Dokument #2113315
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor)
22. Juli 2024
Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.
Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar.
Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.
Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.
Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom Juli 2024, dass die Wehrpflicht für Männer, die die Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen hätten, 18 Monate betrage. Danach beginne der Reservedienst. Es gebe einen neuen Plan, laut dem der Reservedienst zwei Jahre betrage. Folglich betrage die Gesamtdienstzeit eines Krankenpflegers 42 Monate und er diene in der Kategorie der Unteroffiziere. Inhaber eines Krankenpflegerzertifikats würden als Teil ihrer Wehrpflicht entweder Militärkrankenhäusern zugewiesen oder zum Dienst in medizinischen Einheiten von Militäreinheiten geschickt. Es gebe für alle Soldaten eine allgemeine Ausbildungszeit, die sich nach der Spezialisierung richte, die ihnen in der Armee zugewiesen werde. Personen, die für die Arbeit im Gesundheitsbereich bestimmt sind, würden eine „einfache Ausbildung“ (simple training) durchlaufen, da sie grundsätzlich über die notwendige Berufserfahrung zur Ausübung ihrer Tätigkeit im Gesundheitsbereich verfügen (Al-Mustafa, 16. Juli 2024).
Es konnten online kaum Informationen über die Stellung/Bedeutung einer abgeschlossenen Krankenpflegerausbildung für den Wehrdienst in Syrien gefunden werden. Die folgenden Quellen enthalten allgemeine Informationen über die Verwendung von medizinischem Personal als Teil der Wehrpflicht:
Das niederländische Außenministerium schreibt in seinem syrischen Länderbericht vom August 2023, dass die syrische Armee im Mai 2018 mit der Demobilisierung von Wehrpflichtigen begonnen habe. Der syrische Staatssender Syrian Arab News Agency (SANA) habe Anfang August 2022 berichtet, dass Ärzte, Zahnärzte und Apotheker, die als Reservisten oder Wehrpflichtige in der Armee gedient hätten, mit 1. September 2022 aus dem aktiven Dienst entlassen würden. Die Wehrpflichtigen unter ihnen müssten jedoch weiterhin ihre volle Militärdienstzeit absolvieren. Das Dekret mache eine Ausnahme unter anderem für Anästhesisten und Traumaärzte, die nur entlassen werden könnten, wenn ihre medizinische Einheit ihre Dienste nicht mehr benötige (Niederländisches Außenministerium, August 2023, S. 56)
Das oben genannte Dekret auf Arabisch finden Sie unter folgendem Link:
· Syrisches Verteidigungsministerium: Verwaltungsanordnung Nr. 16492-1 vom 08.10.2022, herausgegeben vom Generalkommando des Heeres und der Streitkräfte [Arabisch], 10. August 2022
https://mod.gov.sy/index.php?node=5642&nid=34420&
Die Asylagentur der Europäischen Union (European Union Agency for Asylum, EUAA) erklärt in einem „Country Focus“-Bericht vom Oktober 2023, dass die syrische Regierung im August 2022 ein Dekret erlassen habe, wonach Studierende und Absolventen medizinischer und anderer Fakultäten im Gesundheitsbereich, die sich verpflichten, für einen Zeitraum von zehn Jahren in öffentlichen Einrichtungen zu arbeiten, vom Militärdienst befreit seien. Laut Muhsen AlMustafa vom Omran Center for Strategic Studies sie die Entscheidung auf den erheblichen Mangel an medizinischem Personal in Syrien zurückzuführen, der durch Auswanderung bedingt sei. Laut dem syrischen Doktoranden Ali Aljasem könnten Ärzte aufgrund des Mangels an medizinischem Personal die Behörden nicht bestechen, um vom Militärdienst befreit zu werden, oder um die Art des Einsatzes zu beeinflussen (EUAA, Oktober 2023, S. 31).
Das oben genannte Dekret auf Arabisch finden Sie unter folgendem Link:
· SANA – Syrian Arab News Agency: Präsident al-Assad erlässt ein Dekret, mit dem er die Verpflichtung einer Reihe von Medizinstudenten und solchen mit einem Bachelor-Abschluss in Medizin für den Dienst in öffentlichen Einrichtungen anerkennt [Arabisch], 29. August 2022
https://sana.sy/?p=1728534
Das Danish Immigration Service (DIS) beschreibt in seinem Bericht zum Militärdienst in Syrien vom Jänner 2024 – basierend auf Interviews vom Oktober und November 2023 – die Situation von Staatsangestellten bei der Einberufung zum Reservedienst. Staatsangestellte würden wie alle anderen Männer zwischen 18 und 42 Jahren, die ihren Militärdienst abgeschlossen haben, zum Reservedienst einberufen. Ihre Aufgaben würden von ihren Fähigkeiten abhängen. Ärzte und Pfleger würden zum Beispiel ihren Reservedienst ableisten, in dem sie in einem Militärkrankenhaus arbeiten. Laut Syria Direct und dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) würden Staatsangestellte zur Zeit der Interviews höchstwahrscheinlich nicht zum Reservedienst einberufen werden. Laut dem syrischen Forscher Suhail Al-Ghazi hätten einige der wichtigen Ministerien aufgrund von Personalmangel beschlossen, ihre eigenen Mitarbeiter zu behalten, weshalb die Einberufung in die Reserve zurückgegangen sei. Diese Ministerien würden Listen wichtiger Mitarbeiter an das Verteidigungsministerium mit der Bitte schicken, diese Personen nicht zum Reservedienst einzuberufen. Laut dem Omran Center for Strategic Studies hänge die Einberufung eines Staatsangestellten in den Reservedienst von den militärischen Fähigkeiten ab, die der Einzelne während seines Wehrdienstes erworben habe. DIS erklärt weiters, dass laut dem bereits genannten Ali Aljasem und der Medienorganisation Syria Direct Staatsangestellte zum Militärdienst einberufen werden könnten. Sie würden jedoch nicht zum Reservedienst einberufen, sondern stattdessen von einer öffentlichen Position in eine andere versetzt. Laut Syria Direct würden Männer, die im öffentlichen Sektor arbeiten, laut Gesetz bereits dem Staat dienen und wenn die Armee Bedarf an Staatsangestellten habe, würden Angestellte mit bestimmten Fähigkeiten in die Armee versetzt, wo sie in ihrem Berufsfeld (z.B. Medizin, Wirtschaft) arbeiten würden (DIS, Jänner 2024, S. 7-8).
Allgemeine Informationen zum Wehrdienst finden Sie in folgendem Themendossier von ACCORD:
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net featured topic on Syria: Military service, 20. März 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2105521.html
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 22. Juli 2024)
· ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net featured topic on Syria: Military service, 20. März 2024
https://www.ecoi.net/de/dokument/2105521.html
· Al-Mustafa, Muhsen: E-Mail-Auskunft, 16. Juli 2024
· DIS - Danish Immigration Service: Syria; Military service, Jänner 2024
https://www.ecoi.net/en/file/local/2103893/coi-report_syria_military-service_jan-2024.pdf
· EUAA - European Union Agency for Asylum: Syria - Country Focus, Oktober 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2098437/2023_10_EUAA_COI_Report_Syria_Country_focus.pdf
· Syrisches Verteidigungsministerium: Verwaltungsanordnung Nr. 16492-1 vom 08.10.2022, herausgegeben vom Generalkommando des Heeres und der Streitkräfte [Arabisch], 10. August 2022
https://mod.gov.sy/index.php?node=5642&nid=34420&
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: General Country of Origin Information Report on Syria, August 2023
https://coi.euaa.europa.eu/administration/netherlands/PLib/General_Country_of_Origin_Information_Report_Syria_(August_2023).pdf
· SANA – Syrian Arab News Agency: Präsident al-Assad erlässt ein Dekret, mit dem er die Verpflichtung einer Reihe von Medizinstudenten und solchen mit einem Bachelor-Abschluss in Medizin für den Dienst in öffentlichen Einrichtungen anerkennt [Arabisch], 29. August 2022
https://sana.sy/?p=1728534
Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen
Das Danish Immigration Service (DIS) ist die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration.
· DIS - Danish Immigration Service: Syria; Military service, Jänner 2024
https://www.ecoi.net/en/file/local/2103893/coi-report_syria_military-service_jan-2024.pdf
„Public employees are being called up for reserve duty like all other men between 18 and 42 who have completed their military service. Public employees are granted leave before joining the reserve. They will receive both the salary from their place of employment and the salary paid to the recruits in the SAA [Syrian Arab Army]. Their duties will depend on their skills, e.g. doctors and nurses will serve their reserve duty by working at military hospitals.
However, Syria Direct and SNHR [Syrian Network for Human Rights] stated that public employees are currently not - or are most likely not - called up for reserve duty. The situation has thus changed compared to before 2018, when there was a general mobilisation because the country was at war, and all men, including men working in the public sector, were called up for reserve duty. Al-Ghazi noted that, due to lack of workforce, some of the main ministries decided to keep their own employees, which is why the call for them to reserve duty has been reduced. These ministries sent lists of important employees to the Ministry of Defence and requested that they do not call up these individuals for reserve service. According to Omran Center for Strategic Studies, whether a public employee is called up for reserve duty depends on the individual’s military skills acquired during his compulsory military service.
Public employees can be referred to serve in the military; they will not be called up for reserve duty but be moved from one public position to another. This is called al-nadib (Arabic: الندب), which means delegation. Syria Direct explained that, according to the law, men who work in the public sector are already serving the state and if there is a need for public employees in the SAA, e.g. employees with specific skills may be transferred to the SAA where they will work within their professional field (e.g. medicine, economy). A public employee is allowed though on a voluntary basis, to join the reserve or alternatively a pro-government militia; some may choose to do so in order to earn a higher salary than what they used to earn in their public position.” (DIS, Jänner 2024, S. 7-8)
Die Asylagentur der Europäischen Union (European Union Agency for Asylum, EUAA) ist eine EU-Agentur, deren Aufgabe es ist, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des als Gemeinsames Europäisches Asylsystem bekannten EU-Gesetzespakets zu Asyl, internationalem Schutz und Aufnahmebedingungen zu unterstützen.
· EUAA - European Union Agency for Asylum: Syria - Country Focus, Oktober 2023
https://www.ecoi.net/en/file/local/2098437/2023_10_EUAA_COI_Report_Syria_Country_focus.pdf
„In August 2022, the GoS [Government of Syria] issued a decree whereby students and graduates of medical and health schools who committed themselves to serve in public institutions for a 10-year period were exempted from military service. Muhsen AlMustafa attributed the decision to the significant shortage of medical personnel in Syria resulting from emigration. According to Ali Aljasem, because of the GoS’s shortage of medical personnel, doctors would not be able to bribe authorities to get exempted from military service or influence their deployment.“ (EUAA, Oktober 2023, S. 31)
Das Außenministerium der Niederlande (Ministerie van Buitenlandse Zaken, BZ) ist die Regierungsbehörde der Niederlande, die für die auswärtigen Angelegenheiten des Landes zuständig ist.
· Netherlands Ministry of Foreign Affairs: General Country of Origin Information Report on Syria, August 2023
https://coi.euaa.europa.eu/administration/netherlands/PLib/General_Country_of_Origin_Information_Report_Syria_(August_2023).pdf
„Demobilisation
The Syrian army started demobilising conscripted soldiers in May 2018, when it had recaptured Eastern Ghouta, the last rebel stronghold near Damascus. The Syrian state broadcaster SANA [Syrian Arab News Agency] reported in early August 2022 that the army was going to discharge some officers who had served as reservists or conscripts from their obligations. The decree stated that doctors, dentists and pharmacists who had served in the army as reservists or conscripts would be released from active service on 1 September 2022. The conscripts among them, however, would still have to complete their full period of military service. The decree made an exception for e.g. anaesthetists and trauma doctors, who could only be discharged if their medical unit no longer required their services.” (Netherlands Ministry of Foreign Affairs, August 2023, S. 56)