Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kroatien 2020

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik Kroatien

STAATSOBERHAUPT

Zoran Milanović (löste Kolinda Grabar-Kitarović im Februar 2020 im Amt ab)

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Andrej Plenković

Stand:
 

1/2021

Asylsuchende erhielten keinen Zugang zu Asylverfahren. Personen, die ohne regulären Aufenthaltsstatus einreisen wollten, wurden von Polizeibeamt_innen misshandelt und an den Grenzen des Landes zurückgewiesen. Die Rechtsbestimmungen in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt wurden verbessert, dennoch erhielten die Täter_innen meist nur geringe Strafen. Der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch blieb stark eingeschränkt. Gleichgeschlechtlichen Paaren wurde das Recht zugesprochen, Pflegeeltern zu werden. Die Regierung zog den Entwurf für eine Gesetzesänderung zurück, welcher die Überwachung der Bewegungsdaten aller Mobiltelefone im Rahmen der Corona-Pandemie ermöglicht hätte. Journalist_innen wurden weiterhin wegen ihrer Arbeit bedroht.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migrant_innen

Zahlreiche Asylsuchende, die ohne regulären Aufenthaltsstatus nach Kroatien einreisten, erhielten auch 2020 keinen Zugang zu Asylverfahren. Hilfsorganisationen dokumentierten mehr als 15.000 Fälle von Push-Backs und Kollektivabschiebungen, die häufig mit Gewalt und Misshandlungen einhergingen. Im Mai 2020 gab es Berichte über einen besonders schweren Fall, bei dem 16 Migranten von Polizeibeamten, die schwarze Uniformen und Sturmhauben trugen, mit Handschellen gefesselt, an einen Baum gebunden, brutal geschlagen und gefoltert wurden. Mehrere der Männer erlitten dabei schwere Verletzungen und Traumata. Das UN-Hochkommisariat für Flüchtlinge (UNHCR), der Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migranten und der Sonderberichterstatter über Folter forderten Kroatien auf, den Vorfall unverzüglich zu untersuchen. Die Europäische Kommission kündigte eine Beobachtungsmission an, bei der die Aktivitäten an den Grenzen Kroatiens untersucht werden sollten. Im August 2020 stattete das Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter Kroatien einen Kurzbesuch ab und ging der Frage nach, wie die kroatische Polizei Migrant_innen und Asylsuchende behandelte. Der Bericht stand bis Ende des Jahres noch aus.

Aufgrund der wegen der Corona-Pandemie geltenden Einschränkungen war der Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Asylsuchende eingeschränkt. In der Folge war es NGOs, die kostenlose Rechtsberatung und psychosoziale Betreuungsleistungen anbieten, nicht möglich, ihrer Arbeit nachzugehen. Weder Flüchtlinge, denen internationaler Schutzstatus zugesprochen wurde, noch Personen, deren Anträge zurückgewiesen worden waren, durften während des Lockdowns in den Unterbringungseinrichtungen verbleiben. Sie erhielten keinerlei staatliche Unterstützung, und einige Betroffene wurden obdachlos.

Im November 2020 verabschiedete das Parlament Änderungen des Ausländergesetzes, die laut NGOs zu einer Einschränkung der Rechte von Asylsuchenden und Migrant_innen sowie zu einer Kriminalisierung legitimen solidarischen Handelns führen könnten.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Im Januar 2020 traten Gesetzesänderungen in Kraft, welche die strafrechtliche Definition von Vergewaltigung mit internationalen Standards in Einklang brachte. Zudem wurde das Strafmaß für geschlechtsspezifische Gewalttaten durch die Änderungen erhöht. Weil die Gesetzesänderungen zu einer starken Ausweitung des Tatbestands der Vergewaltigung führten, haben sich die gemeldeten Fälle von Vergewaltigungen seitdem laut Regierungsstatistiken mehr als verdoppelt. Dennoch musste für die strafrechtliche Verfolgung weiterhin mit einer Dauer von drei bis fünf Jahren gerechnet werden.

Durch neue Regelungen bei der Einstufung von Gewalttaten im häuslichen Umfeld gab es einen starken Anstieg der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in diesem Bereich. In den meisten Fällen wurden häusliche Gewalttaten jedoch weiterhin als Bagatellvergehen betrachtet und zogen nur geringfügige Strafen nach sich. Polizei und Gerichte zeigten sich weiterhin unwillig, Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Auch 2020 sahen sich Frauen in Kroatien mit signifikanten Hindernissen beim Zugang zu Informationen und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit konfrontiert. Menschen mit niedrigerem sozioökonomischem Status war der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen unmöglich. Es gab nur wenige offizielle Anlaufstellen, die Kosten für die Durchführung waren enorm hoch und zahlreiche Ärzt_innen sowie einige Gesundheitseinrichtungen weigerten sich aus Gewissensgründen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Laut einer von Frauenrechtsorganisationen durchgeführten Umfrage stellten zahlreiche Kliniken die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen während des Lockdowns zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gänzlich ein.

Bereits im Februar 2019 lief die Frist aus, die das Verfassungsgericht 2017 für die Neuausarbeitung eines Gesetzes über Schwangerschaftsabbrüche gesetzt hatte. Bis zum Ende des Jahres ist kein solches Gesetz erlassen worden. Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Juli 2020 verurteilten einige der Kandidaten konservativer Parteien, darunter auch solche der regierenden Kroatischen Demokratischen Union (Hrvatska demokratska zajednica), Schwangerschaftsabbrüche und sprachen sich dafür aus, die Einschränkungen beim Zugang – auch für Betroffene von Vergewaltigungen – auszuweiten.

Recht auf Privatsphäre

Im April 2020 zog die Regierung einen Entwurf für die Änderung des Gesetzes über elektronische Kommunikation zurück, welcher die Überwachung der Standortdaten aller Mobiltelefone im Rahmen der Kontaktnachverfolgung zur Eindämmung der Corona-Pandemie erlaubt hätte. Die Zivilgesellschaft und Verfassungsexpert_innen hatten sich sehr kritisch zu den vorgeschlagenen Änderungen geäußert und davor gewarnt, dass die Befugnisse über den Schutz der öffentlichen Gesundheit hinausgingen und keinerlei Maßnahmen zum Schutz vor einer missbräuchlichen Verwendung der Daten vorgesehen waren.

Diskriminierung

Roma wurden weiterhin in allen Lebensbereichen diskriminiert. Dies betraf ihren Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und dem Arbeitsmarkt. Für die zahlreichen Roma-Gemeinschaften in informellen Siedlungen war der Zugang zu Nahrungsmitteln und Hygieneprodukten aufgrund der Corona-Pandemie stark eingeschränkt, da die lokalen Behörden nicht die erforderliche Unterstützung leisteten.

Aufgrund des fehlenden Strom- und Internetzzugangs und einer Überlastung der Familien war es vielen Roma-Kindern nicht möglich, während der Schulschließungen am Fernunterricht teilzunehmen. In der Folge vergrößerte sich die Bildungslücke zwischen Schüler_innen aus Roma-Gemeinschaften und anderen Kindern.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

In einem wegweisenden Urteil entschied das Verfassungsgericht im Januar 2020, dass es gleichgeschlechtlichen Paaren unter denselben Voraussetzungen möglich sein muss, Pflegeeltern zu werden, wie allen anderen auch. Dennoch blieb es gleichgeschlechtlichen Paaren weiterhin verboten, Kinder zu adoptieren.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Auch 2020 kam es zu Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalist_innen, die zu Korruption und dem organisierten Verbrechen arbeiteten.

Laut der kroatischen Journalistenvereinigung (Hrvatsko novinarsko društvo) wurde in 900 Fällen Klage wegen "Verletzung der Ehre und Rufschädigung" gegen Journalist_innen und Medienkanäle eingereicht. Die Europäische Journalisten-Föderation warnte, dass derartige Klagen eine abschreckende Wirkung auf Journalist_innen und die Medien haben.

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