Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Jemen 2021

Amtliche Bezeichnung

Republik Jemen

STAATSOBERHAUPT

Abd Rabbu Mansour Hadi

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Maeen Abdulmalik Saeed

Stand:

1|2022

Berichtszeitraum: 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Alle am Konflikt im Jemen beteiligten Parteien verstießen 2021 weiterhin ungestraft gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Sowohl die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz, die die international anerkannte Regierung des Jemen unterstützt, als auch die bewaffnete Gruppe der Huthi verübten weiterhin Angriffe, bei denen Zivilpersonen verletzt und getötet wurden. Auch zivile Infrastruktur wurde zerstört, so z. B. Lebensmittelinfrastruktur. Mitglieder des von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützten sezessionistischen Südlichen Übergangsrats (Southern Transitional Council – STC) führten summarische Hinrichtungen durch.

Die Konfliktparteien gingen mit Schikane, willkürlicher Festnahme, Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen sowie unfairen Gerichtsverfahren gegen Personen vor, die lediglich aufgrund ihrer politischen, religiösen oder beruflichen Zugehörigkeit, ihres friedlichen Engagements oder ihres Geschlechts ins Visier geraten waren. Alle Parteien übten geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung aus.

Die Regierung und der STC gingen mit tödlicher Gewalt gegen überwiegend friedliche Proteste vor, bei denen Maßnahmen zur Verbesserung der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage gefordert wurden. Die Konfliktparteien behinderten die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff und humanitärer Hilfe. Die De-facto-Behörden der Huthi verhinderten Impfungen gegen Covid-19. Saudi-Arabien und Bahrain setzten sich gegenüber den Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats dafür ein, das Mandat der Expertengruppe der Vereinten Nationen zum Jemen (GEE Yemen) nicht zu verlängern, und erzwangen somit das Aus für den einzigen internationalen, unparteiischen Untersuchungsmechanismus für den Jemen. Alle Konfliktparteien trugen zur Umweltzerstörung bei. Todesurteile wurden verhängt und vollstreckt.

Hintergrund

Der bewaffnete Konflikt dauerte das ganze Jahr 2021 über an und eskalierte im Februar und September deutlich, als Huthi-Rebellen in den Gouvernements Ma’rib, ad-Dali’, al-Baida’ und Schabwa mit Offensiven gegen Regierungstruppen begannen. Dies führte zu beispiellosen Gebietsgewinnen für die Huthi-Rebellen, die zum Ende des Jahres in Richtung der Stadt Ma'rib vorrückten. Entlang dieser und weiterer Fronten wurden laut der Internationalen Organisation für Migration 573.362 Menschen vertrieben.

Auch in den Gouvernements Adan, Abyan und Schabwa gingen die Kämpfe zwischen dem von den VAE unterstützten Südlichen Übergangsrat STC und den Regierungstruppen weiter. Ebenso kam es zu Kämpfen zwischen STC-Fraktionen und zwischen STC-Kräften und lokalen Stämmen, auch in dicht besiedelten Gebieten. Obwohl Vertreter_innen des STC und der Regierung erneut ihre Absicht bekräftigten, das Abkommen von Riad über die Machtteilung einhalten zu wollen, wurde es noch immer nicht vollständig umgesetzt, und die STC-Kräfte verblieben außerhalb der Kontrolle der Regierung.

Trotz vielversprechender Anzeichen für einen Durchbruch bei den politischen Gesprächen zwischen den Parteien im Jahr 2020 stellte der neu ernannte UN-Sondergesandte für den Jemen Ende 2021 fest, dass sich die Uneinigkeit zwischen den Konfliktparteien noch vertieft hatte.

Rechtswidrige Angriffe

Die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz und die Huthi-Rebellen führten weiterhin wahllose Angriffe durch, bei denen Zivilpersonen verletzt und getötet sowie zivile Gebäude, einschließlich Einrichtungen zur Lebensmittelverteilung, zerstört und beschädigt wurden.

Die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz flog Luftangriffe, bei denen Zivilpersonen verletzt und getötet sowie zivile Infrastruktur beschädigt wurde. Am 21. März 2021 wurden im Gouvernement al-Hudaida bei zwei Luftangriffen auf den Getreidehafen von Salif zivile Einrichtungen beschädigt und fünf Mitarbeiter verletzt. Am 14. Juni schlugen im Bezirk Khamir im Gouvernement Amran Raketen in zwei Geflügelfarmen ein, die nach Ansicht der GEE Yemen wahrscheinlich durch die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz abgefeuert worden waren. Die GEE Yemen äußerte sich besorgt darüber, dass die Allianz nicht alle machbaren Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriff.

Die Huthi-Rebellen setzten weiterhin schwere Waffen mit geringer Treffsicherheit ein. Im März 2021 feuerten sie regelmäßig mit solchen Waffen auf die Lager für Binnenvertriebene in Meel, Tawasol und Kheir in der Nähe der Stadt Ma’rib, ein bis drei Kilometer von der Frontlinie entfernt. Dabei kamen sechs Frauen und drei Kinder ums Leben. Im Stadtteil Rawda in Ma’rib tötete eine Rakete, die aus einem von den Huthi kontrollierten Gebiet abgefeuert worden war, am 3. April 2021 einen Jungen und einen Mann und verletzte drei weitere Jungen. Die GEE Yemen kam zu dem Schluss, dass es sich bei diesen Angriffen um Kriegsverbrechen handelte.

In al-Hudaida besetzten Regierungstruppen die Lebensmittelfabrik der Gebrüder Thabit, nutzten sie für militärische Zwecke und machten sie so zu einem militärischen Angriffsziel. Am 6. und 19. Juni 2021 beschossen Huthi-Rebellen die Anlage mit Granaten, was zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führte und sowohl die Lebensmittelproduktion als auch die Wasserversorgung beschädigte.

Rechtswidrige Tötungen

Nach Angaben von SAM for Rights and Liberties, einer Menschenrechtsorganisation im Jemen, gab es 2021 im von STC-Kräften kontrollierten Gouvernement Adan 38 Tötungen bzw. versuchte Tötungen von Zivilpersonen.

Am 8. September 2021 hielten STC-Kräfte am Kontrollpunkt al-Farsha in Tur al-Bahah im Gouvernement Lahidsch den Wagen eines Arztes an und töteten ihn. Am 4. Oktober hielten unbekannte bewaffnete Männer an einem anderen Kontrollpunkt in Tur al-Bahah in einem von STC-Kräften kontrollierten Gebiet das Auto eines Krankenpflegers an, der für Ärzte ohne Grenzen arbeitete, und töteten ihn.

Willkürliche Festnahme, Folter und unfaire Gerichtsverfahren

Alle Konfliktparteien nahmen weiterhin Personen aufgrund ihrer politischen, religiösen oder beruflichen Zugehörigkeit, ihres friedlichen Engagements oder ihres Geschlechts durch Festnahme, Verschwindenlassen oder Folter ins Visier.

De-facto-Behörden der Huthi

Die De-facto-Behörden der Huthi hielten weiterhin Hunderte Arbeitsmigrant_innen – Erwachsene und Kinder, überwiegend äthiopische und somalische Staatsangehörige – willkürlich und auf unbestimmte Zeit unter schlechten Bedingungen in der Stadt Sana’a fest. Am 7. März 2021 traten die Inhaftierten aus Protest in einen Hungerstreik. Die Behörden sperrten daraufhin 350 Häftlinge in einen verschlossenen Hangar und beschossen das Gebäude mit scharfer Munition. Als ein Feuer entstand, kamen 46 Häftlinge ums Leben, 202 weitere wurden verletzt. Das Huthi-Innenministerium teilte mit, es habe eine Untersuchung eingeleitet, die ergeben habe, dass die Polizei für den Vorfall verantwortlich sei, und elf Personen seien festgenommen worden.

Die De-facto-Behörden der Huthi hielten noch immer vier Journalisten in der Todeszelle fest. Amnesty International dokumentierte, dass Journalisten aus derselben Gruppe von Inhaftierten, die 2020 zusammen mit einigen Angehörigen der religiösen Minderheit der Baha’i freigelassen worden waren, während ihrer Inhaftierung dem Verschwindenlassen sowie Folter ausgesetzt waren, bevor sie als Bedingung für ihre Freilassung ins Exil gezwungen wurden.

Die De-facto-Behörden der Huthi strengten weiterhin Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Baha’i aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit an. Zudem froren sie das Vermögen von 70 Angehörigen der Gemeinschaft ein oder beschlagnahmten es. Darüber hinaus hielten sie seit März 2016 einen Mann jüdischen Glaubens aufgrund seiner Religion willkürlich fest, obwohl seine Freilassung gerichtlich angeordnet worden war.

STC-Kräfte

Anfang 2021 nahmen STC-Kräfte in der Stadt Aden zwei Männer willkürlich fest, weil sie den STC kritisiert hatten. Im Mai nahmen Antiterroreinheiten des STC in Aden einen Mann in Gewahrsam, dessen Schicksal Ende des Jahres unklar war. Im September verschleppten STC-Kräfte am Flughafen von Aden vier Universitätsstudenten, die von einer Auslandsreise zurückgekehrt waren. Ende September wurden sie wieder freigelassen.

Geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung

Alle Konfliktparteien hielten weiterhin an patriarchalischen Geschlechternormen fest und nutzten sie für ihre Zwecke aus. Sie setzten geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung ein, um ihre Ziele zu erreichen, und erhielten ein breites Spektrum diskriminierender und repressiver gewohnheitsrechtlicher und gesetzlicher Bestimmungen aufrecht. Im Global Gender Gap Index 2021 des Weltwirtschaftsforums belegte der Jemen den zweitschlechtesten Platz.

De-Facto-Behörden der Huthi

Die De-facto-Behörden der Huthi setzten die routinemäßige willkürliche Inhaftierung und das Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen fort. Insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen und Personen, die die von den Huthi durchgesetzten Geschlechternormen in Frage stellten, gerieten ins Visier der Behörden. Allein im Jahr 2021 hielten die Huthi mindestens 233 Frauen und Mädchen in Hafteinrichtungen in Sana’a fest und beschuldigten sie der Unterstützung der Militärallianz, der "Sexarbeit" oder "unmoralischer Handlungen". Frauen, Mädchen und LGBTI+ waren in diesen Einrichtungen in der Vergangenheit systematischer Folter, einschließlich Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt, sowie grausamer und unmenschlicher Behandlung und Zwangsrekrutierung ausgesetzt.

Im Februar 2021 nahmen die De-facto-Behörden der Huthi in Sana’a Schauspielerin und Model Intisar al-Hammadi willkürlich fest und verschleppten sie. Im Gewahrsam wurde sie mit verbundenen Augen verhört, tätlich angegriffen und beleidigt. Am 5. Mai forderten die De-facto-Behörden der Huthi sie auf, sich einem "Jungfräulichkeitstest" zu unterziehen, was sie jedoch verweigerte. Im November wurde sie wegen Begehens einer "sittenwidrigen Handlung" zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Im Januar 2021 beschränkten die Huthi die Erlaubnis zum Kauf von Verhütungsmitteln auf "Ehemänner", was dem erklärten Ziel der bewaffneten Gruppe entspricht, die Geburtenrate zu erhöhen zum Zweck ihrer militärischen Sache.

Jemenitische Regierung

Im Januar 2021 nahmen Angehörige des Geheimdiensts der Regierung in Ma’rib willkürlich eine Frau fest, weil ihr Bruder für die Huthi gearbeitet hatte. Wie das Women’s Solidarity Network berichtete, starb sie später in Gewahrsam.

Im Juli und August 2021 schikanierten bewaffnete Regierungskräfte in Ta’iz zwei Menschenrechtsverteidigerinnen, von denen eine mit Behinderungen lebte, griffen sie tätlich an und beschuldigten sie der "Prostitution" sowie der Arbeit für die Huthi. Im September 2021 wurde nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Mwatana for Human Rights eine weitere Frau, die sich für die Menschenrechte engagierte und bei einer humanitären Einrichtung arbeitete, von Angehörigen des Geheimdiensts in Ma’rib willkürlich inhaftiert und galt einen Monat lang als verschwunden.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Alle Parteien schränkten weiterhin die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit von Menschenrechtsverteidiger_innen, Journalist_innen, politischen Gegner_innen und mutmaßlichen Kritiker_innen ein.

Den gesamten September 2021 über fanden in den Städten Aden, Ta’iz und den südlichen Gouvernements friedliche Proteste gegen die Regierung und den STC statt, mit denen eine Lösung für die Wirtschaftskrise und die sich verschlechternden Lebensbedingungen gefordert wurde. Nach Angaben von Mwatana for Human Rights unterdrückten die Regierung und der STC diese Proteste gewaltsam, u. a. mit Schusswaffen und Granaten. Dies führte dazu, dass STC-Kräfte in Aden einen Mann töteten und drei Jungen verletzten. Regierungskräfte töteten im Gouvernement Hadramaut einen Mann und einen Jungen, und verletzten einen weiteren Jungen. Ein weiterer Mann in Ta’iz wurde verletzt. Alle Überlebenden erlitten lebensverändernde Verletzungen.

Recht auf Nahrung

Die Wirtschaft im Jemen brach weiter ein. Die Abwertung des Jemen-Rial führte zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten um 36 bis 45 Prozent. Bereits vor diesen Preiserhöhungen lebten rund 47.000 Menschen unter hungersnotähnlichen Bedingungen. 2021 war das erste Jahr seit Beginn des Konflikts, das derartige Bedingungen hervorbrachte. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms litten mehr als 50 Prozent der Bevölkerung – etwa 16,2 Millionen Menschen – unter Ernährungsunsicherheit.

Alle Konfliktparteien verhängten weiterhin belagerungsähnliche Zustände wie Blockaden und Hindernisse bei der Einfuhr von Hilfsgütern. Gekoppelt mit unnötigen bürokratischen Hürden sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit trieb dies die Kosten für Lebensmittel in die Höhe, behinderte die Lieferung humanitärer Güter und verstärkte die Ernährungsunsicherheit der Bevölkerung. Die Maßnahmen untergruben die Schritte zur Vermeidung von Hungersnöten und trugen zu hungersnotähnlichen Zuständen in der Bevölkerung bei.

Zwischen März und Juni 2021 verweigerte die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz 13 Schiffen mit 350.000 Tonnen Treibstoffderivaten an Bord die Einfahrt in den Jemen. Im gesamten Jahr 2021 warteten zwei Schiffe mit Treibstoffderivaten rund 200 Tage lang auf ihre Abfertigung. Dies trug nicht nur zur Treibstoffknappheit bei, was sich wiederum auf die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung auswirkte, sondern führte auch zu Einnahmeausfällen der öffentlichen Kassen, was die Fähigkeit der Behörden gefährdete, die Gehälter für Angestellte im öffentlichen Sektor auszuzahlen.

Recht auf Gesundheit

Das Gesundheitssystem war durch den bewaffneten Konflikt sowie die Wirtschafts- und Institutionskrise weiterhin stark beeinträchtigt, was durch die Coronapandemie noch verschärft wurde. Nur 50 Prozent der Gesundheitseinrichtungen waren voll funktionsfähig, und über 80 Prozent der Bevölkerung hatte Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdiensten.

Einschränkungen durch alle Konfliktparteien behinderten den Zugang zu Medikamenten und medizinischer Behandlung, einschließlich Covid-19-Impfstoffen und -Behandlungen. Aufgrund der anhaltenden Schließung des Flughafens von Sana’a durch die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz waren den Menschen im Jemen lebensrettende medizinische Behandlungen verwehrt.

Die Überwachung des Ausmaßes der Coronapandemie war im gesamten Land nur begrenzt möglich, da die De-facto-Behörden der Huthi keine Daten über Krankheits- und Todesfälle sammelten oder veröffentlichten, obwohl die Gesundheitsdienstleister Wellen von Infektionen und Todesfällen feststellten. Stattdessen leugneten die De-facto-Behörden der Huthi öffentlich die Existenz von Covid-19 und verbreiteten falsche Informationen über die Schwere der Krankheit. Sie weigerten sich, Impfungen durchzuführen und lehnten die ihnen von der Regierung im Rahmen der COVAX-Initiative zur Verfügung gestellten Impfstoffe ab.

Die Ausbreitung des Coronavirus und die Untätigkeit bzw. die fehlgeleiteten Präventionsmaßnahmen aller Beteiligten verschärften die strukturelle Ungleichheit, von der Frauen, Mädchen sowie Angehörige marginalisierter Gemeinschaften unverhältnismäßig stark betroffen waren.

Nach Angaben des UN-Bevölkerungsfonds waren nur 20 Prozent der Gesundheitsdienste für Mütter und Kinder im Einsatz, sodass 48.000 Frauen und Mädchen dem Risiko ausgesetzt waren, während der Schwangerschaft oder bei der Geburt zu sterben.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Intensive von Saudi-Arabien angeführte Lobbyarbeit während des gesamten Jahres 2021 gepaart mit dem Widerstand Bahrains gegen eine Verlängerung des Mandats der GEE Yemen auf der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats im Oktober führten dazu, dass der einzige internationale, unparteiische Untersuchungsmechanismus für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Jemen eingestellt wurde. Im Abschlussbericht der GEE Yemen wurde der UN-Sicherheitsrat aufgefordert, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu ersuchen, sich mit der Situation im Jemen zu befassen. Zudem forderte der Bericht die Einrichtung eines internationalen strafrechtlichen Untersuchungsgremiums für den Konflikt im Jemen.

Im Januar 2021 stellte die italienische Regierung die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter, die im Jemen eingesetzt werden sollen, endgültig ein und stornierte Lieferungen nach Saudi-Arabien. Die Staatsanwaltschaft in Rom nahm Ermittlungen über eine mögliche Mitschuld der italienischen Rüstungsexportbehörde und des Waffenherstellers RWM Italia SpA an einem Luftangriff der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz im Jahr 2016, bei dem sechs Zivilpersonen getötet wurden, wieder auf.

Im August 2021 reichten Rechtsbeistände im Namen jemenitischer Beschwerdeführer_innen eine Beschwerde beim IStGH ein. Sie forderten eine strafrechtliche Untersuchung der Verantwortlichkeit der Führungsspitze der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz sowie der von US-Militärauftragnehmern angeheuerten Söldner für rechtswidrige Luftangriffe auf Zivilpersonen sowie für Folter und Mord. Im Oktober reichten die Rechtsbeistände die gleichlautende Beschwerde bei der britischen Metropolitan Police ein.

Umweltzerstörung

Durch die schlechte Regierungsführung des Landes waren alle Konfliktparteien für Umweltzerstörung im gesamten Jemen verantwortlich. Umweltprogramme wurden gestrichen, gesetzlich geschützte Gebiete vernachlässigt, Misswirtschaft in der Ölindustrie und deren Infrastruktur betrieben sowie wirtschaftlicher Druck auf die Zivilbevölkerung ausgeübt. Die Menschen im Jemen waren gezwungen, auf umweltschädliche Mechanismen zur akuten Bewältigung der Krise zurückzugreifen, darunter die Verbrennung von Holzkohle sowie Fischfang und Entwicklungsmethoden, die nicht nachhaltig waren. Dies führte zu zunehmender Umweltverschmutzung, Abholzung, Bodenerosion und Verlust der biologischen Vielfalt, was sich negativ auf die Rechte auf Gesundheit, Nahrung und Wasser auswirkte.

Im Juni 2021 wurde am Ölterminal Bir Ali im Gouvernement Schabwa aufgrund von Missmanagement der Ölinfrastruktur vier Tage lang Öl aus einer Pipeline direkt ins Meer eingeleitet, und zwar in der Nähe der ökologisch sensiblen Küstenlinie. Ebenfalls im Juni weigerten sich die De-facto-Behörden der Huthi, dem von den Vereinten Nationen geleiteten Expertenteam für den Tanker FSO Safer Sicherheitsgarantien zu geben.

Dadurch lief der Tanker vor der Küste von al-Hudaida zunehmend Gefahr, seine Ladung von 1,14 Mio. Barrel Öl zu verlieren, was verheerende Folgen für die biologisch empfindliche Küste sowie die Wasserversorgung, Gesundheit, Ernährungssicherheit und den Lebensunterhalt von Millionen von Menschen im Jemen und in Eritrea hätte, die von der Fischerei im Roten Meer abhängig sind.

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