Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Montenegro 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Montenegro

STAATSOBERHAUPT

Milo Đukanović

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF*IN

Dritan Abazović (geschäftsführend seit August 2022; löste im April 2022 Zdravko Krivokapić im Amt ab)

Stand:
 1/2023

Völkerrechtliche Verbrechen, Folter und Angriffe auf Journalist*innen blieben weiterhin straflos. Die Polizei reagierte nicht angemessen auf häusliche Gewalt. Beleidigungen und Drohungen gegen diskriminierte Gruppen verschärften die ethnischen Spannungen.

Hintergrund

Im Februar und erneut im August 2022 wurden die jeweils amtierenden Ministerpräsidenten durch Misstrauensvoten ihrer Ämter enthoben, was zu einer politischen Krise im Land führte. Es kam zu massenhaften Demonstrationen, auf denen vorgezogene Parlamentswahlen, ein funktionierendes Verfassungsgericht und eine gesetzliche Beschränkung der Macht des Präsidenten gefordert wurden.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Mai 2022 entschuldigte sich der Polizeichef bei den Familienangehörigen von 66 bosniakischen Flüchtlingen, die im Jahr 1992 Opfer des Verschwindenlassens durch die montenegrinische Polizei geworden waren.

Im August 2022 untersuchte die Sonderstaatsanwaltschaft Vorwürfe, denen zufolge der pensionierte Admiral Dragan Samardžić an dem rechtswidrigen Beschuss der kroatischen Stadt Split im November 1991 beteiligt gewesen war.

Im Dezember 2022 wurde das Verfahren gegen den montenegrinischen Staatsbürger Slobodan Peković fortgesetzt. Dem ehemaligen bosnisch-serbischen Soldaten wird die Vergewaltigung einer geschützten Zeugin und die Tötung von zwei weiteren Menschen in Foča in Bosnien und Herzegowina im Jahr 1992 zur Last gelegt.

Im April und im Mai 2022 wurden der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs und der Präsident des Handelsgerichts wegen des Verdachts auf Korruption inhaftiert. Der Sonderstaatsanwalt wurde im Dezember wegen Amtsmissbrauch festgenommen. Im Oktober forderte die Europäische Kommission Montenegro auf, Rechtsvorschriften zur Stärkung der justiziellen Unabhängigkeit, Integrität, Rechenschaftspflicht und Professionalität zu erlassen.

Folter und andere Misshandlungen

Im März 2022 wurden fünf Polizisten angeklagt, den Zeugen Marko Boljević im Jahr 2020 gefoltert zu haben, um eine Aussage zu erpressen. Im Juni wurde im selben Fall sowie im Fall des Tatverdächtigen Benjamin Mugoša Anklage gegen einen Polizeikommissar erhoben.

Im Mai 2022 äußerte der UN-Ausschuss gegen Folter erneut Besorgnis über die Haftbedingungen und Rechte von Gefangenen in Polizeigewahrsam und in Gefängnissen. Auch bemängelte er, dass die Misshandlung von Personen in Gewahrsam nicht hinreichend unabhängig untersucht werde.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Laufe des Jahres wurden 25 tätliche Angriffe auf Journalist*innen gemeldet. Im September 2022 bat die Regierung ausländische Expert*innen um Unterstützung bei der erneuten Untersuchung historischer Fälle, darunter jener der Tötung von Duško Jovanović, dem Herausgeber der Tageszeitung Dan, im Jahr 2004.

Im Juni 2022 hob der Oberste Gerichtshof die 2020 erfolgte Verurteilung des Investigativjournalisten Jovo Martinović wegen mutmaßlicher Beteiligung an Drogenschmuggel auf und ordnete die erneute Wiederaufnahme des Verfahrens an.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Zwei Frauen wurden 2022 von ihren Partnern bzw. Ex-Partnern getötet. Eine von ihnen war zuvor mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden und hatte die Gewalttaten ihres Ehemanns bei der Polizei angezeigt. Im Mai beanstandete der UN-Ausschuss gegen Folter die geringe Zahl der Strafverfolgungen und die milden Urteile in Fällen häuslicher Gewalt.

Frauen, die sich aktiv am öffentlichen Leben beteiligten, waren frauenfeindlichen Beleidigungen ausgesetzt, auch durch Staatsbedienstete.

Diskriminierung

LGBTI+

Die Regierung sorgte nicht für die Harmonisierung der Bestimmungen des 2020 verabschiedeten Gesetzes über Lebenspartnerschaften, was im Ausland verheiratete Paare daran hinderte, ihre Lebenspartnerschaft in Montenegro zu registrieren. Für die Angriffe auf eine von der NGO Juventas betriebene Anlaufstelle wurden Tatverdächtige angeklagt. Im Juli erhielt der Vorsitzende der NGO Queer Montenegro über Soziale Medien Morddrohungen. Die NGO Spektra arbeitete ein Gesetz über die Anerkennung der Geschlechtsidentität aus.

Rom*nja und Balkan-Ägypter*innen

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCR) gab im November 2022 an, dass in Montenegro weniger als 500 Menschen staatenlos waren. Hierzu zählten zahlreiche Rom*nja und Balkan-Ägypter*innen, die aus dem Kosovo vertrieben worden waren, sowie etwa 250 Rom*nja-Kinder, die in Montenegro geboren wurden, allerdings nicht über die für den Zugang zu grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Rechten erforderlichen Dokumente verfügten.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Laut Angaben des UNHCR waren bis Oktober 2022 insgesamt 6.758 Flüchtlinge und Migrant*innen nach Montenegro gekommen, doch nur 2 Prozent von ihnen stellten einen Asylantrag. Der UN-Ausschuss gegen Folter kam zu dem Schluss, dass den meisten von ihnen der Zugang zu einem wirksamen Asylverfahren verweigert worden war. Der Ausschuss bemängelte das Fehlen von Verfahrensgarantien, einschließlich des Schutzes vor Abschiebung.

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