Anfragebeantwortung zu Syrien: Registrierung der Geburt eines Kindes (Zuständige Personen und Zeitrahmen); weitere Informationen zur Geburtenregistrierung [a-12359]

16. Mai 2024

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen, sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Inhaltsverzeichnis

Wann und von wem muss eine Geburt gemeldet/registriert werden?

Weitere notwendige Dokumente für die Registrierung einer Geburt

Quellen

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Bitte beachten Sie, dass die Übersetzung aus dem Arabischen unter Verwendung von technischen Übersetzungshilfen erstellt wurde. Es besteht daher ein erhöhtes Risiko, dass diese Arbeitsübersetzung Ungenauigkeiten enthält.

Wann und von wem muss eine Geburt gemeldet/registriert werden?

In einer vom UNHCR gemeinsam mit dem syrischen Innenministerium (Ministry of Interior, MoI) verfassten Informationsbroschüre von 2019 wird erklärt, dass jede Geburt im Land innerhalb eines Monats registriert werden müsse. Erziehungsberechtigte (legal guardians), die die Geburt ihres Kindes nicht innerhalb eines Monats registrieren würden, müssten eine Geldstrafe von 3.000 bis 15.000 syrischen Pfund (EUR 6.1 bis EUR 30.32)[1] bezahlen (UNHCR & MoI, 25. April 2019, S. 7).

Die Abteilung für Herkunftsländerberichte des niederländischen Außenministeriums (Ministerie van Buitenlandse Zaken, BZ) schreibt in einem Bericht zu Syrien vom Dezember 2019, dass die Eltern dafür verantwortlich seien, den Behören die Geburt des Kindes zu melden. Für eine in Syrien erfolgte Geburt müsse das innerhalb von 30 Tagen erfolgen, der Tag der Geburt selbst werde nicht mitgezählt. Falle der letzte Tag der Frist auf einen Feiertag, so gelte der auf den Feiertag folgende Tag als letzter Tag der Frist. Eine berechtigte Person (authorised person) könne eine Geburtsurkunde beantragen und erhalten, sobald die Geburt gemeldet worden sei (BZ, Dezember 2019, S. 33).

Die Norwegische Flüchtlingshilfe (Norwegian Refugee Council, NRC) erklärt in einem Bericht vom Dezember 2022 die Auswirkungen eines neuen, im März 2021 erlassenen Personenstandsgesetzes (Gesetz Nr. 13/2021), welches das Personenstandsgesetz von 2007 (Gesetz Nr. 26 vom 12. April 2007) ersetze. Dabei vergleicht NRC die neuen mit den bis dahin geltenden Bestimmungen und erklärt, dass in der Frage der Geburtenregistrierung das neue Gesetz festlege, dass Mutter und Vater gleichermaßen die Geburt registrieren lassen könnten, während in der alten Fassung des Gesetzes der Vater bevorzugt worden sei. Das neue Gesetz erlaube auch, dass erwachsene Verwandte bis zum vierten Grad (aqarib hata al-daragah al-rabeea) eine Geburt melden könnten, während das bis dahin geltende Gesetz von 2007 den mehrdeutigeren Begriff „Verwandte“ (aqarib) verwendet habe (NRC, 2. Dezember 2022, S. 9; siehe auch Personenstandsgesetz Nr. 26 von 2007, 12. April 2007, einschließlich Änderungen bis 9. Februar 2017; Personenstandsgesetz Nr. 13 von 2021, 25. März 2021).

Das Personenstandsgesetz Nr. 26 aus 2007 legt in Artikel 23 fest, dass die Meldepflicht für Geburten den folgenden Personen in folgender Reihenfolge obliege: Dem Vater, oder bei dessen Abwesenheit der Mutter oder den erwachsenen Verwandten des Kindes (Personenstandsgesetz Nr. 26 von 2007, 12. April 2007, einschließlich Änderungen bis 9. Februar 2017, Artikel 23).

Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom Mai 2024, dass bei Abwesenheit des Vaters – wenn dieser zum Beispiel seinen verpflichtenden Militärdienst leiste, das neugeborene Kind von der Mutter oder von erwachsenen Verwandten bis zum vierten Verwandtschaftsgrad ohne Probleme registriert werden könne. Diese würden nur die erforderlichen Dokumente benötigen. Es sei nicht notwendig, vom Militär eine schriftliche Bestätigung darüber zu erhalten, dass der Vater derzeit seinen Militärdienst leiste, und es sei im Militär nicht üblich, eine derartige Bestätigung auszustellen (Al-Mustafa, E-Mail-Auskunft 9. Mai 2024).

Nach Auskunft eines syrischen Akademikers könne die Ehefrau ein neugeborenes Kind registrieren, wenn der Mann seinen Militärdienst ableiste. Dokumente vom Rekrutierungsbüro seien dafür nicht notwendig (Syrischer Akademiker, E-Mail-Auskunft, 14. Mai 2024).

Weitere notwendige Dokumente für die Registrierung einer Geburt

Um eine Geburt in ein existierendes Familienbuch (family booklet) eintragen zu lassen, müsse sich der/die Inhaber·in des Familienbuchs mit allen notwendigen Unterlagen an das kompetente Standesamt wenden (UNHCR & MoI, 25. April 2019, S. 9).

Die folgenden Dokumente seien laut UNHCR & syrischem MoI notwendig, um eine Geburt registrieren zu lassen:

1.     Geburtsmeldung ausgestellt vom behandelnden Krankenhaus, Arzt oder Ärztin oder einer eingetragenen (licensed) Hebamme.

2.     Geburtsbescheinigung des Mukhtar [Dorfvorstand bzw. Vorstand eines Stadtteils] gemäß der Geburtsmeldung für Geburten zu Hause oder gemäß der vom Spital ausgestellten Geburtsmeldung für im Spital erfolgte Geburten.

3.     Familienbuch oder, falls nicht vorhanden, Identitätsausweise beider Eltern und zusätzlich eine Familienbescheinigung, die die Eintragung der Ehe bestätigt.

All diese Dokumente müssten bei demjenigen Standesamt (al-nufus) vorgelegt werden, in dem entweder das Personenstandsregister des Vaters geführt wird oder an dem Ort, wo die Geburt stattgefunden habe. Dann könne die Geburt registriert und eine offizielle Geburtsurkunde ausgestellt werden. Der zuständige Mukhtar sei entweder jener, der für das Gebiet zuständig sei, in dem die Geburt stattgefunden habe oder jener, der für das Gebiet zuständig sei, wo die Personenstandsregister der Eltern geführt würden (UNHCR & MoI, 25. April 2019, S. 21).

Das Niederländische Außenministerium (BZ) erklärt auf Grundlage mehrerer Quellen, dass für die Ausstellung einer Geburtsmeldung (taqrir wiladah) seitens des Spitalsdirektors, eines Arztes/einer Ärztin oder einer Hebamme keine Formvorgaben bestünden, dass jedoch manchmal eine Gebühr verrechnet werde. Auf Grundlage dieser Geburtsmeldung würde der Mukhtar eine Geburtsbescheinigung (shehadat wiladah) ausstellen. Auch dafür würde der Mukhtar manchmal eine Gebühr verlangen. Sei die Geburt außerhalb eines Spitals und ohne medizinische Hilfe erfolgt, könne der Mukthar einen Polizeibericht als Beweis verlangen, in dem zwei Zeugen die Ereignisse rund um die Geburt bestätigen. Der Elternteil müsse dann mit der Geburtsmeldung der medizinischen Einrichtung bzw. des medizinischen Personals sowie der Geburtsbescheinigung des Mukhtar zum Standesamt und dort diese Unterlagen sowie das Familienbuch vorlegen. Fehle jenes Dokument, seien auch die Identitätsausweise beider Eltern im Original zusammen mit einem Familienauszug, der nicht älter als drei Monate sein dürfe, ausreichend. Die einreichende Person müsse nachweisen, dass das Kind einer legalen Ehe entstamme. Eine Geburt könne nicht registriert werden, falls die Ehe nicht im Standesamt eingetragen sei (BZ, Dezember 2019, S. 33).

Muhsen Al-Mustafa erklärt in seiner E-Mail-Auskunft an ACCORD, dass folgende Dokumente zur Registrierung einer Geburt notwendig seien: (1) Geburtsanzeige durch Geburtshelfer oder Hebamme, (2) Geburtsurkunde vom Mukhtar oder dem Bürgermeister der (Klein)Stadt bzw. des Dorfes, oder (3) eine Geburtsurkunde, wenn die Geburt in einem staatlichen oder privaten Krankenhaus stattgefunden habe, sowie (4) eine Familienkarte (Familienbuch). Sei dieses nicht vorhanden, sei der Identitätsausweis der Eltern erforderlich. In einigen Fällen, vor allem in Dörfern und (Klein)Städten, werde Schritt (1) ausgelassen und die Geburt nach Erlangung einer Geburtsurkunde vom Mukhtar registriert. Bei der Registrierung eines Neugeborenen könne es auch vorkommen, dass das tatsächliche Geburtsdatum nicht angegeben werde und ein Geburtsdatum mit Jahresanfang registriert werde (Al-Mustafa, E-Mail-Auskunft 9. Mai 2024).

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 16. Mai 2024)

·      Al-Mustafa, Muhsen: E-Mail-Auskunft, 9. Mai 2024

·      BZ - Ministerie van Buitenlandse Zaken: Country of Origin Information Report Syria. Documents, Dezember 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029603/TAB+Documenten+Syrie+Engels+%28definitieve+versie%29.pdf

·      NRC – Norwegian Refugee Council: The 2021 Syrian Civil Status Law: Implications for Syrians Living Abroad, 2. Dezember 2022
https://www.nrc.no/globalassets/pdf/reports/csl-syrians-living-abroad/nrc-csl-for-syrians-regional-report-en.pdf

·      UNHCR – United High Commissioner for Refugees & MoI – Syrian Ministry of Interior: Civil Documentation and Registration in the Syrian Arab Republic, 25. April 2019
https://data.unhcr.org/en/documents/download/69169

·      Personenstandsgesetz – Gesetzesverordnung Nr. 26 von 2007, 12. April 2007, einschließlich Änderungen bis 9. Februar 2017 [Arabisch]
http://moia.gov.sy/portal/site/arabic/index.php?node=55333&cat=1831&#:~:text=%D8%A3%20%D9%80%20%D9%81%D9%8A%20%D8%AD%D8%A7%D9%84%20%D9%88%D9%84%D8%AF,1%20.

·      Personenstandsgesetz – Gesetz Nr. 13 von 2021, 25. März 2021 [Arabisch]
https://www.pministry.gov.sy/default.aspx?id=19263

·      Syrischer Akademiker: E-Mail-Auskunft, 14. Mai 2024


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Das Außenministerium der Niederlande (Ministerie van Buitenlandse Zaken, BZ) ist jene Regierungsbehörde der Niederlande, die für die auswärtigen Angelegenheiten des Landes zuständig ist.

·      BZ - Ministerie van Buitenlandse Zaken: Country of Origin Information Report Syria. Documents, Dezember 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029603/TAB+Documenten+Syrie+Engels+%28definitieve+versie%29.pdf

„The parents are responsible for declaring the birth of their child to the Syrian authorities in time. For a birth in Syria, a period of 30 days is allowed for this. For a birth abroad, the period is 90 days. The day of the birth is not counted. If the last day of the period falls on a national public holiday, the following day counts as the last day. An authorised person may apply for and obtain a birth certificate immediately after the birth has been declared.” (BZ, Dezember 2019, S. 33)

„The process of registering a birth in Syria consists of three steps. First, the declarant must obtain a birth notification or taqrir wiladah, prepared by a hospital director, doctor or midwife. There is no prescribed form for a birth notification. Some providers issue birth notifications for free, while others charge fees of between SYP 100 and SYP 500. On the basis of the birth notification, the mukhtar then draws up a birth attestation, referred to as shehadat wiladah. The mukhtar sometimes charges fees ranging from SYP 100 to more than SYP 500. If the birth took place outside a hospital, without the help of medical professionals, the mukhtar may require a police report as underlying evidence, in which two witnesses confirm the events surrounding the birth. The declaring parent goes with the birth notification from the medical institution or professional and the birth attestation from the mukhtar to the civil registry office. As well as the aforementioned documents, the declarant submits the family booklet. If this document is missing, the original identity cards of both parents are sufficient, together with a family extract that is no more than three months old. It is up to the declarant to prove that the child originated from a legal marriage. If the marriage is not recorded in the civil registry, the child’s birth cannot be registered. The total fee for a birth certificate is SYP 125.” (BZ, Dezember 2019, S. 33-34)

Norwegian Refugee Council (NRC) ist eine humanitäre Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Oslo, die sich für den Schutz der Rechte von Menschen einsetzt, die zur Flucht gezwungen wurden.

·      NRC – Norwegian Refugee Council: The 2021 Syrian Civil Status Law: Implications for Syrians Living Abroad, 2. Dezember 2022
https://www.nrc.no/globalassets/pdf/reports/csl-syrians-living-abroad/nrc-csl-for-syrians-regional-report-en.pdf

„For birth certificates (bayan wiladah), the CSL [Civilian Status Law] treats the mother and father equally with respect to being able to report the birth, whereas the CSL 2007 gave priority to the father. Another welcome change is the clarification that adult ‘relatives to the fourth degree’ (aqarib hata al-daragah al-rabeea) are able to report the birth. Previously, the CSL 2007 used the more ambiguous term ‘relatives’ (aqarib). This reportedly meant that it was difficult to get the records of relatives such as cousins.” (NRC, 2. Dezember 2022, S. 9)

·      Personenstandsgesetz Nr. 26 von 2007, 12. April 2007, einschließlich Änderungen bis 9. Februar 2017 [Arabisch]
http://moia.gov.sy/portal/site/arabic/index.php?node=55333&cat=1831&#:~:text=%D8%A3%20%D9%80%20%D9%81%D9%8A%20%D8%AD%D8%A7%D9%84%20%D9%88%D9%84%D8%AF,1%20.

„Geburten

Artikel 23

Die Pflicht, Geburten zu melden, obliegt folgenden Personengruppen in der folgenden Reihenfolge:

a) Dem Vater, bei dessen Abwesenheit der Mutter oder den erwachsenen Angehörigen des Neugeborenen obliegt diese Pflicht.

(b) Die Leiter der betroffenen Einrichtungen, wie öffentliche und private Krankenhäuser, Gefängnisse und Steinbrüche; diese Einrichtungen sind verpflichtet, besondere Aufzeichnungen zu führen, um dieses Ereignis festzuhalten.

Im Fall (a) ist die Geburtsurkunde neben der Unterschrift des Mukhtar und des Arztes oder der Hebamme auch von der für die Geburtenmeldung verantwortlichen Person zu unterzeichnen.“ (Personenstandsgesetz Nr. 26 von 2007, 12. April 2007, einschließlich Änderungen bis 9. Februar 2017)

UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) ist das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. MoI ist das syrische Innenministerium.

·      UNHCR – United High Commissioner for Refugees & MoI – Syrian Ministry of Interior: Civil Documentation and Registration in the Syrian Arab Republic, 25. April 2019
https://data.unhcr.org/en/documents/download/69169

„Every child born inside the country must be registered within one month of the birth; however, if the birth event occurs outside the country, the registration period is 90 days, which also applies to death, marriage and divorce. Upon reaching the age of 14, every child must apply for an ID card. Legal guardians failing to register their child’s birth within one month are subject to a fine of 3,000 to 15,000 SYP; whereas those failing to apply for their eligible child’s ID card may be subject to a fine of at least 5,000 SYP.” (UNHCR & MoI, 25. April 2019, S. 7)

„How can a child’s birth or a second marriage be added to an existing family booklet?
The holder of the booklet shall approach the competent civil registry with all the necessary documentation every time a new civil status event (such as marriage, divorce, death, birth) occurs in order to be added to the family booklet.” (UNHCR & MoI, 25.
 April 2019, S. 9)

„What are the required documents and steps to register a birth?

·        1.Birth notification from the administering hospital, doctor or licensed midwife.

·        2.Birth attestation obtained from the mukhtar as per the birth notification for the births occurring at home, or as per birth attestation issued by the hospital for the births occurring in the hospital.

·        3.Family booklet, if not available, the personal ID cards of both parents, in addition to a family statement which proves the registration of marriage.

All the above documents shall be submitted to the civil registry department (al-nufus), either where the father’s civil records are kept or where the birth took place, and then the birth will be registered and the official birth certificate issued.

Which mukhtar should endorse the birth attestation?

The responsible mukhtar for the birth attestation is either the mukhtar responsible for the area where the birth took place, or the mukhtar of the area where the parents’ civil registry records are kept.” (UNHCR & MoI, 25. April 2019, S. 21)



[1] Umrechnung gemäß des Währungsrechners (InforEuro) der Europäischen Kommission (mit Stand April 2019), abrufbar unter folgendem Link: https://commission.europa.eu/funding-tenders/procedures-guidelines-tenders/information-contractors-and-beneficiaries/exchange-rate-inforeuro_de.