Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Lage von Angehörigen medizinischer Berufe, insbesondere von Ärzt·innen, in Zusammenhang mit der Mobilmachung (Gefahr, eingezogen zu werden, freie Ausreise, Restriktionen) [a-12122-2]

24. April 2023

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Die folgenden Ausschnitte aus ausgewählten Quellen enthalten Informationen zu oben genannter Fragestellung (Zugriff auf alle Quellen am 24. April 2023):

Der Deutschlandfunk, eines der Programme des Deutschlandradios, meldete Folgendes direkt nach Verkündung der russischen Teilmobilmachung vom September 2022:

·      Deutschlandfunk: Was bedeutet die russische Teilmobilmachung?, 21. September 2022
https://www.deutschlandfunk.de/was-bedeutet-die-russische-teilmobilmachung-100.html

„Laut dem russischen Menschenrechtsanwalt Pawel Tschikow habe es auch erste Einberufungen von Ärzten in Moskau gegeben.“ (Deutschlandfunk, 21. September 2022)

Kurz danach berichtet die Schweizer Nachrichtenplattform Nau.ch im Oktober 2022 Folgendes:

·      Nau.ch: Ukraine-Krieg: Russische Ärzte dürfen ihr Land nicht mehr verlassen, 14. Oktober 2022
https://www.nau.ch/news/europa/ukraine-krieg-russische-arzte-durfen-ihr-land-nicht-mehr-verlassen-66304393

„Russische Ärzte und anderes medizinisches Personal werden infolge der Teilmobilmachung stark eingeschränkt. In einem Brief der lokalen Behörden werden sie aufgefordert, das Land nicht mehr zu verlassen. Das St. Petersburger Gesundheitskomitee teilte den Krankenhausmitarbeitern in einem Brief mit, dass sie aus ‚Sicherheitsgründen‘ nicht aus Russland ausreisen sollen. Weder berufsbedingte noch private Reisen seien im Moment erlaubt, berichtet die russische Nachrichtenagentur ‚Tass‘. Krankenschwestern und Ärzte hätten ein entsprechendes Papier unterzeichnen müssen. Wer dennoch ins Ausland reisen will, braucht eine entsprechende Genehmigung der Behörden. Akzeptiert werden allerdings nur Gesuche für Reisen in die befreundeten GUS-Staaten.“ (Nau.ch, 14. Oktober 2022)

Auch das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek berichtet im Oktober 2022 unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen zu diesem Thema. Der Artikel erwähnt auch, dass das russische Parlament nach Verkündung der Teilmobilisierung erklärt habe, dass bis zu 3.000 Ärzt·innen und Angestellte im medizinischen Bereich einberufen werden könnten. Der Artikel berichtet zudem darüber, dass Ärzt·innen bereits Einberufungsbefehle erhalten hätten:

·      Newsweek: Russia Bans Doctors, Medics From Leaving Country, 13. Oktober 2022
https://www.newsweek.com/russia-bans-medics-doctors-leaving-country-mobilization-1751488

„Russian doctors and medical workers have been handed letters from authorities telling them not to leave the country, according to local news outlets. St. Petersburg's healthcare committee told hospital employees in a letter that they should not leave the country for work-related trips for ‘security reasons,’ Russia's state-run news agency Tass reported. […] Medical workers and doctors were also told that travel in a personal capacity would require permission from a city governor, and if approved, would only be permitted to CIS countries. Nurses and doctors were urged to sign ‘a paper not to leave the Russian Federation, including the CIS countries,’ local news outlet Fontanka reported. […]

After Putin announced his mobilization order, Russia's parliament said that about 3,000 doctors and medical workers could be called up. It said mobilized medical workers would be graduates of military medical universities with training in field medicine, doctors with combat experience and graduates of civilian medical universities who specialize in surgery, anesthesiology and traumatology. ‘Medics who have neither the appropriate training nor experience in combat conditions will not be required, they are not subject to mobilization now,’ an official said. ‘Further, medical workers will not be mobilized from those rural medical institutions in which there will be no one to work. We cannot expose our own healthcare system, leave citizens without medical care, and everyone understands this.’

According to independent Russian news outlet Meduza and human rights activists, doctors have already started to be handed subpoenas from military registration and enlistment offices. Meduza also reported that some employees of state clinics in Moscow and St. Petersburg have received ‘reservations’ from mobilization—meaning they are exempt from serving. The institutions where employees have been handed such exemptions include the Dmitry Rogachev National Medical Research Center, the Pirogov National Medical Center, the Petrov National Medical Research Center of Oncology and the Central Clinical Hospital of the Presidential Administration of the Russian Federation, where high-ranking Russian officials are treated, according to the news outlet.“ (Newsweek, 13. Oktober 2022)

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) veröffentlicht im September 2022 eine Auskunft zu Wehrdienstverweigerung im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und geht dabei auf die Themen Wehrpflicht von Ärzt·innen, Einberufung von Ärzt·innen mit und ohne Militärdienstvertrag sowie von Reservist·innen, Entsendung von Ärzt·innen in die Ukraine unter Zwang sowie auf den Einsatz von Ärzt·innen in den von Russland besetzten Gebieten ein:

·      SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe: Russland: Wehrdienstverweigerung im Krieg gegen die Ukraine, 29. September 2022
https://www.ecoi.net/en/file/local/2085039/220929_RUS_refus_de_servir_de.pdf

„Laut der Kontaktperson B [russischer Menschenrechtsverteidiger] unterliegen Ärzt*innen der Wehrpflicht und können rekrutiert werden. Die Informationswebsite Meduza gibt ebenfalls an, dass Frauen mit besonderen Fähigkeiten, wie zum Beispiel Ärztinnen, rekrutiert werden können (Meduza, 6. Mai 2022). Laut einer E-Mail vom 7. September 2022 an die SFH von einer Kontaktperson (Kontaktperson C), einem russischen Menschenrechtsverteidiger, der auf die Rechte von Gefangenen spezialisiert ist, unterliegen Ärzt*innen der Wehrpflicht. Ausgenommen sind diejenigen mit einem wissenschaftlichen Abschluss (Artikel 23 Nationalgesetz Über die Wehrpflicht und den Militärdienst vom 28. März 1998). […]

Laut einer E-Mail an die SFH vom 22. September 2022 von einer Kontaktperson (Kontaktperson D), der Anwalt und russischer Menschenrechtsverteidiger ist, können die russischen Behörden nach der Teilmobilmachung vom 21. September 2022 Ärzt*innen oder medizinische Angestellte dazu zwingen, in die Ukraine zu gehen. In einer E-Mail vom 22. September 2022 der Kontaktperson C wird angegeben, dass von den insgesamt 300’000 Personen, die einberufen werden sollen, 3’000 Ärzt*innen und paramedizinisches Personal seien. Die Person beruft sich dabei auf ein Interview vom 21. September 2022 der Vizepräsidentin der Duma zum Gesundheitsschutz, Badma Bashankayev gegenüber der russischen medizinischen Zeitschrift Meditsinskaya gazeta. In erster Linie würden Ärzt*innen mit einem Abschluss der militärmedizinischen Universitäten und einer Ausbildung in militärischer Feldmedizin, Ärzt*innen mit Kampferfahrung und schliesslich Zivilärzt*innen mit Spezialisierung auf Chirurgie, Anästhesiologie und Traumatologie eingezogen. Ausgenommen seien Ärzt*innen ohne einschlägige Ausbildung oder Kampferfahrung, Gesundheitsmitarbeitende in ländlichen Gesundheitseinrichtungen, die nicht ersetzt werden können, und Gesundheitsmitarbeitende in besonderen Lebenssituationen, zum Beispiel mit vielen Kindern, die schwanger sind oder deren Eltern krank und pflegebedürftig sind. […]

Laut einer E-Mail an die SFH vom 8. September 2022 von der Kontaktperson D gibt es ein kein ‚Spezialregime‘, das sich auf medizinische und Forschungseinrichtungen während einer ‚militärischen Spezialoperation‘ anwenden lassen könnte. Da keine landesweite (selbst teilweise) Mobilmachung per Präsidialdekret verkündet worden sei, dürften solche Einrichtungen keine interne Mobilmachung des Personals ausrufen. Diese Person gibt an, dass ihr keine Rechtsvorschriften bekannt seien, die es in diesem Zusammenhang erlauben, medizinisches Personal in ein Kriegsgebiet zu entsenden. Solange die Mobilmachung noch nicht erklärt wurde, dürfen Personen in Gesundheitsberufen ohne einen Militärdienstvertrag (der nur mit ihrer Zustimmung abgeschlossen wird) nicht in die Armee eingezogen werden. Ein Arzt, der einen solchen Vertrag unterzeichnet, könnte jedoch als Angehöriger der Streitkräfte in die Ukraine geschickt werden. Laut Kontaktperson C darf ein Arzt ohne eine allgemeine Mobilmachung und die Verhängung des Kriegsrechts nicht aufgeboten und in ein Kampfgebiet geschickt werden. […]

Laut Kontaktperson A [die ein russischer Menschenrechtsverteidiger ist] wurden auch Männer, die bereits in der Armee gedient hatten und Reservisten waren, an die ukrainische Front geschickt. Einige dieser Ärzte seien in der Ukraine getötet worden. Laut der Generaldirektion für Geheimdienste des ukrainischen Verteidigungsministeriums (HUR MOU) soll Russland beschlossen haben, medizinisches Personal (auch in Moskau) einzuziehen, um die vielen Verletzten zu versorgen. Betroffen seien fast alle medizinischen Fachrichtungen, insbesondere aber Fachärzt*innen für Chirurgie. Diese Mobilmachung würde im Verborgenen stattfinden, ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert würde. Russland würde planen, die aufgebotenen Ärzt*innen in die von ihm besetzten ukrainischen Gebiete zu schicken, insbesondere nach Mariupol, Luhansk und Donezk (HUR MOU, 25. Juli 2022).“ (SFH, 29. September 2022, S. 7-9)

Zu rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gegen Ärzt·innen, die einem Einberufungsbefehl nicht Folge leisten, sowie zur Lage von Ärzt·innen, die keinen Anstellungsvertrag mit der Armee haben und sich weigern, in die Ukraine zu gehen, schreibt die SFH:

„Laut einer E-Mail an die SFH vom 22. September 2022 von der Kontaktperson D kann ein Arzt, der ein Aufgebot verweigert, seit der Teilmobilmachung vom 21. September 2022 strafrechtlich verfolgt werden, insbesondere gemäss Artikel 332 des Strafgesetzbuchs, der die Befehlsverweigerung bestraft. Dieser Artikel, der am 24. September 2022 geändert wurde, besagt, dass während des Kriegsrechts, in Kriegszeiten oder während eines bewaffneten Konflikts oder einer militärischen Aktion die Nichtausführung eines Befehls eines Vorgesetzten, die schwerwiegende Folgen nach sich zieht, mit einer Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren bestraft wird (Regierung Russlands, 24. September 2022). Die offizielle russische Nachrichtenagentur Tass bestätigt, dass Personen, die während des Kriegsrechts, in Kriegszeiten oder während eines bewaffneten Konflikts oder Kriegsoperationen einen Befehl eines Vorgesetzten mit schwerwiegenden Folgen verweigern, wie zum Beispiel den Befehl, in den Krieg zu ziehen, mit drei bis zehn Jahren Gefängnis bestraft werden (Tass, 24. September 2022). […]

Laut einer E-Mail an die SFH vom 28. September 2022 von einer Kontaktperson (Kontaktperson E), die eine russische Menschenrechtsverteidigerin ist, kann ein Arzt, der als Reservist geführt wird und das Aufgebot zur Mobilmachung erhält, sich aber versteckt oder das Land verlässt, nach Artikel 338 des Strafgesetzbuchs (Bestrafung für Desertion) verfolgt werden. Die Presseagentur Tass erklärt, dass gemäss Artikel 338 des Strafgesetzbuchs Fahnenflucht oder das Fernbleiben von einem Ort des Militärdienstes, um sich während der Mobilmachung dem Militärdienst zu entziehen, zu einer Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren führen kann (Tass, 24. September 2022). Der am 24. September 2022 geänderte Artikel 338 des Strafgesetzbuches besagt nämlich, dass ‚das unerlaubte Verlassen einer Einheit oder eines Dienstortes mit dem Ziel, sich dem Militärdienst zu entziehen, sowie das Nichterscheinen zum Dienst aus denselben Gründen‘ mit einer Haftstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren geahndet wird, wenn diese Handlung ‚während der Mobilmachung oder des Kriegsrechts, in Kriegszeiten oder unter den Bedingungen eines bewaffneten Konflikts oder Kampfeinsätzen‘ begangen wird (Russische Regierung, 24. September 2022).“ (SFH, 29. September 2022, S. 10)

Laut Kontaktperson D hat ein Arzt, der keinen Anstellungsvertrag mit der Armee unterzeichnet hat und sich weigert, an der militärischen Spezialoperation in der Ukraine teilzunehmen, keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Er könnte aber unter falschen Vorwänden entlassen werden und Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Er könnte auch andere Arten von Diskriminierung erleben. Kontaktperson A bestätigt, dass Leitende medizinischer und Forschungseinrichtungen der nationalen Agentur für Medizin möglicherweise inoffiziellen Druck auf Ärzte ausübten, damit diese sich an Sonderbrigaden beteiligen, die bereit sind, in die Ukraine verlegt zu werden. Der Arzt könne sich dann überlegen, ob er aus dem Institut austreten oder den Auftrag annehmen würde. Es könne auch zu anderen Arten von Vergeltungsmassnahmen kommen, je nach der Wichtigkeit und dem Aktivismus der Person. Neben der Entlassung könnte dieser Person vom Sozialamt angedroht werden, dass ihr die Kinder weggenommen werden, oder sie könnte zur ‚Extremistin‘ erklärt und ihre Konten gesperrt werden. Auch kann gegen sie (oder ihre Angehörigen) aus abstrusen Gründen (Drogen, Hooliganismus, Betrug usw.) ein Strafverfahren eingeleitet werden. Kontaktperson A erklärt, dass ein Arzt, der sich zwar nicht offiziell weigert, an diesen Sonderbrigaden teilzunehmen, aber flieht und das Land verlässt, ähnlichen Repressalien ausgesetzt werden kann.“ (SFH, 29. September 2022, S. 13-14)

Das Danish Immigration Service (DIS) gibt in einem Bericht vom Dezember 2022 die Meinungen von interviewten Expert·innen unter anderem zur Einberufung und zum Einsatz von Ärzt·innen und medizinischem Personal in der Ukraine wieder:

·      DIS – Danish Immigration Service: Russia; An update on military service since July 2022, Dezember 2022
https://us.dk/media/10558/update-on-military-service-in-russia_tilgaengelig.pdf

„Claus Mathiesen, Associate professor in Russian, Royal Danish Defence College

Interview, 12 October 2022 […]

Nurses, doctors and people educated in IT can be part of the mobilised reserves as well in the capacity of their civilian educations, even though they have not completed military service.“ (DIS, Dezember 2022, S. 45-46)

„Huseyn Aliyev, Lecturer in Security Studies at University of Glasgow

Skype interview, 4 October 2022 […]

21. There were a number of reports that medical doctors and personnel have been mobilised and sent to the frontlines. The source opined that these persons would be expected to perform their jobs rather than serve in the army and participate in combat.

22. The Russian army has for several months been experiencing an extreme shortage of particularly military medics and individuals with experience in dealing with bullet injuries and other combat related injuries. Therefore, Russia has been drafting civilian medics in order to fill the gaps. Some of these have been sent to Ukraine, mostly in their professional capacities. The source was not aware of situations where medical personnel was required to participate in military combat.“ (DIS, Dezember 2022, S. 51-53)

„Human rights lawyer

Presentation, 3 November 2022 […]

There are no profiles of people being mobilised. The military offices drafted everyone who showed up. There were reports that doctors were drafted as shooters or sent to the frontline. […] According to the law, women and medical staff can also be drafted. However, the Ministry of Defence commented that women are not drafted.” (DIS, Dezember 2022, S. 62-63)

Das russische Internet-Medium The Insider, das vor allem investigativ arbeitet, berichtet in einem Artikel vom Dezember 2022 über den Zustand des russischen Gesundheitssystems, dass russische Ärzt·innen in die Grenzgebiete zur Ukraine entsandt würden, üblicherweise freiwillig, und dort in zivilen Krankenhäusern arbeiten würden. Es gebe keinen Mangel an Freiwilligen. Ärzt·innen der Föderalen Medizinischen und Biologischen Agentur müssten an die Front und hätten keine Chance, sich zu weigern. Was die Mobilisierung allgemein angehe, so sei es Ärzt·innen bisher gelungen, diese zu umgehen. Es gebe aber keine Garantie, dass dies in Zukunft weiterhin möglich sei:

·      The Insider: Medicine shortages, doctors’ emigration, frontline assignments: how war hit Russian medicine, 28. Dezember 2022
https://theins.ru/en/society/258219

„Missions to the frontline zone

With the onset of the war, Russian doctors have been dispatched to the frontline zone to help the wounded, and not all such missions are voluntary, and not only doctors from military hospitals are being sent to the occupied territories. As a rule, military doctors treat at their workplaces those wounded, who have already been triaged and selected for transfer to the ‘center’. This explains the low lethality rate reported by military medical officials: according to witnesses, the wounded are dying in civilian hospitals near the frontline zone in the Rostov region, Krasnodar krai, Crimea and Belarus. Only those heavily wounded who have good ‘prospects’ for survival reach military hospitals.

Usually, doctors from civilian hospitals are dispatched to the frontline on a voluntary basis. For example, Moscow’s Botkin Hospital’s head doctor sets a kind of an ‘assignment’: each ward has to dispatch a certain number of doctors to the frontline. In this case, it’s up to the doctors to decide who will go. A doctor earns about 200,000 rubles for a two-week stint at the front. All payments are made through the hospital’s accounting and cash departments. There is no shortage of people willing to go.

As for FMBA [Federal Medical and Biological Agency (FMBA) – a structure which is neither military, nor civilian; it can provide paid services and at the same time dispatch doctors to the front or the occupied territories] doctors, they are essentially required to go to the front. As already mentioned, the FMBA is a peculiar institution. The doctors there face the choice: either go on a business trip (with relatively small pay) or get fired and possibly prosecuted. Those who did not want to participate in principle, had to emigrate.

As for the mobilization, doctors have actually managed to evade it: some have moved abroad, some simply stay away from enlistment offices (and nothing happens to them), some have formally enrolled in postgraduate training courses while staying on their main job (and nothing happens to them either). There is no certainty that the authorities will continue letting doctors off the hook so easily in the future in case of new waves of mobilization. For the time being, the demand for medics is covered by those temporarily dispatched to the front and those working in civilian hospitals located within the frontline zone, in Belarus and the occupied territories.“ (The Insider, 28. Dezember 2022)

Ein Artikel des deutschen öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens Deutsche Welle (DW) vom Dezember 2022 über russische Deserteure erwähnt den Fall einer Ärztin, der zufolge Ärzte bestimmter Fachrichtungen wehrpflichtig seien. Sie berichtet auch über die Mobilisierung von Ärzt·innen, die nicht hätten mobilisiert werden sollen:

·      DW – Deutsche Welle: Flucht vor Einberufung: Russische Deserteure in Deutschland, 29. Dezember 2022
https://www.dw.com/de/flucht-vor-einberufung-russische-deserteure-in-deutschland/a-64007801

„Olga floh am 26. September aus Russland nach Deutschland. Auch sie wollte keine Einberufung abwarten. Sie arbeitete als Epidemiologin in Moskau und hatte sich nach dem Uniabschluss im Jahr 2020 beim Einberufungsamt gemeldet, denn Ärzte bestimmter Fachgebiete sind in Russland wehrpflichtig. ‚Ich habe mich aber entschieden, den Wehrpass nicht abzuholen - für den Fall, dass es plötzlich Krieg gibt‘, erklärt sie. ‚Ich weiß aus der COVID-Zeit, wie unser Staat mit seinen Bürgern umgeht - vor allem mit Ärzten. Ich war damals schwanger. Noch vor unserem Abschluss an der Universität wurden wir unter der Androhung, ansonsten keine Diplome zu bekommen, dazu gedrängt, kostenlos in COVID-Kliniken zu arbeiten‘. […] Doch am 21. September wurde Olga klar, dass sie sofort ausreisen muss. ‚Einberufungen bekamen sogar Ärzte, die gar nicht hätten mobilisiert werden sollen‘, so Olga.“ (DW, 29. Dezember 2022)

Auch Focus Online, die Webseite des Nachrichtenmagazins Focus, berichtet im Dezember 2022 über russische Deserteure und zitiert einen Mitarbeiter einer deutschen Agentur, die bei Studium und Arbeitssuche in Deutschland unterstützt, zum Thema Einberufung von Ärzten:

·      Focus Online: Russische Deserteure in Deutschland, 29. Dezember 2022
https://www.focus.de/politik/ausland/wie-russische-deserteure-nach-flucht-vor-einberufung-in-deutschland-leben_id_181565943.html

„Artjom arbeitet ehrenamtlich in einer deutschen Agentur, die bei der Vorbereitung von Unterlagen für ein Studium oder eine Arbeitssuche in Deutschland behilflich ist. Am 24. Februar beschloss das Team, Ukrainer kostenlos zu beraten. Und seit Putins Mobilmachung wird auch denjenigen geholfen, denen in Russland eine Einberufung droht. Seit dem 21. September hat Artjom Dutzende Russen beraten. ‚Anfangs haben wir 16 Stunden am Tag gearbeitet, manchmal sogar mehr. Wir haben uns die Geschichten von Menschen angehört, die an den Grenzen standen und erzählt haben, welche Hölle da los war‘, erzählt Artjom. ‚Das Durchschnittsalter liegt bei 28,5 Jahren. Der jüngste war 17, der älteste 54‘, so Artjom. Er sagt, dass etwa die Hälfte Ärzte seien. Ihm zufolge werden in Russland Ärzte unabhängig von ihrem Fachgebiet einfach einberufen.“ (Focus Online, 29. Dezember 2022)

Die US-amerikanische Tageszeitung Washington Post erwähnt in einem Artikel vom Oktober 2022 das Beispiel eines Arztes, der einen Vertrag für einen Einsatz im Grenzgebiet zur Ukraine unterzeichnet habe und dann in der Ukraine gekämpft habe:

·      Washington Post: Russia is grabbing men off the street to fight in Ukraine, 16. Oktober 2022
https://www.washingtonpost.com/world/2022/10/16/russia-mobilization-men/

„Aleksei Sachkov, a 45-year-old Moscow doctor, signed a contract to treat wounded soldiers in Voronezh, Russia, near the border with Ukraine. He stopped calling his wife, Natalia, on Sept. 24. She learned from Russia’s military hotline a week later that he was fighting in Ukraine as part of a tank unit, she said in a video posted online.” (Washington Post, 16. Oktober 2022)

Ein Artikel auf der US-Nachrichtenseite Business Insider berichtet über eine Ärztin, die aus Russland geflohen sei, aus Angst, einberufen zu werden, weil sie aufgrund eines vor Jahren im Rahmen ihrer Ausbildung absolvierten militärischen Trainingskurses Reservistin sei:

·      Business Insider: A female doctor fled Russia to avoid being drafted amid fears the 'partial mobilization' will include women medics, 15. Oktober 2022
https://www.businessinsider.com/female-doctor-fled-russia-feared-drafted-serve-ukraine-medics-2022-10

„It's not just men fleeing Russia after the announcement of partial military mobilization. Varvara, who asked only to be referred to by her first name, was working as a doctor in St. Petersburg when she began to fear that she may be called up. Unwilling to serve under any circumstances, she packed her bags, said a sad goodbye to her husband, and left in a hurry. […]

The partial mobilization announcement was understood to primarily refer to male reservists, but a spokesperson for Russia's mobilization department told state media in September that a small number of women with certain military specialties — including medical professionals — could be called on to take some positions. […]

In October, Russian defense minister Sergey Shoigu clarified to reporters that women were not being called up. However, Varvara had already left the country by this point. Besides, she said, she is skeptical of this claim, given that reports suggest that Russia is not following all aspects of the decree. […]

As part of Varvara's medical training, which took place almost two decades ago, she had to complete a military training course at her university. It was the norm for some time in Russia but was no longer mandatory post-2010. ‘At the time of the course, we didn't think of the consequences of that or what that might mean,’ Varvara said. Having completed the mandatory course, she was automatically enrolled as a specialist officer in the Russian reserves. There was an option to opt out a few years ago, she said, but Varvara never got around to it. Varvara's status as a reservist officer, as well as her medical training, convinced her that she would be in the next wave of mobilizations. She was nervous that she might receive a draft summons soon — a fear compounded by rumblings that female nurses in her hospital had already received notices.“ (Business Insider, 15. Oktober 2022)

Ein Artikel der englischsprachigen russischen Tageszeitung Moscow Times berichtet von Bestrebungen des russischen Gesundheitsministeriums, Ärzt·innen und Krankenschwestern für den Einsatz in den von Russland besetzen Gebieten der Ukraine zu rekrutieren:

·      The Moscow Times: Russia Recruits Doctors to Work in Occupied Ukraine – Reports, 19. Jänner 2023
https://www.themoscowtimes.com/2023/01/19/russia-recruits-doctors-to-work-in-occupied-ukraine-reports-a79986

„Russia’s Health Ministry has asked regional health authorities to recruit doctors and nurses to work in Moscow-occupied regions of Ukraine, according to an internal document published Thursday by journalist Dmitry Kolezev. Regional health officials are asked to provide at least 10 people from each region for ‘saving lives and people's health’ in the Ukrainian regions of Donetsk, Luhansk, Zaporizhzhia and Kherson, according to the document dated last week. The Kremlin claims to have annexed these four regions following referendums in the fall that were widely condemned as a sham.

At least 200 doctors from Russia’s capital Moscow were also working in shifts in hospitals in Donetsk and Luhansk, the Moscow Mayor’s office said in November. Specialists from Moscow, including surgeons, anesthesiologists and traumatologists, performed over 3,500 surgeries and took around 11,000 patients as of November, Moscow’s authorities said.” (The Moscow Times, 19. Jänner 2023)

Das US-amerikanische Institute for the Study of War (ISW), eine überparteiliche Forschungsorganisation im Bereich Militärangelegenheiten, berichtet im Februar 2023 anhand von zwei Beispielen über einen Mangel an Ärzt·innen in Russland, der auf die starke Rekrutierung medizinischer Spezialisten durch die Armee zurückzuführen sei:

·      ISW – Institute for the Study of War: Russian Offensive Campaign Assessment, February 4, 2023, 4. Februar 2023
https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-february-4-2023

„The war in Ukraine has likely created a domestic shortage of Russian medical professionals, fueling limited protests. A Russian source stated on February 3 that Russian residents in Volchikha, Altai Krai demanded the resignation of a head physician and held a rally to show their dissatisfaction with local healthcare after the death of a local child at a hospital with no doctor on site. A separate source reported that the regional minister of health heard complaints from local residents and an investigative committee opened a case investigating criminal negligence following the death of a child in Gorny, Zabaykalsky Krai. The child was discharged from a hospital and died while waiting for an ambulance after her condition deteriorated. The sources reporting on both instances attributed the personnel shortages, deaths, and publicized dissatisfaction to heavy Russian military recruitment of medical specialists.“ (ISW, 4. Februar 2023)

Zu den neuesten rechtlichen Entwicklungen allgemein Einberufungen betreffend, auch von Reservisten, berichtet die Washington Post im April 2023 Folgendes:

·      Washington Post: Russia moves to tighten conscription law, pressing more men to fight, 11. April 2023
https://www.washingtonpost.com/world/2023/04/11/russia-conscription-military-mobilization-war/

„[…] tough new measures approved by Russia’s lower house of parliament on Tuesday will make it almost impossible for Russians to dodge conscription in the future. The law provides for electronic military summonses with bans on draftees leaving the country, making it possible to quietly sweep up thousands more men to fight — even as the Kremlin is denying plans for a controversial new mobilization. The State Duma, which is the lower chamber, approved the legislation with just one abstention. The upper house, the Federation Council, is expected to adopt it Wednesday, and send it on to Putin for his approval, which is widely expected. […]

Under the new rules, electronic summonses will be issued to conscripts under Russia’s compulsory military service for men ages 18 to 27, but also potentially to members of the Russian military reserve and others. […] Andrei Kartopolov, head of the State Duma defense committee, spelled out tough penalties for those who do not respond to electronic summonses, including potential bans on driving, registering a company, working as a self-employed individual, obtaining credit or loans, selling apartments, buying property or securing social benefits. These penalties could apply to the thousands of men who are already outside the country.

The electronic summons will be issued via a government services portal, Gosuslugi, used for all manner of state payments and services including taxes, passports, housing services, social benefits, transport documents, medical appointments, employee insurance and countless other matters. Under the law, personal data of conscripts including identity documents, personal tax numbers, driver’s license details, phone numbers and other information will be transferred by Gosuslugi to military enlistment offices. Universities, business employers, hospitals and clinics, government ministries, law enforcement agencies, the electoral commission and the tax authority are also required to transmit data to the military. […]

The new measures follow a flurry of denials from Russian officials that summonses would be issued through the state services portal. Once an electronic summons is issued, a citizen is bound by it until his military duty is discharged. The deputy chairman of the Duma’s defense committee, Yuri Shvytkin, told Russian media that conscripts who deleted their accounts on the state services website would be deemed to be draft dodgers and face arrest and punishment. ‘It was just one of the goals, to minimize the percentage of dodgers,’ he told Russian media outlet Ura.ru.

The bar on departing the country takes effect from the moment the draft notice is electronically sent. Military draft offices can register draftees in the military in their absence, ditching the current practice where conscripts and draftees appear in person to sign forms and undergo medical examinations. […]

The move to bar real estate sales makes it difficult for conscription evaders to flee the country without losing assets. It also means that those who fled Russia last year to avoid fighting in Ukraine will not be able to cash out of their Russian property.“ (Washington Post, 11. April 2023)

Auch der Spiegel berichtet über diese Gesetzesänderung:

·      Spiegel: Putin unterschreibt Gesetz für erleichterte Einberufung, 14. April 2023
https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-russland-news-am-freitag-us-datenleak-kiew-dementiert-einfluss-auf-geplante-offensive-a-1044d7ef-8747-4e55-b573-7ac4a72acd41

„In Russland können Männer mit sofortiger Wirkung leichter zum Militär eingezogen werden. Präsident Wladimir Putin unterschrieb dazu am Freitag die erforderlichen Gesetzesänderungen. Damit traten die Regelungen, die in der Bevölkerung für große Verunsicherung sorgen, in Kraft. Künftig müssen Einberufungsbescheide nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg zugestellt werden. Online erfasste Wehrpflichtige dürfen Russland bis zur Vorstellung bei der Armee nicht mehr verlassen.” (Spiegel, 14. April 2023)