Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Mexiko 2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Die Regierung stigmatisierte weiterhin Feminist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die die Untätigkeit der Behörden bezüglich geschlechtsspezifischer Gewalt anprangerten. In einigen Bundesstaaten gingen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen protestierende Frauen vor. Die Zahl der getöteten Journalist*innen blieb 2022 auf Rekordniveau. Vielen der Opfer waren offizielle Schutzmaßnahmen gewährt worden. Am Jahresende waren mehr als 109.000 Menschen als vermisst bzw. verschwunden registriert. Die Militarisierung der inneren Sicherheit setzte sich fort, und die Beteiligung der Streitkräfte an entsprechenden Einsätzen wurde bis 2028 gesetzlich festgeschrieben. Die Nationalgarde ging bei mehreren Einsätzen mit exzessiver Gewalt vor. Opfer von Menschenrechtsverletzungen und deren Familien konnten ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung nicht geltend machen, weil es an Transparenz, Rechenschaftspflicht und dem Zugang zu den erforderlichen Informationen mangelte.

Hintergrund

Der Armee gelang es 2022 häufig nicht, das Recht auf Leben und Sicherheit aller Menschen zu schützen. Die Streitkräfte waren mittlerweile seit 16 Jahren an Einsätzen zur Gewährleistung der inneren Sicherheit beteiligt. In diesem Zeitraum war die Zahl der Tötungen beträchtlich angestiegen.

Die Nationalgarde und das Verteidigungsministerium zählten zu den zehn Bundesinstitutionen, gegen die 2022 die meisten Beschwerden wegen Menschenrechtsverletzungen erhoben wurden: Die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos) erhielt 476 Beschwerden gegen die Nationalgarde und 404 gegen das Verteidigungsministerium aufgrund völkerrechtlicher Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Tötungen, Verschwindenlassen und willkürlichen Inhaftierungen.

Im September 2022 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Nationalgarde dem Verteidigungsministerium unterstellt. Im Oktober wurde dieser Beschluss jedoch von einer Bundesrichterin ausgesetzt. Das Parlament verlängerte zudem das Enddatum für den Einsatz des Militärs bei Aufgaben der inneren Sicherheit von 2024 auf 2028. Beide Entscheidungen wurden von der Regierung gefördert und vom Parlament unterstützt, ohne dass die Zivilgesellschaft daran beteiligt war. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Familienangehörige von Verschwundenen gingen auf die Straße, um gegen die zunehmende Militarisierung des Landes zu protestieren.

Die Nationalgarde war 2022 für 227 Bereiche verantwortlich, die normalerweise in die Zuständigkeit ziviler Institutionen fallen. 148 dieser Bereiche hingen nicht mit der inneren Sicherheit zusammen, wie z. B. der Bau von Flughäfen und Autobahnen, die Organisation von Coronaimpfungen oder die Durchsetzung von Einwanderungsbestimmungen.

Im November 2022 erklärte der Oberste Gerichtshof das ursprüngliche Präsidialdekret vom Mai 2020 für verfassungsgemäß, das die permanente Beteiligung der Streitkräfte an Einsätzen der inneren Sicherheit bis 2024 vorgesehen hatte – ein Zeitraum, der vom Parlament bereits im Oktober bis 2028 verlängert worden war. Weitere Fälle hinsichtlich einer möglichen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über die Nationalgarde und der Beteiligung der Streitkräfte an Aufgaben der inneren Sicherheit waren Ende 2022 noch anhängig.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Für die mexikanische Presse war 2022 das bislang tödlichste Jahr ihrer Geschichte. Mindestens 13 Journalist*innen wurden getötet, möglicherweise im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Viele Fälle wurden nicht gründlich untersucht, und der Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen (Mecanismo de Protección para Personas Defensoras de Derechos Humanos y Periodistas) war weiterhin nicht ausreichend, um ihr Leben und ihre Sicherheit zu schützen.

In seinen morgendlichen Pressekonferenzen übte der Präsident scharfe Kritik an Journalist*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die das Regierungshandeln infrage stellten, und bezichtigte sie, "Konservative" und "Gegner" zu sein. Am Tag vor dem Internationalen Frauentag behauptete er, Feminist*innen würden sich mit Hämmern, Fackeln und Molotowcocktails auf die Kundgebungen vorbereiten. Dies sei weder ein Kampf für Frauen noch Feminismus, sondern eine "konservative, reaktionäre Haltung, die sich gegen unsere Reformpolitik richtet".

Im April 2022 griffen bewaffnete Polizeiangehörige und in Zivil gekleidete Ordnungskräfte Frauen tätlich an, die sich vor der Staatsanwaltschaft von Chimalhuacán (Bundesstaat México) zu einer Kundgebung versammelt hatten. Sie forderten Sanktionen gegen drei Polizistinnen, die eine Aktivistin und Menschenrechtsverteidigerin geschlagen und zwei Stunden lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten hatten. Die Polizei ging außerdem mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vor. Angehörige der Nationalgarde, die vor Ort waren, unternahmen nichts, um die Protestierenden zu schützen.

Als im Mai 2022 verschiedene Organisationen und feministische Gruppen in der Stadt Irapuato (Bundesstaat Guanajuato) friedlich gegen Feminizide, das Verschwindenlassen von Frauen und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt protestierten, schlugen Polizistinnen auf sie ein und nahmen mindestens 28 Demonstrierende willkürlich fest.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Berichten zufolge wurden von Januar bis November 2022 in Mexiko 3.450 Frauen getötet. 858 dieser Tötungen wurden als Feminizide untersucht – dies entsprach durchschnittlich 2,5 Feminiziden pro Tag. (Der in Mexiko verwendete Begriff "Feminizid" statt "Femizid" verdeutlicht die politische Dimension von Morden an Frauen aufgrund weitgehender Straflosigkeit.) Die höchsten Zahlen wiesen die Bundesstaaten México (131) und Nuevo León (85) sowie Mexiko-Stadt (70) auf. Das Recht von Frauen auf ein Leben ohne Gewalt und in einem sicheren und angstfreien Umfeld war durch die anhaltende strukturelle Gewalt weiterhin beeinträchtigt.

Im Januar 2022 befand ein Richter in der Gemeinde Nezahualcóyotl (Bundesstaat México) einen Mann des Feminizids an Diana Velázquez im Jahr 2017 für schuldig. Die Behörden leiteten jedoch keine wirksamen Ermittlungen ein, um weitere mutmaßliche Verantwortliche in diesem Fall zu identifizieren.

Im Februar 2022 übernahm die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen im Fall des Feminizids an Karla Pontigo im Jahr 2012, weil die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats San Luis Potosí aufgrund eines Interessenskonflikts nicht sorgfältig ermittelt hatte. Trotz wiederholter Bitten weigerte sich der Gouverneur von San Luis Potosí, sich mit Karla Pontigos Mutter zu treffen.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats México sagte im November zum dritten Mal eine öffentliche Veranstaltung ab, bei der sie sich für die mangelnde Sorgfalt bei den Ermittlungen zu den Feminiziden an Nadia Muciño Márquez, Diana Velázquez Florencio, Daniela Sánchez Curiel und Julia Sosa Conde entschuldigen wollte.

Für Verlinkung? https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/mexiko-gerechtigkeit-fue…

Exzessive Gewaltanwendung

Im April 2022 schoss ein Angehöriger der Nationalgarde in der Stadt Irapuato (Bundesstaat Guanajuato) auf ein Auto, in dem Studierende der Universität von Guanajuato saßen. Dabei wurde ein Student getötet und eine Studentin schwer verletzt.

Im August 2022 gaben Angehörige der Nationalgarde in der Stadt Nuevo Laredo (Bundesstaat Tamaulipas) Schüsse auf ein Auto ab, in dem eine Frau mit ihren beiden Kindern unterwegs war. Die vierjährige Tochter wurde getötet und ihr siebenjähriger Bruder verletzt.

Im Oktober 2022 schossen Angehörige der Nationalgarde mit scharfer Munition in die Luft, um einen friedlichen Protest im Bundesstaat Jalisco aufzulösen.

Verschwindenlassen

Die Behörden registrierten 2022 mindestens 9.826 Fälle vermisster oder verschwundener Personen. Die Gesamtzahl der in Mexiko seit 1964 als vermisst oder verschwunden gemeldeten Personen stieg damit auf mehr als 109.000 an. Fälle von Verschwindenlassen wurden weiterhin kaum geahndet: im Jahr 2022 gab es laut der Nationalen Suchkommission (Comisión Nacional de Búsqueda) lediglich 36 Schuldsprüche in diesbezüglichen Gerichtsverfahren.

In einem 2022 veröffentlichten Bericht sprach der UN-Ausschuss über das Verschwindenlassen von einer Krise der Forensik in Mexiko, weil die sterblichen Überreste von mehr als 52.000 Personen noch immer nicht identifiziert waren.

Im August 2022 präsentierte die Regierung den Bericht der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit im Fall Ayotzinapa (Comisión para la Verdad y Acceso a la Justicia del Caso Ayotzinapa). Nach Ansicht der Kommission handelte es sich bei dem Verschwinden der 43 Studenten aus Ayotzinapa im Jahr 2014 um ein "Staatsverbrechen", an dem die kriminelle Gruppe Guerreros Unidos sowie Angehörige staatlicher Institutionen, darunter auch Angehörige der Streitkräfte, beteiligt waren.

Im September 2022 trat Staatsanwalt Omar Gómez Trejo, der die Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft für Ermittlungen und Verfahren im Fall Ayotzinapa (Unidad Especial para la Investigación y Litigación del Caso Ayotzinapa de la Fiscalía General de la República – UEILCA) leitete, von seinem Amt zurück. Zur Begründung verwies er auf die unzulässige Einmischung der Generalstaatsanwaltschaft, die 21 Haftbefehle zurückgenommen hatte, darunter 16 gegen Armeeangehörige. Die unabhängige Sachverständigengruppe der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, die die Fortschritte im Fall Ayotzinapa überwacht, kritisierte die Einmischung wie auch die von der Generalstaatsanwaltschaft am 5. September eingeleitete Überprüfung der Arbeit der UEILCA. Im Oktober wurde Rosendo Gómez Piedra zum neuen leitenden Staatsanwalt der UEILCA ernannt, obwohl die Familien der Opfer und zivilgesellschaftliche Organisationen seine Ernennung nicht unterstützt hatten.

Der Unterstaatssekretär für Menschenrechte, Bevölkerung und Migration kündigte im August an, ein Nationales Zentrum zur Identifizierung unbekannter Toter (Centro Nacional de Identificación Humana) einzurichten, um die Ermittlungen in Fällen des Verschwindenlassens sowie die Arbeit von Staatsanwaltschaften und Rechtsbeiständen zu unterstützen.

Im Oktober 2022 ordnete ein Bundesrichter an, dass die Generalstaatsanwaltschaft innerhalb von 40 Tagen eine nationale forensische Datenbank (Banco Nacional de Datos Forenses) einrichten müsse. Die Datenbank zählte zu den Maßnahmen, die seit der Verabschiedung des Gesetzes über das Verschwindenlassen im Jahr 2017 nicht umgesetzt worden waren. Dem Urteil war eine Klage der Menschenrechtsorganisation Centro Prodh vorausgegangen.

Im Jahr 2022 mussten mindestens drei Frauen die Suche nach ihren verschwundenen Kindern mit dem Leben bezahlen. Im Oktober wurde Rosario Lilián Rodríguez Barraza im Bundesstaat Sinaloa und Blanca Esmeralda Gallardo im Bundesstaat Puebla getötet. María del Carmen Vázquez wurde im November im Bundesstaat Guanajuato getötet.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hielt im August 2022 eine öffentliche Anhörung zum Fall von Daniel García Rodríguez und Reyes Alpízar Ortiz ab, die sich seit mehr als 17 Jahren in Untersuchungshaft befanden. Das Urteil des Gerichtshofs wird für 2023 erwartet.

Im November 2022 entschied der Oberste Gerichtshof gegen die automatische Untersuchungshaft im Fall von Steuerbetrug, Schmuggel und Steuerhinterziehung mittels gefälschter Rechnungen. Ein weiterer Fall bezüglich der Verfassungsmäßigkeit automatischer Untersuchungshaft war Ende des Jahres noch anhängig.

Im Dezember 2022 ordnete der Oberste Gerichtshof die umgehende Freilassung von Gonzalo García, Juan Luis López und Héctor Muñoz an, da ihre Rechte auf Unschuldsvermutung und ein faires Verfahren verletzt worden seien. Die drei Männer hatten sich zuvor im Bundesstaat Tabasco siebeneinhalb Jahre lang willkürlich in Haft befunden.

Folter und andere Misshandlungen

Nach Angaben des Nationalen Registers für Folterverbrechen (Registro Nacional del Delito de Tortura) wurden von Januar bis September 2022 insgesamt 1.840 Fälle von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch Staatsbedienstete angezeigt. Die Gesamtzahl der seit 2018 gemeldeten Fälle stieg damit auf 14.243 an. Die meisten Anzeigen gab es in Mexiko-Stadt sowie in den Bundesstaaten México und Chihuahua. Es war von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, denn laut einer landesweiten Umfrage des Nationalen Instituts für Statistik und Geografie zu Viktimisierung und Wahrnehmung der öffentlichen Sicherheit wurden mehr als 93 Prozent aller Straftaten im Land nicht angezeigt. Ein Grund hierfür war, dass die meisten angezeigten Straftaten nicht geahndet wurden.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Menschenrechtsverteidiger*innen wurden 2022 weiterhin bedroht, stigmatisiert, ungerechtfertigt inhaftiert, gefoltert und getötet. Auch ihre Familienangehörigen waren zum Teil Drohungen ausgesetzt. Menschenrechtsverteidigerinnen waren zudem sexualisierter Gewalt ausgesetzt.

Im Laufe des Jahres wurden mindestens zehn Menschenrechtsverteidiger*innen getötet. Die Organisation Global Witness veröffentlichte 2022 einen Bericht, wonach im Vorjahr 54 Personen getötet worden waren, die sich für Landrechte und Umweltschutz eingesetzt hatten. Damit war Mexiko für Verfechter*innen dieser Rechte das gefährlichste Land weltweit.

Der Präsident bezeichnete Abgeordnete des Europaparlaments im März 2022 öffentlich als "Schafe", nachdem das EU-Parlament in einer Entschließung die Bedrohung, Schikanierung und Ermordung von Menschenrechtsverteidiger*innen in Mexiko verurteilt hatte.

Ebenfalls im März wurde der Umweltschützer Trinidad Baldenegro in der Stadt Coloradas de la Virgen (Bundesstaat Chihuahua) getötet. Vor ihm waren bereits weitere Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Rarámuri wegen ihrer Menschenrechtsarbeit umgebracht worden, u. a. Julián Carrillo, der 2018 von Unbekannten erschossen worden war.

Im Juni 2022 wurden in einer Kirche in der Stadt Cerocahui (Bundesstaat Chihuahua) drei Menschen getötet, darunter die beiden Priester und Menschenrechtler Javier Campos Morales und Joaquín Mora, die sich für die Rechte der indigenen Gemeinschaften in der Sierra Tarahumara eingesetzt hatten.

Im Oktober wurden weitere Fälle von Überwachung durch die Pegasus-Spionagesoftware bekannt. Betroffen waren zwei Journalisten, ein Menschenrechtsverteidiger und ein Oppositionspolitiker. Die Fälle deuteten darauf hin, dass es Verträge zwischen dem Verteidigungsministerium und Unternehmen gab, die mit früheren Käufen der Spionagesoftware in Verbindung gebracht wurden. Nach dem Bekanntwerden der Fälle behauptete der Präsident, beim Vorgehen der Regierung handele es sich lediglich um nachrichtendienstliche Arbeit, die keine Spionage sei. Die Hackergruppe Guacamaya veröffentlichte im Oktober Informationen von verschiedenen Servern der Armee, die enthüllten, dass die Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsorganisationen, einschließlich Amnesty International, überwacht wurden.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Oktober 2022 führte der Bundesstaat Tamaulipas die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Damit können gleichgeschlechtliche Paare nun in allen 32 Bundesstaaten Mexikos heiraten.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Nachdem vier weitere Bundesstaaten 2022 Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert haben, sind sie nun in Mexiko-Stadt und zehn Bundesstaaten erlaubt: Baja California, Baja California Sur, Coahuila, Colima, Guerrero, Hidalgo, Oaxaca, Quintana Roo, Sinaloa und Veracruz.

Klimakrise und Umweltzerstörung

Im Mai 2022 setzte ein Bundesrichter den Bau von Abschnitt 5 des Bahnprojekts Maya-Zug (Tren Maya) mit der Begründung aus, dass dieser die biologische Vielfalt und die Landrechte der indigenen Gemeinschaften gefährde, die von den empfindlichen Ökosystemen des Urwalds abhängig seien. Dessen ungeachtet deklarierte der Präsident den Maya-Zug als ein Projekt der nationalen Sicherheit, sodass der Bau fortgesetzt werden konnte.

Mexiko aktualisierte im November seine nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions – NDC). Statt einer Treibhausgasminderung um 22 Prozent bis 2030 sollen diese Emissionen nun um 35 Prozent gesenkt werden. Auf der Weltklimakonferenz (COP27) kündigte das Land neue Klimaschutzmaßnahmen wie z. B. eine Verdopplung in der Erzeugung erneuerbarer Energien an, was eine Steigerung um 105 Gigawatt bedeuten würde.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Von allen staatlichen Einrichtungen erhielt die Einwanderungsbehörde die dritthöchste Zahl an Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen (1.997), während bei der Mexikanischen Kommission für Flüchtlingshilfe (Comisión Mexicana de Ayuda a Refugiados – COMAR) 333 solcher Beschwerden eingingen, was die zehnthöchste Zahl darstellt.

Die Behörden hielten 2022 mindestens 281.149 Personen in überfüllten Hafteinrichtungen für Migrant*innen fest. Mindestens 98.299 Personen, vor allem aus Mittelamerika, wurden abgeschoben, darunter Tausende unbegleitete Minderjährige.

Im Laufe des Jahres nahmen die Behörden mehrere Flüchtlinge und Migrant*innen auf Flughäfen im ganzen Land fest und unterzogen sie unmenschlicher und erniedrigender Behandlung.

Die Flüchtlingsbehörde COMAR registrierte 118.478 Asylanträge. Der Großteil der Asylsuchenden kam aus Honduras, gefolgt von Flüchtlingen aus Kuba, Haiti und Venezuela.

Die mexikanischen Behörden arbeiteten weiterhin mit den USA zusammen, um die US-Politik umzusetzen, die das Recht auf Asyl und den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) untergrub. Dazu gehörte die kollektive Ausweisung von Menschen aus Zentralamerika und Venezuela auf Grundlage der US-Richtlinie Title 42, die den Zugang zu Asylverfahren an der Grenze zwischen den USA und Mexiko drastisch einschränkte. Menschen, die aus den USA nach Mexiko abgeschoben wurden, waren Entführungen, sexualisierter Gewalt, Raubüberfällen und anderen Gewalttaten ausgesetzt.

Der Oberste Gerichtshof von Mexiko fällte 2022 zwei wegweisende Urteile zum Schutz von Migrant*innen. Im Mai erklärte er die Migrations-Kontrollposten im Landesinneren für verfassungswidrig, weil sie diskriminierend seien. Im Oktober stellte der Gerichtshof fest, die Exekutive habe es versäumt, klare offizielle Handlungsanweisungen zum Schutz derjenigen Asylsuchenden zu veröffentlichen, die auf Grundlage des US-Programms "Remain in Mexico", auch bekannt als "Migrant*innenschutzprotokolle" (Migrant Protection Protocols – MPP), auf mexikanisches Hoheitsgebiet zurückgeführt wurden.

Rechte indigener Gemeinschaften

Trotz eines Urteils des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2020 verabschiedete das Parlament auch 2022 kein Gesetz, um das im Übereinkommen über indigene Völker (ILO-Konvention 169) garantierte Recht indigener Bevölkerungsgruppen auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Projekten, die sie betreffen, zu regeln.

Verknüpfte Dokumente