Anfragebeantwortung zu Sri Lanka: Lage von TamilInnen nach Rückkehr, Lage von (vermeintlichen) UnterstützerInnen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), Behandlung von TamilInnen, denen Verrat vorgeworfen wird [a-10913]

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6. März 2019

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Lage von TamilInnen nach Rückkehr

Die britische Tageszeitung The Guardian veröffentlicht im September 2018 einen Artikel zur Abschiebung mehrerer sri-lankischer Asylsuchender aus Australien. Die Gruppe der Abgeschobenen sei am 11. September in Colombo gelandet, habe aber keinen Kontakt zu Familien- oder Rechtsvertretern aufgenommen. Rückkehrende Asylsuchende würden ohne Ausnahme bei der Ankunft von der sri-lankischen Polizei verhört, verhaftet und angeklagt. Menschenrechtsgruppen und Rechtsanwälte hätten ernste Bedenken in Bezug auf die Sicherheit zurückkehrender Asylsuchender. Der Guardian verweist in seinem Artikel auch auf den im Juli 2018 veröffentlichten Bericht des UN-Berichterstatters zur Terrorismusbekämpfung, in dem festgehalten werde, dass die Fortschritte Sri Lankas auf dem Weg zum Frieden praktisch zum Stillstand gekommen seien und Berichten zufolge immer noch sehr brutale und grausame Foltermethoden zur Anwendung kommen würden:

„At least a dozen Sri Lankan asylum seekers have been forcibly deported back to Sri Lanka, having been put on a specially chartered jet that left Perth at 2am on Tuesday. […]

The group landed in Colombo on Tuesday but has not made contact with family or legal representatives. Returned asylum seekers are, without previous exception, interviewed, arrested and charged by Sri Lanka police on arrival.

Human rights groups and legal advocates have serious concerns over the safety of returned asylum seekers. The United Nations rapporteur on countering terrorism wrote in a report in July that Sri Lanka’s progress towards peace had ‘virtually ground to a halt’, and that he heard evidence of ‘very brutal and cruel methods of torture, including beatings with sticks, the use of stress positions, asphyxiation using plastic bags drenched in kerosene, pulling out of fingernails’.” (The Guardian, 11. September 2018)

Das Nachrichtenportal Tamil Guardian schreibt im Juli 2018, dass ein tamilischer Flüchtling, der Mitte Juli 2018 aus Australien abgeschoben worden sei, bei seiner Ankunft in Colombo von der sri-lankischen Polizei festgehalten worden sei. Er sei von den sri-lankischen Behörden angeklagt worden, weil er illegal das Land verlassen habe. Für diese Straftat umfasse die Höchststrafe eine Geldstrafe von 200.000 Rupien (umgerechnet rund 980 Euro) und eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren:

„A Tamil refugee, deported from Australia this week and detained by Sri Lankan police on arrival in Colombo, has been charged by the Sri Lankan authorities for illegally leaving the country. The offence is understood to carry a maximum sentence of a fine of 200,000 rupees and prison term of five years.“ (Tamil Guardian, 20. Juli 2018)

Im Februar 2018 berichtet The Guardian von der drohenden Abschiebung eines sri-lankischen Asylsuchenden aus Australien. Der UN-Ausschuss gegen Folter habe Australien aufgefordert, die Abschiebung nicht durchzuführen, solange der Ausschuss ermittle, ob dem Asylsuchenden bei seiner Rückkehr Folter drohe. Die UNO, Regierungen anderer Staaten und Menschenrechtsgruppen hätten stets ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Rückkehr tamilischer Asylsuchender nach Sri Lanka geäußert, insbesondere derjenigen, die bekanntermaßen Verbindungen zur LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) hätten. Es gebe umfassende Berichte über Misshandlung und Folter von Gefangenen durch sri-lankische Sicherheitskräfte, einschließlich der systematischen Anwendung von Vergewaltigung. Die sri-lankische Regierung habe Misshandlungen immer wieder bestritten. Der sri-lankische Premierminister Ranil Wickremesinghe habe bei einem Besuch in Australien im Februar 2017 die aus Sri Lanka geflohenen Tamilen eingeladen, wieder zurückzukehren und angeführt, dass ihnen keine strafrechtliche Verfolgung drohe:

„A Sri Lankan asylum seeker has been ordered for deportation next week, despite the United Nations committee against torture requesting Australia not move him while it investigates whether he will be tortured if he is returned against his will. The deportation order issued for Tamil asylum seeker Shantaruban by the Australian Border Force says he will be deported on 22 February. He will not be permitted any visitors at the airport when he is removed and he will be escorted on his flight to Colombo. […]

The UN and other governments and human rights groups have consistently raised serious concerns over the return of Tamil asylum seekers to Sri Lanka, particularly those with known links to the LTTE [Liberation Tigers of Tamil Eelam]. There have been widespread reports of the mistreatment and torture of prisoners by Sri Lankan security forces, including the systematic use of rape. […]

The Sri Lankan government has consistently denied mistreatment is occurring. ‘Come back. All is forgiven,’ the Sri Lankan prime minister, Ranil Wickremesinghe, said when he visited Australia last February. ‘They (Tamils who fled the country) are welcome to return to Sri Lanka and we won’t prosecute them.’” (The Guardian, 12. Februar 2018)

Das Tamil Refugee Council (TRC), eine tamilische zivilgesellschaftliche Initiative mit Sitz in Australien, die sich für die Rechte tamilischer Flüchtlinge in Australien, Malaysia, Thailand, Indonesien und Indien einsetzt, berichtet im Februar ebenfalls über Santharuban, den im Bericht des Guardian erwähnten tamilischen Asylsuchenden. Der aus Australien Abgeschobene, bei dem es sich um ein ehemaliges Mitglied der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE, oder TamilTigers) handle, und seine Familie würden seit seiner Rückkehr vom sri-lankischen Staat schikaniert und eingeschüchtert. Bereits bei Santharubans Ankunft am Flughafen in Colombo sei er etwa vier Stunden lang befragt worden. Seither hätten ihn Staatssicherheitsbeamte zwei Mal zu Hause aufgesucht und befragt. Laut dem Sprecher des Tamil Refugee Council sei dies ein klarer Versuch der Einschüchterung und Belästigung. Die Sicherheitskräfte würden versuchen, nicht nur Santharuban, sondern auch seine Familie einzuschüchtern. Solche Besuche würden tiefe Ängste bei der tamilischen Bevölkerung schüren, die nach wie vor von der Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department, CID), der Sondereinsatzgruppe und anderen Einheiten der Polizei und des Militärs angegriffen, gefoltert und entführt würden:

„A former member of the Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE, or TamilTigers) deported under duress from Australia last week is being harassed and intimidated, along with his family, by the Sri Lankan state. Santharuban was handed over to Sri Lankan authorities at Bandaranaike airport, Colombo, on Thursday night, local time, where he was questioned for about four hours. […]

Since being questioned in Colombo, he has been visited twice by state security officers. According to Santharubans representative, human rights lawyer K.S. Ratnavale, two men from the Point Pedro naval camp, Jaffna, came to his residence on Monday asking seemingly innocuous questions, which he had answered in Colombo.

Yesterday, two different men came. This time, they took the details of Santharubans wife and children including the school they attend. ‘His wife is distraught. She is wondering whether it is safe to return home,’ Ratnavale said.

‘This is a clear attempt at intimidation and harassment,’ said Aran Mylvaganam, Tamil Refugee Council spokesperson. The security forces are trying to intimidate not only Santharuban but his family as well. Such visits strike deep fears in Tamils, who continue to face assault, torture and disappearance at the hands of the Criminal Investigation Department (known as CID), the Special Task Force and other sections of the police and military.’” (Tamil Refugee Council, 28. Februar 2018)

In ihrem Jahresbericht vom Jänner 2019 erwähnt Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, dass Polizei und Sicherheitskräfte Praktiken wie willkürliche Verhaftung, außergerichtliche Hinrichtung, Entführung, Vergewaltigung in Haft und Folter anwenden würden. Von diesen Praktiken seien Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen:

„Police and security forces are known to engage in abusive practices, including extrajudicial executions, forced disappearances, custodial rape, and torture, all of which disproportionately affect Tamils.” (Freedom House, Jänner 2019)

Rachel Seoighe, eine Lehrbeauftragte für Menschenrechte und Strafrecht an der Middlesex University, schreibt im Mai 2017 in einem Gastbeitrag für den Blog der juristischen Fakultät der Universität Oxford über die Überprüfung und mögliche Aberkennung des Flüchtlingsstatus von Tamilen in Großbritannien. Seoighe verweist auf die Aussage eines sri-lankischen Anwaltes aus dem Jahr 2016, wonach das Umfeld in Sri Lanka „definitiv nicht für eine Rückkehr geeignet“ sei. Die Sicherheitsdienste würden automatisch über die Ankunft eines/r RückkehrerIn am Flughafen in Colombo informiert. Unabhängig davon, ob sie auf einer (Beobachtungs-)Liste stehe oder nicht, werde die Person überwacht, sei anhaltenden Schikanen ausgesetzt und könne jederzeit nach dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act, PTA) inhaftiert werden. Dieses Gesetz könne zu einer Haftstrafe von bis zu 18 Monaten ohne Anklage führen und ermögliche es, dass Geständnisse, die ein Angeklagter unter Folter gemacht habe, vor Gericht Gehör finden würden. Niemand sei bei der Rückkehr sicher, so der Anwalt. Trotz des Reformdiskurses der Koalitionsregierung unter Präsident Sirisena und des verbesserten Engagements für internationale Menschenrechtsmechanismen seien Tamilen nach wie vor mit Gewalt, Diskriminierung und Ungerechtigkeit konfrontiert:

„The environment is ‘definitely not conducive to return,’ a Sri Lanka-based lawyer told me last summer. The security services are automatically notified of a returnee’s arrival at Colombo Airport. Whether on a ‘list’ or not, the person is put under surveillance, subjected to sustained harassment and can be taken into detention at any time under the Prevention of Terrorism Act (which allows for detention for up to 18 months without charge and allows evidence extracted from a tortured defendant to be heard in court). ‘Nobody is secure on return,’ another lawyer told me. In this context, the Home Office cannot claim that a ‘significant change’ has taken place in Sri Lanka that negates the need for international protection. […]

Despite the new Sirisena coalition government’s discourse of reform and improved engagement with international human rights mechanisms, Tamils still face violence, discrimination and injustice: genocidal persecution, which the Rajapaksa government made explicit in the mass killings of 2009, persists in different form today.” (Seoighe, 11. Mai 2017)

Im Februar 2017 erschien in der Forced Migration Review (FMR), einer Publikation des Refugee Studies Centre des Oxford Department of International Development der Universität Oxford zu den Themen Flucht, Binnenvertreibung und Staatenlosigkeit, ein Artikel zu den Risiken, mit denen abgeschobene AsylwerberInnen konfrontiert seien. Trotz der 2012 von Organisationen wie Human Rights Watch, Action chrétienne pour l'abolition de la torture (ACAT) und Freedom from Torture veröffentlichten Berichte über Erpressung, willkürliche Inhaftierung und Folter habe Frankreich in den letzten sieben Jahren 750 Menschen nach Sri Lanka zurückgeschickt. Berichten zufolge seien diese Personen in vielen Fällen verhaftet worden, entweder am Flughafen oder einige Tage nach ihrer Rückkehr zu Hause. Sie hätten zwischen einer Woche und sechs Monaten im Gefängnis bleiben müssen. ACAT habe dargelegt, wie abgeschobene sri-lankische Tamilen nach ihrer Rückkehr gefoltert worden seien, um sich zu angeblichen Verbindungen zu den Liberation Tigers von Tamil Eelam (LTTE) zu bekennen. Die Organisation Tamils Against Genocide habe bestätigt, dass allein die Tatsache, dass die RückkehrerInnen Zeit in einem westlichen Land verbracht hätten, an sich bereits ein Risiko für die lokalen Behörden darstelle:

„In spite of reports published in 2012 by organisations such as Human Rights Watch, Action chrétienne pour l’abolition de la torture (ACAT) and Freedom from Torture which include accounts of extortion, arbitrary imprisonment and torture, France has sent 750 people back to Sri Lanka in the last seven years. The reports show that these people are often arrested, either at the airport or at home a few days after their return, and remain in prison for between a week and six months. ACAT has shown how deported Sri Lankan Tamils were tortured on their return with the aim of forcing them to confess to alleged links with the Liberation Tigers of Tamil Eelam; and the organisation Tamils Against Genocide confirms that the very fact of having spent time in a Western country in itself constitutes a risk in respect of the local authorities.” (FMR, Februar 2017, S. 77)

Das US-Außenministerium (United States Department of State, USDOS) schreibt in seinem Menschenrechtsbericht vom April 2018 (Berichtszeitraum: 2017), dass der 2009 beendete Bürgerkrieg zu einer weitreichenden und anhaltenden Vertreibung, die auch Zwangsvertreibung durch die sri-lankische Regierung und die LTTE umfasst und die insbesondere Tamilen betroffen habe, geführt habe. Nach Angaben des zuständigen Ministeriums habe die Anzahl der Binnenvertriebenen Ende Juni 2017 weiterhin 40.808 Sri-Lanker betragen. Binnenvertriebenen würden über volle Bewegungsfreiheit verfügen. Die meisten könnten jedoch aufgrund von Landminen, wegen Beschränkungen aufgrund der Ausweisung ihrer Heimatgebiete als Teil der Hochsicherheitszonen, aufgrund von fehlenden Arbeitsmöglichkeiten, fehlenden Möglichkeiten hinsichtlich des Zugangs zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich des Erwerbs von Dokumenten, die den Nachweis von Landbesitz bestätigen würden, fehlenden staatlichen Lösungen bei konkurrierenden Landbesitzansprüchen und aufgrund weiterer kriegsbedingter Gründe nicht nach Hause zurückkehren. Die Regierung habe den Binnenvertriebenen in den Soziallagern keinen Schutz und keine Unterstützung zur Verfügung gestellt:

„The country’s civil war that ended in 2009 caused widespread, prolonged displacement, including forced displacement by the government and the LTTE, particularly of Tamils. According to the government’s Ministry of Resettlement, Rehabilitation, Hindu Religious Affairs, and Prison Reforms, 40,808 citizens remained IDPs as of June 30. The large majority resided in Jaffna, Kilinochchi, Mannar, and Batticaloa districts in the north and east. While all IDPs had full freedom of movement, most were unable to return home due to land mines; restrictions designating their home areas as part of HSZs [high security zones]; lack of work opportunities; inability to access basic public services, including acquiring documents verifying land ownership; and lack of government resolution of competing land ownership claims and other war-related reasons. The government did not provide protection and assistance to IDPs in welfare camps.” (USDOS, 20. April 2018, Section 2d)

Die internationale Nachrichtenagentur Reuters schreibt im Oktober 2018, dass den Angaben einer Menschenrechtsgruppe zufolge aus Indien zurückkehrende sri-lankische Flüchtlinge Land und andere Unterstützung erhalten würden. Das Eigentum von vielen, die geflohen oder aus ihren Häusern vertrieben worden seien, sei beschlagnahmt worden. Tausende von Hektar Land, die während des Krieges übernommen worden seien, befänden sich immer noch im Besitz von Regierungskräften, so ein im Oktober 2018 veröffentlichter Bericht von Human Rights Watch. Der sri-lankische Präsident Maithripala Sirisena habe erklärt, dass alle vom Staat besetzten zivilen Gebiete in den nördlichen und östlichen Provinzen bis zum 31. Dezember 2018 freigegeben würden:

„Thousands of Sri Lankan refugees living in India are ready to return to their homeland decades after fleeing civil war, according to a rights group that said returnees will receive a plot of land and other assistance. […]

Many of those who fled or were forced from their homes had their properties seized, according to rights groups. Thousands of acres of land taken over during the war are still held by government forces, according to a report by Human Rights Watch released earlier this month. Sri Lankan President Maithripala Sirisena has said that all civilian lands held by the state in the northern and eastern provinces would be released by Dec. 31.“ (Reuters, 26. Oktober 2018)

Der in Doha ansässige arabische Nachrichtensender Al Jazeera berichtet im Mai 2018, dass sich mehr als 350 Mitglieder der tamilischen Minderheit Sri Lankas im April 2018 gegen militärische Einschränkungen gewehrt und nach 26 Jahren der Zwangsvertreibung ihre Häuser auf der von der Marine besetzten Insel Iranaitheevu erfolgreich zurückerobert hätten. Dies sei das erste Mal seit dem Ende des Bürgerkriegs, dass Zivilisten ohne Regierungsgenehmigung besetztes Land erfolgreich zurückgewonnen hätten. Obwohl der Krieg nun seit fast einem Jahrzehnt zu Ende sei, besetze das sri-lankische Militär weiterhin große Landstriche und verhindere, dass Tausende von Familien nach Hause zurückkehren. Während die derzeitige sri-lankische Regierung seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2015 etwas Land freigegeben habe, würden die jüngsten Regierungszahlen zeigen, dass 40.000 Menschen, meist Tamilen, weiterhin Binnenvertriebene seien. Eine 2016 veröffentlicht Studie des Centre for Policy Alternatives (CPA) deute jedoch darauf hin, dass diese Zahl noch höher sein könnte:

„Last month, in an extraordinary act of courage, more than 350 members of Sri Lankan Tamil minority defied military restrictions and successfully reclaimed their homes on the Navy-occupied island of Iranaitheevu after 26 years of forced displacement. It is the first time since the South Asian country's civil war ended on May 18, 2009, that civilians have successfully reclaimed occupied land without government permission. […]

Although the war has now been over for nearly a decade, the Sri Lankan military continues to occupy large swaths of land, preventing thousands of families from returning home. While the current Sri Lankan administration has released some land since coming to power in 2015, the most recent government figures indicate that 40,000 people, mostly Tamils, remain internally displaced. A 2016 study by the Centre for Policy Alternatives (CPA), however, suggests that the figure may be even higher.“ (Al Jazeera, 18. Mai 2018)

Die Observer Research Foundation (ORF), ein unabhängiger Think Tank mit Sitz in Indien, veröffentlicht im August 2018 einen Bericht über die Gründe, weshalb sri-lankische Flüchtlinge zögern würden wieder nach Sri Lanka zurückzukehren. Den potenziellen RückkehrerInnen würden dem Bericht zufolge unter anderem die langsamen Fortschritte bei der Identifizierung und Rückgabe ihres Landes, das in den Kriegsjahren von den Streitkräften übernommen worden sei, Sorgen bereiten. Man sei außerdem über die anhaltende Präsenz von Armeelagern in tamilischen Gebieten, von denen die Regierung vor längerer Zeit angekündigt habe, dass sie so wie im Rest des Landes in Betrieb bleiben würden, beunruhigt:

„Prospective returnees are also worried over the slow progress in the identification and return of their land, and those people who stayed back, taken over by the armed forces during the war years. There is also greater ‘political concern’ about the continued presence of army camps in Tamil neighbourhoods, which the government had long ago said would remain like in the rest of the country.“ (ORF, 29. August 2018)

Lage von (vermeintlichen) UnterstützerInnen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)

Al Jazeera veröffentlichte im März 2018 ein Video, in dem über aktuelle Fälle von Folter durch die sri-lankischen Sicherheitskräfte berichtet wird. Im Bericht wird eine britische Selbsthilfegruppe erwähnt, die geflüchteten Tamilen Unterstützung anbiete. Von den 76 Tamilen, die an der Selbsthilfegruppe teilnehmen würden, hätten alle angegeben, dass sie innerhalb der letzten drei Jahre, also seit die neue Regierung Sri Lankas an der Macht und der Bürgerkrieg schon längere Zeit zu Ende sei, in Sri Lanka Opfer von Folter geworden seien. Frances Harrison, eine Menschenrechtsaktivistin, erklärt im Video, dass das Vorgehen der Sicherheitskräfte in den letzten drei Jahren dasselbe sei wie noch unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Rajapaksa. Sie wolle damit nicht sagen, dass der Premierminister oder der Präsident Entführungen, Verhöre und Folter anordnen würden, aber dass dies sehr systematisch innerhalb der Sicherheitskräfte, der Polizei und der Armee ablaufe. Im von Al Jazeera veröffentlichten Video kommen zwei Folteropfer zu Wort. Beide hätten angegeben, dass sie verdächtigt worden seien, Verbindungen zur LTTE zu haben, und dass sie von der Kriminalpolizei gefoltert worden seien:

This support group has helped 76 Tamils with English lessons and art therapy, who all say they have been tortured in the past three years, since Sri Lanka’s new government came into power long after the end of the civil law.

Frances Harrison, human rights activist: ‘You see a separate team abducting, a separate team interrogating and torturing and another team releasing. You see a very systematic pattern of violations across the country. And it is the same in the last three years as it was in the previous years under the Rajapaksa-regime. So I am not saying that the prime minister or the president is ordering this, but clearly this is very systematic within the security forces, the police and the army still.’ […]

A different man, whom we met through different contacts, but the story is depressingly similar: ‘They used some kind of hot heated mental rods and just one of my legs is upside down and they just pulled my leg with a pulley. I totally believed I will die.” He too was accused of supporting the LTTE. He too says he was tortured by the police criminal investigation department.” (Al Jazeera, 1. März 2018, Transkript)

Das australische Ministerium für auswärtige Angelegenheit und Handel (Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT) veröffentlicht im Mai 2018 einen Länderbericht zu Sri Lanka. Darin heißt es, dass die sri-lankischen Behörden im ganzen Land einem möglichen Wiederauftreten der LTTE weiterhin sensibel gegenüberstehen würden. Laut Expertenaussagen, die bei einer Anhörung des Obersten Gerichtshofs für Einwanderung und Asyl in Großbritannien vorgelegt worden seien, würden sri-lankische Behörden komplexe Informationen über ehemalige LTTE-Mitglieder und LTTE-Unterstützer sammeln und elektronischen Datenbanken, eine „stop“- und eine „watch“-Liste, führen. Die „Anhalte-Listen“ würden die Namen der Personen beinhalten, für die es einen bestehenden Gerichtsbeschluss, Haftbefehl oder eine Anordnung zur Beschlagnahmung ihres sri-lankischen Passes gebe.. Auf den „Beobachtungslisten“ seien die Namen der Personen angeführt, die nach Ansicht der sri-lankischen Sicherheitsdienste unter anderem aufgrund mutmaßlicher separatistischer oder krimineller Aktivitäten von Interesse seien. Das britische Innenministerium habe berichtet, dass die Beobachtungsliste Kleinkriminelle und ehemalige LTTE-Kader umfasse. DFAT gehe davon aus, dass diejenigen, die auf einer Beobachtungsliste stehen würden, vermutlich überwacht würden. Ehemalige LTTE-Mitglieder seien bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, einschließlich der Politik, nicht mit rechtlichen Barrieren konfrontiert. Bei den Parlamentswahlen im August 2015 habe die Tamil National Alliance (TNA) den Ex-LTTE-Mitgliedern untersagt, auf der Liste der TNA zu kandidieren. Ex-Kombattanten hätten allerdings die Fraktion Crusaders for Democracy („Kreuzritter für Demokratie“) gegründet und bei der Wahl kandidiert. Sie hätten zwar keine Mandate gewonnen, aber ihre Teilnahme zeige die Offenheit des Wahlverfahrens:

„3.37 Sri Lankan authorities remain sensitive to the potential re-emergence of the LTTE throughout the country. According to expert testimony provided to a hearing of the UK’s Upper Tribunal on Immigration and Asylum, Sri Lankan authorities collect and maintain sophisticated intelligence on former LTTE members and supporters, including ‘stop’ and ‘watch’ electronic databases. ‘Stop’ lists include names of those individuals who have an extant court order, arrest warrant or order to impound their Sri Lankan passport. ‘Watch’ lists include names of those individuals whom the Sri Lankan security services consider to be of interest, including for suspected separatist or criminal activities. The UK Home Office reported that the ‘watch list’ comprised minor offenders and former LTTE cadres. DFAT assesses those on a watch list are likely to be monitored.

3.38 Former LTTE members face no legal barriers to participating in public life, including politics. In the August 2015 parliamentary elections, the TNA did not allow ex-LTTE members to run on their ticket, but ex-combatants established the Crusaders for Democracy group and ran for election. While they did not win any seats, their participation demonstrated the openness of the electoral process.” (DFAT, 23. Mai 2018, S. 18-19)

Das US-Außenministerium (United States Department of State, USDOS) verweist in seinem Menschenrechtsbericht vom April 2018 (Berichtszeitraum: 2017) auf Berichte des International Truth and Justice Project (ITJP) und von Associated Press (AP) und erwähnt Vorwürfe der Entführungen und Folter durch den Sicherheitsapparat im Laufe des Jahres 2017. Den Berichten zufolge habe es sich bei den meisten Opfern um tamilische Männer gehandelt, die von den Sicherheitskräften beschuldigt worden seien, Verbindungen zur LTTE zu haben. Die Männer seien von den Sicherheitskräften entführt, gefoltert und sexuell missbraucht worden. Dutzende tamilische Gefangene im ganzen Land, darunter ehemalige LTTE-Kämpfer, hätten im Oktober 2017 drei Hungerstreiks durchgeführt. Da die Mehrheit dieser Gefangenen ohne Anklage unter dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus festgehalten worden sei, hätten sie die Regierung aufgefordert, sie entweder anzuklagen oder einen Weg für ihre letztendliche Freilassung zu finden. Im ganzen Land, aber vor allem im Norden und Osten, hätten Tamilen berichtet, dass Sicherheitskräfte Mitglieder ihrer Gemeinschaft, insbesondere Aktivisten und ehemalige oder vermeintliche ehemalige LTTE-Mitglieder, regelmäßig überwachen und schikanieren würden:

The International Truth and Justice Project and the Associated Press reported allegations of abductions and torture carried out by the security sector during the year. They reported most victims were Tamil men accused by security forces of having links to the LTTE and that security forces tortured and sexually abused them after the initial abduction.“ (USDOS, 20. April 2018, Section 1c)

Dozens of Tamil prisoners across the country, including former LTTE fighters, undertook three hunger strikes in October. They demanded an immediate resolution to their protracted detention. As a majority of these prisoners were held under the PTA [Prevention of Terrorism Act] without charge, they asked the government either to indict them or to provide a pathway for their eventual release.” (USDOS, 20. April 2018, Section 1d)

„Throughout the country, but especially in the north and east, Tamils reported security forces regularly monitored and harassed members of their community, especially activists and former or suspected former LTTE members.” (USDOS, 20. April 2018, Section 6)

Detaillierte Informationen zu konkreten Fällen von Folter gegen Tamilen, denen Verbindungen zur LTTE vorgeworfen werden, durch sri-lankische Sicherheitskräfte finden sich in den vom USDOS erwähnten Berichten des International Truth and Justice Projects und der Nachrichtenagentur Associated Press, die 2017 veröffentlicht wurden:


Weiters veröffentlichte die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im Jänner 2018 einen Bericht, der 17 Fälle von Verstößen im Rahmen der Anwendung des Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus dokumentiert, die unter anderem Folter und sexuellen Missbrauch umfassten und sich teils gegen Menschen, denen Verbindungen zur LTTE unterstellt wurden, richteten:

 

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) veröffentlichte im Juli 2017 die vorläufigen Ergebnisse des Besuchs (10. bis 14. Juli 2017) des UN-Sonderberichterstatters für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Terrorismusbekämpfung in Sri Lanka. Darin heißt es, dass einige Personen, die mutmaßlich mit der LTTE in Verbindungen gestanden seien, im Zuge eines ersten Amnestieprogramms in ein umfangreiches Rehabilitationsprogramm eingegliedert worden seien. Viele andere seien vom zutiefst mangelhaften Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act, PTA) betroffen gewesen. Dieses Gesetz, das 1979 als Notmaßnahme vorübergehend erlassen und 1982 auf Dauer verankert worden sei, stehe noch heute im Gesetzbuch. Durch Sonderbestimmungen, die die Verwendung von nicht überprüften Geständnissen an Polizeibeamte als alleinige Grundlage für Verurteilungen zulassen, habe das Gesetz die endemische und systematische Anwendung von Folter gefördert. Ganze Gemeinschaften seien stigmatisiert und mittels Schikanen, willkürlicher Verhaftung und Inhaftierung ins Visier genommen worden. Jede Person, die einer Assoziation mit der LTTE verdächtigt werde, sei weiterhin der unmittelbaren Gefahr von Verhaftung und Folter ausgesetzt. Die „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber der Anwendung von Folter, die kürzlich von der Regierung verabschiedet worden sei, und die Ernennung eines Ausschusses zur Beseitigung von Folter durch die Polizei im Juli 2016 deute der Sonderberichterstatter als positiv. In Sri Lanka seien solche Praktiken jedoch im Sicherheitsbereich sehr tief verankert und alle Beweise würden darauf hindeuten, dass die Anwendung von Folter gegen diejenigen, die aus Gründen der nationalen Sicherheit verhaftet und festgehalten würden, nach wie vor endemisch und routinemäßig sei. Die Behörden würden diese Gesetzgebung unverhältnismäßig gegen Mitglieder der tamilischen Gemeinschaft anwenden. Trotz der schockierenden Prävalenz der Folterpraxis in Sri Lanka stelle der Sonderberichterstatter fest, dass es an wirksamen Ermittlungen derartiger Vorwürfe mangle. Seit Beginn der verfügbaren Aufzeichnungen sei nur gegen 71 der Folter verdächtigte Polizeibeamte vorgegangen worden. Der Sonderberichterstatter habe festgestellt, dass die Menschenrechtskommission nun routinemäßig informiert werde, wenn eine Person im Rahmen des Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus festgehalten werde, und ungehinderten Zugang zu allen Haftanstalten habe. In einem System, in dem Geständnisse die Grundlage für Verurteilungen darstellen würden, hätten sich diese und andere Vorkehrungen zum Schutz von Verdächtigen jedoch als völlig unzureichend erwiesen:

„Whilst an initial programme of amnesties was put in place, with individuals allegedly involved with LTTE being diverted to a substantial rehabilitation scheme, many have been put through the operation of the deeply flawed Prevention of Terrorism Act or PTA as it is known. This legislation was temporarily enacted as an emergency measure in 1979. It was then made permanent in 1982, and remains on the statute book today. Through exceptional provisions that admit the use of uncorroborated confessions made to police officers as the sole basis for convictions, it has fostered the endemic and systematic use of torture. Entire communities have been stigmatised and targeted for harassment and arbitrary arrest and detention, and any person suspected of association, however indirect, with the LTTE remains at immediate risk of detention and torture.

The Special Rapporteur is encouraged by the Government’s recent adoption of a ‘zero tolerance policy’ towards to the use of torture; and by the appointment in July 2016 of a Committee to Eradicate Torture by the Police. In Sri Lanka, however, such practices are very deeply ingrained in the security sector and all of the evidence points to the conclusion that the use of torture has been, and remains today, endemic and routine, for those arrested and detained on national security grounds. Since the authorities use this legislation disproportionately against members of the Tamil community, it is this community that has borne the brunt of the State’s well-oiled torture apparatus. […]

Despite the shocking prevalence of the practice of torture in Sri Lanka, the Special Rapporteur notes the lack of effective investigations into such allegations. In response to a request for the most recent official statistics, he was informed that only 71 police officers had been proceeded against for torturing suspects since available records began. He notes that the Human Rights Commission is now routinely informed when an individual is detained under the PTA and has unfettered access to all places of detention. However, in a system that is premised on obtaining convictions by confessions, this, and other safeguards, have proved entirely insufficient to protect suspects against this most cowardly of international crimes.” (OHCHR, 14. Juli 2017)

Rachel Seoighe führt im bereits erwähnten Gastbeitrag vom Mai 2017 unter anderem an, dass der Prozess der „Rehabilitierung“, der eingerichtet worden sei, um die überlebenden LTTE-Kader und alle Personen, die lose mit ihnen in Verbindung gebracht worden seien, festzuhalten und politisch zu befrieden, nun als alternative strafrechtliche Maßnahme fungiere, bei der Tamilen ohne Prozess oder Verurteilung festgehalten werden könnten. Anwälte in Sri Lanka würden dies als einen Prozess der Kriminalisierung und Inhaftierung außerhalb des Strafrechtssystems beschreiben, der das tamilische Volk jederzeit der Gefahr einer Inhaftierung aussetze:

„The process of ‘rehabilitation’ established to detain and politically pacify the surviving LTTE cadres (and any persons even loosely associated with them) now operates as an alternative criminal justice disposal, where Tamils can be detained without trial or conviction. Lawyers in Sri Lanka describe this as a process of criminalisation and detention outside of the criminal justice system, which keeps the Tamil people under threat, afraid and vulnerable to detention at any time.” (Seoighe, 11. Mai 2017)

Weitere Informationen zur Lage von Tamilen, die eine tatsächliche oder wahrgenommene Verbindung zur ehemaligen LTTE haben, finden sich in folgenden Dokumenten, die im Jahr 2017 vom britischen Außenministerium (UK Home Office) veröffentlicht wurden und teilweise auf einer Fact-Finding-Mission vom Juli 2016 basieren:


Behandlung von TamilInnen, denen Verrat vorgeworfen wird

GroundViews, eine sri-lankische Bürgerjournalismus-Webseite, veröffentlicht im August 2015 einen Artikel über die Verwendung der Bezeichnung Verräter („traitor“) innerhalb der tamilischen Gemeinschaft. Verrat sei ein allgegenwärtiges Thema, das sich durch die Geschichte der tamilischen Politik und den Kampf der Gemeinschaft um ihre Rechte ziehe. Diejenigen, die sich dabei an die internationale Gemeinschaft wenden würden, um Gerechtigkeit zu fordern, würden die Demokratie und die Achtung von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gemeinschaft völlig ignorieren. Tamilische Politiker würden noch heute so weit gehen zu sagen, dass diejenigen, die nicht für die Tamil National Alliance (TNA) und stattdessen für andere Parteien stimmen würden, das tamilische Volk verraten würden. Die tamilische Gemeinschaft zeige wenig Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Indem man Menschen als Verräter bezeichne, würde man ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Tamilen in Frage stellen und ein Umfeld schaffen, in dem Gewalt gegen als Verräter bezeichnete Personen gerechtfertigt und das Leben dieser Personen abgewertet werde:

„Betrayal is a common theme running through the history of Tamil politics and the community’s rights struggle, with those who appeal to the international community for justice showing complete disregard for internal democracy and respect for dissent within and by the community. From G.G. Ponnambalam’s comment in 1948 that those who dissented with the All Ceylon Tamil Congress’s decision to join the Senanayake government would ‘have their hands cut off’ if they raised them against the party’s decision, to the present when Tamil politicians go to the extent of saying those who do not vote for the Tamil National Alliance (TNA) and instead vote for other parties are betraying the Tamil people, the Tamil community has shown little tolerance of dissent. […]

Labelling people traitors leads to questioning their Tamilness; i.e. are they real Tamils? By labelling someone a traitor, an environment is created within which violence against the said traitorous person is justified and the person’s life is devalued due to his alleged betrayal.” (GroundViews, 3. August 2015)

Daily FT, eine sri-lankische Wirtschaftszeitung, schreibt im Februar 2017, dass tamilische Hardliner neue „Verräter“ gefunden hätten, die sie verurteilen könnten. Seit einigen Jahren habe die Kampagne, den Abgeordneten der Tamil National Alliance (TNA) Mathiaparanan Abraham Sumanthiran als „Verräter“ der tamilischen Sache zu bezeichnen, in der Nordprovinz und Teilen der pro-LTTE-Diaspora an Fahrt aufgenommen. Seit er 2010 über die TNA-Liste in das Parlament gewählt worden sei, sei Sumanthiran einer der bekanntesten tamilischen Vertreter Sri Lankas geworden, der von den nationalistischen Elementen im Norden und in der tamilischen Diaspora zunehmend als Schoßhund der Diplomaten und der neuen Regierung, der die TNA ins Amt verholfen habe, angesehen werde:

„Tamil hardliners have found new traitors to condemn. For some years now, the campaign to denounce TNA [Tamil National Alliance] MP [Member of Parliament] M.A. Sumanthiran as a ‘traitor’ to the Tamil cause has been gathering steam in the Northern Province and sections of the pro-LTTE Diaspora. Since he entered Parliament through the TNA national list in 2010, Sumanthiran has become one of Sri Lanka’s most recognisable Tamil representatives, increasingly viewed by nationalist elements in the North and the Tamil Diaspora as being the ‘pet’ of diplomats and the new Government the TNA helped to bring to power.” (DailyFT, 2. Februar 2017)

Die sri-lankische Tageszeitung Daily Mirror berichtet im Jänner 2017, dass die geplante Ermordung des Parlamentsabgeordneten der Tamil National Alliance (TNA), Sumanthiran, auf der Halbinsel Jaffna von der Polizeidirektion für Terrorismusuntersuchungen (Police Terrorism Investigation Department, TID) vereitelt worden sei. Im Zusammenhang mit dem geplanten Anschlag seien vier ehemalige LTTE-Kader verhaftet, einem Bezirksrichter vorgeführt und inhaftiert worden. Es bestehe der Verdacht, dass der Attentatsplan von der im Ausland aufhältigen LTTE-Fraktion unter der Leitung der in Norwegen ansässigen Perinbanayagam Sivaparan alias Nediyavan unterstützt worden sei:

„A plot to assassinate Tamil National Alliance (TNA) parliamentarian M.A. Sumanthiran by exploding a claymore mine while he was travelling along the Soranpatru-Thaalayadi Road in the Jaffna peninsula was uncovered by the Police Terrorism Investigation Department (TID).

The four former LTTE cadres arrested in this connection and produced before the Kilinochchi District Judge A.A. Anandarajan on January 20 were remanded at the Anuradhapura prisons. It is suspected that the assassination plot was backed by the overseas LTTE faction headed by the Norway-based Perinbanayagam Sivaparan alias Nediyavan.” (Daily Mirror, 28. Jänner 2017)

Die sri-lankische Wochenzeitung Sunday Observer berichtet im Oktober 2018 über den tamilischen Regisseur Jude Ratnam und dessen Film, der sich kritisch mit den Tamil Tigers auseinandersetzt. Ratnam habe angegeben, dass er sich, als er sich dazu entschieden habe, den Film zu drehen, bereits darauf vorbereitet habe, innerhalb der tamilischen Gemeinschaft als Verräter bezeichnet zu werden. Ratnam habe sich den Zorn tamilischer Nationalisten eingefangen, als er in einem BBC-Interview behauptet hätte, er habe gewollt, dass seine Seite den Krieg verliere. Er habe gewollt, dass es aufhöre, auch wenn sein eigenes Volk dabei getötet werde, so der tamilische Filmemacher gegenüber der BBC. Seine Kritiker hätten diese Bemerkungen zerrissen und angeführt, dass derartige Aussagen die Ermordung Tausender in der Endphase des Konflikts zwischen Regierungstruppen und der LTTE legitimieren würden. Für Ratnam sei die Reaktion auf die geplante Vorführung des Films in Jaffna in gewisser Weise eine Bestätigung der Kritik, die durch den Film geäußert werde:

„When Ratnam decided to make the film, he said he had also steeled himself to face being labelled as traitor within the Tamil community. The second half of his documentary deals extensively with militancy within the Tamil community that manifested in the birth of several armed groups that eventually turned on and devoured each other. The lived experience of Ratnam’s characters in the film is a powerful critique of the lingering fractures and divides within a community that was devastated; both by the wars within and the battle against Sri Lankan armed forces.

Ratnam earned the ire of Tamil nationalists when he famously claimed in a BBC interview that he wanted ‘my side to lose the war.’ ‘When the war was coming to an end, I wanted the [Tamil] Tigers to lose the fight. I wanted it to end, even if my own people had to be killed,’ the Tamil filmmaker told the BBC. His critics tore down the remarks, saying they amounted to justifying thousands killed in the final phase of the conflict between Government troops and the LTTE.

But the filmmaker stands by his remarks, saying the independence struggle fell apart when Tamils started killing each other. ‘When violence turned on the Tamils themselves, the struggle reached a cancerous point,’ Ratnam said, ‘and I have the right to make that statement within the work of art.’ To Ratnam, in a way the reaction to the prospect of Demons in Paradise being screened in Jaffna is a validation of the critiques within the film itself. ‘This is the way the Tamil community reacts – this is the political culture within the community that is now getting exposed.’” (Sunday Observer, 7. Oktober 2018)

 

 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 6. März 2019)