Anfragebeantwortung zu DR Kongo: Situation alleinstehender Frauen mit Kindern, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsmarkt, Wohnversorgung und Sozialhilfe [a-11424]

25.11.2020

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Dieses Produkt stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Inhaltsverzeichnis

Situation alleinstehender Frauen und Mütter       

Zugang zum Arbeitsmarkt     

Zugang zu Wohnversorgung   

Zugang zu Sozialhilfe  

Quellen          

 

Situation alleinstehender Frauen und Mütter

In einem älteren Länderprofil zu Genderangelegenheiten in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) aus dem Jahr 2014, das im Auftrag der schwedischen Botschaft in Kinshasa entstand, beschreibt die Autorin, dass kongolesische Frauen meist mit Müttern gleichgesetzt oder über den Bezug zu einem männlichen Familienmitglied definiert würden. Frauen würden von sich selbst und von anderen überwiegend als verheiratet mit Kindern definiert und so würden zum Beispiel erwachsene Frauen, die nie verheiratet gewesen seien, mit Argwohn betrachtet:

„The dominant definition – explicit or not – is to see equate women with mothers, and/or in relation to male family members. Nationals and internationals rarely see ‘women’ as essential beings. This hinders understanding different women’s and girls’ range of needs and expectations, and therefore designing effective programmes and policies.” (Davis, 2014, S. 1)

„‘Women’ are overwhelmingly defined, by themselves and others as being married with children. (Adult women who have never been married, for example, are viewed with suspicion).” (Davis, 2014, S. 8)

In einem akademischen Artikel über die Stigmatisierung von unehelich geborenen Kindern, deren Väter Mitglieder der UN-Friedenstruppen in der DR Kongo seien, der im November 2020 publiziert wurde und auf 95 Interviews aus dem Jahr 2018 beruht, wird erläutert, dass die Ausgrenzung der Mütter teilweise daraus resultiere, dass sie alleinerziehend seien. Dies verstoße gegen den Familienkodex und die sozialen Normen. Die sozioökonomische Belastung, die mit der Erziehung eines Kindes ohne männlichen Partner und insbesondere eines Kindes eines Mitglieds der UN Friedenstruppen verbunden gewesen sei, habe häufig dazu geführt, dass Frauen nicht „heiratsfähig“ („unmarriable“) seien, was ihren sozialen Status in den Augen der Gemeinschaft gesenkt habe. Mehrere für diesen Artikel befragte Mütter hätten über ihre verminderten Aussichten auf neue Beziehungen gesprochen und nur wenige hätten langfristige Partner erwähnt:

„Ostracization of the mothers partially resulted from being a single parent. Tainted as a violation of family code and social norms, this theme paralleled the theme of ‘fatherlessness’ in its expression of familial hardship. The socio-economic burden of raising a child without a male partner, and raising a PKFC [peacekeeper fathered child] in particular, often rendered women unmarriable and hence lowered their social status in the eyes of the community. Several mothers spoke about their lowered prospects of new relationships; few mentioned long-term partners.” (Wagner, 13. November 2020)

Die Abteilung für Herkunftsländerinformationen des Schweizer Staatssekretariats für Migration (SEM) der Schweizer Behörde für ausländische StaatsbürgerInnen und AsylwerberInnen veröffentlicht im Jänner 2016 einen Bericht zur Situation alleinstehender Frauen in der Hauptstadt der DR Kongo, Kinshasa. In der Zusammenfassung erläutert das SEM, dass in der DR Kongo Frauen erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt seien und dies umso mehr, wenn sie kein familiäres oder soziales Netz hätten und außerdem mittellos seien. In Kinshasa könnten sich Frauen jedoch organisieren und Unterstützung zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen finden und versuchen, finanzielle Unabhängigkeit sicherzustellen:

„Dans un pays parmi les plus mal classés à l’indice de développement humain, les femmes sont en outre l’objet de discriminations évidentes. Déjà vulnérable en tant que femme, une femme seule sans réseau familial ou social l’est d’autant plus si elle reste privée de moyens. A Kinshasa, des femmes seules peuvent cependant s’organiser et trouver des soutiens pour améliorer leurs conditions de vie et tenter d’assurer leur indépendance financière.” (SEM, 15. Jänner 2016, S. 4)

Derselbe Bericht gibt die Auskunft eines Direktors einer großen in der DR Kongo tätigen zwischenstaatlichen Hilfsorganisation wieder, der gesagt habe, dass die Unabhängigkeit einer alleinstehenden Frau, die in Kinshasa kein familiäres oder soziales Netz habe, seiner Meinung nach nur durch eine lokale Organisation gewährleistet werden könne. Ohne eine solche, glaube er, könne die Frau nichts gegen Missbrauch ausrichten:

„Selon lui, l’indépendance d’une femme seule, qui serait dépourvue de famille ou de réseau social à Kinshasa, ne peut être garantie que par une organisation locale: ‘Sans cela, elle ne pourra rien faire pour s’opposer aux abus’ estime-t-il.” (SEM, 25. Jänner 2016, S. 19)

Die Rechercheabteilung des Immigration and Refugee Board of Canada (IRB) des für Asyl und Migration zuständigen kanadischen Verwaltungstribunals veröffentlicht am 3. September 2019 eine Anfragebeantwortung zur DR Kongo und zu Möglichkeiten der Neuansiedlung in Kinshasa, insbesondere für Frauen ohne männliche Unterstützung, einschließlich Zugang zu Wohnraum, Arbeitsplätzen und öffentlichen Dienstleistungen. Ein dafür im Juli 2019 befragter Anwalt aus der DR Kongo habe die Auskunft gegeben, dass es für eine Frau in Kinshasa ein Symbol der Sicherheit und des Respekts sei, männliche Unterstützung zu haben und eine Frau ohne männliche Unterstützung oft herabwürdigender Behandlung und verbaler oder sexueller Belästigung ausgesetzt sei. In einigen Teilen des Landes habe es einige Verbesserungen in Hinsicht auf die Rechte von Frauen gegeben, die Situation für die meisten Frauen ohne männliche Unterstützung bleibe aber schwierig, insbesondere wenn es um die Achtung ihrer Menschenwürde gehe. Der Anwalt habe weiterhin erklärt, dass alleinstehende Frauen oft als wertlos oder revolutionär angesehen würden, insbesondere wenn sie versuchen würden, ihre Rechte zu verteidigen:

„According to the lawyer, [translation] ‘for a woman in Kinshasa, having male support is a symbol of security and respect’ and ‘a woman without male support is often exposed to disparaging treatment’ and may be subjected to verbal or sexual harassment (Lawyer 15 July 2019). The same source also stated that although there have been a few improvements in terms of women’s rights in some parts of the country, [translation] ‘the situation remains difficult for most women without male support, particularly where respect of their human dignity is concerned,’ explaining that ‘[t]his category of woman is often considered as having no value, or as revolutionary, especially if she tries to defend her rights’ (Lawyer 15 July 2019).” (IRB, 3. September 2019)

Laut einem Zeitungsartikel der kongolesischen Tageszeitung L’Avenir vom 23. März 2017 sei es für alleinstehende Mütter in einer Umgebung, in der die Schul- und Studiengebühren ohne Rücksicht auf die finanziellen Mittel einer bescheidenen Familie festgelegt würden, eine Herausforderung, Kinder in die Schule zu schicken:

„[Pour les femmes sans époux] [s]colariser les enfants est alors un défi dans un milieu où les frais scolaires et académiques sont fixés sans tenir compte de la bourse d’une famille modeste.” (L’Avenir, 23. März 2017)

Der Bericht des SEM von 2016 erwähnt außerdem, sich auf eine 2014 veröffentlichte medizinische Studie berufend, dass Kinder, die von einer alleinstehenden Frau aufgezogen würden, aufgrund fehlender wirtschaftlicher Ressourcen und mangelnder elterlicher Fürsorge einem größeren Risiko ausgesetzt seien, durch Unterernährung unter Wachstumsverzögerungen zu leiden:

„Au plan sanitaire, par manque de moyens économiques et de soins parentaux, des enfants élevés par une femme seule sont davantage exposés à un retard de croissance dû à la malnutrition indique une étude médicale publiée en 2014.“ (SEM, 15. Jänner 2016, S. 16)

 

Allgemein zum Thema Diskriminierung von Frauen schreibt das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, dass die Verfassung zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbiete, Gesetze aber Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männern gewähren würden. Gesetze würden für Frauen eine Reihe von Schutzmechanismen wie beispielsweise die Teilnahme am Wirtschaftsleben ohne Zustimmung männlicher Verwandter oder Mutterschutz vorsehen, Frauen würden aber dennoch wirtschaftlich diskriminiert:

„The constitution prohibits discrimination based on gender, but the law does not provide women the same rights as men. The law provides women a number of protections. It permits women to participate in economic domains without approval of male relatives, provides for maternity care, disallows inequities linked to dowries, and specifies fines and other sanctions for those who discriminate or engage in gender-based abuse. Women, however, experienced economic discrimination.“ (USDOS, 11. März 2020, Abschnitt 6)

In den Schlussbemerkungen des Ausschusses zum Staatenbericht über die Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau merkt der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women, CEDAW) an, dass er zwar die von der DR Kongo unternommenen Anstrengungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter anerkenne, aber darüber besorgt sei, dass die verabschiedeten Gesetze nicht umgesetzt und keine ausreichenden Mittel für ihre Durchsetzung bereitgestellt würden. Weiters bringt der Ausschuss seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Gesetze nicht ordnungsgemäß im gesamten Hoheitsgebiet bekannt gemacht würden:

„While acknowledging the efforts made by the State party to improve its legislative framework for the promotion of gender equality, the Committee is concerned that the laws that are adopted are not implemented and that the State party does not allocate sufficient financial resources for their enforcement. It also expresses its concern that the laws are not properly disseminated throughout the territory.“ (CEDAW, 6. August 2019, S. 6)

Zugang zum Arbeitsmarkt

Die Verfassung der DR Kongo garantiert in Artikel 36 seiner Bevölkerung unter anderem das Recht auf Arbeit, Schutz vor Arbeitslosigkeit und eine gerechte Entlohnung. Niemand darf in seiner Arbeit aufgrund der Herkunft, des Geschlechts, seiner Meinungen, seiner Weltanschauung oder seiner sozioökonomischen Bedingungen benachteiligt werden:

„L’Etat garantit le droit au travail, la protection contre le chômage et une rémunération équitable et satisfaisante assurant au travailleur ainsi qu’à sa famille une existence conforme à la dignité humaine, complétée par tous les autres moyens de protection sociale, notamment, la pension de retraite et la rente viagère.

Nul ne peut être lésé dans son travail en raison de ses origines, de son sexe, de ses opinions, de ses croyances ou de ses conditions socio-économiques.” (Verfassung der Demokratischen Republik Kongo, 18. Februar 2006, Artikel 36)

Die in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation Freedom House, die sich mit Recherchen und Lobby-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst, beschreibt in einem Bericht vom 4. März 2020, dass, obwohl die Verfassung die Diskriminierung von Frauen verbiete, sie in der Praxis in allen Lebensbereichen Diskriminierung erfahren würden, besonders in ländlichen Gebieten:

„Although the constitution prohibits discrimination against women, in practice they face discrimination in nearly every aspect of their lives, especially in rural areas.” (Freedom House, 4. März 2020, Abschnitt F4)

Das US-Außenministerium erwähnt, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vorkomme. Der Bericht beschreibt, dass, obwohl das Arbeitsrecht für Männer und Frauen gleiche Entlohnung für die gleiche Arbeit vorsehe, die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv umsetzen würde. Sich auf Daten der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO) berufend, ergänzt der Jahresbericht, dass Frauen im privaten Sektor für die gleiche Arbeit oft weniger Lohn als Männer erhalten würden. Außerdem würden Frauen selten Positionen mit Autorität oder hoher Verantwortung besetzen:

„Gender-based discrimination in employment and occupation occurred (see section 6). Although the labor code stipulates men and women must receive equal pay for equivalent work, the government did not enforce this provision effectively. According to the International Labor Organization, women often received less pay in the private sector than did men doing the same job and rarely occupied positions of authority or high responsibility.” (USDOS, 11. März 2020, Abschnitt 7d)

Im Länderbericht der deutschen gemeinnützigen Denkfabrik Bertelsmann Stiftung, der im April 2020 publiziert wurde, finden sich grundlegende Informationen über den Arbeitsmarkt in der DR Kongo. Der Bericht beruft sich auf Informationen der Weltbank von 2012, die angegeben habe, dass im Jahr 2012 der städtische informelle Sektor 81,5 Prozent der Beschäftigung ausgemacht habe. Der große informelle Sektor sei weniger das Ergebnis eines weitreichend regulierten Marktes, sondern vielmehr eines in hohem Maße dysfunktionalen, unfairen und undurchsichtigen institutionellen Rahmens, eines hohen Maßes an Korruption und Klientelismus sowie eines Mangels an Infrastruktur. In einem späteren Abschnitt beschreibt der Bericht, dass die Erwerbsquote von Frauen bei etwa 50 Prozent liege, diese aber überwiegend im informellen Sektor tätig seien:

„The World Bank stated that, in 2012, the urban informal sector represented 81.5% of employment in DR Congo. The large informal sector is less the result of an extensively regulated market, and more the result of a highly dysfunctional, unfair and opaque institutional framework, high levels of corruption and clientelism, and a lack of infrastructure.” (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 17-18)

„The female labor force participation rate stands roughly at 50%, but it is predominantly active in the informal sector.” (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 23)

Eine Publikation der World Bank Group über die Situation am Arbeitsmarkt der DR Kongo aus dem Jahr 2017 beschreibt, dass Selbständigkeit („self-employment“) und unbezahlte Arbeit weiterhin den Arbeitsmarkt prägen würden, die Lohnbeschäftigung aber zu wachsen begonnen habe, dies aber in geringerem Maße für Frauen. Frauen seien nach wie vor einem höheren Risiko vorübergehender („transient“) Beschäftigung ausgesetzt. Es sei deutlich weniger wahrscheinlich, dass weibliche Arbeitskräfte einer Lohnbeschäftigung nachgehen und sie seien seltener Arbeitgeber als Männer. Bildung sei ein entscheidender Faktor bei der Erklärung von Beschäftigung. Die Urbanisierung habe dazu beigetragen, die geschlechtsspezifische Bildungslücke zu schließen, aber das geschlechtsspezifische Lohngefälle bestehe trotzdem fort. Das Lohngefälle von 28 Prozent zugunsten der Männer im Jahr 2005 habe sich auf über 38 Prozent im Jahr 2012 ausgeweitet:

„Though self-employment and unpaid work continue to shape the labor market, wage employment has started to grow, albeit less so for women. […] Driven by the private sector, wage employment has expanded, and its concentration around the capital has started to wane. Women remain at a higher risk of more transient employment status. Female workers are significantly less likely to be in wage employment and less likely to be employers than are male workers. Education is a determinant in explaining employment. Overall education levels have improved impressively across the country. […] Urbanization has helped to close the gender gap in education, but the gender wage gap persists despite education levels. The 28 percent wage gap in favor of men in 2005 widened to over 38 percent in 2012. Having an education does not necessarily lead to a job, but it improves the prospects of income.” (World Bank Group, 2017, S. 4)

Die Publikation der World Bank Group fährt fort, dass Bildung Arbeitnehmer und insbesondere Frauen, nicht vor Nichterwerbstätigkeit („inactivity“) schützen würde. Frauen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund würden vor ähnlichen Herausforderungen im Hinblick auf Unterbeschäftigung („underemployment“) stehen. Weibliche Beschäftigte ohne Ausbildung sowie Arbeitnehmerinnen mit postsekundärer und tertiärer Ausbildung hätten eine Nichterwerbsquote von etwa 19 bis 22 Prozent. Die Nichterwerbsquoten von Frauen würden auf diesem Niveau bleiben, selbst wenn man zwischen städtischen und ländlichen Gebieten unterscheide:

„Education does not shield workers from inactivity, especially women. Women with different education backgrounds face similar underemployment challenges. Female workers with no education, as well as those with postsecondary and tertiary education, have an inactivity rate of about 19 to 22 percent. Inactivity rates for women remain at those levels even when making the distinction between urban and rural areas.” (World Bank Group, 2017, S. 26)

Laut dem bereits oben zitierten Zeitungsartikel der kongolesischen Tageszeitung L’Avenir vom 23. März 2017 sei es für alleinstehende Mütter schwierig bis unmöglich finanziell durchzukommen. Um mit der Situation fertig zu werden, würden diese Frauen verschiedene Methoden anwenden. Einige würden sich mit kleinen Geschäften wie Brotverkauf, Haare flechten, Nähen oder sogar mit Prostitution durchschlagen. Wenn sie keine gute Ausbildung hätten oder keine Empfehlungen vorweisen könnten, um in einem kongolesischen Unternehmen angestellt zu werden, wo sie sich weiterentwickeln („s’épanouir“) könnten, würden sie ein Martyrium (calvaire) durchleben:

„Qu’en est-il alors d’une femme seule souvent sans emploi dans la société congolaise où l’on vit au jour le jour avec moins d’un dollars comme revenu de certains ménages ? Difficile ou impossible pour une mère de tenir, surtout avec les enfants qui pour la plupart ne comprennent pas qu’un adulte peut manquer. Pour s’en sortir, ces femmes utilisent plusieurs méthodes. Certaines s’adonnent aux petits commerces tels que la vente des pains, tressage des cheveux, coutures et même la prostitution. […] Celles qui n’ont pas fait de bonnes études où n’ont pas de recommandations pour être engagée dans une société afin de s’épanouir, vivent le calvaire.” (L’Avenir, 23. März 2017)

Zugang zu Wohnversorgung

Die bereits oben erwähnte Anfragebeantwortung des IRB vom 3. September 2019 beinhaltet eine weitere Aussage des oben zitierten Anwalts aus der DR Kongo im Hinblick auf Wohnmöglichkeiten für Frauen ohne männliche Unterstützung. Der Anwalt habe angegeben, dass Sozialwohnungen nicht für alleinstehende Frauen zur Verfügung stehen würden, sondern nur für Menschen mit politischer oder sozialer Unterstützung:

„The lawyer stated, however, that social housing is not available to women living alone but is reserved for people with political or social support (Lawyer 15 July 2019).” (IRB, 3. September 2019)

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine weiteren Informationen zum Zugang zur Wohnversorgung für alleinstehende Frauen oder Mütter gefunden werden.

Zugang zu Sozialhilfe

Der oben zitierte Bericht der Bertelsmann Stiftung vom April 2020 beschreibt, dass es in der DR Kongo ein formelles System für soziale Sicherheit gebe, von dem jedoch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitieren könne. Seit 2016 seien mehrere Neuerungen eingeführt worden, die unter anderem Familienzulagen und Tagsätze für Frauen während des Mutterschaftsurlaubs umfassen würden, um Verdienstausfälle auszugleichen. Auch die Gleichstellung der Geschlechter würde berücksichtigt. Ungeachtet dieser Reformen gelte das System aber nur für BürgerInnen, die im formellen Sektor beschäftigt seien und würde den beträchtlichen Bevölkerungsteil ausschließen, der im informellen Sektor Geld verdiene. Mehr als 80 Prozent der aktiven Berufstätigen würden im informellen Sektor arbeiten. Viele Kongolesen könnten sich das Überleben nur durch Subsistenzlandwirtschaft und informellen Kleinhandel sichern. Kirchen und Familienangehörige würden oft eine gewisse soziale Unterstützung leisten. Dabei habe Armut wenig systematischen Bezug zur ethnischen Zugehörigkeit, sondern diejenigen, die Zugang zur Macht hätten, würden ein relativ komfortables Leben führen:

„A formal social security system is in place in the Democratic Republic of the Congo, but only a small proportion of the population can benefit from it. […] Since 2016, several innovations have been introduced. These innovations comprise family allowances and daily allowances for women during maternity leave to compensate for the loss of earnings. It also considers gender equality and the participation of social partners in the management of the system. However, according to the World Bank’s Doing Business, in 2018, paying taxes became more costly for companies, as the government increased employers’ social security contribution rate. These reforms notwithstanding, the system only covers citizens employed in the formal sector, excluding a substantial proportion of the population that earns money in the informal sector.“ (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 22)

„More than 80% of the active workforce operates in the informal sector.” (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 26)

„For many Congolese, survival is only ensured through subsistence farming (with farming often undermined by the ongoing instability) and informal small-scale trading. Churches and family members often provide some social assistance. Poverty has little systematic relation to ethnicity or identity. Those with access to power, which is controlled by the ruling presidential alliance and in some instances by armed groups, live relatively comfortable lives.” (Bertelsmann Stiftung, 29. April 2020, S. 16)

Auch ein Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) beschreibt das aktuelle Sozialsystem der DR Kongo als sehr selektiv in Bezug auf seine Begünstigten, das nur die Gruppen abdecke, die im formellen öffentlichen und privaten Sektor arbeiten würden. Ausgenommen vom System sei die große Mehrheit des informellen Sektors, der 90 bis 95 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausmache. Hinzu komme das sehr begrenzte Spektrum der von diesem System abgedeckten Leistungen:

„En effet, le système actuel revêt un caractère très sélectif des bénéficiaires du régime de sécurité sociale qui ne vise que les catégories socioprofessionnelles exerçant une profession salariée dans le secteur formel aussi bien public que privé. Ce qui laisse de côté la grande majorité du secteur informel représentant 90 à 95% de la population active. […] A cela s’ajoute la gamme très limitée de prestations couvertes par le régime, en l’occurrence, cinq sur les neuf recommandées par l’OIT.” (UNDP, August 2017, S. 71)

Im Staatenbericht über die Umsetzung des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der DR Kongo vom 30. Oktober 2019 an den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights, CESCR) berichtet die Regierung der DR Kongo, dass Artikel 69 des Kinderschutzgesetzes Sozialhilfe für die bedürftigsten Familien vorsehe. Eltern, die nicht in der Lage seien, das Überleben ihrer Kinder zu sichern, würden vom Staat materielle oder finanzielle Unterstützung erhalten. Aufgrund von Engpässen im Budget, sei dieser Mechanismus jedoch noch nicht eingeführt worden:

„Article 69 of the Child Protection Act also provides for social welfare for the most deprived families: ‘Parents unable to ensure the survival of their children shall receive material or financial assistance from the State’. However, owing to budgetary constraints, that mechanism has not yet actually been established.“ (Government of the Democratic Republic of the Congo, 30. Oktober 2019, S. 10)

 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 25.11.2020)

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2020 Country Report Congo, DR, 29. April 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029559/country_report_2020_COD.pdf

·      CEDAW – UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women: Concluding observations on the eighth periodic report of the Democratic Republic of the Congo, [CEDAW/C/COD/CO/8], 6. August 2019
https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CEDAW%2fC%2fCOD%2fCO%2f8&Lang=en

·      Davis, Laura, et al.: Democratic Republic of Congo – DRC, Gender Country Profile, 2014
https://www.lauradavis.eu/wp-content/uploads/2014/07/Gender-Country-Profile-DRC-2014.pdf

·      Freedom House: Freedom in the World 2020 - Democratic Republic of the Congo, 4. März 2020
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030850.html

·      Government of the Democratic Republic of the Congo (Autor), veröffentlicht von CESCR – UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Sixth periodic report submitted by the Democratic Republic of the Congo under articles 16 and 17 of the Covenant, due in 2013 [13 August 2019] [E/C.12/COD/6], 30. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2024084/G1931433.pdf

·      IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: Democratic Republic of Congo: Ability to resettle in Kinshasa, particularly for women without male support, including access to housing, jobs and public services (2016-August 2019) [COD106311.FE], 3. September 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2028576.html
 

·      L’Avenir: Se muer en association partagée pour pallier aux besoins du ménage: Une solution pour les femmes sans époux, 23. März 2017 (verfügbar auf Factiva)

·      SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration): Focus RD Congo; Situation des femmes seules à Kinshasa, 15. Jänner 2016 https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/cod/COD-alleinst-frauen-f.pdf

·      UNDP – United Nations Development Programme: Rapport national sur le développement humain 2016, August 2017
https://www.undp.org/content/dam/dem_rep_congo/docs/povred/UNDP-CD-RNDH%202016-%20final.pdf

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2019 - Democratic Republic of the Congo, 11. März 2020
https://www.ecoi.net/de/dokument/2026404.html

·      Verfassung der Demokratischen Republik Kongo (Constitution de la République Démocratique du Congo), 18. Februar 2006
https://www.ecoi.net/en/file/local/1345156/1504_1216030562_constitution-de-la-republique-democratique-du-congo.pdf

·      World Bank Group: Jobs Diagnostic Democratic Republic of Congo, 2017
http://documents1.worldbank.org/curated/en/822881517551920780/pdf/123113-WP-P161849-1-2-2018-13-5-12-WBDRCJDWEB.pdf

·      Wagner, K. et al.: “If I was with my father such discrimination wouldn’t exist, I could be happy like other people”: a qualitative analysis of stigma among peacekeeper fathered children in the Democratic Republic of Congo, 13. November 2020
https://doi.org/10.1186/s13031-020-00320-x