Anfragebeantwortung zu Syrien: Provinz Rif Dimashq, Ort Madaya: Informationen zu Gefechten zwischen Regierung und Rebellengruppen bzw. zu Luftschlägen im Mai-Juli 2015 [a-11832-1]

16. Februar 2022

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) erwähnt im August 2016, dass sich der Ort Madaya seit Juli 2015 unter Belagerung syrischer Regierungstruppen befinde und beschreibt die Lage dort wie folgt:

„Die Bewohner_innen der Nachbarstädte Madaya und Boukein westlich von Damaskus befinden sich seit Juli 2015 unter der Belagerung syrischer Regierungstruppen und deren Verbündeten. Zivilpersonen dürfen die beiden Städte nicht verlassen und der Zugang zu jeglicher humanitärer und medizinischer Hilfe ist stark eingeschränkt. Etwa 40.000 Menschen sind in den beiden Städten eingeschlossen und haben nur sehr begrenzten Zugang zu lebensnotwendigen Grundversorgungsmitteln und medizinischer Notversorgung.“ (AI, 11. August 2016)

The New Humanitarian (TNH) veröffentlicht im Jänner 2016 einen Überblick über die Entwicklungen in Madaya seit Beginn der gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen im Jahr 2011. Auch die Bewohner·innen von Madaya hätten sich 2011 der Demonstrationsbewegung angeschlossen und politische Freiheiten gefordert. Als 2013 die Proteste in einen Bürgerkrieg umgeschlagen seien, habe die Syrische Arabische Armee (SAA) damit begonnen, die Bewegungen in und aus dem Tal, in dem die Orte Madaya und Zabadani liegen würden, stärker zu kontrollieren. Eine einzige Straße zur Grenze mit dem Libanon führe durch das Gebiet, durch das eine Zeit lang viele Syrer·innen auf ihrem Weg in den Libanon in Sicherheit gelangt seien. Dies habe Madaya zu einem Ziel für die Armee gemacht und die Rebellen gezwungen, dort ihre Präsenz zu erhöhen, um die Kontrolle des Grenzgebiets aufrechtzuerhalten. Im Juli 2015 habe die Regierung eine totale Blockade verhängt und die Straße nach Damaskus abgesperrt, während die mit der Regierung verbündete Hisbollah-Miliz das Tal von der libanesischen Seite her eingekesselt habe. Auf der einzigen Straße, die aus Madaya nach Damaskus führe, seien Kontrollpunkte errichtet und im Gebiet seien Minen gelegt worden. Die Hisbollah-Miliz habe das Tal in Richtung der Grenze zum Libanon abgeschnitten. Die Gewalt habe sich im Laufe des Sommers 2015 verschärft, als die Luftangriffe der Regierung im benachbarten Zabadani 20.000 Menschen zur Flucht nach Madaya gezwungen hätten. Dadurch habe sich dort die Einwohnerzahl verdoppelt. Da der reguläre Handel eingestellt worden sei, seien die Lebensmittel- und Medikamentenvorräte immer knapper geworden. Hunger und Kälte hätten im Herbst eingesetzt. Bis Ende Dezember 2015 seien 23 Menschen verhungert. Bereits im November habe es Berichte über Hungertote, überhöhte Preise und über das Horten von Lebensmitteln und Vorräten gegeben (TNH, 28. Jänner 2016).

Das Middle East Research and Information Project (MERIP) berichtet im Mai 2015 über Konfliktentwicklungen im Barada-Tal (Wadi Barada), in dem sich auch Madaya befinde. Im Tal sei es zu Kämpfen zwischen der Opposition und der Armee gekommen, die ihr Arsenal unter anderem mit Haubitzen und Kampfpanzern aufgestockt habe. Der Armee sei es jedoch bisher nicht gelungen, Wadi Barada zurückzuerobern, da das zerklüftete Gelände den Einsatz von Infanterie, Raketen und Artillerie erschwere. Stattdessen habe das Regime eine aggressive Polizeitaktik angewandt, Kontrollpunkte an allen Straßen nach Wadi Barada eingerichtet und dort regelmäßig Kämpfer und deren Angehörige sowie zufällig anwesende Zivilist·innen verhaftet. Die wichtigsten Militäreinheiten, die in Wadi Barada operieren würden, seien zwei Brigaden der Republikanischen Garde. Diese Truppen seien auf den umliegenden Hügeln stationiert, von denen aus sie leicht auf Ziele im Tal schießen könnten (MERIP, 13. Mai 2015).

Im folgenden Abschnitt werden nutzergenerierte Inhalte aus sozialen Medien wie Twitter angeführt. Bitte beachten Sie bei der Verwendung solcher Informationen, dass diese in vielen Fällen nicht hinreichend überprüfbar sind.

Am 12. Mai meldet ein Twitter-Account, dass Madaya mit Granaten beschossen werde (SNA, 12. Mai 2015). Am 13. Mai berichtet der Sender Halab Today, dass Rebellen mit Raketen Panzer der syrischen Armee an einem Checkpoint nahe Madaya angegriffen hätten (Halab Today, 13. Mai 2015). Am 14. Juni 2015 erwähnen mehrere Twitter-Accounts den Abwurf von Fassbomben auf Madaya, was zu fünf Todesopfern und weiteren Verletzten geführt habe (Shaam Network, 14. Juni 2015; Al-Wafa li-l-Aamal Al-insaniya, 14. Juni 2015; D. Abdallah al-Muhammad (Abu Kadi), 14. Juni 2015). Am 19. Juni 2015 meldet ein Twitter-Nutzer, dass Scharfschützen an einem Checkpoint Zivilist·innen aus Madaya ins Visier nehmen würden (Bashar Burhan, 19. Juni 2015). Am 6. Juli 2015 seien aufgrund von Raketenangriffen der Regierungstruppen und der libanesischen Hisbollah Brände in der Umgebung von Madaya ausgebrochen (Shaam Network, 6. Juli 2015). Vom 9. Juli 2015 bis zum 12. Juli gibt es täglich Twittermeldungen zum Abwurf von Fassbomben über Madaya (Syria Post, 9. Juli 2015; Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya, 10. Juli 2015; Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya, 11. Juli 2015, Syrian Press Agency, 12. Juli 2015). Am 19. Juli melden mehrere Twitter-Accounts Raketenangriffe auf Madaya (Tamddon, 19. Juli 2015; Ittihad Tansiqiyyat Al-Thawra, 19. Juli 2015), ein Account spricht dabei von einem Todesopfer und Verletzten (Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya, 19. Juli 2015).

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 16. Februar 2022)

·      AI – Amnesty International: Urgent Action: 190/16 [MDE 24/4642/2016], 11August 2016
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-190-2016/zehnjaehrige-gefahr?destination=node%2F5309

·      Al-Wafa li-l-Aamal Al-insaniya. Tweet, 14. Juni 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/HmlatAlwafa2/status/610038991140859904?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Bashar Burhan: Tweet, 19. Juni 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/BurhanBashar/status/611984935109402624?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      D. Abdallah al-Muhammad (Abu Kadi): Tweet, 14. Juni 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/muhasysinnn/status/609991801856864256?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Halab Today: Tweet, 13. Mai 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/HalabTodayTV/status/598386124004941824?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Ittihad Tansiqiyyat Al-Thawra: Tweet, 19. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/syrcu/status/622809015475515392?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      MERIP - Middle East Research and Information Project; Wadi Barada: Snapshot or a Civil War, 13. Mai 2015
https://merip.org/2015/05/wadi-barada-snapshot-of-a-civil-war/

·      Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya: Tweet, 10. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/thuwwar/status/619596184827658240?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya: Tweet, 11. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/thuwwar/status/619989219612729344?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Munassiqu Al-Thawra Al-Suriya: Tweet, 19. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/thuwwar/status/622680153748021248?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Shaam Network: Tweet, 14. Juni 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/shaamnews/status/609969250388848640?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Shaam Network: Post, 6. Juli 2015 (verfügbar auf Facebook)
https://www.facebook.com/ShaamNetwork.Arabic/posts/1000766599973914

·      SNA – Syria News Agency: Tweet, 12. Mai 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/Syr_news_agency/status/598145371295117312?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Syria Post: Tweet, 9. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/sy_post/status/618923713430454272?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Syrian Press Agency: Tweet, 12. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/syr_press_news/status/620133200334057472?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      Tamddon: Tweet, 19. Juli 2015 (verfügbar auf Twitter)
https://twitter.com/tamddon/status/622657496193351680?s=20&t=Ho4o2TPxtHkucTwAL7YjYA

·      TNH – The New Humanitarian: Anatomy of a Siege: The Story of Madaya, 28. Jänner 2016
https://deeply.thenewhumanitarian.org/syria/articles/2016/01/28/anatomy-of-a-siege-the-story-of-madaya


 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Das Middle East Research and Information Project (MERIP) ist eine gemeinnützige unabhängige Forschungsgruppe, die Berichte und Positionspapiere zu verschiedenen Nahostkonflikten veröffentlicht.

·      MERIP - Middle East Research and Information Project; Wadi Barada: Snapshot or a Civil War, 13. Mai 2015
https://merip.org/2015/05/wadi-barada-snapshot-of-a-civil-war/

„The villages of Wadi Barada are distributed in four administrative districts that are part of Rif Dimashq or Damascus Countryside governorate - ‘Ayn al-Fija, Madaya, Qudsaya and Zabadani. All four districts have witnessed fighting between the opposition and the army, which has bolstered its arsenal with PKC and DShK machine guns, 122-mm howitzers and T-72 battle tanks. The army has so far been unable to recapture Wadi Barada, however, as the rugged terrain makes it difficult to deploy infantry, missiles or artillery. Instead, the regime has tried aggressive police tactics, installing checkpoints on all roads to Wadi Barada and regularly arresting fighters and their relatives, as well as random civilians. It has also been trying to recruit locals as informers and National Defense Force paramilitaries.

The main military units operating in Wadi Barada are the Thirteenth and 104th Brigades of the Republican Guard. These troops are posted on hilltops and ridges from which they can easily fire upon targets in the valley below. In addition, forces of the 105th Brigade of the Republican Guard and the so-called Suicide Battalion are positioned in the area. The latter, made up of 4,000 to 6,000 soldiers, is attached to the Fourth Armored Division led by Bashar al-Asad’s brother, Mahir.” (MERIP, 13. Mai 2015)

The New Humanitarian (TNH), ehemals Teil des Büros der Vereinten Nationen zur Koordinierung humanitärer Hilfe (UNOCHA) und ehemals unter der Bezeichnung Integrated Regional Information Networks (IRIN) bekannt, ist eine institutionell unabhängige Nachrichtenagentur, die schwerpunktmäßig über Krisen berichtet und sich für eine Verbesserung humanitärer Hilfsmaßnahmen einsetzt.

·      TNH – The New Humanitarian: Anatomy of a Siege: The Story of Madaya, 28. Jänner 2016
https://deeply.thenewhumanitarian.org/syria/articles/2016/01/28/anatomy-of-a-siege-the-story-of-madaya

„Tucked away in the Qalamoun mountains of rural Damascus, Madaya is surrounded by a natural valley on three sides. Residents joined protests in the summer of 2011, marching through its small streets chanting for political freedoms and flying the flag of the revolution in the town square. In 2013, as protests turned to civil war, the Syrian Arab Army (SAA) began tightening its control over movements in and out of the valley where Madaya and Zabadani are nestled. A single road toward the border with Lebanon leads through the area where, for a time, many Syrians passed through on their way to safer ground in Lebanon. This made Madaya a target for the army, forcing rebels to rally to fight for control of the border area. The government enacted a total blockade in July 2015, shutting down the road to Damascus while its ally Hezbollah encircled the valley from the Lebanese side. Checkpoints were set up on the only road in or out, and mines planted in the area. Violence intensified throughout the summer, as government airstrikes in neighboring Zabadani sent 20,000 people fleeing to Madaya, doubling its population and setting off the first appeals for support from the outside world. With regular commerce suspended, food and medical supplies steadily dwindled. Hunger and cold set in throughout the fall. From August through November, Madaya activists posted photo after photo counting the days of the siege. A delivery of emergency food aid came in October – the first in three months – but it was more of a painkiller than a cure. Inundated with ‘dozens of cases daily of fainting due to lack of food,’ doctors had to improvise crude IV drips out of leftover kitchen supplies. By December’s end, 23 people had died of starvation. By November, there were already reports of deaths by starvation, inflated prices, and claims of hoarding food and supplies.” (TNH, 28. Jänner 2016)