Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Korea (Nord) 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Demokratische Volksrepublik Korea

STAATSOBERHAUPT

Kim Jong-un

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Kim Tok-hun

Stand:
 1/2023

Die Rechte auf Freizügigkeit und Information blieben aufgrund der weiter bestehenden Grenzschließungen stark eingeschränkt. Die Regierung erklärte das Coronavirus für besiegt. Einen Nachweis über die Durchführung von Impfungen gab es jedoch nicht. Zahlreiche Menschen, darunter auch Kinder, mussten Zwangsarbeit leisten. Einige Personen wurden gezwungen, Berufe zu ergreifen, die ihnen vom Staat zugewiesen worden waren. Allem Anschein nach wurden die Lager für politische Gefangene weiterhin betrieben. Berichten zufolge kam es in Hafteinrichtungen zu Folter und anderweitigen Misshandlungen.

Hintergrund

Nach dem ersten offiziell gemeldeten Ausbruch von Covid-19 in Nordkorea wurde die höchste Stufe des nationalen Notstands ausgerufen. Mehrere Raketentests Nordkoreas, seine konfrontative Rhetorik und Militärübungen verschärften die Spannungen in der Region. Während der Pandemie hatte Nordkorea persönliche diplomatische Auftritte fast gänzlich eingestellt, jedoch entsandte das Land seinen Botschafter zur UN-Klimakonferenz (COP27). Im März 2022 berichtete das Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR), dass es hinreichende Gründe zu der Annahme gebe, dass in Nordkorea Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden seien.

Recht auf Freizügigkeit

Die Regierung hielt das dritte Jahr in Folge die Grenzen Nordkoreas geschlossen, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. In mehreren Gegenden wurden weiterhin vorübergehende häusliche Quarantänen angeordnet und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Der Personen- und Warenverkehr zwischen den Regionen blieb aufgrund der Quarantänepolitik ebenfalls eingeschränkt. Bis Ende 2022 gelang mindestens 67 Nordkoreaner*innen (32 Frauen und 35 Männern) die Flucht nach Südkorea. Dies war die zweitniedrigste Zahl seit dem Jahr 2003, als entsprechende offizielle Angaben zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Die meisten dieser Geflüchteten waren vor dem Ausbruch der Pandemie zunächst nach China oder in andere Länder gegangen und waren dann später nach Südkorea weitergereist. Aufgrund der Grenzkontrollen waren weder NGOs noch unabhängige Medien vor Ort, die beobachten konnten, wie sich die Beschränkungen der Freizügigkeit u. a. auf das Recht auf Meinungsfreiheit und den Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliches Engagement auswirkten.

Recht auf Information

Die als Reaktion auf die Coronapandemie erfolgte Schließung der Landesgrenzen schränkte den Zugang der Bevölkerung zu Informationen aus dem Ausland weiter ein. Berichten zufolge wurde die militärische Präsenz entlang der Grenze verstärkt. Darüber hinaus sollen Überwachungskameras und Bewegungsmelder installiert worden sein, sodass das Land noch stärker von Informationen aus dem Ausland abgeschnitten war.

Personen, die gegen das im Dezember 2020 erlassene Gesetz zur Bekämpfung reaktionären Gedanken- und Kulturguts verstießen, indem sie sich beispielsweise Zugang zu Informationen aus dem Ausland verschafften, wurden weiterhin hart bestraft. Berichten zufolge wurden Jugendliche hingerichtet, weil sie eine südkoreanische Fernsehsendung angeschaut und verbreitet hatten.

Mobiltelefone wurden immer häufiger täglich genutzt, und eine wachsende Anzahl von Menschen verfügte über einen Handyvertrag. Der Zugang zu internationalen Mobilfunkdiensten und deren Nutzung waren jedoch landesweit stark eingeschränkt. Nordkoreaner*innen konnten in der Regel keine Auslandsgespräche führen und nur ein kleiner Teil der Führungselite hatte Zugang zum Internet.

Recht auf Gesundheit

Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Bevölkerung gegen Covid-19 geimpft wurde. Die internationale Gemeinschaft, darunter auch die COVAX-Initiative der Weltgesundheitsorganisation, bot Nordkorea wiederholt Impfstofflieferungen an. Die Behörden lehnten jedoch jede Hilfe ab. Die 25 Millionen Einwohner*innen Nordkoreas waren durch das Virus stark gefährdet, da sie in einem Land mit einem der fragilsten Gesundheitssysteme lebten und keinen Zugang zu Impfstoffen hatten. Am 12. Mai 2022 gaben die nordkoreanischen Behörden offiziell bekannt, dass bestätigte Fälle von Covid-19 aufgetreten waren. Am 10. August verkündeten sie den "Sieg" über das Coronavirus und behaupteten, dass es in Nordkorea vollständig ausgerottet sei. Es kam jedoch zu weiteren Verdachtsfällen. Im September erklärte die Regierung, dass die Impfungen gegen Covid-19 beginnen könnten.

Rechte auf Nahrung, Wasser und Sanitärversorgung

Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung waren 2022 unterernährt und benötigten humanitäre Hilfe. Viele Menschen litten unter chronischer Unterernährung. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen stufte Nordkorea erneut als ein Land ein, das auf externe Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist. Grenzüberschreitende Güterzüge zwischen China und Nordkorea verkehrten zwar von Zeit zu Zeit, jedoch seltener als vor dem Ausbruch der Pandemie. Auch die Nahrungsmittellieferungen aus dem Ausland durch Importe und Hilfe der internationalen Gemeinschaft waren weiterhin geringer als vor der Pandemie. Berichten zufolge baten die nordkoreanischen Behörden Länder wie Indien und Vietnam um Nahrungsmittelhilfe. Es gab zudem Berichte, dass anhaltende Naturkatastrophen wie die Dürre im Frühjahr und die Taifune im Sommer die niedrige Produktivität des Agrarsektors noch verschärften.

Im Rahmen der Quarantänepolitik wurde hart gegen den Schmuggel an der Grenze zwischen Nordkorea und China vorgegangen. Einige Personen ließen sich davon jedoch offenbar nicht abschrecken. Berichten zufolge soll auch inoffiziell unter staatlicher Leitung geschmuggelt worden sein.

Besonders gravierend war die Nahrungsmittelknappheit für marginalisierte Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Kinder, ältere Menschen und Personen, die auf dem Land lebten. Die Wasserversorgung und die Abwassersysteme waren in vielen Gebieten unzureichend.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Arbeitnehmer*innenrechte

Einigen Personen mit höherer Schulbildung wurde ein Arbeitsplatz vom Staat zugewiesen. Die meisten Arbeitnehmer*innen, die nicht in nationalen Schwerpunktbereichen wie dem Militär oder den Strafverfolgungsbehörden beschäftigt waren, erhielten Löhne, die ihnen keinen angemessenen Lebensstandard ermöglichten. Es gab zahlreiche Berichte über Menschen, die sich an illegalen Aktivitäten wie Schmuggel, Diebstahl und Drogenherstellung/-handel beteiligten, um zu überleben.

Kinderarbeit

Der Staat zwang einige Kinder, unter gefährlichen Bedingungen im Kohlebergbau und in landwirtschaftlichen Betrieben zu arbeiten. Neben ihrer schulischen Ausbildung mussten Kinder auch staatlich verordnete Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten und Arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich und auf Baustellen verrichten.

Unterdrückung Andersdenkender

Offene Kritik an den Behörden oder der Staatsführung war nicht erlaubt. Menschen, die Gefahr liefen, aus politischen Gründen festgenommen und wegen partei- oder staatsfeindlicher Straftaten angeklagt zu werden, lebten in extremer Angst.

Die Regierung leugnete weiterhin die Existenz von vier bekannten Straflagern für politische Gefangene (Kwanliso). Es wurde angenommen, dass dort bis zu 120.000 Gefangene festgehalten wurden und Zwangsarbeit, Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt waren.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Die Zahl willkürlich festgenommener oder inhaftierter Personen soll 2022 weiter zugenommen haben. Menschen wurden wegen Verstößen gegen die Quarantänevorschriften wie z. B. Schmuggel, Nichteinhaltung der Pflicht zur Isolierung oder versuchtem Grenzübertritt festgenommen. Ebenfalls zur Festnahme führten Drogenkonsum, der Zugriff auf Informationen aus dem Ausland und die Ausübung religiöser Praktiken (alternative Glaubenssysteme wurden von den Behörden nicht geduldet).

Haftbedingungen

Trotz einiger Berichte, wonach sich die Behandlung von Häftlingen in den vergangenen Jahren teilweise verbessert habe, kam es in Hafteinrichtungen, die von den Strafvollzugsbehörden – einschließlich der Ministerien für Staatssicherheit und Volkssicherheit – betrieben wurden, weiterhin zu Beschimpfungen, Schlägen, Folter und Hinrichtungen. So wurde berichtet, dass das Gefängnispersonal Schläge, Folter und Nahrungsentzug einsetzte, um Geständnisse zu erpressen oder Häftlinge gefügig zu machen.

Verknüpfte Dokumente