Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Ukraine 2024

Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024

Die russischen Streitkräfte verübten 2024 weiterhin wahllose Angriffe auf die Ukraine, beschädigten wichtige zivile Infrastruktur und griffen offenbar auch gezielt Zivilpersonen an. Infolgedessen stieg die Zahl der zivilen Opfer, zu denen auch Kinder und ältere Menschen zählten. In den von Russland besetzten Gebieten dauerte die Unterdrückung der nichtrussischen Bevölkerung an, und inhaftierte Zivilpersonen und Kriegsgefangene wurden Opfer von Folter und anderen Misshandlungen sowie von Hinrichtungen. Die ukrainischen Behörden hielten die Einschränkungen der Rechte auf Meinungs- und Religionsfreiheit unter dem Kriegsrecht aufrecht. Militärdienstverweigerer wurden nach wie vor strafrechtlich verfolgt. Bezüglich der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) und bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gab es kaum Fortschritte.

Hintergrund

Russland setzte 2024 seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine trotz erheblicher Verluste fort und konnte Gebietsgewinne erzielen. So nahmen die russischen Streitkräfte im Februar 2024 die Stadt Awdijiwka ein, die seit 2014 ein ukrainischer Vorposten in unmittelbarer Nähe der russisch besetzten Stadt Donezk gewesen war. In der Region Charkiw konnten die ukrainischen Streitkräfte die russischen Vorstöße weitgehend aufhalten. Im August 2024 startete die Ukraine eine Überraschungsoffensive in der russischen Region Kursk, bei der sie mehrere Hundert Quadratkilometer eroberte. Im April 2024 trat ein Gesetz in Kraft, das die Altersgrenze für die Einberufung von Reservisten von 27 auf 25 Jahre senkte, um dem Mangel an Soldaten zu begegnen.

Die Ukraine erhielt weiterhin Militär- und Finanzhilfen aus dem Ausland, doch kamen insbesondere nach dem Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen im November 2024 Befürchtungen auf, dass diese Unterstützung künftig zurückgehen oder versiegen könnte. Die ukrainische Wirtschaft verzeichnete 2024 ein Wachstum, obwohl es an Arbeitskräften mangelte und gezielte russische Angriffe auf die Energieinfrastruktur zu häufigen Stromausfällen im ganzen Land führten.

Die Ukraine hatte im Jahr 2022 von ihrem Recht gemäß Artikel 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Gebrauch gemacht, unter Berufung auf den Kriegsfall einige Artikel der EMRK teilweise oder vollständig außer Kraft zu setzen. Im April 2024 teilte die Ukraine dem Europarat mit, diese Derogationen reduzieren zu wollen. Die Artikel 4.3 (Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit), Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Artikel 13 (Recht auf wirksame Beschwerde), Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) und Artikel 16 (Beschränkungen der politischen Tätigkeit ausländischer Personen) würden nun wieder volle Anwendung finden.

Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht

Rechtswidrige Angriffe

Im Jahr 2024 wurden mehr Zivilpersonen verletzt oder getötet als im Vorjahr, und zwar oftmals in Orten, die weit entfernt von der Front lagen, denn Russland richtete seine Angriffe mit Raketen und Drohnen weiterhin gezielt gegen dicht besiedelte Gebiete. Am 8. Juli 2024 traf ein Marschflugkörper das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in der Hauptstadt Kyjiw, das dabei schwer beschädigt wurde. Der Angriff, der allem Anschein nach ein Kriegsverbrechen war, tötete zwei Personen und verletzte mehr als 100, darunter auch Kinder. In dem Krankenhaus wurden zum Zeitpunkt des Angriffs u. a. krebskranke und kriegsverletzte Kinder aus dem ganzen Land behandelt. Der Angriff auf das Ochmatdyt-Krankenhaus war Teil einer umfassenden russischen Angriffswelle, bei der am selben Tag in Kyjiw, Dnipro und Kryvyi Rih insgesamt mindestens 43 Zivilpersonen getötet wurden. Auch in anderen Fällen waren die russischen Angriffe 2024 koordiniert und richteten sich gleichzeitig gegen mehrere Ziele.

Russland setzte die systematische Zerstörung der ukrainischen Energieversorgung 2024 fort. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur waren Ende Mai 70 Prozent der ukrainischen Wärmekraftwerke zerstört oder unter russischer Kontrolle. Der Rückgang der Stromerzeugung führte regelmäßig zu Stromausfällen, insbesondere in den heißen Sommermonaten und im Winter, als die Nachfrage besonders hoch und die Schäden besonders gravierend waren.

Kriegsgefangene

Es tauchten immer mehr Beweise dafür auf, dass die russischen Streitkräfte ukrainische Kriegsgefangene summarisch hinrichteten. In den Sozialen Medien kursierten 2024 zahlreiche Videos, die dies angeblich belegten. Zudem gab die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft an, dass seit 2022 mindestens 147 ukrainische Gefangene hingerichtet worden seien, davon fast 90 Prozent (127 Personen) im Jahr 2024. Während die russische Regierung diese Berichte in der Regel ignorierte oder zurückwies, riefen zwei bedeutende russische Politiker öffentlich dazu auf, ukrainische Kriegsgefangene hinzurichten: Im Juli 2024 forderte der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, auf seinem Telegram-Kanal "sie ausnahmslos hinzurichten". Im Oktober erklärte der tschetschenische Staatschef Ramsan Kadyrow öffentlich, er habe befohlen, ukrainische Soldaten nicht lebend zu ergreifen. Drei Tage später teilte er jedoch auf Telegram mit, er habe diese Anweisung widerrufen.

In Russland und in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine wurden Hunderte ukrainische Kriegsgefangene vor Gericht gestellt, oft nur wegen ihrer Beteiligung an Kampfhandlungen. Dass diese Prozesse nicht die Standards für faire Verfahren erfüllten, stellte ein Kriegsverbrechen dar.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Am 21. August 2024 stimmte das ukrainische Parlament für die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), allerdings mit einer Erklärung gemäß Artikel 124 des Statuts. Demnach erkannte die Ukraine die Zuständigkeit des IStGH für Kriegsverbrechen für einen Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten nicht an, "wenn diese Verbrechen mutmaßlich von ihren Staatsangehörigen begangen wurden". Diese Einschränkung könnte dazu führen, dass der IStGH in der Ukraine verübte völkerrechtliche Verbrechen nicht wirksam untersuchen kann.

Der IStGH erließ im Jahr 2024 Haftbefehle gegen zwei ranghohe russische Offiziere sowie gegen den früheren russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Armeechef Waleri Gerassimow. Allen wurde vorgeworfen, in der Ukraine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben. Dazu zählten vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, die Verursachung übermäßigen Schadens an Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte sowie unmenschliche Handlungen.

Rechte älterer Menschen

Ältere Menschen waren 2024 nach wie vor besonders stark von Russlands Angriffskrieg betroffen. Etwa 20 bis 50 Prozent der Menschen, die weniger als 25 Kilometer von der Front entfernt lebten, waren Ältere und Menschen mit Behinderungen, wie die NGO HelpAge International mitteilte. Sie gehörten zu den am stärksten gefährdeten Personen, weil sie aufgrund körperlicher Einschränkungen häufig nicht in der Lage waren, bei Luftalarm die vorgesehenen Schutzräume zu erreichen.

Ältere Menschen, die infolge der Kämpfe vertrieben wurden, hatten größte Schwierigkeiten, eine neue Bleibe zu finden, weil 80 Prozent von ihnen aufgrund äußerst niedriger Renten unterhalb der Armutsgrenze lebten. In den Notunterkünften für Vertriebene waren sie überrepräsentiert, weil sie nicht genug Geld hatten für eine Mietwohnung bzw. anderen Wohnraum. Für ältere Menschen mit Behinderungen waren die Notunterkünfte meist ungeeignet, weil sie nicht barrierefrei waren. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs wurden deshalb Tausende von ihnen in Pflegeheimen untergebracht. Im September 2024 traf eine russische Bombe ein Pflegeheim in Sumy, obwohl solche Einrichtungen laut humanitärem Völkerrecht geschützt sind. Bei dem Angriff wurde eine Frau getötet, mindestens zwölf Personen trugen Verletzungen davon.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im April 2024 hob die Ukraine einige Ausnahmeregelungen bezüglich der Europäischen Menschenrechtskonvention auf (siehe "Hintergrund"). Für das in Artikel 10 verankerte Recht auf Meinungsfreiheit wurde jedoch eine Abweichung von der Konvention beibehalten. Führende Medien beklagten, sie würden von den ukrainischen Behörden unter Druck gesetzt. Im Januar 2024 berichteten Journalist*innen der Rechercheplattform Bishus.info, dass sie überwacht und ihre Telefone abgehört würden. Der ukrainische Geheimdienst SBU leitete Ermittlungen zu dem Fall ein, obwohl sich die Vorwürfe gegen Angehörige des SBU richteten. Angesichts eines möglichen Interessenkonflikts übernahm das staatliche Ermittlungsbüro die Untersuchungen, die Ende 2024 noch andauerten. Im Oktober 2024 warf die Redaktion der führenden Tageszeitung Ukrainska Pravda dem Präsidialamt u. a. vor, es übe Druck auf Werbepartner der Zeitung aus, keine Anzeigen mehr zu schalten, um so eine Änderung der Berichterstattung zu erzwingen. Die Behörden wiesen die Anschuldigungen zurück, und Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, Druck auf Journalist*innen auszuüben, sei "inakzeptabel".

2024 wurden weitere Verfahren gemäß Paragraf 436-2 des ukrainischen Strafgesetzbuchs eingeleitet, der die "Rechtfertigung, Billigung oder Leugnung der bewaffneten Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine und Verherrlichung der daran Beteiligten" unter Strafe stellt. Allerdings war die Zahl der an die Gerichte überwiesenen Strafverfahren nach Paragraf 436-2 im November 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent zurückgegangen.

Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit

Im August 2024 trat ein Gesetz in Kraft, das religiöse Organisationen verbietet, "deren Führungszentrum sich in einem Staat befindet, der einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine verübt".

Das Gesetz bezog sich auf die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), deren Verhältnis zur Russisch-Orthodoxen Kirche umstritten war. Die ukrainischen Behörden warfen der UOK vor, eng mit dem russischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten, und erhoben gegen deren Priester und Gemeindemitglieder Anklage wegen "Rechtfertigung der bewaffneten Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine". Das neue Gesetz verlangte von der UOK, ihre Verbindung zum Moskauer Patriarchat innerhalb von neun Monaten zu beenden.

Diskriminierung

Die ukrainischen Behörden verstärkten 2024 ihre Bemühungen, Soldaten für die Armee zu gewinnen. Einige der Methoden riefen öffentlichen Unmut hervor, weil sie unverhältnismäßig, willkürlich oder diskriminierend erschienen. Um die hohe Zahl männlicher Doktoranden zu senken, deren Einberufung ausgesetzt war, beendete das Bildungsministerium z. B. die Möglichkeit, ein privat finanziertes Promotionsstudium in Vollzeit zu absolvieren. Dies galt sowohl für Männer als auch für Frauen, obwohl Frauen von der Wehrpflicht ausgenommen waren.

Rechte von Militärdienstverweiger*innen

Nach Angaben der NGO Forum 18, die sich für Religionsfreiheit einsetzt, nahm die Zahl der Strafverfahren gegen Militärdienstverweigerer ab Mitte 2024 deutlich zu. Die Gesamtzahl stieg auf etwa 300, zusätzlich zu den mehr als 80 Fällen, die bereits vor Gericht verhandelt wurden. Im Oktober 2024 begann das Verfassungsgericht sich mit dem Fall des Militärdienstverweigerers Dmytro Zelinsky zu befassen, nachdem das Oberste Gericht dessen letztmögliches Rechtsmittel abgelehnt hatte. Die Beratungen des Verfassungsgerichts darüber, ob es zulässig sei, das in der Verfassung verankerte Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen unter dem Kriegsrecht auszusetzen, dauerten Ende 2024 noch an. Seit Beginn der russischen Invasion im Jahr 2022 gab es keine Möglichkeit mehr, alternativ zum Wehrdienst einen Zivildienst zu leisten.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Die Zahl der Strafverfahren, die wegen häuslicher Gewalt eingeleitet wurden, lag 2024 laut Angaben der Generalstaatsanwaltschaft 80 Prozent höher als im Vorjahr. Die Verfahren betrafen mehr als 5.000 Überlebende, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Nach Einschätzung des Global Public Policy Institute war die Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt u. a. auf Sexualverbrechen durch Angehörige der russischen Streitkräfte sowie die prekären Lebensbedingungen von Binnenvertriebenen, die wirtschaftliche Instabilität, starre Geschlechterrollen sowie Stress und Traumata infolge des Kriegs zurückzuführen.

Im Mai 2024 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, um das ukrainische Strafrecht mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Einklang zu bringen, das die Ukraine 2022 ratifiziert hatte. Durch das Gesetz wurden verschiedene Formen geschlechtsspezifischer Gewalt strafbar, u. a. Einschüchterung und sexuelle Belästigung sowohl im Alltag als auch im Internet.

Rechte von LGBTI+

Im Juni 2024 fand in Kyjiw erstmals seit 2021 wieder eine Pride-Parade statt. Bezüglich der Rechte und der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare gab es jedoch keine nennenswerten Fortschritte. Über einen im März 2023 eingebrachten Gesetzentwurf, der eingetragene Lebenspartnerschaften vorsah, hatte das Parlament Ende 2024 noch nicht beraten. Die parlamentarischen Beratungen über einen Gesetzentwurf aus dem Jahr 2021, der vorsah, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Gründe für Hassverbrechen in das Strafgesetzbuch aufzunehmen und als erschwerenden Umstand zu werten, standen Ende 2024 immer noch aus.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Lokale NGOs machten 2024 auf umfangreiche und langfristige Umweltschäden infolge des russischen Angriffskriegs aufmerksam, wie z. B. die Verseuchung des Bodens, des Wassers und der Luft in der Ukraine sowie die Verschmutzung des Schwarzen Meeres. Behörden und Umweltschützer*innen meldeten im August und September 2024 ein massenhaftes Fischsterben in den Flüssen Seim und Desna aufgrund von Verschmutzungen, die flussaufwärts in Russland verursacht worden waren.

Im Juni 2024 verabschiedete die Regierung einen Nationalen Energie- und Klimaplan, um die Energie- und Klimapolitik des Landes an die EU-Ziele anzupassen, u. a. durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2035.

Russisch besetzte Gebiete

Recht auf Bildung

In den russisch besetzten Gebieten wurde das Recht auf Bildung 2024 weiterhin verletzt. Kinder wurden indoktriniert, und Lehrkräfte wurden zu einer Zusammenarbeit mit den Besatzungskräften genötigt, die in einigen Fällen Zwangsarbeit gleichkam.

Unterdrückung der nicht-russischen Bevölkerung

Russland setzte seine Politik der "Russifizierung" der Halbinsel Krim sowie der übrigen besetzten Gebiete in der Ukraine auch 2024 fort. Religiöse Minderheiten und nichtrussische Medien und Kulturinstitutionen wurden weiterhin ins Visier genommen. Im Januar 2024 urteilte der Internationale Gerichtshof (IGH), dass die Verdrängung von Ukrainisch als Unterrichtssprache gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung verstieß.

In den besetzten Regionen Donezk und Luhansk teilten die De-facto-Behörden der Bevölkerung mit, dass die seit 2016 ausgegebenen "Pässe" ab dem 1. Dezember 2024 nicht mehr gültig seien und gegen russische Pässe eingetauscht werden müssten. Einwohner*innen ohne russischen Pass würden als "ausländische Staatsangehörige" betrachtet, von einigen grundlegenden Versorgungsleistungen ausgeschlossen und Gefahr laufen, abgeschoben zu werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte im Juni 2024, dass die russische Verwaltung der Krim zahlreiche Menschenrechte verletzt habe, indem sie die Einwohner*innen zwang, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, Häftlinge nach Russland überstellte, Personen verschwinden ließ und die Religions- und Medienfreiheit unterdrückte. Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass die Behandlung der Krimtatar*innen – einschließlich der erzwungenen Schließung ihrer politischen und kulturellen Einrichtungen, der Verfolgung ihrer Vertreter*innen und der Angriffe auf ihr Privateigentum – gegen das Diskriminierungsverbot verstieß.

Die Besatzungsbehörden gingen weiterhin massiv gegen Minderheiten auf der Krim vor, u. a. gegen Krimtatar*innen, die verdächtigt wurden, der islamischen Bewegung Hizb-ut-Tahrir anzugehören, sowie gegen Angehörige der Zeugen Jehovas, von denen zwei im Oktober 2024 inhaftiert wurden.

Folter und andere Misshandlungen

Es gab weiterhin glaubwürdige Berichte darüber, dass ukrainische Zivilpersonen und Militärangehörige in den russisch besetzten Gebieten Opfer von Folter und anderen Misshandlungen sowie des Verschwindenlassens wurden. Etwa 97 Prozent der von der UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine befragten ukrainischen Kriegsgefangenen berichteten, sie hätten in russischer Gefangenschaft Folter und andere Misshandlungen erlitten, wie schwere Schläge, Elektroschocks, sexualisierte Gewalt, Schlafentzug und vorgetäuschte Hinrichtungen. Die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Unabhängige Internationale Untersuchungskommission zur Ukraine kam im Oktober 2024 zu dem Schluss, dass die russischen Behörden "eine koordinierte staatliche Politik der Folter ukrainischer Zivilpersonen und Kriegsgefangener" verfolgten, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle.

Der Menschenrechtsverteidiger Maksym Butkevych, der sich seit Juni 2022 in russischer Kriegsgefangenschaft befand, wurde im Zuge eines Gefangenenaustauschs im Oktober 2024 freigelassen. Er war von einem De-facto-Gericht in der russisch besetzten Stadt Luhansk wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen verurteilt worden, die er nicht begangen haben konnte, die er aber unter Zwang vor einer Kamera "gestehen" musste.

Die Journalistin Victoria Roshchyna, die im August 2023 aus dem besetzten Melitopol "verschwunden" war, starb im September 2024 in russischem Gewahrsam. Sie war willkürlich in einem Gefängnis der Stadt Taganrog inhaftiert, das für Folter berüchtigt ist.

Eingeschränkter Zugang für internationale Organisationen

Russland verweigerte UN-Beobachter*innen 2024 den Zugang zu Hafteinrichtungen, in denen ukrainische Zivilpersonen und Kriegsgefangene festgehalten wurden. Andere internationale Organisationen hatten ebenfalls keinen oder allenfalls begrenzten Zugang zu Hafteinrichtungen unter russischer Kontrolle und zu den russisch besetzten Gebieten insgesamt. Hilfsorganisationen konnten deshalb dort keine humanitäre Hilfe leisten. Dass für Zivilpersonen in diesen Gebieten die Freizügigkeit eingeschränkt war, trug ebenfalls dazu bei, dass der Zugang zu wichtigen Dienstleistungen eingeschränkt war.

Russlands Anschuldigungen, die ukrainischen Streitkräfte würden völkerrechtliche Verbrechen verüben und seien z. B. für einen Angriff auf einen Markt in Donezk mit mehreren Todesopfern im Januar 2024 verantwortlich, ließen sich nicht unparteiisch überprüfen, weil unabhängige Medien und Menschenrechtsorganisationen keinen Zugang zu den russisch besetzten Gebieten hatten.

Rechte von Binnenvertriebenen

Im März 2024 ergriffen die De-facto-Behörden in der besetzten Region Donezk eine Maßnahme, die zurückgelassene Besitztümer von Vertriebenen betraf. Sie veröffentlichten im Internet eine Liste mit "herrenlosen" Immobilien und gaben den Eigentümer*innen 30 Tage Zeit, persönlich zu erscheinen und einen russischen oder vor Ort ausgestellten "Pass" vorzulegen, um ihr Eigentum zurückzuerlangen. Das Vorgehen kam einer Enteignung der Vertriebenen gleich.

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