfte in Privatgebäuden wurden von der Polizei gestört. Personen, die mit Transparenten oder Slogans ihre Unterstützung der politischen Unabhängigkeit Tibets zum Ausdruck brachten, wurden festgenommen. Tibetische Aktivisten wurden im Vorfeld bedeutungsvoller Jahres- oder Feiertage systematisch inhaftiert.
Es kam 2011 weiterhin zu Diskriminierungen aufgrund ethnischer und religiöser Zugehörigkeit, aus geschlechtsspezifischen und wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund von Behinderungen. Dalits wurden nach wie vor sozial und wirtschaftlich ausgegrenzt, trotz der Verkündung des Gesetzes gegen Kastendiskriminierung, Caste-based Discrimination and Untouchability (Offense and Punishment) Act, am 24. Mai. Die geschlechtsspezifische Diskriminierung bestand fort und richtete sich insbesondere gegen Frauen, die ausgegrenzten Kasten und ethnischen Minderheiten angehörten. Dalit-Mädchen und in Armut lebende Mädchen aus ländlichen Gebieten wurden diskriminiert, was ihren Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen betraf. Sie wurden häufiger im Kindesalter verheiratet und waren überdurchschnittlich oft mangelernährt.
Die Polizei weigerte sich häufig, Anzeigen wegen häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt aufzunehmen.
Vetreterinnen von Amnesty International besuchten Nepal
im Mai.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)