Amnesty International Report 2020/21; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; El Salvador 2020

AMTLICHE BEZEICHNUNG

Republik El Salvador

STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN

Nayib Armando Bukele Ortez

Stand:
 

1/2021

Berichtszeitraum: 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020

Tausende Menschen wurden wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Quarantänepflicht, die im Zuge der Corona-Krise angeordnet worden war, in Quarantänezentren festgehalten. Es gab Berichte über prekäre und unhygienische Bedingungen in diesen Einrichtungen und über willkürliche Inhaftierungen sowie exzessive Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte. Der Präsident brandmarkte in öffentlichen Stellungnahmen Journalist_innen und Menschenrechtsorganisationen. Die Rechte der Opfer von völkerrechtlichen Verbrechen sowie Menschenrechtsverletzungen und -verstößen, die während des internen bewaffneten Konflikts verübt worden waren, wurden nach wie vor missachtet. Über das gesamte Jahr 2020 hinweg trafen Berichte über Einschränkungen der Pressefreiheit und Begrenzungen des Zugangs zu offiziellen Informationen ein. Das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen galt weiterhin.

Hintergrund

Im Februar 2020 erzwangen der Präsident und der Ministerrat eine Sondersitzung des Parlaments. Sie wurden von bewaffneten Sicherheitskräften begleitet, die ihren Forderungen Nachdruck verleihen sollten. Berichten zufolge waren Scharfschützen in der Nähe positioniert, und die Pressefreiheit wurde eingeschränkt.

Im April wies der Präsident öffentlich Urteile der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs zurück. Darin war ihm verfassungswidriges Verhalten vorgeworfen worden. Im August offenbarte eine Medienuntersuchung, dass die Regierung von Präsident Bukele mit einer örtlichen Bande Verhandlungen führte, um die Verbrechensrate zu senken.

Die Inhalte des Plans für die territoriale Kontrolle (Plan Control territorial), der die nationale Sicherheitspolitik von El Salvador regelt, wurden nicht im Detail veröffentlicht. Lokale NGOs zeigten sich über den anhaltenden repressiven und militarisierten Umgang mit der öffentlichen Sicherheit besorgt.

Recht auf Gesundheit

Öffentlichen Daten zufolge wurden mehr als 2.000 Menschen wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Ende März obligatorische, landesweit verhängte Quarantäne inhaftiert. Einige Personen wurden bis zu 40 Tage lang festgehalten. Die sanitären Bedingungen in diesen Quarantäneeinrichtungen lagen unter den Mindeststandards und der Mindestabstand zwischen den Gefangenen konnte nicht eingehalten werden. Die dort inhaftierten Menschen waren deswegen unnötig gefährdet, sich mit Covid-19 zu infizieren.

Zwischen dem 13. und dem 27. März 2020 wurden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie überdurchschnittlich viele Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof eingelegt; namentlich 330 Habeas-Corpus-Klagen und 61 Amparo-Klagen (Antrag auf Schutz vor staatlichen Rechtsverletzungen). In vielen dieser Fälle beschwerten sich die Menschen über die unangemessenen Bedingungen in den Quarantänezentren, den Mangel an Putzmaterialien und Trinkwasser sowie den fehlenden Zugang zu Medikamenten für Menschen mit chronischen Erkrankungen. Die Ombudsstelle für Menschenrechte (Procuraduría para la Defensa de los Derechos Humanos – PDDH) bestätigte im Zusammenhang mit den strikten Quarantänemaßnahmen zwischen März und Mai mindestens 44 Fälle von Freiheitsentzug bei Menschen, die an Vorerkrankungen litten.

Im April 2020 wurde eine an Diabetes erkrankte Menschenrechtsverteidigerin inhaftiert, als sie für ihr dreijähriges Kind Nahrung und Medikamente kaufen wollte. Sie verbrachte über einen Monat in einem Quarantänezentrum, in dem schlechte Bedingungen herrschten, und war somit in erhöhter Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19.

Noch im selben Monat, als Fälle von Corona-positiven Mitarbeiter_innen im Gesundheitswesen bekannt wurden und der Mangel an angemessener Schutzausrüstung angeprangert wurde, blockierte der Präsident den Gesetzeserlass 620. Dieser Erlass sollte bewirken, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen eine Krankenversicherung und angemessene Schutzausrüstung erhalten. Später wurde der Erlass von der Verfassungskammer für verfassungsmäßig erklärt.

Bis Ende Juli waren mindestens 104 Beschäftigte im Gesundheitswesen an Covid-19 gestorben.

Willkürliche Inhaftierungen

Hunderte Menschen, die mutmaßlich gegen Quarantänevorschriften verstoßen hatten, wurden in öffentliche Quarantänezentren oder Polizeireviere gebracht, als hätten sie eine Straftat begangen.

Der Oberste Gerichtshof entschied in diesem Kontext, dass die Behörden keine rechtliche Grundlage hatten, die Menschen in den Zentren wie zur Bestrafung festzuhalten. Einige der Inhaftierten berichteten in ihren Beschwerden an die Verfassungskammer, dass sie allein deswegen inhaftiert worden waren, weil sie ihr Haus verlassen hatten, um Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen.

Exzessive Gewaltanwendung

Die PDDH erhielt Hunderte Beschwerden über von Sicherheitskräften verübte Menschenrechtsverletzungen. Darunter fanden sich auch Berichte über exzessive Gewaltanwendung oder Misshandlungen, die im Kontext der Durchsetzung der Quarantänevorschriften begangen wurden.

Im März berichtete ein 17-jähriger Junge, dass die Polizei ihn festnahm, als er zur Arbeit auf eine Zuckerplantage gehen wollte. Er und seine Familie gaben an, dass die Polizei ihn geschlagen und in ein Haftzentrum gebracht hatte. Dort wurde er fast drei Tage gemeinsam mit Erwachsenen festgehalten, bevor er ohne Anklage wieder freigelassen wurde.

In einem anderen Fall verließ ein junger Mann, der gerade seinen Lohn erhalten hatte, sein Haus, um Nahrung und Treibstoff zu kaufen. Daraufhin führte ihn ein Polizist ab, schlug ihn und schoss ihm zweimal in die Beine.

Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen

Im Verlauf des Jahres 2020 diffamierte der Präsident zivilgesellschaftliche Gruppen, darunter Journalist_innen und Menschenrechtsorganisationen. Mit seinen Äußerungen verunglimpfte er diejenigen, die von der Regierung mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht forderten.

Im Juni berichteten Menschenrechtsorganisationen, dass nach der Einführung der Corona-Maßnahmen Angriffe auf örtliche Organisationen und Menschenrechtsverteidigerinnen stark zunahmen, vor allem über digitale Medien. Zudem äußerte sich die Regierung zunehmend feindselig gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, wodurch diese noch mehr in Gefahr gerieten.

Das Parlament hat das Gesetz zur Anerkennung und zum umfassenden Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen und die Gewährleistung ihres Rechts auf die Verteidigung der Menschenrechte (Ley para el Reconocimiento y la Protección Integral de las Personas Defensoras de Derechos Humanos y para la Garantía del Derecho a Defender Derechos Humanos) bis Ende des Jahres noch nicht verabschiedet, obwohl der Gesetzesentwurf bereits 2018 vorgelegt worden war.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Februar 2020 nahm das Parlament das Sondergesetz für Übergangsrecht, Wiedergutmachung und Nationale Versöhnung (Ley Especial de Justicia Transicional, Reparación y Reconciliación Nacional) an. Dieses Gesetz enthielt Vorkehrungen, die die Untersuchung und die wirksame Bestrafung von Personen, die unter dem Völkerrecht anerkannte Straftaten begangen hatten, erschwerten. Später im Monat legte der Präsident sein Veto gegen diesen Erlass ein. Dennoch stellte die Regierung keine öffentlichen Informationen über den internen bewaffneten Konflikt von 1980 bis 1992 zur Verfügung. Auch zu den Akten über Militäroperationen im Zusammenhang mit dem Massaker von El Mozote im Jahr 1981 gewährte die Regierung keinen Zugang.

Im September befand das Nationale Gericht von Spanien den ehemaligen salvadorianischen General und Verteidigungsminister Inocente Orlando Montano des Mordes an fünf Jesuitenpriestern während des bewaffneten Konflikts 1989 für schuldig.

Frauenrechte

Das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen blieb bestehen, und 18 Frauen waren weiterhin wegen Anklagen im Zusammenhang mit unverschuldeten gynäkologischen Notfällen inhaftiert.

Verknüpfte Dokumente