Anfragebeantwortung zu Syrien: Kurdengebiet Nordsyrien: Versorgungslage hinsichtlich Verfügbarkeit und Kosten von Strom, Benzin und Lebensmitteln [a-11047-7 (11053)]

9. August 2019

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) veröffentlicht über Humanitarian Response, der Serviceplattform des Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) in regelmäßigen Abständen einen Datensatz zu den Nahrungsmittelpreisen in Syrien. Der Datensatz enthält unter anderem Angaben zu Preisen ausgewählter Lebensmittel und weiterer Güter in verschiedenen Städten des Landes. (WFP, 8. August 2019)

Die folgenden Diagramme zeigen die Preise ausgewählter Güter am Stichtag 15. Juni 2019 an Märkten in den Städten Qamishli, Al-Hasaka und Tell Abiad im Gebiet unter kurdischer Selbstverwaltung.

Der Preis für 1 kg Reis lag in den drei Städten zum Stichtag 15. Juni 2019 zwischen 550 und 642 Syrischen Pfund (etwa 95 Cent und 1,10 Euro, Anm. ACCORD). Der Preis für 1 kg Tomaten lag zwischen 242 und 300 Syrischen Pfund (etwa 42 Cent und 52 Cent, Anm. ACCORD). Der Preis für 1,3 kg Brot lag in allen drei Städten bei 50 Syrischen Pfund (etwa 0,09 Cent, Anm. ACCORD). Der Preis für einen Liter Diesel-Treibstoff lag zwischen 55 und 108 Syrischen Pfund (etwa 10 Cent und 19 Cent, Anm. ACCORD). Der Preis für 10 kg Gas lag zwischen 2.200 und 2.617 Syrischen Pfund (etwa 3,80 Euro und 4,50 Euro, Anm. ACCORD). Der Tageslohnsatz für unqualifizierte Arbeit lag zwischen 1.000 und 1.900 Syrischen Pfund (etwa 1,70 Euro und 3,30 Euro, Anm. ACCORD):

 

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(basierend auf Daten von WFP, 8. August 2019)

 

Der Datensatz verfügt darüber hinaus über Preisangaben zu weiteren Lebensmitteln an Stichtagen aus den Jahren 2012 bis 2019. Der komplette Datensatz kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:

 

WFP veröffentlicht darüber hinaus monatlich eine Übersicht zu Marktpreisen an ausgewählten Standorten in den einzelnen Provinzen. In der Provinz Al-Hasaka wird der Markt in Qamishli beobachtet. In der monatlichen Übersicht zur Preisentwicklung im Juni 2019 wird berichtet, dass der nationale Durchschnittspreis für einen Lebensmittelkorb (eine Zusammenstellung essentieller Lebensmittel, die eine Familie von fünf Personen einen Monat lang versorgt, er enthält 37 kg Brot, 19 kg Reis, 19 kg Linsen, 5 kg Zucker, und 7 Liter pflanzliches Öl) 24.705 Syrische Pfund (etwa 43 Euro, Anm. ACCORD) betragen habe. Das entspreche einem leichten Anstieg von einem Prozent gegenüber dem Vormonat. Im letzten Jahr sei der Preis für einen Lebensmittelkorb jedoch auf nationaler Ebene relativ stabil geblieben. Der höchste Preis für Reis sei weiterhin mit 596 Syrischen Pfund pro Kilogramm (etwa 1 Euro, Anm. ACCORD) in der Provinz Al-Hasaka gemeldet worden. In Al-Hasaka und Al-Raqqa liege der Preis für Diesel weit unter dem nationalen Niveau bei durchschnittlich 82 Syrischen Pfund pro Liter (etwa 14 Cent, Anm. ACCORD). Der Tageslohn für unqualifizierte Arbeit sei im nationalen Vergleich am geringsten in der Provinz Al-Hasaka und liege bei 1,450 Syrischen Pfund (etwa 2,5 Euro, Anm. ACCORD):

In June 2019, the national average price of a standard food basket was SYP [Syrian Pounds] 24,705 marginally increasing (up 1 percent) compared to May. June represents the fourth consecutive month of increasing national average reference food basket prices (Chart 1). Nevertheless, the reference national average food basket price has remained relatively stable over the past six to 12 months (up by four percent since June 2018). […]

The average price of rice continued to be reported highest in Al-Hasakeh at SYP 596/kg (up two percent m-o-m [month-on-month]) followed by Ar-Raqqa at SYP 563/kg (down one percent). […]

Al-Hasakeh and Ar-Raqqa continue to report diesel prices well be-low the national average at SYP 82/litre (unchanged m-o-m) and SYP 103/litre (down three percent m-o-m), respectively. […]

Daily non-skilled wages were highest in Tartous (SYP 4,000/day un-changed m-o-m), followed by Lattakia (SYP 3,750/day down six per-cent m-o-m) and were lowest in Al-Hasakeh at SYP 1,450/day (up 11 percent m-o-m) followed by As-Sweida at SYP 1,483/day (down three percent m-o-m).” (WFP, 30. Juni, S. 1-5)

Die Website Syria Direct, die sich als 2013 gegründete nicht profitorientierte journalistische Organisation bezeichnet, die Nachrichten und Interviews aus Syrien publiziert, berichtet im Mai 2019 über Felder, die in den Provinzen Al-Raqqa, Deir Al-Zour und Al-Hasaka in Brand gesetzt worden seien. Die Gruppe Islamischer Staat (IS) habe sich zu diesen Taten bekannt. Nordsyrien sei im Jahr 2018 von einer Trockenperiode betroffen gewesen, die die Produktion von Weizen erheblich reduziert und sich auf den Lebensunterhalt von tausenden Bauern in der Region ausgewirkt habe. Im Jahr 2019 habe man wegen reichlicher Winterregenfälle eine gute Ernte erwartet. Die Selbstverwaltung habe in Erwartung einer größeren Produktion die Preise für Weizen und Gerste niedriger angesetzt. Dann seien jedoch die Brände gelegt worden:

„Qais’s acres are among of thousands destroyed by fires in Raqqa, Deir e-Zor and Hasakah in northeast Syria in recent days. […]

Farmers and activists are now blaming 'hidden hands‘ for the fires, several sources told Syria Direct. 'It’s very effective, very thorough,‘ Qais said. In recent years, he said, ‘even if a fire broke out, it would only spread a meter or two before we could contain it.‘ ‘Now even the fire trucks can’t get this under control,‘ he said. The Islamic State claimed credit for starting the fires and declared farmers in Iraq and Syria ‘apostates‘ in the latest issue of Al-Naba, the group’s weekly newsletter. The group also threatened continued action. The Raqqa Civilian Council pointed the finger at ISIS sleeper cells even before the group claimed responsibility. […]

Northern Syria witnessed very little rainfall last year, resulting in significantly reduced wheat production. The drought led to a failed harvest, impacting the lives of thousands of farmers in the region. This year was different. Heavy winter rains promised a great yield for farmers in northeastern Syria, compensating for previous years’ losses. For Marwan Issa, 57, from Qahtaniya in Hasakah province, his acres of wheat and barley were supposed to make up for his previous losses and help him secure a future for his two university-age children. But this year, the Autonomous Administration decreased the price for wheat and barley to adjust for the increased supply. That was before the fires came.“ (Syria Direct, 26. Mai 2019)

Syria Television, ein aus der Türkei ausgestrahlter, der syrischen Revolution nahestehender Sender, berichtet im Juli 2019, dass die syrische Regierung und die kurdische Selbstverwaltung alle Grenzübergänge zwischen den beiden Gebieten in Nordsyrien geschlossen hätten, ohne Gründe für die Schließung anzugeben. Aktivisten würden vermuten, dass die Schließung mit Auseinandersetzungen zwischen der syrischen Regierung und der kurdische Selbstverwaltung um Warenlieferungen, darunter insbesondere Öl- und Getreideladungen, sowie um kommerzielle und industriell gefertigte Güter gehe. (Syria Television, 22. Juli 2019)

 

Kurdistan 24, ein in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässiger Nachrichtensender, schreibt im Juli 2019, dass Dutzende Kinder in der Stadt Qamishli in der Region der kurdischen Selbstverwaltung (Rojava) als Automechaniker arbeiten würden. Arbeitgeber hätten angegeben, dass der Bürgerkrieg, der Aufstieg des IS und die Migration von ZivilistInnen die Zahl der Arbeitskräfte verringert habe und Kinderarbeit häufiger geworden sei. Ein Arbeitgeber habe gegenüber Kurdistan 24 gesagt, dass die wirtschaftliche Lage in Rojava schlecht sei. Viele Erwachsene seien in den Krieg gezogen, andere hätten das Land verlassen. Man habe also keine andere Wahl, als Kinder anzustellen:

„Dozens of children work as automobile mechanics at shops across the Syrian Kurdistan (Rojava) town of Qamishlo as the number of underage workers continues to increase in the region. […]

These children often work an average of 12 hours per day for as little as USD 30 each month. Employers say the shortage of employees due to the civil war in Syria, the emergence of the so-called Islamic State, and the migration of civilians the conflict has caused led to a rise in child laborers. 'Today’s economic conditions in Rojava are poor. Most adults have gone to fight in the war, and others have left the country to move abroad, ' one employer told Kurdistan 24. 'Only children are left, and we are forced to employ them. Most of these children have a hard time learning the trade [of automotive mechanics], but we have no choice, we need them.'” (Kurdistan 24, 1. Juli 2019)

Die in der Region der kurdischen Selbstverwaltung dominierende Partei der Demokratischen Union (PYD) veröffentlicht auf ihrer arabischsprachigen Website im Juni 2017 einen Artikel zu wirtschaftlichen Problemen in der Region, der von der Mesopotamia Co-Operation, einer im Vereinigten Königreich ansässigen kurdischen Interessensgruppe, übersetzt wurde. Mit dem Anstieg von Flüchtlingen aus anderen Teilen Syriens sowie aus dem Irak, insbesondere in Mossul, sei das Leben für alle Bewohner des Kantons Jazira (Teil der Provinz Al-Hasaka, Anm. ACCORD) schwerer geworden. Die meisten ArbeiterInnen der Region würden nur sehr wenig verdienen. Das durchschnittliche Einkommen als Angestellter der Selbstverwaltung oder in den Behörden der syrischen Zentralregierung würde 30.000 Syrische Pfund (etwa 52 Euro, Anm. ACCORD) als festgesetzter Lohn für eine vier- oder fünfköpfige Familie nicht übersteigen. Die meisten Bewohner der Region, die diese Löhne beziehen würden, würden unter der Armutsgrenze leben, da sie monatlich etwa 100 US-Dollar (etwa 89 Euro, Anm. ACCORD) ausgeben würden. In den letzten sieben Jahren sei die Emigration aufgrund der Sicherheitslage und der Lebensbedingungen exponentiell angestiegen. Seit einem Jahr sei der Preis für ein Kilo Tomaten auf 1.500 Syrische Pfund (etwa 2,6 Euro, Anm. ACCORD) angestiegen. Ein durchschnittlicher Job würde die grundlegenden Bedürfnisse einer Person nur für ein paar Tage abdecken:

„The challenges that the people face in Rojava

The living conditions have become like the straw that broke the camel’s back. With the increase of refugees from other parts of Syria and Iraq, particularly from Mosul, the burden has increased for all the people in Jazira [Kantona Cizîrê / Cezîre].

The average income

Most workers in the region earn very little for their labour. The average income, whether of employees of the Self Administration or the Syrian government departments, does not exceed 50 or 60 dollars, around 30,000 SYP [Syrian Pounds], as a fixed salary of a person with a family of four or five members.

But the situation of most people of the region who rely on this type of wages is considered to be under the poverty line, because the average spending is $100 per month. A family of five should earn $500 per month, equivalent to 250,000 SYP to satisfy their basic needs. The average income is only 10% of what a family needs, and this has a negative effect on their health and education. […]

Increase of emigration

In the last seven years, the rate of emigration has increased exponentially because of the security situation and the living conditions. In Deir al-Zour, for example, the price for a kilo of sugar has reached 7,000 SYP, and the price for a kilo of rice around 1,000 SYP. In Qamishlo [Qamişlo / Qamishli / Al-Qamishli], since a year ago, the price for a kilo of tomatoes has become around 1,500 SYP. An average job would only satisfy someone’s basic needs for a few days.“ (PYD, 7. Juni 2017)

 

 

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 9. August 2019)