Dokument #2123161
HRW – Human Rights Watch (Autor)
|Bericht
Abschiebungen und rechteverletzende Polizeipraktiken stoppen, solange die Taliban Grundrechte verletzen
(New York) – Pakistanische Behörden setzen verstärkt repressive Taktiken ein, um afghanische Geflüchtete zu einer Rückkehr nach Afghanistan zu drängen, wo sie Verfolgung durch die Taliban sowie katastrophale wirtschaftliche Bedingungen erwarten, so Human Rights Watch heute.
Die Menschenrechtssituation in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 weiter verschlechtert. Frauen und Mädchen bleibt neben zahlreichen Rechten und Freiheiten auch der Besuch von Bildungseinrichtungen jenseits der Grundschule versagt. Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen und ehemalige Regierungsbeamt*innen sind besonders gefährdet. Angesichts der stark ansteigenden Arbeitslosenrate, einer zusammengebrochenen Gesundheitsversorgung und rückläufigen Auslandshilfen müssen alle, die zurückkehren, ums Überleben kämpfen.
„Pakistanische Beamte sollten sofort aufhören, Afghanen zur Rückkehr zu nötigen und stattdessen jenen, denen eine Ausweisung droht, Schutz gewähren“, sagte Elaine Pearson, Asien-Direktorin bei Human Rights Watch. „Die Taliban-Behörden in Afghanistan sollten jegliche Repressalien gegen zurückkehrende Afghanen unterlassen und ihre rechteverletzende Politik gegen Frauen und Mädchen aufheben.“
Am 31. Januar 2025 verkündete das pakistanische Innenministerium, dass Afghan*innen ohne gültige Aufenthaltspapiere ebenso wie Inhaber*innen afghanischer Ausweise die Städte Islamabad und Rawalpindi verlassen müssten, da sie andernfalls abgeschoben würden. Afghan*innen mit einem Registrierungsausweis (Proof of Registration, PoR) sollen die Städte bis zum 30. Juni verlassen.
2024 sprach Human Rights Watch mit 35 Afghan*innen in Pakistan sowie mit weiteren Menschen, die erst vor Kurzem nach Afghanistan zurückgekehrt sind, über die Gründe ihrer Rückkehr und die Bedingungen, die sie in Afghanistan vorfanden. Human Rights Watch sprach auch mit Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen, die afghanische Geflüchtete auf beiden Seiten der Grenze unterstützen.
Bereits in der Zeit von September 2023 bis Januar 2024 wurden mehr als 800.000 Afghan*innen – viele davon in Pakistan geboren oder seit Jahrzehnten dort wohnhaft – nach Afghanistan abgeschoben oder ausgewiesen. Seit November 2024 haben pakistanische Behörden den Druck erhöht, um weitere Afghan*innen auszuweisen. Mehr als 70 Prozent der Rückkehrenden waren Frauen und Kinder, darunter Mädchen, die eigentlich eine Sekundarschule besuchen sollten, sowie Frauen, denen ab jetzt jegliche weitere Bildung verwehrt bleiben wird.
Pakistanische Polizeikräfte haben Häuser durchsucht, Menschen zusammengeschlagen und willkürlich verhaftet. Darüber hinaus konfiszierten sie die Ausweisdokumente von Geflüchteten, einschließlich ihrer Aufenthaltsgenehmigungen. Im Gegenzug für eine Aufenthaltserlaubnis in Pakistan verlangten Polizeikräfte Bestechungsgelder. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge gaben die meisten afghanischen Rückkehrer*innen als Grund für ihre Rückkehr die Angst vor einer Verhaftung durch pakistanische Behörden an.
Masood Rahmati, ein afghanischer Sportreporter, sagte, dass selbst Afghan*innen, die beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) registriert seien oder gültige Aufenthaltsgenehmigungen besäßen, zur Rückkehr gezwungen würden. „Wir hatten PoR-Karten“, sagte Rahmati. „Aber die Polizei zerschnitt unsere Ausweise und schickte uns nach Afghanistan.“
Zu den am stärksten gefährdeten Gruppen gehören diejenigen, die Verbindungen zum Sicherheitsapparat der früheren afghanischen Regierung hatten. Human Rights Watch ebenso wie die UN haben außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen und Gefangennahme, Folter und andere Formen der Misshandlung von Menschen dokumentiert, die dem Militär und der Polizei der früheren Regierung angehörten und, nachdem sie zunächst in Pakistan Schutz gesucht hatten, nach Afghanistan zurückgekehrt waren. Journalist*innen und Aktivist*innen, die nach Kritik an den Taliban nach Pakistan geflohen waren, fürchten ebenfalls Vergeltung. Nicht zuletzt haben die Taliban Frauen bedroht, willkürlich verhaftet und gefoltert, die gegen die Politik der Taliban protestiert haben.
„Ich habe Afghanistan verlassen, weil ich als Menschenrechtsaktivistin gegen die Taliban protestiert hatte“, sagte Naheed, die sich seit ihrer Flucht aus Afghanistan im August 2024 aus Sorge vor einer Abschiebung in Pakistan versteckt hält. Ihr Name, wie der vieler anderer, wird zu ihrem eigenen Schutz hier nicht vollständig wiedergegeben. „Als meine Identität bekannt wurde, musste ich fliehen. Solange die Taliban an der Macht sind, kann ich nicht zurückkehren.“
Geflüchtete, die zurückkehren, müssen für gewöhnlich ihr Eigentum und ihre Ersparnisse in Pakistan zurücklassen und es stehen ihnen nur wenig Einkommensmöglichkeiten oder Landflächen in Afghanistan zur Verfügung. Seit der Machtübernahme durch die Taliban ist Afghanistan de facto vom internationalen Bankensystem ausgeschlossen und erhält so gut wie keine ausländische Entwicklungshilfe mehr, von der die frühere afghanische Regierung fast vollständig abhing. In der Folge brach die Wirtschaft ein, Zehntausende Jobs gingen verloren.
Stand Januar 2025 waren mehr als 22 Millionen Afghan*innen, beinahe die Hälfte der Bevölkerung, von Soforthilfen und anderer Unterstützung abhängig. Etwa 3,5 Millionen Kinder sind akut unterernährt. Menschen mit Behinderung stehen nur sehr wenig Unterstützungsleistungen zur Verfügung. Mit dem Verbot der Anstellung von Frauen bei Nichtregierungsorganisationen verschärften die Taliban diese Krise, indem sie den Zugang von Frauen zu Arbeit und Diensten einschränkten.
„Fragt nicht, wie es um unser Leben bestellt ist“, sagte Mohmadullah, der im Februar 2024 nach Kandahar kam. „Es gibt keinen Strom, keinen Ventilator. Das ist kein Leben. Unser Zelt hat Löcher und der Boden wird nass. Meine Kinder müssen hungrig ins Bett.“
Frauen und Mädchen, die nach Afghanistan zurückkehren, müssen erleben, dass ihr Recht auf Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt ist. „Es gibt gegenüber unserer Unterkunft [in Kandahar] eine Schule, Mädchen sind dort aber nicht erlaubt“, sagte Hamidullah, der 40 Jahre lang in Pakistan gelebt hatte und 2024 nach Afghanistan abgeschoben wurde. „Ich habe fünf Töchter, die früher zur Schule gingen.“
Länder, die afghanische Geflüchtete aufgenommen haben, darunter die Vereinigten Staaten, Australien, Großbritannien, Kanada und Neuseeland, sollten an der Einschätzung festhalten, dass Afghanistan kein sicheres Land ist. Die Rückführungen, Ausweisungen und Abschiebungen von Afghan*innen könnten eine Verletzung der Verpflichtungen Pakistans nach der UN-Antifolterkonvention und dem Völkergewohnheitsrecht darstellen. Danach sind Zurückweisungen sowie Zwangsrückführungen an Orte verboten, wo es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die betroffenen Menschen davon bedroht sind, verfolgt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden, oder wenn ihr Leben in Gefahr ist. Deutschland und andere Länder haben Afghan*innen in Gefahr gebracht, indem sie sie nach Afghanistan abgeschoben haben.
„Afghanistan ist kein sicheres Land für Rückführungen“, sagte Pearson. „Länder, die sich verpflichtet haben, gefährdete Afghanen aufzunehmen, sollten angesichts der Situation in Pakistan sofort handeln und die Bearbeitung ihrer Fälle beschleunigen.“
Anfang 2025 bildeten Afghan*innen mit 6,4 Millionen Geflüchteten eine der größten Flüchtlingsgruppen weltweit. Seit Beginn des Krieges in Afghanistan 1978 leben viele afghanische Schutzsuchende in Pakistan. Fortwährende Instabilität, verstärkt durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021, hat dazu geführt, dass 1,6 Millionen weitere Afghan*innen in die benachbarten Staaten Pakistan und Iran flohen.
Ende 2023 ordneten die pakistanischen Behörden an, dass alle Afghan*innen ohne rechtlichen Status freiwillig gehen müssten oder abgeschoben würden. Die nachdrückliche Forderung pakistanischer Beamt*innen nach Massenabschiebungen führte zu verstärkter Polizeigewalt gegen afghanische Menschen, darunter Übergriffe, willkürliche Verhaftungen und die Zerstörung von Eigentum. Bis Dezember 2024 hatten mehr als 800.000 Afghan*innen Pakistan in Richtung Afghanistan verlassen. 85 Prozent von ihnen gaben Angst vor einer Verhaftung als Grund an. Mehr als 38.000 wurden nach einer Festnahme abgeschoben.
Anfang 2024 nahm die Zahl der Betroffenen ab. Neuerliche Anschuldigungen, wonach Afghan*innen bewaffnete Gruppen in Pakistan unterstützen würden, haben Ende 2024 jedoch zu neuen Drohungen und weiterer Polizeigewalt geführt, und das trotz einer temporären Verlängerung der Ausweisdokumente von Afghan*innen.
Im November 2024 verkündete das pakistanische Innenministerium, dass sich Afghan*innen nur noch bis zum 31. Dezember in Islamabad aufhalten dürften. Bis Ende Dezember hatte die Polizei mehr als 800 Afghan*innen in Islamabad verhaftet. Später haben pakistanische Behörden erneut die Ausweisung aller afghanischen Geflüchteten gefordert.
Geflüchtete berichteten Human Rights Watch gegenüber, dass die pakistanische Polizei ihre Häuser und Stadtviertel sowohl tagsüber als auch in der Nacht durchsucht und sie oder ihre Verwandten auf Polizeistationen gebracht hätte, um Geld zu erpressen. Eine 33-jährige Afghanin, die in Islamabad lebt, sagte, dass die Hausdurchsuchungen in ihrer Gegend um 4 Uhr morgens begonnen hätten. „Es war, als hätten sie nach Kriminellen gesucht; eine sehr traumatisierende Erfahrung.“
Zahra, die seit 2023 in Pakistan lebt, sagte: „Sie kommen mit LKWs und verhaften Menschen. Wenn du die Tür nicht aufmachst, kommen sie durchs Fenster. Sie nehmen keine Rücksicht auf Kinder oder ältere Menschen. Ich kenne Menschen mit gültigem Visum, die zwischen 20.000 und 100.000 Rupien [etwa 70 bis 400 USD] zahlen mussten, um nicht verhaftet zu werden.“
Hashema M., eine frühere Staatsanwältin, fürchtet, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. „Ich habe meinen Nachbarn ein Vorhängeschloss gegeben, um mich einzuschließen, damit sie denken, ich sei nicht zu Hause“, sagte sie. „Meine 4-jährige Tochter hat seit gestern Fieber, aber ich traue mich nicht, sie zum Arzt zu bringen. Wir können nicht rausgehen.“
Eine andere afghanische Person, die zur Rückkehr gezwungen wurde, sagte: „Ausstehende Visa oder Fälle beim UNHCR kümmern sie nicht. Selbst Menschen mit Visum müssen Bestechungsgelder zahlen.“ Eine Frau, die sich in Islamabad versteckt hält, sagte: „Sie haben Personen in Klassenräumen verhaftet. Die allgegenwärtigen Verhaftungen schaden unserer geistigen Gesundheit.“
Selbst wenn nur ein Familienmitglied nicht die nötigen Papiere hat, kann die ganze Familie rückgeführt werden. Manchmal wird ein Teil der Familie ausgewiesen. Der Rest, einschließlich der Kinder, bleibt dann in Pakistan zurück. Vertreter*innen von Hilfsorganisationen berichteten sowohl von Minderjährigen, die ohne ihre Eltern in Pakistan verblieben sind, als auch von Minderjährigen, die ohne ihre Eltern nach Afghanistan abgeschoben wurden. Die Polizei hat Kinder auf ihrem Schulweg verhaftet sowie Afghan*innen in Schulen, bei der Arbeit oder auf Märkten. Eine Person aus einer Nichtregierungsorganisation berichtete, dass manche Afghan*innen aus Sorge vor einer Abschiebung ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Besonders von Verhaftung und Abschiebung bedroht sind männliche Jugendliche.
Afghan*innen, deren Anträge zur Neuansiedlung in andere Länder, wie die USA oder Deutschland, noch offen sind, sind ebenfalls von einer Abschiebung nach Afghanistan bedroht. Atefa R., die seit 2023 in Pakistan lebt und deren humanitäres Aufnahmeverfahren in Kanada noch läuft, sagte: „Am 4. Januar 2025 hat die Polizei meinen Ehemann verhaftet. Sie nahmen ihn mit, obwohl ich ihnen sagte, dass wir auf die Bearbeitung unseres kanadischen Visums warten. Er wurde schließlich nach der Zahlung von 20.000 Rupien [70 USD] freigelassen.“
Der UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) bieten an Grenzübergängen Hilfe für Afghan*innen, die aus Pakistan dort ankommen. Sie können nur wenige Tage in diesen Transitzentren bleiben, in denen sie temporär eine Schlafmöglichkeit, Essen, eine medizinische Untersuchung und Hygiene-Pakete erhalten und von denen aus sie an ihr Ziel gebracht werden.
Hilfsorganisationen versuchen vor allem Personen aus marginalisierten Gruppen, etwa allein reisende Frauen, Menschen mit Behinderungen sowie unbegleitete Kinder, zusätzliche Hilfe und psychosoziale Unterstützung zukommen zu lassen. „Die Menschen, die ankommen, erhalten von uns Soforthilfen. Die sind aber nicht ausreichend, um sich damit ein Leben aufzubauen“, sagte eine Person, die eine humanitäre Organisation leitet.
Fehlende Finanzierung sowie Einschränkungen ihrer Arbeit durch die Taliban bedingen, dass diese Gruppen zwar Unterstützung, aber keine grundlegende Versorgung der Menschen bieten können. „Wir kooperieren mit einer Zahl zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Verbindungen zu Gemeinschaften herstellen können, mit denen sie arbeiten, und wir können einfache medizinische Untersuchungen durchführen, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, sagte eine Person aus einer humanitären Organisation. Eine andere Organisation, die mit rückgeführten Personen arbeitet, gab an: „Die Transitzeit ist kurz, und die [Rückkehrenden] müssen schnell weitergeschickt werden. Wir haben keine Zeit, ihre Fälle zu erfassen und nachzuverfolgen.“
Da Rückkehrer*innen an Grenzübergängen formal registriert werden, reisen manche Afghan*innen, die Vergeltungsmaßnahmen durch die Taliban befürchten, an anderen Stellen der durchlässigen pakistanisch-afghanischen Grenze ein. Menschen, die abgeschoben werden, bleibt diese Wahl jedoch nicht.
Ahmad M., der für die Sicherheitskräfte der früheren Regierung gearbeitet hatte, floh nach der Machtübernahme der Taliban nach Pakistan und wurde im November 2023 nach Afghanistan abgeschoben. Bei seiner Ankunft sei er von den Taliban verhaftet worden. „Ich wurde zwei Monate lang festgehalten“, sagte Ahmad M. „Jede Nacht sagten sie mir: ‚Heute Nacht werden wir dich töten‘, aber sie taten es nicht. Ich wurde im Gefängnis des Geheimdienstes geschlagen. Sie versteckten ihre Gesichter, damit ich sie nicht wiedererkannte. Nach zwei Monaten wurde ich freigelassen, aber ich weiß von vielen Kollegen, die verhaftet wurden und dann verschwanden.“
Nach ihrer Machtübernahme haben die Taliban Bildung für Mädchen und Frauen verboten. Diese dürfen lediglich die Grundschule besuchen. Im Dezember 2024 schlossen die Behörden das letzte verbliebene Schlupfloch in ihrem Bildungsverbot, indem sie älteren Mädchen und Frauen verboten, Einrichtungen zu besuchen, die eine medizinische Ausbildung anbieten. Für afghanische Mädchen und Frauen, die aus Pakistan zurückkehren, wo sie unabhängig ihres Alters Schulen und Universitäten besuchen konnten, sind diese Verbote verheerend.
„Meine 13-jährige Tochter ging vorher zur Schule und kann es jetzt nicht mehr“, sagte Noor Mohamad, die in die Nimroz-Provinz abgeschoben wurde. „Das Leben ist sehr schwierig.“
Mahmoud S., der 27 Jahre lang in Pakistan lebte und Mitte 2024 von Peschawar aus in ein Lager in der Logar-Provinz abgeschoben wurde, berichtete ebenfalls, dass seine Töchter in Pakistan eine Schule besuchten und sie es jetzt „in Afghanistan nicht mehr können“.
In den meisten Provinzen haben die Taliban Auflagen erlassen, die es Frauen verbieten, ohne mahram – einen männlichen Verwandten als Begleiter – zu reisen oder das Haus zu verlassen, selbst für den Weg zur Arbeit. Bibbi Roshana, die in Islamabad Handarbeiten herstellte und verkaufte, wurde im Mai 2024 abgeschoben. Sie kann ihren Kleinbetrieb nicht länger unterhalten. „In Nimroz brauchst du als Frau einen mahram, um deine Produkte verkaufen zu können, also kann ich es nicht.“
Ayesha L., die im Dezember 2023 gezwungen wurde, Pakistan zu verlassen, berichtete, dass ihre Tochter Englischlehrerin in Pakistan gewesen war. „Hier weint sie ununterbrochen und ist deprimiert“, sagte sie. Fatima M., die im Januar 2024 dazu gezwungen wurde, Pakistan in Richtung Kabul zu verlassen, sagte: „Ich fühle mich wie im Gefängnis, aber ich weiß nicht, welches Verbrechen ich begangen habe.“
Mitglieder der LGBT-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans* Personen) müssen ebenfalls Schikanen und Verhaftungen befürchten. Auch wenn frühere afghanische Regierungen gleichgeschlechtliche Beziehungen bereits kriminalisiert hatten, berichten LGBT-Personen, dass sich die Repressalien unter den Taliban nochmals verschärft haben. Botschaften und internationale Institutionen verfügen bislang über kein dezidiertes Verweissystem für den Schutz von LGBT-Personen.
Einem Bericht der UN zufolge ist mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung von 42 Millionen von Ernährungsunsicherheit betroffen; 14,8 Millionen davon leiden unter akutem Hunger. Darüber hinaus haben 14 Millionen Menschen nur eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Gesundheitsleistungen, einschließlich Medikamenten. Viele der jüngst zurückgeschickten Menschen leben zusammen mit anderen Vertriebenen in dezidierten Lagern, in denen es meist weder Arbeits- noch Einkommensmöglichkeiten oder Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen gibt.
Angaben des Ministeriums für Flüchtlinge und Wiederansiedlung der Taliban zufolge gab es Mitte 2024 in 29 der 34 Provinzen des Landes insgesamt 46 solcher Flüchtlingslager. Eine Umfrage des UNHCR ergab, dass sich rückgeführte Afghan*innen nicht nur vor Verhaftung oder politischer Verfolgung fürchten, sondern auch vor fehlenden Möglichkeiten zur Unterbringung, Hunger und fehlender finanzieller Unterstützung.
Zarif H., der im Oktober 2023 nach Afghanistan abgeschoben wurde, sagte, dass es den Geflüchteten an angemessener Nahrung, Trinkwasser und Unterbringung mangele. Gul Agha, der im November 2023 abgeschoben wurde und aktuell in Logar lebt, sagte: „Es gab in diesem Lager 14 Familien mit etwa 85 Mitgliedern. Niemand hatte Arbeit. Wir kämpfen jeden Tag darum, Nahrung für unsere Kinder zu finden.“ Ahmad Gul, der in einer ähnlichen Situation in Kandahar lebt, sagte: „Es gibt keine Jobs. Ich lebe seit einem halben Jahr mit meiner Familie im Zelt in einem Flüchtlingslager.“
Viele Rückkehrenden haben keine tazkiras (Ausweisdokumente), die erforderlich sind, um Unterstützung zu erhalten, ein Handy-Vertrag zu bekommen oder die Kinder in der Schule anzumelden. Abdul Hadi, der kürzlich in Farah angekommen ist, sagte:
Ich wurde vor sechs Monaten abgeschoben. Ich habe mein ganzes Leben in Pakistan verbracht. Ich habe keinen Ausweis. Ich habe acht Familienmitglieder. Hier bin ich sehr arm. Früher hatte ich ein besseres Leben. Ich habe Töchter im Alter von 7 und 8, und sie können nicht zur Schule gehen. Ich kenne das Verfahren nicht, [um eine tazkira zu erhalten].
Hazarat Gul, 51, der ebenfalls sein ganzes Leben in Pakistan verbracht hat, bekommt keine Hilfsleistungen. „Ich habe keine tazkira, und ich kenne niemandem in meinem Dorf, der helfen kann“, sagte er. „In Afghanistan eine tazkira zu erhalten, ist ein sehr langwieriger Prozess und erfordert zwei Personen, die die Identität des Antragsstellers bestätigen können.“ Es ist sehr schwierig für Afghan*innen, die nach vielen Jahren oder Jahrzehnten aus Pakistan zurückkehren, zwei Menschen aus ihrem Herkunftsbezirk zu finden, die für sie bürgen können.
Eine Person aus einer Hilfsorganisation in Nangarhar sagte: „Diese Familien brauchen dringend eine Registrierung an der Grenze. Die Taliban-Behörden müssen Stellen zur Ausgabe von tazkira an den Grenzübergängen in Torkham und Spin Boldak einrichten.“
Die unzureichende Gesundheitsversorgung betrifft auch jene, die zur Rückkehr aus Pakistan gezwungen wurden, insbesondere Mädchen und Frauen, da es nur wenige Ärztinnen gibt, insbesondere in ländlichen Regionen. Ein Bewohner aus Helmand, der vor Kurzem zurückgekehrt ist, berichtete, dass seine Schwester seit Monaten krank sei. „Aber wir können es uns nicht leisten, sie in ein zentral gelegenes Krankenhaus zu schicken. In unserer Region gibt es keine Ärztinnen.“
Humanitäre Organisationen kämpfen nicht nur mit fehlender Finanzierung, sondern auch mit den Beschränkungen der Rechte von Frauen durch die Taliban, etwa in Bezug auf Beschäftigung und Bewegungsfreiheit. „Die mahram-Auflagen haben unsere Arbeit sehr erschwert“, berichtet eine Person aus einer humanitären Organisation. „Unsere Mitarbeiterinnen müssen stets mit einem männlichen Begleiter unterwegs sein; andernfalls könnten sie an Checkpoints angehalten werden. Eine weitere Auflage der Behörden ist, dass wir für Frauen sowohl separate Büroräume als auch Fahrzeuge bereitstellen müssen, was sehr viel kostet.“
Die Kinder von Hamid S. sind seit der Zwangsrückführung nach Afghanistan im November 2023 nicht medizinisch betreut worden. „Meine Kinder haben beide Thalassämie (eine Bluterkrankung) und benötigen kontinuierliche medizinische Behandlung. Ich hatte sie in unsere ‚Klinik‘ gebracht, aber dort sagte man mir, ich müsse sie in ein privates Krankenhaus bringen, weil sie hier nicht behandelt werden könnten. Ohne Arbeit kann ich mir private Gesundheitsdienste aber nicht leisten.“
Afghan*innen mit Behinderungen, die in ihre Herkunftsprovinzen zurückkehren, haben außerhalb der Provinzzentren noch größere Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Diensten, und die meisten können die Reisekosten nicht aufbringen. Dienste in Transitzentren und Lagern sind für Menschen mit Behinderungen häufig physisch nicht zugänglich. „Toiletten und Waschanlagen sind nicht barrierefrei“, sagte eine Person aus einer humanitären Organisation am Grenzübergang Torkham.
Eine internationale Organisation berichtete, dass die kurze Verweildauer in den Transitzentren sowie fehlende Kapazitäten zur Einschätzung der Bedürfnisse der Personen dazu führen würden, dass Menschen mit Behinderungen nicht an Organisationen verwiesen werden, die Dienste anbieten, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse hin ausgerichtet sind.
„Auf keiner Seite der Grenze gibt es gesonderte Dienste für Menschen mit Behinderungen“, sagte Sharifa M., die eine physische Behinderung hat.
Auch Menschen mit geistiger oder psychosozialer Behinderung finden nur schwer auf sie zugeschnittene Dienste, welche nicht nur aufgrund des Stigmas, sondern auch wegen der fehlenden Finanzierung nicht verfügbar sind.
Rückkehrende mit Behinderungen sind sowohl dem Stigma von Seiten der Taliban, aber auch dem der Aufnahmegemeinden ausgesetzt, was zusätzlich zu ihrer Marginalisierung beiträgt. Frauen mit Behinderungen werden gleich doppelt diskriminiert: einerseits aufgrund ihres Geschlechts und andererseits wegen ihrer Behinderung. Eine Person aus einer Hilfsorganisation am Grenzübergang Torkham gab an, dass es dem humanitären Personal häufig an Bewusstsein über die besonderen Anforderungen von Menschen mit Behinderungen fehle und sie der Hilfe für diese Personen daher keine Priorität einräumen würden.
Zwangsrückführungen nach Afghanistan haben erhebliche Auswirkungen auf die geistige Gesundheit der Betroffenen. Viele Menschen leiden unter Angstzuständen, Depressionen und Traumata aufgrund der Vertreibung und der Angst vor Verfolgung. Sie finden keine Hilfe, denn in Afghanistan gibt es seit Langem so gut wie keine psychotherapeutischen Angebote. Studien legen nahe, dass politische Gewalt, Instabilität und Armutserfahrungen bei jeder zweiten Person in Afghanistan zu Stress, Angstzuständen oder anderen Formen psychischer Belastung geführt haben.
An die pakistanische Regierung:
An die Taliban:
An betroffene Regierungen:
Pakistan: Forced Returns Expose Afghans to Persecution, Destitution (Appell oder Pressemitteilung, Englisch)
Pakistan : Les renvois forcés d’Afghans les exposent à la persécution et à la misère (Appell oder Pressemitteilung, Französisch)