Expertenauskunft zu Somalia: Somaliland: Psychiatrische Versorgung und Kosten; ambulante Versorgung, Verfügbarkeit von Medikamenten (Autor: Markus Höhne) [a-11539]

9. April 2021

Diese Expertenauskunft wurde von Markus Höhne im Auftrag von ACCORD verfasst.

Markus Höhne ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie der Universität Leipzig. Seit 2001 arbeitet er zu Somalia und hat insgesamt über drei Jahre im Land (vor allem im Norden) als Feldforscher und Consultant verbracht und spricht die Landessprache fließend. Seit 2005 arbeitet Dr. Höhne als Gutachter in somalischen Asylfällen für europäische und amerikanische Gerichte. Er hat zahlreiche akademische und populärwissenschaftliche Texte zu Somalia veröffentlicht.

Die inhaltliche Verantwortung für die Richtigkeit dieser Expertenauskunft liegt allein beim Autor. Die Inhalte entsprechen nicht notwendigerweise der Sichtweise von ACCORD. Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar.

Psychiatrische Versorgung und Kosten in Somaliland[1]

In Somaliland gibt es in der Hauptstadt Hargeysa das Hargeysa Group Hospital, welches das größte Krankenhaus in der Region (Nordwest-Somalia) ist. In diesem Krankenhaus gibt es eine psychiatrische Abteilung. Dort arbeiten, Stand April 2021, vier Psychiater, die im Ausland (im Wesentlichen in Äthiopien) ausgebildet wurden und einen Abschluss in Psychiatrie haben. Die psychiatrische Abteilung im Hargeysa Group Hospital hat bis zu 150 Plätze für stationäre Aufnahme. Insgesamt ist die Psychiatrie in Hargeysa – im regionalen Kontext – relativ gut ausgerüstet.[2] PTSD, Schizophrenie, schwere Depressionen werden dort medikamentös und therapeutisch behandelt. Allerdings ist die Versorgung mit Medikamenten eingeschränkt. Zudem ist es so, dass die Hygienebedingungen im Hargeysa Group Hospital nicht in allen Bereichen „westlichen“ Standards entsprechen. Zudem werden aggressive Patienten, wie überall in Somaliland (auch in privaten Häusern) zumindest zeitweilig angekettet. Die Kosten für den stationären Aufenthalt im Krankenhaus belaufen sich auf ca. 5 USD/Nacht, dazu kommen Kosten für Nahrung und Medizin. Insgesamt kostet ein Monat im Krankenhaus mindestens 200 USD, kann aber deutlich teurer werden, je nachdem welche Medikamente gebraucht werden oder welche sonstigen Behandlungen durchgeführt werden müssen. Operationen kosten deutlich mehr (je nach Komplexität zwischen fünfzig und mehreren tausend USD). Es gibt keinerlei kostenfreie Gesundheitsversorgung und auch keine Krankenversicherung in Somaliland.

Neben dem Hargeysa Group Hospital gibt es in Hargeysa noch ca. zwei private Psychiater, die ihre Dienstleistungen anbieten. Zu deren Standards und Kosten kann allerdings auf Grund der mangelhaften Informationslage nichts gesagt werden. Es kann nicht angenommen werden, dass diese privaten Psychiater stationäre Behandlungen anbieten; wenn überhaupt, dann nur für eine sehr kleine Anzahl an PatientInnen. Die Kosten bei den privaten Psychiatern sind in jedem Fall deutlich höher als im Hargeysa Group Hospital.

Zudem gibt es in Boorama im Westen Somalilands ein relativ gut funktionierendes Krankenhaus, in dem es eine Psychiatrie gibt. Diese hat Platz für ca. 26 stationär aufgenommene PatientInnen. Allerdings arbeiten dort nicht permanent ausgebildete Psychiater, sondern Allgemeinmediziner mit gewissen Kenntnissen in Psychiatrie.[3] Es ist aber zu erwarten, dass in näherer Zukunft (im Laufe des Jahres 2021) ein ausgebildeter Psychiater dort seinen Dienst aufnehmen wird.

Die Psychiatrie in Bur’o, der zweitgrößten Stadt Somalilands ist in einem schlechten Zustand. Dort fehlt es an Personal und Ausrüstung. Ansonsten gab es in der Vergangenheit noch eine psychiatrische Abteilung im Krankenhaus der Hafenstadt Berbera. Die ist allerdings im Augenblick (Stand April 2021) nicht funktional. In den anderen Städten Somalilands gibt es keine psychiatrische Versorgung. Insgesamt ergibt sich daraus, dass in Somaliland ca. 180 Betten zur psychiatrischen Versorgung zur Verfügung stehen und ca. fünf ausgebildete Psychiater im Land arbeiten, bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von zwischen drei und vier Millionen Menschen. Medizinische Kosten müssen vom Patienten bzw. den Verwandten getragen werden. Nur in Boorama besteht die Möglichkeit, dass in Härtefällen wohlhabende Gemeindemitglieder die medizinischen Kosten tragen (nach Stellung und Prüfung eines entsprechenden Gesuchs).

Ambulante Versorgung

Sowohl das Hargeysa Group Hospital als auch das Krankenhaus in Boorama und die wenigen privaten psychiatrischen Einrichtungen bieten ambulante Versorgung an. Diese ist generell deutlich günstiger als stationäre Aufenthalte. Es werden allerdings bei jedem Arztkontakt „Zulassungsgebühren“ von zwischen 5 und 10 USD fällig. Die Medikamente müssen dann zusätzlich bezahlt werden.

Monatliche Depotspritze Xeplion Dep Ijsus Fspr 150mg (alle 28 Tage), MEXALEN TBL 500MG, NOZINAN FTBL 100MG, PANTOPRAZOL +PH MSR TBL 20mg

Laut Jibril Handuleh (Gespräch mit dem Autor am 6. April 2021) ist von den genannten Medikamenten nur monatliche PANTOPRAZOL +PH MSR TBL 20mg in Somaliland erhältlich. Die Kosten für eine monatliche Versorgung damit belaufen sich zwischen 15 und 20 USD. Die anderen genannten Medikamente (Depotspritze Xeplion Dep Ijsus Fspr 150mg (alle 28 Tage), MEXALEN TBL 500MG, NOZINAN FTBL 100MG) sind nicht in Somaliland erhältlich. Sie wären in Nairobi (Kenia) erhältlich und könnten dort privat besorgt und per Flugzeug nach Hargeysa geschickt werden. Dies würde allerdings sehr hohe private Kosten verursachen und zudem würde es entsprechende Kontakte in Nairobi voraussetzen. Selbst dann wäre eine Versorgung mit diesen Medikamenten nicht immer stabil zu gewährleisten. (Handuleh, 6. April 2021)

Quellen:

·      Handuleh, Jibril: Telefongespräch mit dem Autor, 6. April 2021



[1] Die Einsichten in dieser Auskunft beruhen auf den langjährigen Erfahrungen des Autors vor Ort. Der Autor begleitete diverse somalische Bekannte zu medizinischen Behandlungen. Zudem setzte er sich im Rahmen seiner Forschung mit dem Thema Kriegstrauma auseinander, sprach mit einem lokalen Psychologen und besuchte die psychiatrische Abteilung des Hargeysa Group Hopsitals auf Einladung eines dort arbeitenden Psychiaters im Jahr 2009. Aktuelle Einsichten gewann der Autor im Gespräch mit Jibril Handuleh am 6. April 2021. Jibril Handuleh ist Arzt und Psychiater, der seit Jahren in Somaliland tätig ist und augenblicklich seine Dissertation zu einem psychiatrischen Thema an der Universität von Addis Abeba schreibt.

[2] Gespräch von Markus Höhne mit Jibril Handuleh, 6. April 2021

[3]Gespräch von Markus Höhne mit Jibril Handuleh, 6. April 2021.