Anfragebeantwortung zu Libyen: Informationen zur Versorgungslage [a-10928-4 (10931)]

1. April 2019

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Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) schreibt in einem im Oktober 2018 veröffentlichten Bericht zum humanitären Bedarf in Libyen, dass etwa 823.000 Menschen, darunter 248.000 Kinder, wegen anhaltender politischer Instabilität, Konflikt und Unsicherheit, dem Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit, der Nichtbereitstellung öffentlicher Dienste und einer nicht funktionierenden Wirtschaft humanitärer Hilfe bedürften. Davon betroffen seien unter anderem Binnenvertriebene, RückkehrerInnen, nicht-vertriebene, aber vom Konflikt betroffene Personen und sowie Aufnahmegemeinschaften, Flüchtlinge und MigrantInnen:

„An estimated 823,000 people, including around 248,000 children, are in-need of humanitarian assistance in Libya as a result of persisting political instability, conflict and insecurity, the breakdown of the rule of law, a deteriorating public sector and a dysfunctional economy. These include internally displaced persons, returnees, nondisplaced conflict-affected people and host communities, refugees and migrants.” (UN OCHA, Oktober 2018, S. 5)

Die öffentlichen Dienste hätten sich wegen der Krise bedeutend verschlechtert. Das nicht funktionierende öffentliche Gesundheitssystem, Herausforderungen im Bildungsbereich und nicht funktionierende Wasser- und Sanitärdienste hätten bedeutende Auswirkungen auf vulnerable Personen gezeigt. Dies habe zu fehlendem Zugang zu wesentlicher primärer und sekundärer medizinischer Versorgung und zu Herausforderungen beim Zugang zu Trinkwasser und qualitativ hochwertiger Bildung geführt:

„Public-sector services have significantly deteriorated in Libya as a result of the crisis. The dysfunctional public health system, challenges in the Education Sector, and nonfunctional water and sanitation services have significantly impacted vulnerable people across Libya, resulting in a lack of access to critical primary and secondary medical healthcare, and challenges to access safe water and quality education.” (UN OCHA, Oktober 2018, S. 17)

Die öffentlichen Gesundheitsdienste in Libyen seien aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen und Verfehlungen der Regierung schwer von der Krise betroffen. In Konfliktgebieten hätten bewaffnete Gruppen Angriffe auf medizinische Einrichtungen und medizinisches Personal verübt, darunter etwa Granatenbeschuss und Plünderung medizinischer Ausrüstung. Zudem habe das Fehlen einer effektiven öffentlichen Verwaltung aufgrund des Fehlens von Ressourcen, qualifizierten Mitarbeitern, Ausrüstung und Nachschub zu einer schlechten Bereitstellung von Diensten geführt. Landesweit sei der Zugang zu Gesundheitsversorgung bedeutend weniger vorhanden als der Bedarf. Unter LibyerInnen seien besonders vom Konflikt betroffene Personen von den Auswirkungen betroffen, obwohl RückkehrerInnen von Herausforderungen betreffen Gesundheitsversorgung betroffen seien:

„Public healthcare services in Libya have been heavily impacted by the crisis due to ongoing hostilities and governance failures. In conflict-affected areas armed groups have carried out attacks on medical facilities and personnel, including shelling, looting of medical equipment, assaults on medical professionals and interference in medical work. In addition, the absence of effective public administration has resulted in poor service provision due to a lack of resources, qualified staff, equipment and supplies. Across Libya access to healthcare is substantially less than the needs. Amongst Libyans, displaced people and non-displaced conflict affected people have been significantly impacted, although returnees face some of the most significant challenges to access healthcare.” (UN OCHA, Oktober 2018, S. 17)

Die Krise in Libyen habe negative Auswirkungen auf die öffentlichen Bildungsdienste, so UN OCHA weiters. Dies bedeute weniger Zugang zu voll funktionsfähigen Schulen und zu qualitativ hochwertiger Bildung für Kinder. Vertreibung aufgrund der Unsicherheit habe in vielen Schulen zu Überfüllung und zur Nutzung von Schulen als Unterkünfte, insbesondere in städtischen Gebieten, geführt. Eine Untersuchung habe darauf hingewiesen, dass 212 Schulen in Libyen Berichten zufolge teilweise zerstört seien:

„The crisis in Libya has negatively impacted public education services, meaning less access to fully functional schools and quality education for children. Displacement driven by insecurity has led to overcrowding in many schools and the use of schools as shelters, particularly in urban settings. Assessments indicate 212 schools in Libya are reported to be partially damaged, mostly as a result of fighting.” (UN OCHA, Oktober 2018, S. 19)

Die Krise in Libyen habe sowohl für LibyerInnen und Nicht-LibyerInnen im Land zu großen wirtschaftlichen Herausforderungen geführt. Der Zugang zu grundlegenden Haushaltswaren und -gütern sei im Land ein großes Problem. Eingeschränkter Zugang zu Arbeit, niedrige Einkommen, beschränkte Ersparnisse, Inflation und die Liquiditätskrise seien die größten Herausforderungen beim Zugang zu Waren und Gütern:

„The crisis in Libya has resulted in major economic challenges for both Libyans and non-Libyans in Libya, to access basic households goods and commodities is a major problem in Libya. Limited access to employment, low incomes, limited savings, inflation and the liquidity crisis are the main drivers behind challenges to access goods and commodities.” (UN OCHA, Oktober 2018, S. 5)

Weitere detaillierte Informationen entnehmen sie bitte dem oben zitierten Dokument:

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) schreibt in einem Länderüberblick vom Dezember 2018, dass Ernährungsunsicherheit aufgrund anhaltender Vertreibung, Behinderungen auf Märkten und geringerer Nahrungsmittelproduktion weiterhin eine Herausforderung sei. Der Konflikt habe Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen und den Zugang zu grundlegenden sozialen Diensten gehabt, was die vulnerabelsten Personen einem hohen Risiko von nicht angemessener Nahrungsaufnahme aussetze und die Menschen dazu zwinge, negative Bewältigungsstrategien anzuwenden, wie den Verbrauch ihrer Ersparnisse, Einschränkung der täglichen Mahlzeiten und die Reduzierung der nicht mit Nahrungsmittel in Zusammenhang stehenden Ausgaben, insbesondere für Gesundheit und Bildung:

„Food insecurity remains a challenge due to protracted displacement, disruption to markets, and lower food commodity production. Livelihoods and access to basic social services have been affected by the conflict, exposing the most vulnerable people to a high risk of inadequate food consumption and forcing people to adopt negative coping strategies, such as spending their savings, cutting the number of daily meals and reducing non-food related expenses, particularly for health and education.” (WFP, Dezember 2018, S. 2)

Laut einem Bericht von REACH, einer Initiative der humanitären NGOs IMPACT und ACTED sowie des operativen UNO-Satellitenanwendungsprogramm UNOSAT, vom Februar 2019 sei die Gesundheitsversorgung weiterhin das bedeutendste Problem in libyschen Haushalten. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung habe sich seit 2014 verringert, wobei der andauernde Konflikt die bereits überlasteten Ressourcen verschärfe. Beschädigung von Krankenhausgebäuden und die Plünderung von medizinischen Vorräten und Ausrüstung, gemeinsam mit der Privatisierung der Gesundheitsversorgung und wenig Reglementierung durch die Regierung sowie einem Mangel an Geld im Umlauf habe Auswirkungen auf die Leistbarkeit der verfügbaren Medikamente und den Zugang zu Behandlung.

32 Prozent der Haushalte von RückkehrerInnen auf nationaler Ebene hätten ihren Bedarf nicht abdecken können. 37 Prozent der Binnenvertriebenenhaushalte in Tripolis hätten ihren Bedarf hinsichtlich Gesundheit nicht abdecken können:

„Healthcare continues to present the most substantial obstacles to Libyan households with the highest proportion of households facing unmet needs (23%). Access to healthcare has been declining since 2014, with the ongoing conflict exacerbating already-stretched resources. Structural damage to hospitals and the looting of medical supplies and equipment, coupled with the privatization of healthcare with little government policy and increasing lack of liquidity has impacted the affordability of available medicine and access to treatment. Targeting of professional medical staff and closure of hospitals has also negatively affected the functionality of available medical resources. The top three barriers to accessing healthcare were: lack of medical staff (43%), lack of money to pay for care (37%) and lack of medical supplies (32%). The most affected areas were found in southern Libya including Wadi Ashshati, Murzuq, Al Kufra, Sebha. A large proportion of households in Sirt, Derna and Ubari also displayed unmet health needs. Returnee households at the national level were found to have the highest proportion of unmet needs (32%). Alarmingly, 95% of returnee households in Azzawya had an unmet health need and 37% of IDP households residing in Tripoli.” (REACH, 5. Februar 2019, S. 8)

Die Konflikt-Regionen seien hinsichtlich des Themas Unterkunft am stärksten betroffen, so REACH weiters. Haushalte in Derna und Sirte hätten die höchsten Raten nicht abgedeckten Bedarfs. Auf nationaler Ebene seien Haushalte von RückkehrerInnen signifikant höher durch nicht gedecktem Bedarf an Unterkunft und Non-Food Items (Hilfsgüter, die keine Lebensmittel sind) gefährdet. Insbesondere für RückkehrerInnen in Al Jifara, Derna, Sirt, Zuwara und Tripolis sei dies ein Problem:

„Conflict-affected mantikas were the worst affected areas for shelter issues. Households in Derna and Sirt displayed the highest unmet needs where over a half (56% respectively) of all households faced shelter & NFI [Non-Food Items] issues from threat of eviction and damaged shelter (in Sirt). However, one-quarter (26%) of Al Jifara households had an unmet shelter & NFI need. Returnee households were significantly more at risk of unmet shelter & NFI needs (42%) at the national level, a particular problem identified for returnees in Al Jifara, Derna, Sirt, Zwara and Tripoli.” (REACH, 5. Februar 2019, S. 8)

Insgesamt sei der Bildungsbedarf landesweit gering (definiert hinsichtlich Haushalten mit mindestens einem Kind, das keine Schule [regelmäßig] besucht). Der andauernde Konflikt habe zur Schließung von Schulen und zu deren Umfunktionierung zu Unterkünften für Binnenvertriebene sowie zur Nutzung als Armeebarraken geführt. Die Schließungen hätten zu Überbelegung und schweren Mangel an qualifizierten MitarbeiterInnen geführt:

„Overall, education needs were low across Libya, defined by a household having at least one-school child not enrolled or regularly attending school. The ongoing conflict has seen the closure of schools and conversion in to accommodation for displaced people as well as increased use as army barracks. These closures have resulted in overcrowding and a severe lack of qualified staff.” (REACH, 5. Februar 2019, S. 9)

Nahrungsmittelpreise, insbesondere Weizen und Mehl und Banken, die kein Bargeld auszahlen würden, hätten zeitweise zu Unruhen hinsichtlich des Kaufs von Nahrung geführt. Jedoch habe die Ernährungssicherheit landesweit die niedrigsten Raten hinsichtlich nicht abgedeckten Bedarfs:

„Food price rises, particularly of wheat and flour and the inability to retrieve cash from banks have periodically increased levels of unrest with regards to purchasing available food. Declining letters of credit issued from banks and stagnant credit for import from abroad, of which the majority of Libya’s food is sourced has contributed to growing concern for food distribution. However, food security had the lowest rates of unmet needs across Libya, with 3% of households with unmet needs.” (REACH, 5. Februar 2019, S. 10)

Weitere detaillierte Informationen entnehmen Sie bitte dem oben zitierten Bericht:

Im Dezember 2018 erwähnt das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR), dass die Organisation im Jahr 2018 über 90.900 Binnenvertriebene und RückkehrerInnen unterstützt habe. UNHCR habe im Jahr 2018 gemeinsam mit der Partnerorganisation LibAid etwa Decken, Küchensets und Hygienemittel an über 68.240 Binnenvertriebene und RückkehrerInnen in über 14 Städten, darunter Tripolis, Bengasi, Sirte, Misrata, Sabha und Ubari verteilt. Zusätzlich hätten UNHCR und seine Partner, die Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED) und der Danish Refugee Council (DRC), Bargeldhilfe für über 22.650 Einzelpersonen zur Verfügung gestellt, die die Mittel zur Deckung grundlegender Bedürfnisse, darunter Nahrungsmittel, Hygieneartikel und andere Notwendigkeiten verwendet hätten:

UNHCR supported more than 90,900 internally displaced persons (IDPs) and returnees. Throughout the year, UNHCR and its partner LibAid distributed non-food items, such as blankets, kitchen sets and hygiene kits, to more than 68,240 IDPs and returnees in over 14 cities, including Tripoli, Benghazi, Sirt, Misrata, Sabha and Ubari. In addition, UNHCR and its partners ACTED and DRC provided multipurpose cash assistance to over 22,650 individuals, who used the funds to cover basic needs, including food, hygiene items, and other necessities.” (UNHCR, Dezember 2018)

Weitere allgemeine Informationen sowie Informationen zur Nahrungsmittelversorgung entnehmen Sie bitte auch folgenden Dokumenten:

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 1. April 2019)