Anfragebeantwortung zu Kolumbien: Lage von Transgender Frauen / LGBTIQ-Aktivistinnen (staatlicher Schutz und Vorfälle polizeilicher oder anderer Gewalt, Bedrohung durch FARC und Autodefensas Unidas de Colombia, Zugang zu medizinischer Versorgung, Zugang zum Arbeitsmarkt) [a‑11883-1]

20. Mai 2022

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Inhaltsverzeichnis

Staatlicher Schutz und Vorfälle polizeilicher oder anderer Gewalt 

Bedrohung durch FARC und Autodefensas Unidas de Colombia 

Zugang zu medizinischer Versorgung 

Zugang zum Arbeitsmarkt 

Quellen 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen 

Staatlicher Schutz und Vorfälle polizeilicher oder anderer Gewalt

In ihrem Jahresbericht 2022 (Beobachtungszeitraum 2021) schreibt die internationale Menschrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), dass die Ombudsperson für Menschrechte sowie zivilgesellschaftliche Gruppen, trotz des starken gesetzlichen Schutzes gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität in Kolumbien, Bedenken über das hohe Maß an Gewalt gegen LGBTIQ[1]-Personen geäußert hätten (HRW, 13. Jänner 2022). Eine im April 2020 vom Williams Institute an der University of California (UCLA) veröffentlichte Studie zur Lage von LGBTIQ-Personen in Kolumbien nennt Kolumbien ein Land der Widersprüche: Einerseits gebe es beeindruckende Fortschritte beim Schutz der Bürgerrechte für LGBTIQ-Personen, wie die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, der Anspruch auf Altersrenten und der gesetzliche Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Andererseits seien LGBTIQ-Personen, insbesondere Transgender-Personen und schwule und bisexuelle Männer, nach wie vor Opfer schwerer Gewalt und Diskriminierung. Außerdem bestehe weiterhin die Gefahr, dass errungene Rechte wieder rückgängig gemacht werden, da die konservative Bewegung diese Rechte entschieden ablehne (Choi et al., April 2020, S. 2). Das Washington Office on Latin America (WOLA) erläutert in einer Analyse zu LGBTIQ-Rechten vom Juli 2020 ebenfalls, dass LGBTIQ-Personen in Kolumbien in den letzten zwei Jahrzehnten bedeutenden Schutz erhalten hätten. Dennoch sei die anhaltende Gewalt gegen die LGBTIQ-Gemeinschaft, insbesondere gegen Transgender-Personen, bezeichnend für ein seit langem bestehendes Paradoxon in Kolumbien: Auf dem Papier verfüge das Land über einen vergleichsweise sehr starken Rechtsschutz für LGBTIQ-Personen in Lateinamerika, in der Praxis werde dieser Schutz jedoch selten umgesetzt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 seien in Kolumbien im Vergleich zu neun anderen Ländern in Lateinamerika und der Karibik im Zeitraum von 2014 bis 2019 die meisten Morde an LGBTIQ-Personen verzeichnet worden. Im Jahr 2020 seien sogar trotz des COVID-19-Lockdowns weiterhin Angriffe auf LGBTIQ-Führungspersönlichkeiten und Transgender-Personen verübt worden (WOLA, 3. Juli 2020).

Die oben genannte Studie wurde vom Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen SInViolencia LGBT im August 2019 veröffentlicht und befasst sich mit Tötungsdelikten von LGBTIQ-Personen in den Jahren 2014 bis 2019 in Lateinamerika und der Karibik. Sie kann in Spanisch unter folgendem Link abgerufen werden:

·      SInViolencia LGBT: El Prejuicio No Conoce Fronteras. Homicidios de lesbianas, gay, bisexuales, trans en países de América Latina y el Caribe 2014 – 2019, August 2019
https://colombiadiversa.org/colombiadiversa2016/wp-content/uploads/2019/08/Informe_Prejuicios_web.pdf

WOLA erläutert weiters, dass Anti-LGBTIQ-Rhetorik zu einer alarmierenden Zunahme von Feindseligkeit und Gewalt gegen queere Kolumbianer·innen beitrage. Zwischen 2014 und 2018 seien über 545 LGBTIQ-Kolumbianer·innen ermordet worden. Laut einem Bericht der in Kolumbien ansässigen Nichtregierungsorganisation Temblores aus dem Jahr 2020 seien Mitglieder der öffentlichen Sicherheitskräfte am häufigsten für Gewalttaten und Schikanen gegen LGBTIQ-Kolumbianer·innen verantwortlich. Diese Gewalttaten würden die besorgniserregende Kluft zwischen dem fortschrittlichen Rechtsschutz in Kolumbien und der tatsächlichen Durchsetzung dieses Schutzes veranschaulichen. Bedauerlicherweise sei die Erfassung aktueller Daten über derartige Übergriffe und Gewalt gegen LGBTIQ-Kolumbianer·innen aus verschiedenen Gründen schwierig. Wilson Casteñada, Direktor der Menschenrechtsgruppe Caribe Afirmativo, erläutere, dass lokale Organisationen weitgehend für die Dokumentation von Fällen von LGBTIQ-Gewalt verantwortlich seien. Staatliche Stellen würden über keine Datenbanken zur Registrierung dieser Übergriffe verfügen, und wenn es Datenbanken gebe, fehle es an politischem Willen und finanziellen Mitteln für deren ordnungsmäßigen Verwaltung. Darüber hinaus bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Gewalt gegen LGBTIQ-Personen durch öffentliche Sicherheitskräfte nicht gemeldet werde, da Gewaltopfer möglicherweise zögern würden, sich an Behörden zu wenden (WOLA, 3. Juli 2020).

Die oben genannte Studie der kolumbianischen NGO Temblores aus dem Jahr 2019 kann in Spanisch unter folgendem Link abgerufen werden:

·      Temblores: Qué maricada con nuestros derechos, 2019
https://en.temblores.org/_files/ugd/7bbd97_6e420af880dd4f268f2c1c6fc6020de4.pdf

Hinsichtlich Transgender-Personen schreibt WOLA, dass Transphobie in Kolumbien weit verbreitet sei. Transgender-Personen, die in der Sexarbeit tätig sind, seien besonders stark von Gewalt und Belästigung betroffen, da die Stigmatisierung von Sexarbeit das Risiko erhöhe, dass solche Gewalterfahrungen nicht ernst genommen würden. Am 20. Juni 2020 seien zum Beispiel fünf Transgender-Sexarbeiter·innen von Angehörigen der kolumbianischen Nationalpolizei in Bogotá brutal angegriffen worden. Solche Vorfälle seien nichts Ungewöhnliches, da kulturelle Stigmata physische und strukturelle Gewalt gegen die Trans-Gemeinschaft zulassen würden. Die Ausgrenzung transsexueller Kolumbianer·innen sei auch im Zuge der staatlichen Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie verdeutlich worden. Im Rahmen von „pico y género“, einer geschlechtsspezifischen Quarantänemaßnahme, die vorübergehend in Bogotá und Cartegena eingeführt worden sei, seien Frauen und Männer an abwechselnden Wochentagen für wichtige Erledigungen nach draußen gegangen. Nach Angaben der Trans-Rechtsorganisation Red Comunitaria habe diese Maßnahme in Bogotá zu etwa 20 Fällen gezielter Diskriminierung von Transgender-Personen geführt. Das sei beispielhaft dafür, dass politische Maßnahmen es oft verabsäumen würden, die Diskriminierung und institutionelle Gewalt gegen geschlechtsuntypische und Transgender-Personen zu berücksichtigen (WOLA, 3. Juli 2020).

Der im April 2022 veröffentlichte Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums (USDOS) berichtet, dass es im Jahr 2021 ebenfalls Beschwerden hinsichtlich Polizeigewalt aufgrund der sexuellen Orientierung gegeben habe. Trotz staatlicher Maßnahmen zur Stärkung der Rechte und des Schutzes von LGBTIQ-Personen habe es Meldungen zu gesellschaftlicher Misshandlung und Diskriminierung sowie zu sexuellen Übergriffen gegeben. Nichtregierungsorganisationen zufolge seien Transgender-Personen, insbesondere Transgender-Männer, häufig sexuellen Angriffen im Rahmen sogenannter korrigierender Vergewaltigungen ausgesetzt gewesen. Die NGO Colombia Diversa habe berichtet, dass zwischen dem 1. Jänner 2021 und dem 18. August 2021 neununddreißig LGBTIQ-Personen getötet worden seien, darunter 26 Transgender-Personen. Die am häufigsten verbreiteten Arten der Misshandlung seien körperliche, sexuelle und psychologische Aggression sowie wirtschaftliche Diskriminierung gewesen. Die Generalstaatsanwaltschaft habe berichtet, dass sie im Zeitraum von 2008 bis zum 31. Juli 2021 insgesamt 185 Morde an LGBTIQ-Personen untersuche. Bei den meisten Opfern handle es sich um Transgender-Frauen. Im Juni 2021 sei Luciana Moscoso Moreno, eine Transgender-Frau und Mitglied des Trans Community Network, in ihrer Wohnung getötet worden, nachdem sie Drohungen und Hassbotschaften erhalten habe. Im August 2021 habe die Generalstaatsanwaltschaft zu fünf laufenden Ermittlungen wegen übermäßiger Gewaltanwendung durch das Militär oder die Polizei gegen LGBTIQ-Personen berichtet (USDOS, 12. April 2022, Section 6). Amnesty International (AI) verweist in seinem Jahresbericht vom März 2022 (Beobachtungszeitraum 2021) auf die NGO Caribe Afirmativo, der zufolge zwischen dem 28. April und 10. Juni 2021, im Zusammenhang mit allgemeinen Protesten gegen die Regierung, fünf LGBTIQ-Personen Opfer von Polizeigewalt gewesen seien (AI, 29. März 2022). Der im Februar 2022 veröffentlichte Jahresbericht von Freedom House schreibt, dass laut Angaben der Ombudsstelle der Regierung in den ersten 5 Monaten des Jahres 2021 insgesamt 21 LGBTIQ-Personen ermordet worden seien (Freedom House, 28. Februar 2022).

Im April 2020 veröffentlicht das Williams Institute an der University of California (UCLA) eine Studie zur Lage von LGBTIQ-Personen in Kolumbien, bei der insgesamt landesweit 4.867 LGBTIQ-Personen, darunter 232 Transgender-Personen, befragt worden seien. Demnach sei Polizeigewalt zu einer Form der de-facto-Kriminalisierung der am meisten gefährdeten und ausgegrenzten LGBTIQ-Menschen in Kolumbien herangewachsen, und Zwangsmaßnahmen würden auf ungerechtfertigte und willkürliche Weise angewendet (Choi et al., April 2020, S. 7). Im Rahmen der im Juli 2019 abgeschlossenen Umfrage für die Studie seien LGBT-Personen zu Interaktionen mit der Polizei im Vorjahr befragt worden. Insgesamt hätten 20 Prozent der Befragten angegeben, dass die Polizei oder Staatsorgane sie verbal misshandelt hätten und elf Prozent hätten von körperlicher Gewalt berichtet. Mehr Transgender-Befragte (neunundzwanzig Prozent) seien von der Polizei verbal misshandelt worden als lesbische/schwule (17 Prozent) und bisexuelle Frauen (16 Prozent). Und ein signifikant höherer Anteil von Transgender-Befragten (24 Prozent) sei von der Polizei körperlich misshandelt worden als schwule (12 Prozent) und bisexuelle Männer (12 Prozent) und lesbische/schwule (9 Prozent) und bisexuelle Frauen (7 Prozent) (Choi et al., April 2020, S. 35).

Bedrohung durch FARC und Autodefensas Unidas de Colombia

In einer Email-Auskunft vom 13. Mai 2022 antwortet eine in Kolumbien ansässige Forscherin, die anonym bleiben will, auf die Frage, ob Transgender-Frauen und LGBTIQ-Aktivistinnen Gewalt und/oder Drohungen seitens der FARC, der Autodefensas Unidas de Colombia und ihrer Nachfolgeorganisationen ausgesetzt seien. Die allgemeine Antwort auf diese Frage laute: Ja, sie seien in der Tat Gewalt und gezielten Angriffen ausgesetzt. Eine der häufigsten Formen der gesellschaftlichen Kontrolle, die alle bewaffneten Gruppen anwenden würden, sei strategische Gewalt gegen „unerwünschte“ Bevölkerungsgruppen - eine Praxis, die als „limpieza social“ oder „soziale Säuberung“ bekannt sei. Es sei üblich, dass eine bewaffnete Gruppe eine „Säuberung“ von Drogenabhängigen, Dieb·innen, Prostituierten und der LGBTIQ-Gemeinschaft durchführe, um ihre klare Autorität zu demonstrieren und der Bevölkerung eine deutliche Botschaft über die Einhaltung ihrer Regeln und Vorschriften zu vermitteln. Darüber hinaus gingen diese Gruppen gegen die LGBTIQ-Gemeinschaft vor, um sich zu etablieren. Bedauerlicherweise sei die kolumbianische Gesellschaft nach wie vor sehr konservativ und die Zugehörigkeit zur LGBTIQ-Gemeinschaft, insbesondere in ländlichen Gebieten, werde stigmatisiert. Die Forscherin sei der Ansicht, dass das bei post-paramilitärischen Gruppen wie dem Golf-Clan sogar stärker ausgeprägt sei. Sie wisse von mehreren konkreten Fällen in Gebieten unter der Kontrolle des Golf-Clans, in denen vor kurzer Zeit LGBTIQ-Führungspersönlichkeiten bedroht und gewaltsam vertrieben worden seien. Es sei auch möglich zu sagen, dass innerhalb der LGBTIQ-Gemeinschaft Transgender-Personen, insbesondere Transgender-Frauen, besonders stark gefährdet seien (Forscherin, 13. Mai 2022).

Die im April 2020 vom Williams Institute an der University of California (UCLA) veröffentlichte Studie zu LGBTIQ-Personen in Kolumbien beschreibt Gewalt durch bewaffnete Gruppen auf ähnliche Weise. In der Vergangenheit sei die LGBTIQ-Bevölkerung von bewaffneten Gruppen diskriminiert und Opfer von Gewalt geworden. Gewalt gegen LGBTIQ-Personen sei Teil der Strategien von bewaffneten Gruppen zur Erringung sozialer und territorialer Kontrolle. Diese Gruppen würden Verhaltensnormen durchsetzen und als Rechtsanwender fungieren, indem sie LGBTIQ-Personen einer eindeutigen moralischen Ordnung unterwerfen würden. Dabei gelte Heterosexualität und die strikte Einhaltung traditioneller Geschlechterrollen als einzige gesellschaftlich anerkannte Lebensart, die von diesen Gruppen akzeptiert werde. LGBTIQ-Personen, die gegen diesen Moralkodex verstoßen, seien von Gruppen, die außerhalb des Gesetzes agiert hätten, sanktioniert oder getötet worden. Daher seien LGBTIQ-Personen sozialer Ausgrenzung, öffentlicher Demütigung, Gewalt, Vorurteilen, Verbannung und Belästigung durch diese Gruppen ausgesetzt gewesen. Es werde angenommen, dass viele Gewalttaten von den Opfern aus Angst und Misstrauen gegenüber den staatlichen Behörden nicht gemeldet worden seien. LGBTIQ-Personen seien von bewaffneten Gruppen gezwungen worden, sich auf HIV testen zu lassen, und diejenigen, die HIV-positiv gewesen seien, seien vertrieben worden (Choi et al., April 2020, S. 6). Unter den Transgender-Personen sei ein höherer Anteil der Gewaltopfer von Mitgliedern bewaffneter Gruppen angegriffen worden. Beispielsweise berichteten 22 Prozent der befragten Transgender-Personen, die geschlagen oder körperlich angegriffen worden seien, dass dies durch Mitglieder bewaffneter Gruppen geschehen sei, und 15 Prozent der befragten Transgender-Personen, die sexuell angegriffen worden seien, seien von Mitgliedern bewaffneter Gruppen misshandelt worden (Choi et al., April 2020, S. 28).

Mehrere Quellen berichten über die Inkludierung von LGBTIQ-Personen in das im Jahr 2016 unterschriebene Friedensabkommen mit der FARC. Laut einem Bericht der Washington Office on Latin America (WOLA) handle es sich um das erste Friedensabkommen weltweit, das LGBTIQ-Personen explizit in den Friedensprozess einbeziehe (WOLA, 3. Juli 2020). HRW beschreibt in seinem Jahresbericht vom Jänner 2022, dass die Special Jurisdiction for Peace (JEP), eine im Rahmen des Abkommens eingerichtete staatliche Behörde zur Untersuchung von Rechtsverletzungen während des bewaffneten Konflikts, im April 2021 fünf LGBTIQ-Personen als Misshandlungsopfer von FARC-Guerillas und Armeesoldaten anerkannt habe, und erstmalig zu dem Schluss gekommen sei, dass geschlechtsspezifische Verfolgung auch die Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität umfasse (HRW, 13. Jänner 2022). Ein Bericht der SPD-nahen deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur Inkludierung der LGBTIQ-Gemeinschaft in den Friedensprozess kann unter folgendem Link abgerufen werden:

·      FES – Friedrich-Ebert-Stiftung: The Unpaid Balance To Women And The LGBTI Community, November 2021
http://library.fes.de/pdf-files/bueros/kolumbien/18721.pdf

Zugang zu medizinischer Versorgung

Das US-Außenministerium (USDOS) merkt in seinem Jahresbericht vom April 2022 an, dass es im Jahr 2021 Berichte zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung hinsichtlich des Zugangs auf Gesundheitsversorgung gegeben hätte. Transgender-Personen hätten angegeben, dass der Zugang zu öffentlichen Diensten erschwert worden sei, wenn sich Gesundheitsdienstleister oder Polizeibeamt·innen geweigert hätten, ihren von der Regierung ausgestellten Ausweis zu akzeptieren und einige Transgender-Personen hätten angegeben, dass es schwierig gewesen sei, ihre Geschlechtsbezeichnung in nationalen Ausweispapieren zu ändern. Weiters berichtet USDOS, dass das Verfassungsgericht im August 2020 entschieden habe, dass die Krankenkassen für die Übernahme der Kosten für geschlechtsangleichende und -umwandelnde Operationen zuständig seien (USDOS, 12. April 2022, Section 6).

Im Rahmen seiner im Juni 2019 veröffentlichten Global Workplace Briefings befragte die in London ansässige LGBTIQ-Organisation Stonewall den Anwalt Juan Felipe Rivera von der NGO Colombia Diversa, zum Zugang zur medizinischen Versorgung in Kolumbien. Ihm zufolge würden Transgender-Personen bei der Gesundheitsversorgung oft auf Hindernisse stoßen. Diejenigen, die sich medizinisch umwandeln wollen, würden ein langwieriges und kompliziertes Überweisungsverfahren durchlaufen müssen, bei dem sie gezwungen seien zu „beweisen“, dass sie transgender sind. Bei Transgender-Personen, die schlechte Beziehungen zu ihren Psychiater·innen hätten, könne es zur Aussetzung der Behandlung kommen. Für Menschen aus ländlichen Gebieten sei es oft sehr viel schwieriger, Zugang zu einer transsexuellen Gesundheitsversorgung zu erhalten. Gesundheitsdienstleister würden oft versuchen, Leistungen zu verweigern, auf die ein gesetzlicher Anspruch bestehe. LGBTIQ-Personen seien auch Diskriminierung durch medizinische Fachkräfte ausgesetzt, deren Voreingenommenheit zu Fehldiagnosen bei gesundheitlichen Problemen führen könne (Stonewall, Juni 2019, S. 2). Laut einer Umfrage unter 4.867 kolumbianischen LGBTIQ-Personen (darunter 232 Transgender-Personen), die im Rahmen der im April 2020 vom Williams Institute an der UCLA veröffentlichten Studie durchgeführt worden ist, hätte insgesamt jeder fünfte (21 Prozent) der LGBTIQ-Befragten von jemandem eine Behandlung erhalten, der versucht hätte, die sexuelle Orientierung der Person zu ändern oder sie dazu zu bringen, sich mit dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zu identifizieren („Konversionstherapie“). Ein noch höherer Anteil (35 Prozent) der Transgender-Befragten habe angegeben, eine solche Behandlung bereits erhalten zu haben (Choi et al., April 2020, S. 3).

In einem Beitrag vom August 2021 von Global Voices beschreibt eine kolumbianische Transgender-Frau einen Besuch beim Arzt. Bei dem Termin habe sie sich nach einer geschlechtsangleichenden Operation erkundigt, die sie vor über zwei Jahren beantragt hätte, und sei informiert worden, dass die Operation nicht durchgeführt werden könne. Im Rahmen des Arztbesuchs habe man sich auf ihr Hüftleiden konzentriert, was ungewöhnlich für sie sei, da sie bei anderen Terminen anstelle einer Diagnose oft subjektive Bewertungen ihres Körpers und ihrer Genitalien bekommen hätte. Vor drei Jahren sei damit begonnen worden, gesundheitlichen Probleme auf ihre Geschlechtsumwandlung zu reduzieren, wobei Hormone für eine schwere Erkältung, Knieschmerzen und Depressionen und Angstzustände verantwortlich gemacht worden seien. Im September des Vorjahres sei sie dreimal wegen desselben Notfalls zum Arzt gegangen. Bei den ersten beiden Besuchen seien die Hormone für ihre Unterleibsschmerzen verantwortlich gemacht worden, obwohl sie seit Monaten keine Hormone mehr eingenommen hätte. Bei ihrem dritten Besuch habe der Arzt eine sofortige Blinddarmentfernung angeordnet. Nach der Operation habe der Arzt, der sie stets als Mann angesprochen habe, sie vorzeitig nach Hause geschickt und ihre Unterleibsschmerzen ignoriert. Außerdem sei sie vom übrigen Personal schlecht behandelt worden, eine Krankenschwester habe zum Beispiel ihre weibliche Identität in Frage gestellt (Global Voices, 3. August 2021). Die kolumbianische Zeitung Semana berichtet im Juni 2020 zu Ermittlungen hinsichtlich des Todes einer Transgender-Frau in Bogotá wegen Verweigerung medizinischer Versorgung. Demnach sei Alejandra Monocuco am 29. Mai 2020 gestorben, nachdem ihr der Transport in einem Krankenwagen verweigert worden sei (Semana, 27. Juni 2020).

Zugang zum Arbeitsmarkt

Das USDOS merkt in seinem Jahresbericht vom April 2022 an, dass es im Jahr 2021 keine offiziellen Berichte zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz gegeben habe (USDOS, 12. April 2022, Section 6). Der oben bereits angeführte Anwalt der NGO Colombia Diversa, Juan Felipe Rivera, äußert sich im Rahmen des Stonewall Global Workplace Briefings vom Juni 2019 folgendermaßen zu Zugang zum Arbeitsmarkt und Diskriminierung von Transgender- und LGBTIQ-Personen am Arbeitsplatz. Es gebe zwar Gesetze gegen Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz, aber deren Umsetzung sei im Alltag gering. Den meisten Transgender-Personen werde der Zugang zu Bildung, familiärer Unterstützung und Gesundheitsfürsorge verwehrt, was bedeute, dass sich nur sehr wenige Transgender-Personen um einen regulären Arbeitsplatz bewerben können. Selbst wenn dies möglich sei, würden Arbeitgeber·innen, wenn sie erfahren, dass ein potenzielle/r Mitarbeiter·in transgender ist, diese Person oft sofort vom Bewerbungsverfahren ausschließen. Für LGBTIQ-Personen hänge der Zugang zu einer Beschäftigung oft davon ab, inwieweit sie stereotypischen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit entsprechen. Feminine Männer und maskuline Frauen, die LGBTIQ sind, seien häufig mit Hindernissen beim Zugang zu Beschäftigung konfrontiert. Homophobe, biphobe oder transphobe Äußerungen seien am Arbeitsplatz keine Seltenheit. Dies zwinge LGBTIQ-Personen, sich zu verstecken, und führe zu einer repressiven Atmosphäre am Arbeitsplatz. In Kolumbien seien LGBTIQ-Personen häufig mit Anfeindungen konfrontiert, was sich auf Erfahrung eines Coming-outs am Arbeitsplatz auswirken könne. Colombia Diversa habe von LGBTIQ-Personen gehört, die sich aufgrund der Diskriminierung, der sie nach ihrem Coming-out ausgesetzt gewesen seien, nicht in der Lage gefühlten hätten, ihren Arbeitsplatz zu behalten (Stonewall, Juni 2019, S. 2).

Laut der im April 2020 von der UCLA veröffentlichten Studie hätten mehr Transgender-Befragte als LGB-Befragte angegeben, dass ihnen gekündigt oder eine Arbeitsstelle verweigert worden sei (40 Prozent) und dass ihnen eine Beförderung verweigert worden sei oder sie eine negative Bewertung am Arbeitsplatz erhalten hätten (30 Prozent) (Choi et al., April 2020, S. 31).

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 20. Mai 2022)

·      AI – Amnesty International: Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kolumbien 2021, 29. März 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2070242.html

·      Choi, Soon Kyu/ Divsalar, Shahrzad/ Flórez-Donado, Jennifer/ Kittle, Krystal/Meyer, Andy Lin Ilan H./ Torres-Salazar, Prince: Stress, Health, and Well-Being of LGBT People in Colombia Results from a national survey, April 2020 (veröffentlicht von Williams Institute, UCLA)
https://williamsinstitute.law.ucla.edu/wp-content/uploads/LGBT-Colombia-English-May-2020.pdf

·      FES – Friedrich-Ebert-Stiftung: The Unpaid Balance To Women And The LGBTI Community, November 2021
http://library.fes.de/pdf-files/bueros/kolumbien/18721.pdf

·      Forscherin: Email-Auskunft,13. Mai 2022

·      Freedom House: Freedom in the World 2022 - Colombia, 28. Februar 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068724.html

·      Global Voices: Chronicles of a transgender woman’s visit to the doctor, 3. August 2021
https://globalvoices.org/2021/08/03/chronicles-of-a-transgender-womans-visit-to-the-doctor/

·      HRW – Human Rights Watch: World Report 2022 - Colombia, 13. Jänner 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068578.html

·      USDOS – US Department of State: 2021 Country Report on Human Rights Practices: Colombia, 12. April 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2071134.html

·      Semana: Avanzan investigaciones por la muerte de mujer trans en Bogotá, 27. Juni 2020
https://www.semana.com/nacion/articulo/colombia-hoy-abren-tres-investigaciones-por-la-muerte-de-alejandra-monocuco/682637/

·      SInViolencia LGBT: El Prejuicio No Conoce Fronteras. Homicidios de lesbianas, gay, bisexuales, trans en países de América Latina y el Caribe 2014 – 2019, August 2019
https://colombiadiversa.org/colombiadiversa2016/wp-content/uploads/2019/08/Informe_Prejuicios_web.pdf

·      Stonewall: Stonewall Global Workplace Briefings 2019 - Colombia, Juni 2019
https://www.stonewall.org.uk/system/files/global_workplace_briefing_colombia_final.pdf

·      Temblores: Qué maricada con nuestros derechos, 2019
https://en.temblores.org/_files/ugd/7bbd97_6e420af880dd4f268f2c1c6fc6020de4.pdf

·      WOLA - Washington Office on Latin America: LGBT+ Rights and Peace in Colombia: The Paradox Between Law and Practice, 3. Juli 2020
https://www.wola.org/analysis/lgbt-rights-and-peace-in-colombia-the-paradox-between-law-and-practice/


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Amnesty International (AI) ist eine internationale regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit Hauptsitz in London.

·      AI – Amnesty International: Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kolumbien 2021, 29. März 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2070242.html

„Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Nach Angaben der NGO Caribe Afirmativo wurden zwischen dem 28. April und 10. Juni [2021] vor dem Hintergrund der Proteste fünf LGBTI+ Opfer von Polizeigewalt.

Am 21. Mai wurde ein junger schwuler Mann, der an einer Demonstration teilnahm, willkürlich in einer Polizeistation in Soledad im Departamento Atlántico inhaftiert und sexuell belästigt. Berichten zufolge stachelte ein Wachmann Häftlinge dazu auf, den Mann sexuell zu missbrauchen, nachdem dessen sexuelle Orientierung bekannt geworden war.“ (AI, 29. März 2022)

Das Williams Institute ist ein an der University of California (UCLA) angesiedeltes Forschungszentrum, das zu den Bereichen sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Politik und Recht forscht.

·      Choi, Soon Kyu/ Divsalar, Shahrzad/ Flórez-Donado, Jennifer/ Kittle, Krystal/Meyer, Andy Lin Ilan H./ Torres-Salazar, Prince: Stress, Health, and Well-Being of LGBT People in Colombia Results from a national survey, April 2020 (veröffentlicht von Williams Institute, UCLA)
https://williamsinstitute.law.ucla.edu/wp-content/uploads/LGBT-Colombia-English-May-2020.pdf

„Colombia is a country of contradictions when it comes to LGBT lives. On the one hand, there are impressive gains in civil rights protections for LGBT people, such as recognition of same-sex marriage, eligibility for retirement pensions, and legal protection from discrimination on the basis of sexual orientation and gender identity. On the other hand, there continues to be serious violence and discrimination against LGBT people, particularly gay/bisexual men and transgender people. There is also a continued risk of reversal of achieved rights as the conservative movement strongly opposes those rights.” (Choi et al., April 2020, S. 2)

„Health and Well-being In terms of health, despite reporting that they had good, very good, or excellent general health, 72% of the respondents reported at least moderate psychological distress. Consistent with the high rate of psychological distress, 55% of respondents had suicidal thoughts in their lifetime, and one in four (25%) had attempted suicide at least once. Bisexual women (33%) and transgender people (31%) had the highest rates of suicide attempts, with one in three people reporting they had attempted suicide at least once. Overall, one in five (21%) LGBT respondents have received treatment from someone who tried to change their sexual orientation or to make them identify with their assigned sex at birth (“conversion therapy”). An even higher proportion (35%) of transgender respondents reported of having received this treatment.” (Choi et al., April 2020, S. 3)

„Violence against LGBT people perpetrated by armed groups

Historically, the LGBT population has been discriminated against and suffered violence by armed groups. Violence against LGBT people is part of the strategies of social and territorial control of the armed groups that impose behavioral norms and act as administrators of justice, subjecting LGBT people to a social policing by armed groups and the imposition of a unique moral order based on heterosexuality as the only socially approved path accepted by these groups, and strict adherence to traditional gender roles. LGBT people who breach this moral code were sanctioned or killed by groups operating outside the law. Thus, LGBT people have been subject to social exclusion, public humiliation, violence, prejudice, exile, and harassment by these groups. It is believed that many incidents of violence go unreported by the victims because of fear and distrust of governmental authorities (Colombia Diversa, 2017). LGBT people have been forced to get tested for HIV by armed groups, and those who were HIV positive have been forced to leave their homes (Colombia Diversa, 2017).” (Choi et al., April 2020, S. 6)

„Police violence against LGBT people

Police violence has become a form of de facto criminalization of the most vulnerable and excluded LGBT people in Colombia, and coercive measures are applied in an unjustified and arbitrary manner. […] Acts of police violence prevent LGBT people from fully participating in the cultural and political life of their country. For example, in Bogotá, there have been cases of LGBT people being harassed by police while participating in political protests (Colombia Diversa, Caribe Afirmativo, and Santamaría Fundación, 2018)” (Choi et al., April 2020, S. 7-8)

„Violence against LGBT people perpetrated by armed groups

Historically, the LGBT population has been discriminated against and suffered violence by armed groups. Violence against LGBT people is part of the strategies of social and territorial control of the armed groups that impose behavioral norms and act as administrators of justice, subjecting LGBT people to a social policing by armed groups and the imposition of a unique moral order based on heterosexuality as the only socially approved path accepted by these groups, and strict adherence to traditional gender roles. LGBT people who breach this moral code were sanctioned or killed by groups operating outside the law. Thus, LGBT people have been subject to social exclusion, public humiliation, violence, prejudice, exile, and harassment by these groups. It is believed that many incidents of violence go unreported by the victims because of fear and distrust of governmental authorities (Colombia Diversa, 2017). LGBT people have been forced to get tested for HIV by armed groups, and those who were HIV positive have been forced to leave their homes (Colombia Diversa, 2017).” (Choi et al., April 2020, S. 6)

„Stressful life events among transgender respondents

More transgender respondents than LGB respondents experienced being fired from a job or denied a job (40%) and were denied a promotion or received a negative evaluation at work (30%). And about twice as many transgender respondents (17%) as LGB men and women (6–8%) have been stopped by a landlord or real estate agency from moving into or buying a home or apartment. Almost all (85%) of transgender respondents were bullied before age 18, and this did not differ statistically from gay (84%) and bisexual men’s (81%) experiences.” (Choi et al., April 2020, S. 31)

„LGBT respondents’ interaction with police

We asked respondents what their interactions with the police have been like in the year prior to taking the survey. Overall, 20% reported that the police or state officials have been verbally abusive and 11% reported physical abuse (Table 9). More transgender respondents (29%) were verbally abused by police than lesbian/gay (17%) and bisexual women (16%). And a significantly higher proportion of transgender respondents (24%) have been physically abused by police compared to gay (12%) and bisexual men (12%) and lesbian/gay (9%) and bisexual women (7%)” (Choi et al., April 2020, S. 35)

·      Forscherin: Email-Auskunft, 13. Mai 2022

„The broad answer to your question is yes, they are absolutely subjected to and targeted for violence.

One of the most common forms of social control that all armed groups utilize is strategic violence against "undesirable" populations - a practice known as limpieza social, or social cleansing. It is common for an armed group to undertake a purge of drug users, robbers, prostitutes, and the LGBT community as a way to establish their clear authority and to send a strong message to the community about conformity to their rules and dictates. Moreover, these groups target LGBT populations as a means to obtain legitimacy; the unfortunate reality is that Colombia remains a highly conservative society and being a part of the LGBT community is stigmatized particularly in rural areas. If anything, I would say that this violence is more pronounced with post-paramilitary groups such as the Gulf Clan. I know of several specific cases recently in areas under Gulf Clan control where LGBT leaders were threatened and forcibly displaced. We can also say that within the LGBT community, trans persons are at particularly high risk, especially trans women.” (Forscherin, 13. Mai 2022)

Freedom House ist eine in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich mit Recherchen und Advocacy-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst.

·      Freedom House: Freedom in the World 2022 - Colombia, 28. Februar 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068724.html

„LGBT+ people suffer societal discrimination and abuse, and there are also high levels of impunity for crimes committed against them. According to the governmental ombudsman’s office, 21 LGBT+ people were murdered in the first 5 months of 2021.” (Freedom House, 28. Februar 2022)

Global Voices ist eine internationale, mehrsprachige, hauptsächlich ehrenamtlich arbeitende Gemeinschaft von Schriftsteller·innen, Übersetzern·innen, Akademiker·innen und Menschenrechtsaktivisten·innen.

·      Global Voices: Chronicles of a transgender woman’s visit to the doctor, 3. August 2021
https://globalvoices.org/2021/08/03/chronicles-of-a-transgender-womans-visit-to-the-doctor/

„Early one morning in July, she gets ready for her orthopedic appointment. She looks feminine, but even so, comments and teasing on the street are inevitable, just like when she's going to work. It doesn’t matter, she’s happy about this appointment she got after two months of persistence. As she bathes, she remembers that three years ago, her medical service knew her as the woman she is and didn’t treat her the same as when she had a masculine appearance.

Three years ago, she had a bad cold, but the doctor blamed her symptoms on hormones. And so, her health problems began to be blamed on her transition. If her knees hurt, it was because of hormones; if she had depression or anxiety, it was because she was a teacher who should not dress as a woman in her school. They did not acknowledge that she continued to be mistreated by fellow teachers and parents.

She also remembers that last September, she went three times for the same emergency. In the first two visits, they blamed the hormones for her abdominal pain, even though she had not taken them for months. On her third visit, the doctor ordered her appendix to be removed immediately. After surgery, the doctor—who always treated her in masculine terms—sent her home prematurely, ignoring her abdominal pains. In addition, she was mistreated by the rest of the staff, like when a nurse questioned her identity by shouting, ‘Why are you pretending to be a woman,’ and all for requesting to be treated by a doctor.

She had to return a week later because her abdomen, overflowing with a hemorrhage, caused anemia. She was hospitalized for almost a month—but this time she was treated with dignity because she had learned not to keep quiet and to put her complaint in writing. The doctor in charge of the floor apologized to her for the bad treatment she received during the previous hospitalization. […]

She enters the office. She notices that she is treated differently from a few days ago when another orthopedist kept addressing her in masculine terms and calling her ‘partner.’ Today’s doctor focuses on her hip condition, and orders tests to confirm possible trochanteritis. This is unusual for her; in other appointments, a diagnosis tends to be replaced with subjective evaluations of her body and genitalia, and the ‘wrongness of living as a woman.’ Many doctors see her from the point of view that she ‘should be’ a man, who for them is so weak that he resorts to wearing feminine garments. That’s why they normally say things like ‘you are a young man’, ‘your male anatomy is weak’; ‘Be brave and take what was given to you.’ She would like so much to be treated in the same way as the other female teachers, who are not reprimanded about their bodies or relationships!

She is discharged and gets her exams scheduled. She takes the opportunity to ask about her gender reassignment surgery, which she requested over two years ago. She is clear that, with or without a penis, she is still a woman, but it makes her uncomfortable to have it. It is something that many doctors do not understand because they tell her that ‘it is the best thing about a man.’ But it causes her dysphoria; it is not part of her body. They inform her again that the surgery cannot be performed.

After so many unsuccessful steps and formalities, she now faces a new impediment: the vaginal dilator is not available in her country, Colombia.” (Global Voices, 3. August 2021)

Human Rights Watch (HRW) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte einsetzt.

·      HRW – Human Rights Watch: World Report 2022 - Colombia, 13. Jänner 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068578.html

„In June, the Ombudsperson’s Office reported receiving complaints of 5 cases of rape and over 100 cases of gender-based violence by police officers, including slapping and verbal abuse. Victims included lesbian, gay, bisexual, and transgender (LGBT) people. […]

In April [2021], the JEP [Special Jurisdiction for Peace] recognized five LGBT persons as victims of abuses by FARC guerrillas and army soldiers, finding for the first time that gender-based persecution covers persecution based on sexual orientation and gender identity […]

Despite Colombia’s strong legal protections against discrimination on the basis of sexual orientation and gender identity, the human rights ombudsperson and civil society groups have raised concerns about the high levels of violence against LGBT people.“ (HRW, 13. Jänner 2022)

Semana ist ein wöchentlich erscheinendes kolumbianisches Nachrichtenmagazin.

·      Semana: Avanzan investigaciones por la muerte de mujer trans en Bogotá, 27. Juni 2020
https://www.semana.com/nacion/articulo/colombia-hoy-abren-tres-investigaciones-por-la-muerte-de-alejandra-monocuco/682637/

„Avanzan investigaciones por la muerte de mujer trans en Bogotá

Alejandra Monocuco falleció el pasado 29 de mayo luego de que, al parecer, no fuera atendida por el personal médico y le negaran el ser transportada en una ambulancia. La Red Comunitaria Trans denuncia negligencia en su caso.” (Semana, 27. Juni 2020)

Stonewall ist eine Organisation mit Sitz in London, die sich für LGBTIQ-Rechte einsetzt.

·      Stonewall: Stonewall Global Workplace Briefings 2019 - Colombia, Juni 2019
https://www.stonewall.org.uk/system/files/global_workplace_briefing_colombia_final.pdf

„Stonewall spoke to Juan Felipe Rivera, a Constitutional Litigation Lawyer with Colombia Diversa. Colombia Diversa works to promote the human rights of LGBT people in Colombia and advocate for legal change. It also focuses on positively transforming perceptions of LGBT people in Colombia and encouraging greater levels of organisation and political impact in the Colombian LGBT community. […]

Juan: ,While workplace discrimination and harassment laws exist, implementation in daily life is low. Most trans people are denied access to education, family support, and healthcare, meaning very few trans people can apply for formal employment. Even if they do, when employers learn a potential employee is trans, they often immediately exclude them from the application process. For LGB people, the ability to access employment is often related to the extent to which they conform to stereotypical ideas of masculinity and femininity. Feminine men and masculine women who are LGB often face barriers to accessing employment. Homophobic, biphobic, or transphobic remarks are common at work. This forces LGBT people to stay closeted and makes workplaces oppressive. In Colombia, LGBT people often face hostility, including within faith communities. This can affect someone’s experience of coming out at work and Colombia Diversa have heard of LGBT people feeling unable to stay in their job because of discrimination they faced after coming out. In terms of supporting employees, it’s important that businesses have a clear policy setting out their support for LGBT people, and that discrimination and harassment will not be tolerated. There should be mandatory training for all employees about conduct inside and outside the workplace. Additionally, businesses can support local LGBT organisations in a range of ways, for example sharing knowledge or making donations. Businesses should also engage in lobbying and discuss LGBT rights with the government whenever possible: this can be really impactful. Employers can publicly signal their commitment to LGBT rights, which not only helps combat prejudice and stigma, it also makes LGBT people feel supported. When advocating for LGBT rights, businesses should be aware of the diversity of LGBT people’s lives, LGBT people’s experiences, and the impact their activities will have on the community.’

Healthcare

Juan: ‘Trans people can face barriers when it comes to healthcare. Those looking to medically transition must go through a lengthy and complicated referrals process where they have to ‘prove’ they are trans. Trans people with poor relationships with their psychiatrists may have their treatment suspended. People from rural areas often have a much harder time accessing transinclusive healthcare. Often, healthcare providers try to deny services to which people are legally entitled. LGBT people also experience discrimination from healthcare professionals. Their bias can lead to misdiagnoses of health issues based on the sexual orientation or gender identity of the patient.‘“ (Stonewall, Juni 2019, S. 2)

Das US Department of State (USDOS) ist das US-Bundesministerium, das für die auswärtigen Angelegenheiten der Vereinigten Staaten zuständig ist.

·      USDOS – US Department of State: 2021 Country Report on Human Rights Practices: Colombia, 12. April 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2071134.html

„Acts of Violence, Criminalization, and Other Abuses Based on Sexual Orientation and Gender Identity

There were allegations of police violence based on sexual orientation. There were no reports of official discrimination based on sexual orientation in employment, housing, statelessness, or access to education; however, there were reports of discrimination with respect to access to health care. The government’s national action plan guarantees lesbian, gay, bisexual, transgender, queer, and intersex (LGBTQI+) rights for the 2019-22 period. In August 2020 the constitutional court determined that medical insurance companies must bear the costs of gender affirmation and reassignment surgeries.

Despite government measures to increase the rights and protection of LGBTQI+ persons, there were reports of societal abuse and discrimination as well as sexual assault. NGOs claimed transgender individuals, particularly transgender men, were often sexually assaulted in so-called corrective rape. The NGO Colombia Diversa reported between January 1 and August 18, there were 39 homicides of LGBTQI+ persons, including 26 transgender individuals. The primary forms of abuse were physical, sexual, and psychological aggression, in addition to economic discrimination.

The Attorney General’s Office reported investigating 185 killings of LGBTQI+ persons from 2008 through July 31. Most of the victims were transgender women. In June, Luciana Moscoso Moreno, a transgender woman and member of the Trans Community Network, was killed in her apartment after receiving threats and hate messages. As of August the Attorney General’s Office reported five open investigations into excessive use of force by military or police against LGBTQI+ persons.

Transgender individuals cited barriers to public services when health-care providers or police officers refused to accept their government-issued identification. Some transgender individuals stated it was difficult to change their gender designation on national identity documents and that transgender individuals whose identity cards listed them as male were required to show proof they had performed mandatory military service or obtained the necessary waivers from that service.” (USDOS, 12. April 2022, Section 6)

Das Washington Office on Latin America (WOLA) ist eine US-amerikanische Denkfabrik.

·      WOLA - Washington Office on Latin America: LGBT+ Rights and Peace in Colombia: The Paradox Between Law and Practice, 3. Juli 2020
https://www.wola.org/analysis/lgbt-rights-and-peace-in-colombia-the-paradox-between-law-and-practice/

„Lesbian, gay, bisexual, transgender, and intersex Colombians have been granted momentous protections over the past two decades. Included in these feats is the historic recognition of LGBT+ people in the peace process with the Revolutionary Armed Forces of Colombia (FARC), the first in the world to specifically include LGBT+ people. But nonetheless, ongoing violence against the LGBT+ community, especially against trans people, reflects a longstanding paradox in Colombia: on paper, the country has one of the strongest legal frameworks in Latin America defending the rights of LGBT+ people; however, in practice these protections are rarely enforced.

After Brazil, Colombia is perhaps the most dangerous country in the Americas for LGBT+ people. Last year, a study found that, out of nine countries in Latin America and the Caribbean, Colombia registered the highest number of killings of LGBT+ people over a five-year period. In 2020, attacks against LGBT+ leaders and trans people continue even amid the COVID-19 lockdown. […]

Even the historic 2016 peace agreement between the Revolutionary Armed Forces of Colombia (FARC) and the government of Colombia contains a differential focus on gender. Through a Gender Subcommittee that included an LGBT+ representative, the negotiating actors recognized that women and LGBT+ people were disproportionately affected by the armed conflict, and correspondingly, 41 gender-specific provisions were included throughout the agreement. Including this focus on women and LGBT+ groups helped make Colombia’s 2016 peace deal one of the most inclusive peace agreements in history. According to LGBT+ rights group Colombia Diversa, though many of these provisions remain stalled, about 70 percent have at least begun implementation. […]

Violence against LGBT+ Colombians

Anti-LGBT+ rhetoric contributes to alarming increases in hostility and violence against queer Colombians. Between 2014 and 2018, over 545 LGBT+ Colombians were assassinated. Members of the public security forces are most responsible for acts of violence and harassment against LGBT+ Colombians, according to a 2020 report by Colombia-based NGO Temblores. This violence highlights the concerning gap between Colombia’s progressive legal protections and the actual enforcement of said protections.

Unfortunately, gathering current data on such abuses and violence against LGBT+ Colombians is limited for various reasons. Wilson Casteñada, director of human rights group Caribe Afirmativo, notes that local organizations are largely responsible for documenting cases of LGBT+ violence. State entities do not maintain databases that register these abuses, and when they do exist, they lack the political will and funding to be maintained properly. Additionally, there is a strong probability that violence against LGBT+ people by public security forces is underreported, as those who experience this violence may be reluctant to go to the authorities to report these crimes. All this contributes to a lack of detailed data on violence and crimes not just against Colombia’s LGBT+ community, but across the region.

Transphobia

Transphobia is rampant in Colombia. Trans people who are sex workers face particularly extreme levels of violence and harassment because stigmatization around sex work increases the risk that such reports of violence are not taken seriously. This was seen in a recent case on May 29 when Alejandra Monocuco died after she was wrongly denied medical treatment and transportation to the hospital in an ambulance. On June 20, five transgender sex workers were brutally attacked by members of the Colombian National Police in Bogotá. These incidents are commonplace because cultural stigmas allow for physical and structural violence against the trans community.

The exclusion faced by trans Colombians was also made evident in the state’s emergency response to the COVID-19 pandemic. Under pico y género, a sex-based quarantine measure temporarily implemented in Bogotá and Cartegena, women and men were allowed out for essential tasks on alternating days of the week; trans women and men could go out according to their gender identity. According to trans rights organization Red Comunitaria Trans, in Bogotá the policy resulted in some 20 cases of targeted discrimination against trans people. The measure is an example of how state policies often overlook the realities of discrimination and institutional violence against gender nonconforming and trans people.” (WOLA, 3. Juli 2020)



[1] In dieser Anfragebeantwortung wird aus Gründen der Konsistenz durchgängig die Abkürzung LGBTIQ verwendet, auch wenn die Quellen davon abweichende Abkürzungen verwenden (z. B. LGBT, LGBT+, LGBTI, LGBTQI). Die von den Quellen verwendeten Abkürzungen finden sich in den Originalzitaten im Anhang.