Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Japan 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Japan

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Fumio Kishida

Stand:
1/2023

Die Behörden reagierten nur unzureichend auf die Klimakrise. Frauen, Migrant*innen, Asylsuchende, ethnische Koreaner*innen und lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) wurden unvermindert diskriminiert. Nach wie vor gab es Berichte darüber, dass ausländische Staatsangehörige in Einwanderungszentren unangemessen lange festgehalten und unmenschlich behandelt wurden.

Hintergrund

Der frühere Premierminister Shinzo Abe starb im Krankenhaus, nachdem im Juli 2022 bei einer Wahlveranstaltung auf ihn geschossen worden war. Im November trat Justizminister Yasuhiro Hanashi zurück, nachdem er einen Witz über die Todesstrafe gemacht und dabei gesagt hatte, dass man als Justizminister nur dann Schlagzeilen mache, wenn man Hinrichtungsbefehle unterzeichne.

Klimakrise

Japan war auch 2022 weltweit der größte öffentliche Geldgeber für Öl-, Gas- und Kohleprojekte und einer der Spitzenreiter bei der Nutzung von Kohle für die Stromerzeugung. Dies lief den Zielsetzungen des Pariser Klimaschutzabkommens zuwider.

Der von Premierminister Fumio Kishidas Kabinett im Oktober 2021 verabschiedete sechste strategische Energieplan blieb weiter in Kraft. Der Plan zielte darauf ab, die japanische Wirtschaft bis 2050 zu dekarbonisieren und bis 2030 eine Senkung der Treibhausgase um 46 Prozent (ausgehend von 2013) zu erreichen. Diese Ziele waren nicht ambitioniert genug, um den im Pariser Klimaschutzabkommen angestrebten maximalen globalen Temperaturanstieg von 1,5 °C zu gewährleisten. Der Plan behielt sich auch 19 Prozent Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke vor, was im Widerspruch zu dem Erfordernis eines bis 2030 nahezu vollständigen Kohleausstiegs steht. Insgesamt waren 166 Kohlekraftwerke in Betrieb, was den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen verzögerte. Japan plante außerdem den Bau neuer Kohlekraftwerke.

Diskriminierung

Im Internet gab es nach wie vor Aufrufe zum Hass gegen ethnische Koreaner*innen. In den Sozialen Medien zirkulierten Falschinformationen, wonach in Japan lebende ethnische Koreaner*innen hinter der Ermordung des früheren Premierministers Shinzo Abe steckten. Im August 2022 wurde ein Mann zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er sieben Gebäude in der südlich von Kyoto gelegenen, koreanisch geprägten Stadt Uji abgebrannt hatte. Der Täter war dem Vernehmen nach von koreafeindlichen Kommentaren in den Sozialen Medien beeinflusst worden und räumte ein, dass das Ziel seiner Tat gewesen sei, Koreaner*innen Angst davor zu machen, in Japan zu leben.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Das japanische Parlament verabschiedete auch 2022 keinen Gesetzentwurf, der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsmerkmale verbieten würde. Im Juni 2022 verwarf das Bezirksgericht Osaka die Klagen dreier gleichgeschlechtlicher Paare – zwei männliche und ein weibliches –, die das Verbot gleichgeschlechtlicher Eheschließungen als verfassungswidrig beanstandet hatten.

Ebenfalls im Juni verabschiedete die Verwaltung der Präfektur Tokio ein Gesetz, mit dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt und gleichgeschlechtlichen Paaren einige der Rechte zugestanden wurden, die bereits für heterosexuelle Ehepaare galten. Von November an wurden Lebenspartnerschaftsurkunden ausgestellt, was jedoch noch keine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit rechtsgültigen Ehen bedeutete. Das Bezirksgericht Tokio bestätigte das landesweit geltende Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen, erkannte aber an, dass das völlige Fehlen eines legalen Zugangs für gleichgeschlechtliche Paare zur Gründung einer Familie eine Beeinträchtigung ihrer Menschenrechte darstellt.

Frauenrechte

In einer vom Weltwirtschaftsforum in 146 Ländern durchgeführten Erhebung, die basierend auf wirtschaftlicher und politischer Teilhabe sowie Bildung, Gesundheit und anderen Chancen für Frauen den Fortschritt bezüglich der Geschlechtergleichstellung bewertete, rangierte Japan an 116. Stelle. Frauen waren landesweit in der Politik unterrepräsentiert und machten lediglich 10,6 Prozent sämtlicher Mitglieder der Präfekturparlamente aus.

Im Juli 2022 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil eines Hohen Gerichts, das den Fernsehjournalisten Noriyuki Yamaguchi anwies, der Journalistin Shiori Itō 3,32 Mio. Yen (etwa 23.600 Euro) Schadensersatz zu zahlen. Das Hohe Gericht war zu dem Urteil gekommen, dass Noriyuki Yamaguchi Shiori Itō in einem Hotel vergewaltigt hatte, während sie bewusstlos war. Die Journalistin äußerte sich weiterhin öffentlich über das, was ihr widerfahren war, beeinflusste damit die #MeToo-Bewegung in Japan und brachte andere dazu, öffentlich über die sexualisierte Gewalt, die sie erfahren hatten, zu sprechen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Ausländische Staatsangehörige wurden in Einwanderungszentren nach wie vor über lange Zeiträume hinweg inhaftiert und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Die Regierung beschloss, einen umstrittenen Reformvorschlag zur Änderung des Gesetzes über Zuwanderungskontrolle und Flüchtlingsanerkennung nicht erneut vorzulegen, nachdem wenige Tage zuvor in ganz Japan Demonstrationen gegen die Änderungen stattgefunden hatten. In dem Reformvorschlag war weiterhin eine automatische Inhaftierung vorgesehen, und die Änderungen sahen weder eine maximale Haftdauer noch eine gerichtliche Überprüfung der Haftanordnungen vor, was gegen die Verfahrensrechte der Betroffenen verstoßen würde. Unter den Protestierenden in der zentral gelegenen Großstadt Nagoya war auch die Familie von Ratnayake Liyanage Wishma Sandamali, einer Frau aus Sri Lanka, die im März 2021 in Gewahrsam der Regionalen Zuwanderungsbehörde Nagoya gestorben war.

Im Januar 2022 verklagten zwei Asylsuchende die Regierung und machten geltend, dass die willkürliche Inhaftierung durch die japanischen Einwanderungsbehörden gegen internationales Recht verstoße. Die beiden Männer, ein iranischer und ein türkischer Staatsbürger, wurden zwischen 2016 und 2020 jeweils mehr als 1.350 Tage lang in japanischen Einwanderungszentren festgehalten. Beide müssen seit mehr als zehn Jahren mit ihrer Abschiebung rechnen und sind mehrmals festgenommen und unter Auflagen wieder freigelassen worden.

Todesstrafe

Im Juli 2022 wurde Tomohiro Kato durch Erhängen hingerichtet, der sich kurz zuvor um ein Wiederaufnahmeverfahren bemüht hatte. Er war 2008 wegen siebenfachen Mordes zum Tode verurteilt worden. Seit dem Amtsantritt von Premierminister Fumio Kishida im Oktober 2021 war dies die zweite Hinrichtung.

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