Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024
Die Behörden unterdrückten die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit immer stärker. Frauen und Mädchen, lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) sowie Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten litten unter systemischer Diskriminierung und Gewalt. Die Behörden verschärften ihr Vorgehen gegen Frauen, die sich dem gesetzlichen Kopftuchzwang widersetzten. Auch Angehörige der Baha'i sowie afghanische Geflüchtete und Migrant*innen gerieten verstärkt ins Visier. Tausende Menschen wurden willkürlich inhaftiert, verhört, schikaniert und zu Unrecht strafrechtlich verfolgt, weil sie ihre Menschenrechte wahrgenommen hatten. Gerichtsverfahren verstießen weiterhin regelmäßig gegen internationale Standards. Verschwindenlassen sowie Folter und andere Misshandlungen waren auch 2024 an der Tagesordnung und kamen systematisch zur Anwendung. Die Behörden vollstreckten grausame und unmenschliche Strafen wie Auspeitschungen und Amputationen und verhängten willkürliche Todesurteile, vornehmlich gegen Angehörige ethnischer Minderheiten und Migrant*innen. Die im Zusammenhang mit den Gefängnismassakern im Jahr 1988 verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere fortgesetzte völkerrechtliche Verbrechen blieben nach wie vor straflos.
Hintergrund
Im April 2024 erneuerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat des Sonderberichterstatters zur Menschenrechtslage im Iran sowie das der unabhängigen Untersuchungskommission zur Lage im Iran. Die Regierung verweigerte ihnen sowie weiteren unabhängigen UN-Expert*innen und internationalen Menschenrechtsbeobachter*innen die Einreise ins Land.
Im Mai 2024 kam Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Nach einer Wahl mit geringer Beteiligung, bei der der Wächterrat nur sechs von 80 registrierten Kandidaten zugelassen hatte, übernahm im Juli Massud Peseschkian das Präsidentenamt.
Der Iran unterstützte weiterhin die Hamas und andere palästinensische bewaffnete Gruppen sowie die Hisbollah im Libanon. Mitte April 2024 griff der Iran Israel mit mehr als 300 Drohnen und Raketen an. Nach iranischen Angaben handelte es sich um eine Vergeltungsmaßnahme für einen israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Syrien, bei dem Anfang April 2024 sieben Angehörige der iranischen Revolutionsgarden getötet worden waren. Im Oktober reagierte der Iran auf die Tötung von Ismail Hanija, dem politischen Führer der Hamas, und von Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah, mit einem Luftangriff auf Israel, bei dem fast 200 Raketen zum Einsatz kamen. Dabei wurde ein palästinensischer Zivilist im Westjordanland im besetzten palästinensischen Gebiet getötet. Bei israelischen Luftangriffen auf 20 Ziele im Iran im Oktober wurden ein Zivilist und vier Militärangehörige getötet.
Bis zum Sturz des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 8. Dezember 2024 leistete der Iran der syrischen Regierung militärische Unterstützung. Außerdem lieferte der Iran Drohnen und ballistische Raketen an Russland, die zur gezielten Zerstörung ziviler Infrastruktur in der Ukraine eingesetzt wurden.
Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Die Behörden zensierten auch 2024 die Medien, störten ausländische Satellitensender und blockierten bzw. filterten mobile Apps und Social-Media-Plattformen.
Unabhängige politische Parteien, zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften waren weiterhin verboten. Aktivist*innen, die sich für die Rechte von Beschäftigten einsetzten, und Arbeitnehmer*innen, wie z. B. Pflege- und Lehrkräfte, die streikten oder friedliche Versammlungen abhielten, waren Repressalien ausgesetzt.
Ein Gesetzentwurf, der das Recht der Menschen auf Privatsphäre noch stärker verletzen und den Zugang zum weltweiten Internet noch weiter einschränken könnte, wurde Ende 2024 noch im Parlament debattiert. Im Januar 2024 erließ der Oberste Religionsführer ein Dekret, das virtuelle private Netzwerke (VPN-Verbindungen) verbot und Internetnutzer*innen unter Druck setzte, ausschließlich das staatliche Intranet zu benutzen.
Im Juni 2024 wurden Strafverfahren gegen Hunderte Menschen eingeleitet, die den ehemaligen Präsidenten Ebrahim Raisi nach seinem Tod öffentlich kritisiert hatten. Hunderte weitere Personen wurden telefonisch eingeschüchtert oder erhielten offizielle Verwarnungen bzw. Vorladungen, nachdem die Behörden erklärt hatten, dass im Internet gepostete "Ermunterungen" zum Boykott der Präsidentschaftswahl Straftaten seien.
Die Behörden nahmen Familien ins Visier, die Gerechtigkeit forderten für ihre Angehörigen, die während der Proteste unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" im Jahr 2022 oder während der Proteste im November 2019 rechtswidrig getötet worden waren.
Frauen und Mädchen, die sich dem gesetzlichen Kopftuchzwang widersetzten, Protestierende, Journalist*innen, Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Akademiker*innen, Studierende, LGBTI+, Menschenrechtsverteidiger*innen sowie Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten waren Repressionen ausgesetzt, wenn sie ihre Menschenrechte ausübten – nicht zuletzt im Vorfeld des zweiten Jahrestags der Proteste vom September 2022. Zu den repressiven Maßnahmen zählten Verhöre, willkürliche Inhaftierungen, unfaire Gerichtsverfahren, die zu Geld-, Haft- oder Körperstrafen führten, Verschwindenlassen sowie der vorübergehende oder dauerhafte Verlust des Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes.
Verschwindenlassen sowie Folter und andere Misshandlungen
Die Behörden ließen Inhaftierte 2024 routinemäßig verschwinden oder hielten sie ohne Kontakt zur Außenwelt fest. Folter und andere Misshandlungen waren an der Tagesordnung und kamen systematisch zur Anwendung. Durch Folter erzwungene "Geständnisse" wurden im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt.
Mehrere Personen, die aus politischen Gründen willkürlich in psychiatrischen Einrichtungen inhaftiert waren, wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt, u. a. durch die erzwungene Verabreichung von Medikamenten.
Angehörige des Strafvollzugs und der Strafverfolgungsbehörden verweigerten Inhaftierten routinemäßig die nötige medizinische Versorgung, auch bei folterbedingten Verletzungen.
Mehrere Personen starben unter verdächtigen Umständen in Gewahrsam. Glaubwürdigen Berichten zufolge stand ihr Tod mit Folter und anderen Misshandlungen wie z. B. Schlägen und unzureichender medizinischer Versorgung in Zusammenhang. Mohammad Mirmousavi starb im August 2024 in Polizeigewahrsam, einen Tag nach seiner Festnahme. Die Behörden gaben als Todesursache zunächst einen Herzinfarkt an, während staatliche Medien berichteten, er sei an Verletzungen gestorben, die er bei einer Auseinandersetzung vor seiner Festnahme erlitten habe. Erst als ein Video seines verwundeten Körpers auftauchte und öffentliche Empörung auslöste, räumten die Behörden ihre Verantwortung ein und nahmen fünf Polizisten fest. Es lagen jedoch keine Informationen darüber vor, ob sie strafrechtlich verfolgt wurden.
Gefangene mussten grausame und unmenschliche Haftbedingungen ertragen, darunter Überbelegung der Zellen, unhygienische Verhältnisse, schlechte Belüftung, Mäuse- und Insektenbefall sowie die fehlende oder unzureichende Ausstattung mit Bettzeug, Toiletten und Waschgelegenheiten.
Das islamische Strafgesetzbuch sah Strafen vor, die Folter gleichkamen, wie z. B. Auspeitschung, Blendung, Amputation, Kreuzigung und Steinigung.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Abdorrahman Boroumand Center wurden 2024 mindestens 186 Personen zu Auspeitschungen verurteilt. Auspeitschungen und Amputationen wurden auch vollstreckt.
Willkürliche Inhaftierungen und unfaire Gerichtsverfahren
Gerichtsverfahren waren systematisch unfair, was dazu führte, dass Menschen willkürlich inhaftiert waren. Zu den verfahrensrechtlichen Verstößen gehörten die Verweigerung des Rechts auf einen Rechtsbeistand ab dem Zeitpunkt der Festnahme, die Zulassung von durch Folter erzwungenen "Geständnissen" als Beweismittel sowie Schnellverfahren.
Die Justiz, die nicht unabhängig war, trug entscheidend dazu bei, dass Folter, Verschwindenlassen und andere völkerrechtliche Verbrechen auch 2024 straflos blieben.
Die Praxis der Behörden, ausländische Staatsangehörige und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft willkürlich zu inhaftieren und als Druckmittel einzusetzen, wurde ebenfalls nicht geahndet. In manchen Fällen kam dies dem völkerrechtlichen Verbrechen der Geiselnahme gleich.
Der gegen die Dissident*innen Mehdi Karroubi, Mir Hossein Mussawi sowie Mussawis Ehefrau Zahra Rahnavard verhängte willkürliche Hausarrest ging in sein 14. Jahr.
Rechte von Frauen und Mädchen
Die Behörden behandelten Frauen auch 2024 als Menschen zweiter Klasse, u. a. in Bezug auf Heirat, Scheidung, Sorgerecht, Beschäftigung, Erbschaftsangelegenheiten und Zugang zu politischen Ämtern.
Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen lag weiterhin bei 13 Jahren. Väter konnten jedoch bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie ihre Töchter früher verheiraten wollten.
Die Behörden überzogen Menschenrechtsverteidigerinnen vermehrt mit politisch motivierten Anklagen, die mit der Todesstrafe geahndet werden konnten. Im Juni 2024 wurde Sharifeh Mohammadi zum Tode verurteilt, im Juli Pakhshan Azizi.
Frauen und Mädchen, die sich nicht an den gesetzlichen Kopftuchzwang hielten, liefen Gefahr, inhaftiert, mit hohen Geldstrafen belegt und von Bildungseinrichtungen und anderen öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen zu werden.
Im April 2024 begannen die Behörden mit der Durchsetzung des sogenannten Noor-Plans und verschärften ihr Vorgehen gegen Frauen und Mädchen, die sich dem gesetzlichen Kopftuchzwang widersetzten. Dabei griffen sie auch auf digitale Überwachungstechnologien wie z. B. Gesichtserkennung zurück, was die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, bürgerlichen und politischen Rechte von Frauen noch weiter verletzte und ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Zur Durchsetzung des Kopftuchzwangs waren vermehrt Sicherheitspatrouillen im öffentlichen Raum unterwegs, die Frauen und Mädchen drangsalierten und tätlich angriffen. Studentinnen, die kein Kopftuch trugen, wurden vom Studium ausgeschlossen. Auf den Straßen kam es zu gefährlichen Verfolgungsjagden, um Autofahrerinnen ohne Kopftuch zum Anhalten zu bringen, und die Behörden beschlagnahmen massenhaft Fahrzeuge. Außerdem wurden Frauen inhaftiert, ausgepeitscht und gezwungen, "Sittlichkeitskurse" zu besuchen.
Im Juli 2024 schossen Polizisten, die das Auto einer Frau beschlagnahmen wollten, um den gesetzlichen Kopftuchzwang durchzusetzen, mit scharfer Munition auf das Fahrzeug und verletzten dabei die Beifahrerin Arezou Badri schwer.
Im August 2024 erlitten die Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi und andere weibliche Gefangene im Evin-Gefängnis Verletzungen, als sie gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Die Behörden verweigerten ihnen jedoch eine medizinische Behandlung.
Im September 2024 billigte der Wächterrat den Entwurf für das "Gesetz zur Unterstützung der Familie durch Förderung der Kultur der Keuschheit und des Kopftuchs", das zu noch stärkerer Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen führen würde. Das Gesetz sollte am 13. Dezember nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten in Kraft treten, doch wurde die Verkündung vorübergehend ausgesetzt.
Im November 2024 kündigten die Behörden an, in der Hauptstadt Teheran eine Klinik zu eröffnen, um Frauen und Mädchen, die sich nicht an den Kopftuchzwang hielten, "wissenschaftlich und psychologisch zu behandeln".
Ein Gesetzentwurf mit dem Titel "Verteidigung der Würde und Schutz von Frauen vor Gewalt" war weiterhin im Parlament anhängig. Er stellte weder häusliche Gewalt noch Kinderehen noch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe. Er sah auch nicht vor, dass Männer, die ihre Frauen oder Töchter töten, angemessen bestraft werden.
Diskriminierung
Ethnische Minderheiten
Ethnische Minderheiten, darunter arabische, aserbaidschanische, belutschische, kurdische und turkmenische Bevölkerungsgruppen, waren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. So wurden sie z. B. diskriminiert, was Bildung, Beschäftigung, angemessenen Wohnraum und die Übernahme politischer Ämter betraf. Regionen, in denen ethnische Minderheiten lebten, erhielten weiterhin nicht genügend staatliche Mittel, was die Armut und Ausgrenzung der dortigen Bevölkerung noch verstärkte.
Trotz wiederholter Forderungen nach mehr Sprachenvielfalt blieb Persisch die einzige Unterrichtssprache in Grund- und Sekundarschulen.
Auch 2024 töteten und verletzten Sicherheitskräfte rechtswidrig und ungestraft zahlreiche unbewaffnete kurdische Kuriere (kulbar), die Güter zwischen den kurdischen Regionen des Irans und Iraks hin- und hertransportierten, sowie unbewaffnete belutschische Lastenträger (soukhtbar), die in der Provinz Sistan und Belutschistan Kraftstoff transportierten.
Religiöse Minderheiten
Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Baha'i, Christ*innen, Gonabadi-Derwische, Jüd*innen, sunnitische Muslim*innen und Yaresan (Ahl-e Haq), wurden auch 2024 durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, u. a. was den Zugang zu Bildung und Beschäftigung, die Adoption von Kindern, die Nutzung von Gebetsstätten und die Übernahme politischer Ämter betraf. Angehörige religiöser Minderheiten wurden von den Behörden willkürlich inhaftiert, ungerechtfertigt verfolgt, gefoltert und anderweitig misshandelt, weil sie sich zu ihrem Glauben bekannten oder ihn praktizierten.
Personen, deren Eltern von den Behörden als Muslim*innen geführt wurden, liefen Gefahr, willkürlich inhaftiert, gefoltert oder anderweitig misshandelt und wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden, wenn sie zu einer anderen Religion konvertierten oder sich zum Atheismus bekannten.
Die Behörden gingen mit Razzien gegen Hauskirchen vor und nahmen christliche Konvertit*innen willkürlich fest.
Angehörige der Baha'i-Minderheit waren aufgrund ihres Glaubens weiterhin zahlreichen systematischen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Dazu zählten willkürliche Inhaftierungen, ungerechtfertigte strafrechtliche Verfolgung, lange Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Ausschluss vom Studium, Verlust des Arbeitsplatzes, die Schließung von Geschäften sowie die Beschlagnahmung und Zerstörung von Eigentum. Weibliche Baha'i gerieten besonders stark ins Visier: Dutzende von ihnen wurden im Laufe des Jahres verhört und inhaftiert.
Im Januar 2024 konfiszierten die Behörden in der Provinz Mazandaran landwirtschaftliche Flächen, die Baha'i-Familien gehörten. Im Mai wurden ihre Reisfelder und Bewässerungsgräben mit Bulldozern zerstört.
Die Behörden verhinderten die Beisetzung von Baha'i auf dem Teheraner Khavaran-Friedhof, der seit Jahrzehnten von Baha'i genutzt wird, und zerstörten dort im März 2024 mindestens 30 Baha'i-Gräber. Im August wurde ein Baha'i-Friedhof in der Stadt Ahvaz (Provinz Chuzestan) verwüstet, ohne dass dies Untersuchungen seitens der Behörden nach sich zog.
LGBTI+
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) litten unter systemischer Diskriminierung und Gewalt. Für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen drohten Strafen, die von Auspeitschung bis hin zur Todesstrafe reichten.
Sogenannte Konvertierungsbehandlungen, die Folter und anderen Misshandlungen gleichkommen, waren staatlich anerkannt und wurden nach wie vor häufig angewandt, auch bei Minderjährigen. Für eine rechtlich anerkannte Änderung des Geschlechts waren Hormontherapien und chirurgische Eingriffe, einschließlich Sterilisationen, erforderlich.
Nicht geschlechtskonforme Personen wurden kriminalisiert und von Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeschlossen.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Afghanische Staatsangehörige wurden weiterhin diskriminiert, u. a. in Bezug auf Bildung, Wohnraum, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung, Bankdienstleistungen und Bewegungsfreiheit. Staatsbedienstete hetzten gegen afghanische Staatsangehörige und schürten Hassreden und Gewalt gegen sie.
Die Behörden nahmen 2024 gewaltsame Massenfestnahmen und Massenabschiebungen vor und brüsteten sich damit, zwischen März und November 850.000 "nicht autorisierte Staatsangehörige" ohne ordentliches Verfahren abgeschoben zu haben, womit wahrscheinlich afghanische Staatsangehörige und Menschen afghanischer Herkunft gemeint waren.
Im Oktober 2024 leugneten die Behörden Berichte, wonach Sicherheitskräfte an der Grenze zu Pakistan zahlreiche Afghan*innen durch Schusswaffeneinsatz verletzt oder getötet haben sollen, und führten keine gründliche Untersuchung der Vorwürfe durch.
Todesstrafe
Hunderte Menschen wurden im Jahr 2024 willkürlich hingerichtet.
Die Todesstrafe wurde nach grob unfairen Gerichtsverfahren verhängt, auch für Straftaten wie Drogenschmuggel, die nicht mit vorsätzlicher Tötung einhergehen und gemäß Völkerrecht nicht zu den "schwersten Verbrechen" zählen.
Die Todesstrafe wurde auch für Handlungen beibehalten, die durch das Recht auf Privatsphäre sowie durch die Rechte auf Meinungs-, Religions- und Glaubensfreiheit geschützt sind, darunter Alkoholkonsum und einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen. "Ehebruch" (außerehelicher Geschlechtsverkehr) wurde weiterhin mit Steinigung geahndet.
Die Behörden setzten die Todesstrafe auch 2024 als Mittel der politischen Unterdrückung gegen Demonstrierende, Dissident*innen und Angehörige ethnischer Minderheiten ein.
Unter den Hingerichteten waren unverhältnismäßig viele Personen, die unterdrückten Minderheiten angehörten, wie z. B. Belutsch*innen und Afghan*innen.
Im Januar bzw. August 2024 wurden zwei Personen, darunter ein Jugendlicher mit einer geistigen Behinderung, im Zusammenhang mit den Protesten von 2022 hingerichtet, nachdem man sie in unfairen Verfahren und auf Grundlage von durch Folter erpressten "Geständnissen" zum Tode verurteilt hatte. Es wurden in diesem Zusammenhang auch noch weitere Todesurteile verhängt.
Es wurden weiterhin Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren; unzählige weitere saßen nach wie vor in den Todeszellen.
Straflosigekit
Staatsbedienstete, die 2024 und in den Vorjahren für rechtswidrige Tötungen, Folter, Verschwindenlassen und andere völkerrechtliche Verbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren, gingen weiterhin straflos aus.
Dem Parlament lag ein Gesetzentwurf zur Reform des Gesetzes über den Gebrauch von Schusswaffen vor. Hochrangige Staatsbedienstete forderten, die Verabschiedung des Gesetzes zu beschleunigen. Es würde weiteren Sicherheits- und Nachrichtendiensten das Tragen von Schusswaffen erlauben und damit die Straflosigkeit für den rechtswidrigen Einsatz dieser Waffen noch verstärken.
Die Sicherheitskräfte schossen immer wieder rechtswidrig auf Autos und töteten oder verletzten dabei Insass*innen, ohne dafür bestraft zu werden. Angehörige der belutschischen Minderheit waren besonders stark betroffen.
Im März 2024 reagierten die Behörden auf einen im Dezember 2023 veröffentlichten Bericht von Amnesty International und bestritten, dass Staatsbedienstete während der Proteste von 2022 sexualisierte Gewalt gegen Demonstrierende verübt hatten. Sie wiesen auch einen Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zur Lage im Iran zurück, der festgestellt hatte, dass während der Proteste Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt sowie Verfolgung, Verschwindenlassen und andere unmenschliche Handlungen begangen worden waren.
Der 2023 vom damaligen Präsidenten eingesetzte außergerichtliche Sonderausschuss zur Untersuchung der Proteste von 2022 veröffentlichte im März 2024 einen Bericht. Darin wurden Verstöße von Staatsbediensteten vertuscht und "Aufständische und Terroristen" für die rechtswidrigen Tötungen verantwortlich gemacht. Abgesehen von drei Personen, die man unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht stellte, wurde niemand für die rechtswidrige Tötung und Folter von Demonstrierenden und Unbeteiligten während der Proteste von 2022 zur Rechenschaft gezogen.
Im Januar 2024 kippte der Oberste Gerichtshof das von einem Militärgericht verhängte Todesurteil gegen Jafar Javanmardi, den Polizeichef von Bandar Anzali (Provinz Gilan) und verwies den Fall an ein vorinstanzliches Gericht zurück. Jafar Javanmardi wurde die Tötung eines Demonstranten vorgeworfen. Im März verhängte ein Militärgericht in der Provinz Qazvin erneut ein Todesurteil gegen ihn. Die staatlichen Medien argumentierten, Jafar Javanmardi habe die nationale Sicherheit geschützt, und setzten die Justiz unter Druck, ihn freizulassen. Später hieß es in den staatlichen Medien, die Gerichte würden den Fall aufgrund "zahlreicher Mängel" neu prüfen.
Die Behörden verheimlichten weiterhin die Wahrheit über den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs im Januar 2020 kurz nach dem Start in Teheran, bei dem alle 176 Menschen an Bord ums Leben gekommen waren. Im August hob der Oberste Gerichtshof das Urteil eines Militärgerichts auf, das Haftstrafen für zehn Militärangehörige vorgesehen hatte, und begründete dies mit Mängeln bei den Ermittlungen. Der Fall wurde zur erneuten Prüfung an die untere Instanz zurückverwiesen.
Im März und August 2024 hinderten die Behörden zahlreiche Familien daran, Massengräber auf dem Khavaran-Friedhof zu besuchen, in denen die sterblichen Überreste Tausender politischer Dissident*innen vermutet werden, die 1988 dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen und außergerichtlich hingerichtet wurden. Einige Personen, die im Zusammenhang mit den Gefängnismassakern von 1988 für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich waren, bekleideten weiterhin hochrangige offizielle Posten.
Im Juni 2024 führte ein Gefangenenaustausch zwischen Iran und Schweden dazu, dass der ehemalige iranische Justizangestellte Hamid Nouri in den Iran zurückkehren konnte. Ein schwedisches Gericht hatte ihn 2022 wegen seiner Rolle bei den Gefängnismassakern 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Austausch leistete Geiselnahmen und anderen völkerrechtlichen Verbrechen seitens der iranischen Behörden weiter Vorschub.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Die Behörden ergriffen 2024 keine Maßnahmen gegen Umweltprobleme wie das Verschwinden von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten, Landabsenkungen, das Versiegen des Grundwassers, die Abholzung von Wäldern und die Wasserverschmutzung infolge der Einleitung von Abwässern in städtische Wasserquellen. Ein weiteres großes Problem war die Luftverschmutzung, die z. T. durch den gewerblichen Einsatz minderwertiger Brennstoffe verursacht wurde und laut Gesundheitsministerium zum Tod Tausender Menschen beitrug. Im Dezember 2024 kam es aufgrund der schlechten Luftqualität zur Schließung von Schulen und Geschäften in mehreren großen Städten.
Der Iran produzierte und subventionierte fossile Brennstoffe weiterhin in hohem Maße. Gleichzeitig wurden ausgegrenzte Gemeinschaften nicht vor den Folgen des Klimawandels geschützt.
Eine schlechte Bewirtschaftung der Wasserressourcen durch die Behörden führte zu Wasserknappheit, insbesondere in den Provinzen Chuzestan und Sistan und Belutschistan, in denen arabische und belutschische Minderheiten leben. In der Provinz Sistan und Belutschistan führten Mängel bei der Wasserversorgung dazu, dass mehrere belutschische Dorfbewohner*innen, darunter auch Kinder, beim Wasserholen in gefährlichen Gruben ertranken.
Veröffentlichungen von Amnesty International
- Iran: Executions of protester with mental disability and Kurdish man mark plunge into new realms of cruelty, 24 January
- Iran: Testimonies Provide a Frightening Glimpse Into the Daily Reality of Women and Girls, 6 March
- Iran: Drug-Related Executions Surging in Iran, 4 April
- Iran/Sweden: Staggering Blow to Justice for 1988 Prison Massacres in Iran Amid Long Overdue Release of Swedish Nationals, 18 June
- Iran: Shocking secret execution of young man in relation to "Woman Life Freedom" uprising, 6 August
- Iran: Woman Rights Defender at Risk of Execution: Sharifeh Mohammadi, 9 September
- Iran: Two years after "Woman Life Freedom" uprising, impunity for crimes reigns supreme, 11 September
- Iran: Kurdish Woman Activist Sentenced to Death: Pakhshan Azizi, 30 September
- Iran: Youth Arrested at 17 at Risk of Imminent Execution: Mohammad Reza Azizi, 24 October