Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2]

6. September 2023

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Es konnten online nur wenige Quellen zu den gefragten Themenbereichen gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, AANES, Rojava, Selbstverteidigungsdienst, Selbstverteidigungskräfte, verweigern, weglaufen, entziehen, Araber, Konsequenzen, Wahrnehmung, Familie, Probleme, Einsatz, Front. Die folgende Anfragebeantwortung stützt sich Großteils auf einen Bericht über Rekrutierung in der Provinz Hasaka des Danish Immigration Service (DIS) vom Juni 2022.

Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften (Tod, Folter, Freiheitsentzug)

Das Rojava Information Center (RIC) veröffentlicht im Juni 2020 eine englische Übersetzung des Militärdienstgesetzes von Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES). Laut Artikel 13 werde jede Abwesenheit mit einer Verlängerung der Dienstzeit um einen Monat bestraft. Ein Wehrpflichtiger gelte als abwesend, wenn die Person kein Selbstverteidigungsdienstbuch erhalten habe und/oder nicht binnen 60 Tagen ab Datum des Einzugs in den Selbstverteidigungsbüros vorstellig geworden sei (RIC, Juni 2020).

Das Danish Immigration Service (DIS) veröffentlicht im Juni 2022 einen Bericht über militärische Rekrutierung in der Provinz Hasaka. Für den Bericht führte DIS im Jänner und Februar 2022 fünfzehn Interviews mit Expert·innen und Informanten, die unter anderem über die Situation von Personen, die sich dem Selbstverteidigungsdienst entziehen, befragt wurden. Laut einem kurdisch-syrischen Journalisten und Autoren aus Qamischli, sowie Wladimir van Wilgenburg (Journalist, politischer Analyst und Autor mehrerer Bücher über Kurd·innen in Syrien) sei Kriegsdienstverweigerung für Wehrpflichtige in der AANES keine Option (DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 70).

Fabrice Balanche, Associate Professor an der Universität von Lyon 2, ein/e Expert·in der International Crisis Group, der genannte syrisch-kurdische Journalist und Autor, ein syrisch-kurdischer politischer Analyst, ein/e Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak und ein syrisch-kurdischer Universitätsprofessor im Irak bestätigen gegenüber DIS, dass eine Person, die den Selbstverteidigungsdienst verweigere oder sich ihm entziehe („draft evader“), wenn sie aufgegriffen werde, direkt in ein Trainingslager überstellt werde, um ihren Dienst anzutreten (DIS, Juni 2022, S. 42; DIS, Juni 2022, S. 45; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 57; DIS, Juni 2022, S. 66).

Laut Fabrice Balanche und drei lokalen Bewohnern der Provinz Hasaka könnten gefasste Wehrpflichtige, die sich dem Dienst entzogen hätten, von den Behörden festgehalten werden, bis ihr Status geklärt sei (DIS, Juni 2022, S. 42) oder ein geeigneter Ausbildungsort für sie gefunden werde (DIS, Juni 2022, S. 61). Laut Fabrice Balanche könnten Wehrpflichtige aus diesem Grund für ein bis zwei Tage (DIS, Juni 2022, S. 42), laut den Bewohnern von Hasaka ein bis zwei Wochen (DIS, Juni 2022, S. 61) inhaftiert werden. Beide Quellen hätten nicht von Misshandlungen während der Haftzeit gehört (DIS, Juni 2022, S. 42; DIS, Juni 2022, S. 62).

Der/Die Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak habe gegenüber DIS angegeben, dass es keine Strafe für Personen gebe, die sich der Selbstverteidigungspflicht entzogen hätten (DIS, Juni 2022, S. 57). Fabrice Balanche habe erwähnt, dass Wehrdienstverweigerer weder eine Geldstrafe noch eine Gefängnisstrafe erhalten würden (DIS, Juni 2022, S. 42; siehe auch: DIS, Juni 2022, S. 49). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group gebe es keine Strategie zur Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern (DIS, Juni 2022, S. 45). Der syrisch-kurdische Journalist und Autor erklärt gegenüber DIS, dass Wehrdienstverweigerer ihren Selbstverteidigungsdienst einen Monat länger als die anderen Rekruten ableisten müssten. Er habe nicht von Misshandlungen von Wehrdienstverweigerern während ihres Dienstes aufgrund ihres Entzugs vom Wehrdienst gehört (DIS, Juni 2022, S. 49-50). Auch die drei Bewohner von Hasaka hätten berichtet, dass ihrer Erfahrung nach die Wehrdienstverweigerung keinen Einfluss auf die Behandlung des eingezogenen Wehrdienstverweigerers habe (DIS, Juni 2022, S. 62). Der syrisch-kurdische politische Analyst habe erklärt, dass es Wehrdienstverweigerern, die gefasst würden, nicht gestattet sei, nach Hause zu gehen, um ihre Sachen zu holen oder sich von ihrer Familie zu verabschieden. Die Person könne um Erlaubnis bitten, während ihres Dienstes ihre Familie zu besuchen. Sollten die Behörden jedoch vermuten, dass die Person bei einer Freistellung desertieren könnte, werde die Genehmigung nicht erteilt. Nach Beendigung der Dienstzeit werde die Person entlassen und ihre ursprüngliche Weigerung habe keinen Einfluss auf die Dauer der Dienstzeit (DIS, Juni 2022, S. 53-54). Laut dem syrisch-kurdischen Journalisten würden Wehrdienstverweigerer in ein Gebiet weit von ihrem Wohnort entfernt geschickt und mit schwierigen Aufgaben betraut. Sie würden keine Geldstrafe erhalten (DIS, Juni 2022, S. 59).

Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (Syrienexperte, 15. August 2023).

Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Asayish (kurdische Sicherheitsbehörde, Anmerkung ACCORD) würde den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Konsequenzen für Angehörige

Die Interviewpartner·innen von DIS stimmen darin überein, dass eine Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften keine Konsequenzen für Angehörige habe (DIS, Juni 2022, S. 43; DIS, Juni 2022, S. 45; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 54; DIS, Juni 2022, S. 64; DIS, Juni 2022, S. 66). Laut Fabrice Balanche könnten Behörden Familienmitglieder nach dem Aufenthaltsort des Verweigerers fragen, doch die Familie würde nicht unter Druck gesetzt oder anderweitig belästigt (DIS, Juni 2022, S. 43). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group würden keine Hausdurchsuchungen stattfinden, um Wehrdienstverweigerer zu finden und Familienmitglieder würden auch nicht schikaniert (DIS, Juni 2022, S. 45). Der politische Analyst habe berichtet, dass fünf seiner Geschwister sich dem Dienst entzogen hätten. Die Behörden hätten das Haus seiner Mutter einmal durchsucht, seine Familie jedoch nicht weiter belästigt (DIS, Juni 2022, S. 54). Laut der Gruppe lokaler Einwohner gebe es die Möglichkeit, dass die Behörden Hausdurchsuchungen durchführen würden. Familienmitglieder würden jedoch ihrer Erfahrung nach niemals mitgenommen („they will […] never take family members“) (DIS, Juni 2022, S. 64). Im Gegensatz dazu habe der syrisch-kurdische Journalist erklärt, dass Familienmitglieder durch Hausdurchsuchungen und Fragen über den Wehrdienstverweigerer von der Militärpolizei psychologisch unter Druck gesetzt würden. Sollte die Militärpolizei mit den Antworten der Familienmitglieder unzufrieden sein, würden sie versuchen, eine andere Art von Druck auszuüben. Der Journalist habe jedoch nicht spezifiziert, um welche Art von Druck es sich dabei handle (DIS, Juni 2022, S. 59).

Situation von Arabern

Ein Universitätsprofessor in Erbil habe gegenüber DIS im Jänner 2022 ausgesagt, dass er davon ausgehe, dass Araber, die sich dem Dienst in den Selbstverteidigungskräften entzogen hätten, nicht im gleichen Ausmaß zum Beitritt gezwungen würden wie Kurden (DIS, Juni 2022, S. 66).

Fabrice Balanche erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom August 2023, dass Araber und Kurden, die keinen Selbstverteidigungsdienst leisten, vor dem Gesetz gleichbehandelt würden. Es gebe eine Verhaftung und Zwangsbeitritt in die Selbstverteidigungskräfte. Laut Balanche zeige man in der AANES jedoch mehr Flexibilität gegenüber Arabern, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem Syrienexperten seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete würden unter derselben Art von Kontrolle stehen. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir Ezzour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz Hasaka durchzusetzen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Auf die Frage, ob arabische Wehrdienstverweigerer anders behandelt werden als kurdische, antwortet Al-Mustafa im September 2023, dass die Konsequenzen des Fernbleibens für alle gleich seien, jedoch könnten arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein. Es sei anzumerken, so Al-Mustafa, dass sich die meisten kurdischen jungen Männer freiwillig bei den SDF [Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens] melden würden und daher von der Selbstverteidigungspflicht befreit seien (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern (als Gegner/ Oppositionelle)

Es konnten online keine Informationen über die Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern, gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, AANES, Rojava, Selbstverteidigungsdienst, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungskräfte, verweigern, weglaufen, verstecken, Wahrnehmung, Probleme, Gegner, Oppositionelle, Anfeindung, Gesellschaft, Araber, Kurden, Stämme, Behörden

Fabrice Balanche schreibt in seiner E-Mail an ACCORD, dass Kurden Arabern im Allgemeinen nicht vertrauen und annehmen würden, dass sie gegen die AANES seien. Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, würden nicht als Terroristen wahrgenommen, sondern eher als Feiglinge und Gegner der AANES. Die Kurden seien pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem von ACCORD kontaktierten Syrienexperten würden Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, als Gegner der kurdischen Hegemonie im Nordosten Syriens wahrgenommen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Al-Mustafa erklärt in seiner E-Mail-Auskunft vom September 2023, dass arabische Wehrdienstverweigerer als Verräter der AANES angesehen werden könnten, die ihrer Pflicht nicht nachkommen würden, die von den SDF kontrollierten Gebiete zu schützen. Es könne ihnen vorgeworfen werden, Mitglieder des Islamischen Staates zu sein oder ausländische Kräfte zu unterstützen. Eine Quelle vor Ort habe Al-Mustafa berichtet, dass einige Personen während ihrer Verhaftung (weil sie der Pflicht des Selbstverteidigungsdienstes nicht nachgekommen seien) ihr Leben verloren hätten. Laut einer anderen Quelle gebe es in manchen Gebieten mit Stammeseinfluss mehr Flexibilität bei der Anwendung der Selbstverteidigungspflicht. SDF-Beamte würden jedoch bei jedem Meeting an die Notwendigkeit erinnert werden, dass alle, und insbesondere Araber, sich dem Selbstverteidigungsdienst anzuschließen hätten. Araber würden die Selbstverteidigungspflicht im Allgemeinen ablehnen und die SDF lediglich als „De-facto-Autorität“ betrachten (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front

Laut RIC würden Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise nicht an aktiver Front kämpfen. Sie würden in der Regel eine ideologische und militärische Ausbildung absolvieren, bevor sie an Checkpoints oder Straßensperren stationiert und logistische Unterstützung für freiwillige Streitkräfte leisten würden (RIC, Juni 2020).

Laut der syrisch-kurdischen Nachrichtenagentur North Press Agency (NPA) würden Rekruten des Selbstverteidigungsdienstes dazu eingesetzt, Militärgebäude zu bewachen und würden an Militäreinsätzen gegen den Islamischen Staat (IS) teilnehmen (NPA, 23. Februar 2022).

Die Interviewpartner·innen von DIS hätten übereinstimmend berichtet, dass die Wehrpflichtigen der Selbstverteidigungskräfte allgemein nicht an der Front eingesetzt würden (DIS, Juni 2022, S. 37; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 57; DIS, Juni 2022, S. 60; DIS, Juni 2022, S. 63; DIS, Juni 2022, S. 67; DIS, Juni 2022, S. 71) Der Universitätsprofessor habe gegenüber DIS erklärt, dass der ideologische Zweck der Selbstverteidigungspflicht darin bestehe, die Jugend auf Sicherheitsnotsituationen vorzubereiten. Die Wehrpflichtigen würden hauptsächlich für Aufgaben der inneren Sicherheit in den Städten eingesetzt (DIS, Juni 2022, S. 67). Der/die Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak habe angegeben, dass die Aufgabe der Selbstverteidigungspflichtigen darin bestehe, das Sicherheitsvakuum in Nordostsyrien zu füllen. In städtischen Gebieten seien sie für die Bewachung der öffentlichen Gebäude und der AANES-Institutionen verantwortlich. Wehrpflichtige könnten auch an der Front eingesetzt werden, um professionelle Kräfte, die an vorderster Front kämpfen, zum Beispiel durch Logistik und Bewachung der eroberten Gebiete etc. zu unterstützen (DIS, Juni 2022, S. 57). Laut Aram Hanna, Sprecher der SDF, würden die Selbstverteidigungspflichtigen zum Schutz von befreiten Gebieten, nicht jedoch zum Kampf in selbigen, eingesetzt (DIS, Juni 2022, S. 37-38). Laut Wladimir von Wilgenburg sei es die Hauptaufgabe von Wehrpflichtigen, Versorgungswege im Hintergrund zu schützen (DIS, Juni 2022, S. 71). Zwei lokale Bewohner hätten gegenüber DIS erklärt, dass es als Rekruten der Selbstverteidigungspflicht ihre Aufgabe gewesen sei, die Straße zwischen dem Al-Omar-Ölfeld und dem Al-Tanak-Ölfeld in der Provinz Deir Ezzour zu schützen und zu sichern. Andere hätten die drei Hauptstaudämme in Syrien, die sich in den von der AANES kontrollierten Gebieten befinden, geschützt (DIS, Juni 2022, S. 63). Drei der Interviewpartner·innen hätten gegenüber DIS angegeben, dass die Wehrpflichtigen dafür eingesetzt würden, Checkpoints zu sichern (DIS, Juni 2022, S. 43; DIS, Juni 2022, S. 46; DIS, Juni 2022, S. 71). Laut Fabrice Balanche gebe es Fälle, bei denen Rekruten an Checkpoints getötet worden seien (DIS, Juni 2022, S. 43). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group würden Wehrpflichtige meist in ihren eigenen Provinzen eingesetzt. Araber hätten sich darüber beschwert, dass die Provinzen, in denen sie dienen, weniger sicher seien, da es dort mehr IS-Angriffe gebe als in anderen Gebieten Nordostsyriens (DIS, Juni 2022, S. 46). Der Journalist und Autor habe angemerkt, dass es angesichts der Tatsache, dass es sich beim Selbstverteidigungsdienst um einen Militärdienst handle, möglich sei, dass Militärkommandanten entscheiden würden, Rekruten auch für Kämpfe einzusetzen (DIS, Juni 2022, S. 49-50). Auch der syrisch-kurdische Journalist habe angegeben, dass Wehrpflichtige der Selbstverteidigungspflicht in Konfliktzeiten zum Kampf eingesetzt werden könnten (DIS, Juni 2022, S. 60). Laut des politischen Analysten sowie dem/r Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan sei es möglich, dass Wehrpflichtige freiwillig kämpfen würden (DIS, Juni 2022, S. 53; DIS, Juni 2022, S. 57). Die drei lokalen Bewohner hätten angegeben, dass es Situation gegeben habe, in denen die Behörden die Selbstverteidigungskräfte für Kämpfe eingesetzt hätten, wie zum Beispiel während der Operation in Raqqa im Jahr 2017 und beim Gefängnisaufstand in Hasaka im Jänner 2022 (DIS, Juni 2022, S. 63).

Fabrice Balanche merkte in seiner E-Mail-Auskunft an ACCORD an, dass es im Gebiet der AANES seit Oktober 2019 keine aktive Front mehr gebe. Wehrpflichtige würden nicht an die Front geschickt. Sie könnten jedoch durch Terroranschläge hinter der Frontlinie getötet werden. Es gebe gefährliche Gebiete, wie beispielsweise südöstlich der Provinz Deir Ezzour und Wehrpflichtige würden regelmäßig bei Patrouillen oder an Straßensperren getötet (Balanche, 9. August 2023).

Auch der kontaktierte Syrienexperte gab in seiner E-Mail an, dass ihm keine Fälle bekannt seien, in denen Rekruten an die Front geschickt würden. Die aktuelle Phase des Konflikts zeichne sich durch eingefrorene Frontlinien und einem Konflikt von geringer Intensität aus (Syrienexperte, 15. August 2023).

Laut Al-Mustafa könnten Rekruten an die Front geschickt werden. Einige von ihnen seien beim Einsatz an der Front getötet worden (Al-Mustafa, 1. September 2023).

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am [Veröffentlichungsdatum])

·      Al-Mustafa, Muhsen: E-Mail-Auskunft, 1. September 2023

·      Balanche, Fabrice: E-Mail-Auskunft, 9. August 2023

·      DIS – Danish Immigration Service: Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, Juni 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf

·      NPA – North Press Agency: Selbstverwaltung erlässt Amnestie für Personen, die sich dem Dienst zur Selbstverteidigung entzogen haben [Arabisch] 23. Februar 2022
https://npasyria.com/98024/

·      RIC – Rojava Information Center: Translation: Law concerning military service in North and East Syria, Juni 2020
https://rojavainformationcenter.com/2020/06/translation-law-concerning-military-service-in-north-and-east-syria/

·      Syrienexperte: E-Mail-Auskunft, 15. August 2023


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Das Danish Immigration Service (DIS) ist die in Dänemark für Einwanderung, Einreise und Aufenthalt von Ausländer·innen zuständige Behörde des Ministeriums für Einwanderung und Integration.

·      DIS – Danish Immigration Service: Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, Juni 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf

„WhatsApp meeting with Aram Hanna, SDF [Syrian Democratic Forces] spokesperson, 31 January 2022 […]

The Self-Defence Forces (HXP) are both linked to the SDF and to the Autonomous Administration of North and East Syria (AANES). […]

Under normal circumstances, the SDF will be deployed to the frontline as the primary fighting forces to attack or defend an area. Once an area has been liberated or protected, the HXP is deployed to guard the area, but not to fight. This has happened in e.g. Afrin, Tell Abyad and north of Tell Tamer.“ (DIS, Juni 2022, S. 37-38)

„Skype meeting with Fabrice Balanche, 9 February 2022 […]

At checkpoints, people’s ID-cards are checked, and if a person evades his Self-Defence Duty, he will be caught by the military police and sent directly to training camps to serve his duty. Sometimes, it may take one-two days before the Self-Defence Duty status of a person caught at a checkpoint is clarified, and the person is detained during the clarification process. The source has not heard of cases of ill-treatment during the detention. […]

A draft evader is not fined or imprisoned. Deserters will be trialled and punished with imprisonment; however, the source have not heard of specific cases of deserters being trialled.“ (DIS, Juni 2022, S. 42)

„The conscripts are not used in active fighting as the Self-Defence Forces (HXP) are auxiliary forces, which for instance are used for guarding checkpoints etc. However, there are cases of conscripts being killed while guarding a checkpoint. The source mentioned the case of a conscript in from Kahtanieh east of Qamishli who was killed by a sniper in Deir Ezour area. […]

Evading or deserting from the mandatory Self-Defence Duty does not have consequences for one’s family. The authorities may ask family members about the evader’s/deserter’s whereabouts, but they do not put pressure on family members or bother them in any other way in order to make the evader/deserter to report.

The source has not heard about any discrimination of Arabs or other minorities in the HXP.“ (DIS, Juni 2022, S. 43)

„Skype meeting with an expert from the International Crisis Group, 17 February 2022 […]

Self-Defence Duty […]

There are makeshift checkpoints where IDs are checked. In the event a draft evader is stopped, he will be taken to serve his duty. There is no policy of detaining draft evaders. There are no house raids to find draft evaders, and family members are not being harassed in order to find draft evaders.“ (DIS, Juni 2022, S. 45)

„The Self-Defence Duty conscripts are assigned to serve in their own province, usually manning checkpoints. Arabs complain that the provinces they serve in are less secure, as there are more IS attacks there than other areas of NES [North East Syria].“ (DIS, Juni 2022, S. 46)

„Meeting with a journalist and writer, Erbil, 27 January 2022 […]

Conscientious objection to Self-Defence Duty is not an option. […]

Draft evaders and deserters can be found at checkpoints or through house raids. House raids are conducted by Asayish. There have been no consequences for family members during these house raids.

A person caught by the AANES [Autonomous Administration of North and East Syria] authorities for having evaded or deserted from his Self-Defence Duty will not be detained irrespective of whether his is a draft evader or a deserter. Instead he will be taken to the HXP [Self-Defence Forces] to serve his Self-Defence Duty. A draft evader will be asked to serve his Self-Defence Duty for an additional month, while a deserter will also be asked to serve longer – the exact length will depend on the circumstances of his desertion. The source has not heard of mistreatment of draft evaders or deserters during their service because of their evasion or desertion.

Generally, HXP does not engage in active fighting, which is done by other and more trained forces. However, considering the fact that Self-Defence Duty is a military service, it is possible that military commanders decide that HXP should be used for fighting as well.“ (DIS, Juni 2022, S. 49-50)

„Meeting with a political analyst, Erbil, 31 January 2022 […]

The source knew of persons, who during their service in HXP [Self-Defence Forces] were deployed to the frontline, but they did it voluntarily.

If an evader is caught by the authorities, he would immediately and directly be taken to a HXP training camp to start his Self-Defence Duty. He would not be allowed to go home, collect his stuff and say goodbye to his family. The person can ask for permission to leave and visit his family during his service. However, if the authorities suspect that he may take advantage of the leave to desert and flee the area, he will not be given permission to leave. After completing his service, the person will though be discharged and his evasion does not have any impact on the length of his service.

Evasion or desertion would not have any consequences for the evader’s family members in the sense that the authorities would harass the family or take a family member. However, the authorities would conduct house searches to find the evader. The political analyst has five siblings who all evaded their Self-Defence Duty. The authorities once searched for the evading siblings at the analyst’s mother’s house.“ (DIS, Juni 2022, S. 53-54)

„Meeting with Representation of the Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) in the Kurdistan Region of Iraq, Suleimania, 29 January 2022 […]

There is no punishment for individuals evading the Self-Defence Duty; they are merely required to do their Self-Defence Duty. […]

In general, the mission of the HXP [Self-Defence Forces] is to fill the security vacuum in NES, i.e. to carry out the security tasks not undertaken by the professional forces primarily responsible for defending the region. For instance, in the urban areas, the HXP is responsible to guard the public buildings and the AANES͛s institutions. The HXP may also be deployed to the frontlines to provide support to professional forces fighting at the forefront (e.g. logistics, guarding the captured areas etc.). Generally, the HXP are generally not used for or required to fight at the forefront, and any participation of individual HXP members in fighting is merely based on the individual’s voluntary decision.“ (DIS, Juni 2022, S. 57)

„Meeting with a Syrian Kurdish journalist, Erbil, 31 January 2022 […]

If a draft evader is caught, he will be taken to the military headquarters. The evader will then be sent to an area that is located far away from his home and given hard tasks. Draft evaders are not fined. […]

If the wanted recruit does not show up, the military police will visit his house to take him to the service or gather information about his whereabouts. This puts a psychological pressure on the family. It is possible that family members are called in for questioning as well. During the questioning, the family members will be asked about the evader’s whereabouts and why the evader did not appear for service. If the military police are unhappy with the answers they will try another way of pressure. However, the source did not specify what kind of pressure this is. This practice is ongoing. The source has this knowledge from eyewitnesses and from stories of people who the source knows.“ (DIS, Juni 2022, S. 59)

„HXP [Self-Defence Forces] is usually not deployed to the frontline; however, the force can be used for fighting in times of conflict.“ (DIS, Juni 2022, S. 60)

„Skype group meeting with three local residents, 1 February 2022 […]

When an evader is identified and caught by the authorities, he may be detained one-two weeks (depending on how the evasion has been and how the person is taken) until a proper training location is found for him.“ (DIS, Juni 2022, S. 61)

„Detained evaders are not subjected to ill-treatment during the detention period. Source 2 was not beaten or ill-treated, and he was provided the same food as other inmates. The detention period is not reduced from the detainee’s Self-Defence Duty period. The Self-Defence Duty period starts the day, a person is deployed to a training camp.

According to what the sources have experienced during their Self-Defence Duty and what they have heard from others, evasion will not have any impact on treatment of the conscripted evader during the Self-Defence Duty, and the evaders will not be treated differently during the Self-Defence Duty than other conscripts. What is important for the authorities is that people enlist and do their Self-Defence Duty, and once they have started their duty, they do not care about whether the person has been an evader or not.“ (DIS, Juni 2022, S. 62)

„In general, the HXP [Self-Defence Forces] are not used for fighting at frontlines. For instance, the main task of the group within the HXP, which source 2 and 3 belonged to during their service, was to protect and secure the road between the Al-Omar oil field and Al-Tanak oil field in the Deir Ezzour Governorate. Another example of tasks conducted by the HXP is the protection of the three main dams in Syria, which are located in the areas controlled by the AANES [Autonomous Administration of North and East Syria].

However, there have been situations where the authorities have used the HXP for fighting, for example during the operation in Raqqa in 2017 and in the recent prison riot in Hasakah in January 2022.“ (DIS, Juni 2022, S. 63)

„Evasion or desertion has no consequences or the evader’s or deserter’s family members and the authorities will not touch the parents or the relatives of the person. The authorities may conduct house search to find a deserter or evader, but they will, based on the sources’ experiences, never take family members.“ (DIS, Juni 2022, S. 64)

„Meeting with a university professor, Erbil, 28 January 2022 […]

Evaders will be forced to do their Self-Defence Duty if they are caught by the military police. The source assumes that Arab evaders would not be forced to join the HXP [Self-Defence Forces] to the same extent as Kurdish evaders would. Evasion will not have any impact on the family members of the evader. The source know of several young Syrian Kurds, who evaded the Self-Defence Duty, fled to the Kurdistan Region of Iraq and joined the Iraqi Kurdish Peshmerga forces whilst their families are still living in NES [North East Syria], and nothing has happened to their families.“ (DIS, Juni 2022, S. 66)

„HXP [Self-Defence Forces] is not meant to be used for fighting at the forefront. The ideological purpose of the Self-Defence Duty is to prepare the youth for emergency security situations. The Self-Defence conscripts are mainly used for internal security tasks in the cities. The source has not heard of cases of Self-Defence conscripts being deployed to the forefront for fighting.“ (DIS, Juni 2022, S. 67)

„Meeting with Wladimir van Wilgenburg, Erbil, 26 January 2022 […]

The source has not heard about the possibility of conscientious objections to conscription in the HXP [Self-Defence Forces].“ (DIS, Juni 2022, S. 70)

„Generally, HXP [Self-Defence Forces] is meant to be an auxiliary force, which means that it is not an active fighting force used at the frontline; its main task is to protect supply lines in the background. When the SDF [Syrian Democratic Forces] needs forces, the HXP can be allocated to a specific area, e.g. for guarding checkpoints. Initially, the HXP was also meant to be border guards, but it is no longer part of their tasks to guard the borders.“ (DIS, Juni 2022, S. 71)

Das Rojava Information Center (RIC) ist eine syrische Nachrichtenagentur mit Hauptsitz in Qamischli, deren Ziel es ist, ausländischen Journalist·innen Informationen der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens zur Verfügung zu stellen.

·      RIC – Rojava Information Center: Translation: Law concerning military service in North and East Syria, Juni 2020
https://rojavainformationcenter.com/2020/06/translation-law-concerning-military-service-in-north-and-east-syria/

„Self-defence duty does not typically mean fighting on active frontlines. Conscripts typically complete a course of ideological and military training, before being posted to man checkpoints and roadblocks, and offer second-line and logistical support to the YPG and other voluntary, non-conscripted forces during combat. […]

Absentee: Every conscript who has not obtained a Self-Defense Duty passbook, and/or has not committed to review at the Self-Defense offices, without legal excuse, within a period of 60 days from the date of his assignment. […]

Article (13):

Every absentee shall be punished by the addition of one month to the end of his service.“ (RIC, Juni 2020)