Anfragebeantwortung zum Iran: Gültigkeit der Nachregistrierung einer traditionell geschlossenen Ehe [a-11799]

14. Dezember 2021

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Die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien teilte in einer telefonischen Auskunft vom 10. Dezember 2021 mit, dass es bei der Beantwortung der Frage, ab welchem Zeitpunkt eine religiös geschlossene Ehe gültig sei, darauf ankomme, wie diese Ehe geschlossen worden sei. Sei die Eheschließung bei einem Notar erfolgt, sei die Ehe damit amtlich registriert und erlange zum Zeitpunkt des Notariatsakts ihre Gültigkeit. Sei die Ehe hingegen informell zu Hause geschlossen worden, müsse das Paar (z. B. in Österreich) in eine Moschee gehen, dort heiraten und anschließend die Ehe bei den iranischen Behörden bzw. der Botschaft registrieren lassen. In diesem Fall werde die Ehe erst zum Zeitpunkt der Registrierung gültig. (Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien, 10. Dezember 2021)

Eine in Österreich lebende iranische Juristin teilte am 13. Dezember 2021 in einer telefonischen Auskunft mit, dass es sich bei im Iran geschlossenen traditionellen Ehen stets um Zeitehen („sighe“) handle. Eine Zeitehe könne nur dann zustande kommen, wenn bestimmt worden sei, für welche Dauer diese geschlossen werden solle. Daneben gebe es im iranischen Recht staatliche, permanente Eheschließungen, die als „nekah“ bezeichnet würden. (Iranische Juristin in Österreich, 13. Dezember 2021).

Auch die Zeitehe, die in Artikel 1075 des iranischen Zivilgesetzbuchs als eine für einen befristeten Zeitraum geschlossene Ehe definiert wird (Zivilgesetzbuch der Islamischen Republik Iran, 31 Juli 2006, Artikel 1075), wird als rechtmäßig anerkannt (Familienschutzgesetz der Islamischen Republik Iran, 19. Februar 2015, Artikel 21, Arbeitsübersetzung ACCORD).

Wie die in Österreich lebende iranische Juristin erläuterte, könne eine Zeitehe als rein informell geschlossene Ehe existieren oder auch offiziell registriert werden. Eine rein auf informellem Wege geschlossene Ehe sei zwar an sich anerkannt, habe aber keine offizielle Gültigkeit. Ein Paar könne eine solche Ehe offiziell registrieren lassen, sei aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet. Bei Vorliegen einer Schwangerschaft bei der Frau sei eine Registrierung jedoch verpflichtend. Voraussetzung für die Registrierung einer Zeitehe sei, dass diese noch nicht abgelaufen, also noch aufrecht sei. Die Registrierung einer Zeitehe erfolge durch einen Notar in einem Heiratsnotariat, nachdem die Eheschließung zuvor zumeist durch einen Mullah durchgeführt worden sei. Mit der Registrierung erlange die Zeitehe offizielle Gültigkeit als traditionelle Ehe, auch wenn einer Zeitehe auch ohne Registrierung bei unterschiedlichen Behörden, etwa bei der Polizei, eine gewisse Gültigkeit zukomme, da ein Paar in Zeitehe als miteinander ‚mahram‘ (verwandt) gelte.

Eine auf diese Weise registrierte Zeitehe könne man in weiterer Folge ebenfalls in einem Heiratsnotariat in eine nekah umwandeln lassen. Eine Zeitehe könne in eine „nekah“ umgewandelt werden, wenn der Mann auf die restliche Zeit der Zeitehe verzichtet (bzw. sie der Frau „geschenkt“) habe. Bezüglich der Umwandlung von Zeitehen in eine „nekah“ gebe es unterschiedliche Meinungen von verschiedenen religiösen Rechtsgelehrten. Die Mehrheit gehe jedoch davon aus, dass die offizielle bzw. staatliche Ehe erst ab dem Zeitpunkt der Schließung der „nekah“ zustande komme und nicht bereit ab dem Zeitpunkt der Zeitehe, da die beiden Formen grundlegend verschieden seien. Mit anderen Worten: Vor Schließung des „nekah“ bestehe eine Zeitehe, danach eine „nekah“. Beides seien jedoch Formen der Ehe. Die „nekah“ gelte dabei jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt der Schließung derselben (Iranische Juristin in Österreich, 13. Dezember 2021)

Auf dem iranischen Online-Rechtsberatungsportal Bonyad Vokala antworteten eine Rechtsanwältin und ein Rechtsanwalt im Dezember 2019 folgendermaßen auf die Frage einer Nutzerin, unter welchen Bedingungen eine Zeitehe in eine permanente Ehe umgewandelt werden könne:

Die Rechtsanwältin Maryam Ghorbanpour Dashtaki schrieb hierzu: „Eine Zeitehe kann nicht direkt in eine permanente Ehe umgewandelt werden. Doch bei Vorliegen einer entsprechenden Einigung zwischen den beiden Ehepartnern kann der Mann seinen Verzicht auf die verbleibende Dauer der Zeitehe erklären (und diese so beenden). Danach kann das Paar einen permanenten Ehevertrag zu Bedingungen schließen, die zwischen den Ehepartnern vereinbart werden. [...]

Ähnlich erläuterte der Rechtsanwalt Ehsan Abdollahi: „Eine Zeitehe kann nicht in eine permanente Ehe umgewandelt werden. Falls eine entsprechende Einigung der Ehepartner vorliegt, kann der Ehemann den Verzicht auf die verbleibende Dauer der Zeitehe erklären. Danach kann eine permanente Ehe unter Vereinbarung einer Brautgabe („mehrieh“) geschlossen werden.“ (Bonyad Vokala, Dezember 2019, Arbeitsübersetzung ACCORD)

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo geht in einem Bericht vom Jänner 2021 wie folgt auf die amtliche Registrierung von Ehen und deren Vermerk in der „shenasnameh“ [Personalausweis/Kennkarte, Anm. ACCORD] ein:

“To be legally valid, a marriage or divorce must be registered at special registration offices subject to the Ministry of Justice. According to the US Bureau of Consular Affairs (n.d), the English name for this government organization is the National Organization of Registration of Documents and Property. Notary publics at these offices registers, signs and seals marriages/divorces and issues relevant certificates. This is done for both Muslims, Christians, Jews and Zoroastrians (Civil Registration Law 1986, Article 31; US Bureau of Consular Affairs n.d.). Marriage is also registered immediately in the couple’s shenasnameh. [...]

According to US Bureau of Consular Affairs (n.d.), the following documentation is required to register a marriage and obtain a certificate:

• spouses’ shenasnameh

• spouses’ national ID card

• health certificate

• shenasnameh of the bride’s father

The marriage certificate, Sanad-e aghd / Sanad-e ezdevaj, is a small, handwritten booklet with a red/burgundy cover (US Bureau of Consular Affairs n.d.).” (Landinfo, 5. Jänner 2021, S. 35)

Betreffend die Vermerkung von nicht amtlich registrierten Ehen in der „shenasnameh“ enthält Artikel 32 des Personenstandsgesetzes der Islamischen Republik Iran vom 7. Juli 1976 (Fassung vom 8. Jänner 1985) folgende Bestimmungen:

“Marriages, which have not been registered in a marriage registry office, will be reflected in the identity documents of the spouses in following instances:

1. Presentation of an official affidavit concerning the existence of matrimonial relationship between the applicants of marriage registry.

2. At the time of drawing up an affidavit, the age of husband and wife should not be less than twenty years and eighteen years, respectively

3. The certificate issued by civil registration offices of the issuance place of couples' ID Cards specifying that the spouses have no effective marriage records on the date of declaration of marriage.

Note- The agents of civil registration offices are obliged to send the certified copy of the affidavit to the local public prosecutor’s office after its registration. (Personenstandsgesetz der Islamischen Republik Iran, 8. Jänner 1985, Artikel 32)

Speziell in Bezug auf die Provinz Süd-Chorasan erläutert die National Organization for Civil Documentation (Sabt-e ahval) des iranischen Innenministeriums, dass ein Paar, um eine solche Ehe im „shenasnameh“ vermerken zu lassen, in einer notariellen eidesstaatlichen Erklärung unter anderem das Datum angeben müsse, an dem es die Ehebeziehung eingegangen sei. (National Organization for Civil Documentation, ohne Datum, Arbeitsübersetzung ACCORD)

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 14. Dezember 2021)

·      Bonyad Vokala: شروط تبدیل شدن عقد موقت به دایم چیست؟

[Unter welchen Bedingungen kann eine Zeitehe in eine permanente Ehe umgewandelt werden?], Dezember 2019
https://www.bonyadvokala.com/questions/60362695

·      Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien, Telefonische Auskunft, 10. Dezember 2021

·      Familienschutzgesetz der Islamischen Republik Iran, verabschiedet am 19. Februar 2015, (veröffentlicht von der International Labour Organization (ILO))
https://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/103161/125101/F-946701176/IRN-2015-L-103161.pdf

·      Iranische Juristin in Österreich, E-Mail-Auskunft, 13. Dezember 2021

·      Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Iran: Passports, ID and civil status documents, 5. Jänner 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2044494/Iran-Passports-ID-and-civil-status-documnents-05012021.pdf

·      National Organization for Civil Documentation: ثبت ازدواج به موجب اقرار نامه

[Eintragung einer Ehe aufgrund eidesstattlicher Erklärung], ohne Datum
https://www.sabteahval.ir/khjonubi/default.aspx?tabid=39721

·      Personenstandsgesetz der Islamischen Republik Iran, 7. Juli 1976, Fassung vom 8. Jänner 1985 (offizielle englische Übersetzung, veröffentlicht auf der Website der National Organisation for Civil Registration des iranischen Innenministeriums)
https://www.sabteahval.ir/Upload/Modules/Contents/asset90/civilregistrationlaw_2_.pdf

·      Zivilgesetzbuch der Islamischen Republik Iran, 23. Mai 1928, Fassung vom 31. Juli 2006, inoffizielle englische Übersetzung
https://www.refworld.org/docid/49997adb27.html