Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020]

Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2019

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren 2019 weiterhin massiv eingeschränkt. Die Sicherheitskräfte setzten rechtswidrig tödliche Gewalt ein, um Protestaktionen niederzuschlagen, dabei töteten sie Hunderte Protestierende und inhaftierten Tausende willkürlich. Über 200 Menschenrechtsverteidiger_innen wurden willkürlich inhaftiert, viele wurden zu Gefängnis- und Prügelstrafen verurteilt. Ein neues Gesetz erlaubte Iranerinnen, die mit Ausländern verheiratet sind, ihre Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder zu übertragen. Dennoch wurden Frauen noch immer diskriminiert, und die Behörden verschärften die strafrechtliche Verfolgung von Frauenrechtlerinnen, die sich gegen den gesetzlichen Kopftuchzwang wehrten. Ethnische und religiöse Minderheiten waren ebenfalls mit massiver Diskriminierung konfrontiert. Folter und andere Misshandlungen, wie z. B. die Verweigerung von medizinischer Behandlung, waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Behörden vollstreckten grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen. Zahlreiche Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Mehrere der Hingerichteten waren zur Tatzeit noch minderjährig. Die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren wurden systematisch verletzt. Die Behörden vertuschten nach wie vor das Schicksal von Tausenden politisch Andersdenkenden, die 1988 heimlich außergerichtlich hingerichtet worden waren, und verstießen damit weiterhin gegen das Völkerrecht, das die Praxis des Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert.

Hintergrund

Nach heftigen Regenfällen im März und April 2019 waren Millionen Menschen von Überflutungen betroffen. Offiziellen Angaben zufolge kamen dabei mindestens 77 Menschen ums Leben, Tausende mussten in Notunterkünften untergebracht werden. Es gab Kritik an den Behörden, weil es ihnen nicht gelang, ausreichend Hilfsgüter und Material zum Wiederaufbau bereitzustellen.

Die von den USA verhängten Sanktionen trafen die Wirtschaft des Landes nach wie vor hart und wirkten sich verheerend auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung aus.

In den bewaffneten Konflikten in Syrien und im Irak unterstützte der Iran Regierungstruppen und Milizen militärisch.
Unabhängige Menschenrechtsbeobachter_innen durften weiterhin nicht in den Iran einreisen. Deshalb war es Amnesty international nicht gestattet, das Land zu besuchen. Auch mehreren UN-Menschenrechtsgremien wurde die Einreise verweigert, darunter der UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtssituation im Iran, deren Mandat im März 2019 vom UN-Menschenrechtsrat verlängert wurde.

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Regierung beschnitt 2019 weiterhin massiv die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.
Die Sicherheitskräfte setzten unnötige und exzessive Gewalt ein, um Proteste aufzulösen, und nahmen friedlich Demonstrierende willkürlich fest.

Im November 2019 schlugen die Sicherheitskräfte landesweite Proteste gewaltsam nieder und töteten nach Angaben verlässlicher Quellen über 300 Menschen, darunter auch Minderjährige. Viele Menschen starben an Schussverletzungen, bei denen lebenswichtige Organe getroffen wurden. Tausende Protestierende wurden willkürlich festgenommen. Viele wurden Opfer des Verschwindenlassens sowie von Folter und anderen Misshandlungen, wie Fausthieben, Fußtritten, Peitschenhieben und Schlägen. Die Behörden schalteten das Internet während der Proteste nahezu vollständig ab, um eine Verbreitung von Bildern und Videos zu verhindern, die den tödlichen Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte dokumentierten.

Hunderte Personen wurden willkürlich inhaftiert, die lediglich friedlich ihre Rechte ausgeübt hatten. Gegen einige wurde die fadenscheinige Anklage erhoben, sie hätten die nationale Sicherheit gefährdet. Mindestens 240 Menschenrechtsverteidiger_innen, darunter Rechtsanwält_innen und Aktivist_innen, die sich für Arbeitnehmerrechte, für die Umwelt, für die Rechte von Minderheiten, für Frauenrechte oder gegen die Todesstrafe einsetzten oder die Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung im Zusammenhang mit den massenhaften Hinrichtungen und dem Verschwindenlassen von Menschen in den 1980er Jahren verlangten. Einige Familienangehörige von

Menschenrechtsverteidiger_innen wurden zu Verhören vorgeladen oder anderweitig schikaniert. Auch Medienschaffende und politisch Andersdenkende gehörten zu den willkürlich inhaftierten Personen.
Unabhängige zivilgesellschaftliche Initiativen und Menschenrechtsgruppen blieben verboten. Alle Arten von Medien unterlagen der Zensur, und ausländische Satellitensender waren weiterhin gestört. Sicherheitskräfte stürmten private Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren, nahmen zahlreiche Personen fest und klagten sie wegen Verstößen gegen die "öffentliche Moral" an. Die Strafen umfassten immer auch Auspeitschungen.

Facebook, Telegram, Twitter und YouTube blieben blockiert. Die Behörden bestellten Instagram-Nutzer_innen, die viele Follower hatten, wie z. B. Models, Musiker_innen und Tänzer_innen, zum Verhör ein. In einigen Fällen wurden sie inhaftiert und ihre Konten von den Sicherheitskräften übernommen.

Im April 2019 kündigte der Generalstaatsanwalt des Iran an, die Veröffentlichung von "fake news" über die Flutkatastrophe werde als eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit betrachtet. Daraufhin meldete die Internetpolizei, sie habe in der Provinz Khuzestan 24 Personen inhaftiert, die in den sozialen Medien "verzerrte Nachrichten und Gerüchte" über die Überflutungen verbreitet und die "öffentliche Meinung beunruhigt" hätten.

Menschenrechtsanwält_innen

Die Behörden gingen 2019 mit äußerster Härte gegen Menschenrechtsanwält_innen vor und verfolgten sie strafrechtlich wegen ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit, unter anderem deshalb, weil sie Mandant_innen verteidigten, die wegen fadenscheiniger Anklagen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit vor Gericht standen. Im März 2019 wurde die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh zu 33 Jahren und sechs Monaten Gefängnis und zu 148 Peitschenhieben verurteilt. Sie muss zwölf Jahre dieser Strafe verbüßen, sowie weitere fünf Jahre, zu denen sie in einem anderen Verfahren verurteilt wurde. Im Juni 2019 wurde der Rechtsanwalt Amirsalar Davoudi zu 29 Jahren und drei Monaten Gefängnis und 111 Peitschenhieben verurteilt. Er muss davon 15 Jahre verbüßen.

Gewerkschafter_innen

Im Laufe des Jahres 2019 beteiligten sich immer wieder Tausende Arbeiter_innen an friedlichen Demonstrationen und Streiks. Sie forderten unter anderem ausstehende Löhne und Rentenzahlungen ein, protestierten gegen schlechte Arbeitsbedingungen und einen niedrigen Lebensstandard und kritisierten die Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen führte. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Protestierende, klagten sie im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit an und verurteilten viele von ihnen zu Gefängnisstrafen und Peitschenhieben.

Am 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, setzten Sicherheitskräfte unnötige Gewalt ein, um eine friedliche Demonstration in Teheran aufzulösen, schlugen zahlreiche Teilnehmer_innen und nahmen sie willkürlich fest. Zu den Inhaftierten zählten auch die Arbeitsrechtsaktivist_innen Atefeh Rangiz und Neda Naji, die wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration zu fünf bzw. fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Im September 2019 verurteilte ein Gericht die Aktivistin für Arbeitnehmerrechte Sepidez Gholian zu 18 Jahren Haft und ihren Mitstreiter Esmail Bakhshi zu dreizehneinhalb Jahren und 74 Peitschenhieben. Die beiden hatten sich an friedlichen Protesten wegen nicht ausbezahlter Löhne in der Zuckerrohrfabrik Haft Tappeh in der Provinz Khuzestan beteiligt. Außerdem hatten sie öffentlich erklärt, sie seien nach ihrer Festnahme gefoltert worden. Bereits Monate vor der Gerichtsverhandlung hatte das iranische Staatsfernsehen erpresste "Geständnisse" der beiden ausgestrahlt. Im Dezember 2019 wurde Sepideh Gholians Strafe auf fünf Jahre und Esmail Bakhshis Strafe auf fünf Jahre und 74 Peitschenhiebe herabgesetzt.

Unabhängige Gewerkschaften blieben weiterhin verboten.

Umweltaktivist_innen

Die Behörden inhaftierten 2019 zahlreiche Umweltaktivist_innen. Acht erhielten Gefängnisstrafen von vier bis zehn Jahren, weil sie sich für den Schutz der Umwelt eingesetzt hatten, unter anderem, indem sie die bedrohte Tierwelt im Land erforschten. Sie wurden schuldig gesprochen, "mit feindlichen Staaten zusammengearbeitet" zu haben.

Medienschaffende

Mehrere Journalist_innen wurden aufgrund ihrer Arbeit strafrechtlich verfolgt und zu Freiheitsstrafen und/oder Auspeitschungen verurteilt.

Im Juni 2019 verurteilte ein Gericht den Journalisten Masoud Kazemi zu viereinhalb Jahren Gefängnis und einem anschließenden zweijährigen Berufsverbot, weil er in den sozialen Medien Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung erhoben hatte. Die Journalistin Marzieh Amiri wurde festgenommen, als sie über die Proteste am 1. Mai berichtete. Im August 2019 verurteilte ein Gericht sie wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" zu zehneinhalb Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhiebe. Das Strafmaß wurde später auf fünf Jahre Gefängnis herabgesetzt. Im Oktober 2019 gaben die Revolutionsgarden bekannt, sie hätten Rouhollah Zam festgenommen, den Redakteur von Amad News, einem beliebten Nachrichtenkanal einer Messenger-App, der nach Ansicht der Behörden zu den Protestaktionen im Dezember 2017 und Januar 2018 aufgerufen hatte. Wenige Tage nach der Festnahme sendete das Staatsfernsehen ein Propagandavideo mit einem "Geständnis" des Journalisten.

Politisch Andersdenkende

Die Behörden inhaftierten mindestens 16 Personen, die im Juli 2019 offene Briefe unterzeichnet hatten, in denen sie politische und gesetzliche Reformen forderten. Einige von ihnen wurden wegen "Beleidigung des Religionsführers" angeklagt. Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard standen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war.

Rechte von Frauen und Mädchen

Im Mai 2019 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das iranischen Frauen, die mit einem Ausländer verheiratet sind, die Übertragung ihrer Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder erlaubt. Das neue Gesetz trat im Oktober 2019 in Kraft, nachdem der Wächterrat es ratifiziert hatte. Frauen mussten diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder mussten sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wurde.

Das Familienrecht und das Strafgesetzbuch enthielten weiterhin zahlreiche Bestimmungen, die Frauen erheblich diskriminierten, unter anderem bezüglich Eheschließung, Scheidung und Erbschaftsangelegenheiten sowie beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu politischen Ämtern. Die Behörden unternahmen nichts, um die weitverbreitete geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen, wie zum Beispiel häusliche Gewalt sowie Früh- und Zwangsverheiratungen, zu bestrafen. Ein seit Jahren vorliegender Gesetzentwurf, der Frauen vor Gewalt schützen sollte, wurde von den Justizbehörden abgeschwächt und zur Überarbeitung an den entsprechenden Regierungsausschuss weitergeleitet.

Die Behörden gingen massiv gegen Frauenrechtlerinnen vor, die sich gegen den diskriminierenden Kopftuchzwang engagierten. Einige von ihnen wurden unter anderem schuldig gesprochen, zur "Enthüllung" aufgerufen und damit "Verdorbenheit und Prostitution geschürt und begünstigt" zu haben, und zu Gefängnisstrafen und Peitschenhieben verurteilt. Im Juli 2019 erhielten die Aktivistinnen Yasaman Aryani und Monireh Arabshahi eine Freiheitsstrafe von je 16 Jahren, die Aktivistin Mojgan Keshavarz von 23 Jahren und sechs Monaten. Die drei Frauen müssen zehn Jahre der verhängten Strafen verbüßen. Im August 2019 verurteilte ein Gericht die Aktivistin Saba Kordafshari zu 24 Jahren Gefängnis, von denen sie 15 verbüßen muss. Im September inhaftierten die Behörden drei Familienmitglieder der in den USA lebenden bekannten Journalistin Masih Alinejad, offenbar als Vergeltungsmaßnahme für das Engagement der Aktivistin gegen den gesetzlichen Kopftuchzwang. Im April 2019 schickte die Polizei Textnachrichten an Autofahrerinnen, die während der Fahrt ihre Kopftücher (Hidschab) abgenommen haben sollen. Die Frauen wurden zum Verhör einbestellt und offiziell verwarnt. Man drohte ihnen, bei einem erneuten Verstoß ihre Autos zu beschlagnahmen.

Die Behörden beharrten auf dem diskriminierenden Stadionverbot, das Frauen den Besuch von Fußballspielen heimischer Clubs untersagte. Iranerinnen, die das Verbot umgingen, wurden festgenommen und strafrechtlich verfolgt. Im Oktober 2019 erhielten 3500 Frauen die Erlaubnis, ein WM-Qualifikationsspiel der Fußballnationalmannschaft im Azadi-Stadion in Teheran zu verfolgen. Dies war eine Reaktion auf den Tod von Sahar Khodayari am 9. September. Die junge Frau war angeklagt worden, weil sie versucht hatte, als Mann verkleidet ein Fußballspiel zu besuchen. Sie hatte sich vor dem Gerichtsgebäude selbst angezündet und war wenige Tage später an ihren Verletzungen gestorben.

Diskriminierung – ethnische Minderheiten

Irans ethnische Minderheiten, darunter arabische Ahwazi, aserbaidschanische, belutschische, kurdische und turkmenische Gruppen, wurden weiterhin systematisch diskriminiert. Dies betraf vor allem ihren Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und zu angemessenem Wohnraum. Die Verarmung und Ausgrenzung ethnischer Minderheiten wurde dadurch verstärkt, dass die Behörden Regionen, in denen Minderheiten lebten, wirtschaftlich vernachlässigten. Persisch war die einzige zulässige Unterrichtssprache in Grundschulen und weiterführenden Schulen.

Angehörigen von Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisierten, drohten willkürliche Inhaftierung, Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren und Gefängnisstrafen. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten.

Der Menschenrechtsaktivist Abbas Lesani, der sich für die Rechte der aserbaidschanisch-türkischen Minderheit einsetzt, wurde im Oktober 2019 wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er zehn Jahre verbüßen muss.

Zahlreiche arabische Ahwazi, die den Opfern der Überschwemmungen in der Stadt Ahvaz freiwillig Hilfe geleistet hatten, wurden Berichten zufolge im Zusammenhang mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit willkürlich inhaftiert.
Die Behörden nutzten die Proteste im November 2019, um gegen Gruppen ethnischer Minderheiten vorzugehen. Zahlreiche arabische Ahwazi, aserbaidschanische Türken, Belutschen und Kurden wurden willkürlich inhaftiert, darunter auch Menschenrechtsaktivist_innen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten.

Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wurde sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwangen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründete. Wichtige politische Ämter standen ausschließlich schiitischen Muslimen offen. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wurde weiterhin verletzt. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt werden.

Die systematischen und weit verbreiteten Angriffe auf die Glaubensgemeinschaft der Baha’i setzten sich 2019 fort, dazu zählten willkürliche Festnahmen und Haft. Die Behörden ordneten die Schließung von Unternehmen im Besitz von Baha’i an, beschlagnahmten Vermögen von Anhänger_innen der Glaubensgemeinschaft und verweigerten ihnen den Zugang zu Universitäten und eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst.

Andere religiöse Minderheiten, die in der Verfassung nicht anerkannt waren, wie die Yaresan (Ahl-e Haq) und Erfan-e Halgeh, wurden weiterhin aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Glaubens diskriminiert und strafrechtlich verfolgt.
Zahlreiche Gonabadi-Derwische, die 2018 friedlich protestiert hatten, bevor ihre Kundgebung gewaltsam niedergeschlagen worden war, saßen weiterhin in Haft und waren unter anderem wegen "Zusammenkunft und Konspiration zur Planung von Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" angeklagt.

Christ_innen wurden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt. Dies betraf auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren. Es gab 2019 erneut Razzien in Hauskirchen.

Folter und andere Misshandlungen

Es war nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, z. B. in Form von Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Die größte Gefahr drohte Inhaftierten bei Verhören. Die Behörden gingen Foltervorwürfen grundsätzlich nicht nach und zogen die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft.
Folter soll zu mehreren Todesfällen in Gewahrsam geführt oder dazu beigetragen haben. Im September 2019 erfuhr die Familie von Javad Khosravanian, dass er in der Haft gestorben war, nachdem er wenige Tage zuvor in Khorrambid (Provinz Fars) festgenommen worden war. Berichten zufolge war er vor seiner Festnahme völlig gesund. Der Chef der Justizbehörde der Provinz ordnete eine Untersuchung des Todesfalles an. Es gab Berichte, wonach mehrere Personen, die bei den Protesten im November 2019 inhaftiert worden waren, in Gewahrsam starben.
Gewaltlosen politischen Gefangenen wurde eine angemessene medizinische Versorgung bewusst verweigert, oft als Strafmaßnahme. Dem Menschenrechtsverteidiger Arash Sadegni wurden weiterhin notwendige Medikamente gegen seine Krebserkrankung vorenthalten, was den Tatbestand der Folter erfüllte. Im Evin-Gefängnis in Teheran führten die Behörden eine neue Strafmaßnahme ein und zwangen gewaltlose politische Gefangene, für medizinische Hilfe außerhalb des Gefängnisses Geld zu bezahlen. Außerdem wurden Familienbesuche stark eingeschränkt.

In einigen Hafteinrichtungen waren Gefangene grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt. Sie waren in überfüllten Zellen untergebracht, hatten nur begrenzt Zugang zu warmem Wasser und litten unter schlechtem Essen, unzureichenden Schlafgelegenheiten, Ungeziefer und mangelnder Belüftung.

Das islamische Strafgesetz schrieb weiterhin Körperstrafen vor, die gegen das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen verstießen, wie z. B. Peitschenhiebe, Blendungen und Amputationen. Zahlreiche Personen wurden wegen Diebstahls oder Überfällen zu Peitschenhieben verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche Beziehungen, Alkoholkonsum oder Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Frauen als auch Männer anwesend waren. Im Juli 2019 musste der kurdische Sänger Peyman Mirzazadeh 100 Peitschenhiebe erdulden, die unter anderem wegen Alkoholkonsums gegen ihn verhängt worden waren. Im Oktober 2019 wurde in einem Gefängnis in Sari (Provinz Mazandaran) einem Insassen als Strafe für Diebstahl die Hand amputiert.

Todesstrafe

Zahlreiche Personen wurden 2019 nach unfairen Gerichtsverfahren hingerichtet, einige von ihnen öffentlich. Unter den Opfern befanden sich auch Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren.

Die Todesstrafe wurde nach wie vor auch für Handlungen verhängt, die gemäß internationaler Menschenrechtsnormen nicht strafbar sind, wie z. B. einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen oder außereheliche Beziehungen sowie für vage formulierte Anklagen wie "Beleidigung des Propheten", "Feindschaft zu Gott" und "Förderung von Verdorbenheit auf Erden".
Das islamische Strafgesetzbuch sah weiterhin Steinigung als Hinrichtungsmethode vor.

Unfaire Gerichtsverfahren

Die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren wurden systematisch verletzt. Das Staatsfernsehen strahlte unter Folter und anderen Misshandlungen erpresste "Geständnisse" aus, und Gerichte erkannten sie als Beweismittel an. Im August 2019 sagte der ehemalige Gefangene Mazyar Ebrahimi aus, das Geheimdienstministerium habe ihn und weitere Personen 2012 im Zusammenhang mit der Ermordung von mehreren Atomwissenschaftlern festgenommen und anhaltend gefoltert, um "Geständnisse" zu erpressen, die dann im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden. Der Parlamentsabgeordnete Mahmoud Sadeghi legte daraufhin einen Gesetzentwurf vor, der die Aufnahme und Ausstrahlung von erpressten "Geständnisse" strafbar machen sollte. Es galt jedoch als äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Vorschlag angenommen werden würde. Im November 2019 sendete das Staatsfernsehen erpresste "Geständnisse" von Personen, die an den landesweiten Protesten im selben Monat teilgenommen hatten.

In den Verfahren vor den Sondergerichten für Korruption wurde den Angeklagten im Falle einer Gefängnisstrafe ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verwehrt, im Falle eines Todesurteils hatten sie lediglich zehn Tage Zeit, um ein Rechtsmittel einzulegen. Im Juli 2019 gab die Justizbehörde bekannt, diese Sondergerichte hätten seit ihrer Einführung im Jahr 2018 insgesamt 978 Urteile gefällt, darunter neun Todesurteile und 161 Auspeitschungen.
Die Behörden verweigerten Personen, denen Anklagen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit drohten, während der Untersuchungshaft den Zugang zu einem unabhängigen Rechtsbeistand, einigen wurde sogar während der Gerichtsverfahren ein Rechtsbeistand verwehrt.

Veröffentlichungen von Amnesty International

Iran: Thousands arbitrarily detained and at risk of torture in chilling post-protest crackdown (Press release, 16 December 2019)

Iran: Shocking 33-year prison term and 148 lashes for women’s rights defender Nasrin Sotoudeh (Press release, 11 March 2019)

Iran: Abuse of jailed activist must stop: Sepideh Gholian und Esmail Bakhshi (MDE 13/1295/2019)

Iran: Shocking death of football fan who set herself on fire exposes impact of contempt for women’s rights (Press release, 10 September 2019)

Iran: Shocking statements by senior official highlight impunity for 1988 prison massacres (MDE 13/0815/2019)

Verknüpfte Dokumente