Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Österreich 2024

Berichtszeitraum: 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024

Die Leistungen der Sozialhilfe waren nach wie vor nicht angemessen. Schwangerschaftsabbrüche waren 2024 noch immer nicht vollständig entkriminalisiert. Friedlicher ziviler Ungehorsam wurde mit Gefängnisstrafen geahndet, ohne dass die Betroffenen ein ordnungsgemäßes Verfahren erhielten. Das Parlament verabschiedete ein Informationsfreiheitsgesetz, das jedoch umfassende Ausnahmeregelungen enthielt. Eine sofortige Obsorge für unbegleitete geflüchtete Kinder war nach wie vor nicht gewährleistet. Die Gesetze gegen Diskriminierung ließen auf Länderebene zu wünschen übrig. Es gab immer noch keine Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete. Es wurde kein Klimaschutzgesetz vorgelegt.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Frauen sowie Menschen mit Behinderungen waren beim Zugang zur Sozialhilfe mit erheblichen Hürden konfrontiert. Sie sahen sich u. a. Stigmatisierung, bürokratischen Hürden und strengen rechtlichen Auflagen gegenüber, was ihr Recht auf soziale Sicherheit untergrub. Sowohl die Österreichische Volkspartei (ÖVP) als auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) sprachen sich für eine Kürzung der Sozialhilfe für asylsuchende Menschen und Nicht-Österreicher*innen aus.

Im September 2024 beschloss das Bundesministerium für Soziales zur Unterstützung obdach- und wohnungsloser Menschen ein bundesweites "Housing First"-Programm. Dies war ein positiver Schritt, allerdings legte die Regierung auch 2024 keine umfassende nationale Wohnstrategie vor.

Rechte von Frauen und Mädchen

Im Jahr 2024 wurden 27 mutmaßliche Femizide dokumentiert. Angesichts des Fehlens langfristiger Strategien zur Verhinderung derartiger Gewalt herrschte weiterhin Besorgnis. Im September forderte der Monitoring-Mechanismus des Europarats (GREVIO) die österreichische Regierung u. a. auf, dafür zu sorgen, dass Plätze in Frauenhäusern in ausreichender Zahl und in angemessener geografischer Verteilung zur Verfügung stehen.

Frauen hatten in mehreren Bundesländern weiterhin nur eingeschränkten Zugang zu leistbaren und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Der bereits mangelhafte Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wurde noch dadurch verschärft, dass viele Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, aufgrund von Bedrohungen und Anfeindungen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen mussten. Zivilgesellschaftliche Stimmen forderten die Regierung erneut auf, den Schwangerschaftsabbruch vollständig zu entkriminalisieren.

Recht auf friedliche Versammlung

Friedlicher ziviler Ungehorsam wurde mit Gefängnisstrafen geahndet, ohne dass die Betroffenen ein ordnungsgemäßes Verfahren erhielten. Klimaaktivist*innen wurden in der Öffentlichkeit in einem negativen Licht dargestellt. Im Mai 2024 wurden Protestcamps zur Bekundung von Solidarität mit Palästinenser*innen an der Universität Wien und der Technischen Universität Wien von der Polizei geräumt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Januar 2024 verabschiedete das Parlament ein Informationsfreiheitsgesetz, das jedoch die meisten Gemeinden von der Verpflichtung ausnahm, Informationen von öffentlichem Interesse proaktiv zu veröffentlichen.

Im August 2024 legte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation vor, der den Einsatz hochinvasiver Spionagesoftware ermöglichen würde.

 

 

Rechte von Inhaftierten

Im Juni 2024 bemängelte der UN-Ausschuss gegen Folter die Bedingungen in manchen Abschiebeeinrichtungen und forderte Österreich auf, Menschen mit psychischen Problemen nicht mehr in sogenannten Sicherheitszellen unterzubringen.

Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen

Im Juni 2024 kritisierte der UN-Ausschuss gegen Folter das Fehlen bundesweiter Bestimmungen, um eine sofortige Obsorge für alle unbegleiteten geflüchteten Kinder unmittelbar nach ihrer Ankunft zu gewährleisten. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag des Justizministeriums wurde dem Parlament nicht zur Abstimmung vorgelegt.

Ebenfalls im Juni bestätigte das Verfassungsgericht die Entscheidung, einen Mann nach Afghanistan abzuschieben, obwohl Bedenken bestanden, dass er dort dem Risiko schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein könnte.

Im Oktober entschied der Gerichtshof der Europäischen Union, dass bei afghanischen Frauen allein das Geschlecht und die Staatsangehörigkeit als Nachweis für Verfolgung ausreichen können, nachdem Österreich zwei afghanischen Frauen den Flüchtlingsstatus zuvor verweigert hatte.

Österreich ermöglichte keine sicheren und menschenwürdigen Fluchtrouten, wie z. B. Resettlement-Programme, für Menschen, die internationalen Schutz suchten.

Diskriminierung

Österreich sorgte 2024 nicht für eine Harmonisierung der Antidiskriminierungsgesetze auf Bundes- und Länderebene. Behinderung, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht galten weiterhin nur beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen als geschützte Diskriminierungsmerkmale.

Die hohe Zahl an antisemitischen und antimuslimischen Straftaten gab das ganze Jahr über Anlass zur Sorge.

Im Vorfeld der Parlamentswahlen im September gab es einen bemerkenswerten Anstieg an rassistischen Äußerungen, auch durch öffentliche Amtsträger*innen, insbesondere online, wobei Asylsuchende und Geflüchtete ins Visier genommen wurden.

Rechtswidrige Gewaltanwendung

Im Januar 2024 nahm die neu eingerichtete Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei ihre Arbeit auf, doch es bestanden weiterhin Bedenken bezüglich ihrer vollständigen Unabhängigkeit. Für die Polizei bestand nach wie vor keine Kennzeichnungspflicht, was die Durchsetzung der Rechenschaftspflicht erschwerte.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Menschengemachte Klimaänderungen führten zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Schneefälle in Bergregionen im September. Die Regierung legte kein verbindliches Klimaschutzgesetz vor.

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