Anfragebeantwortung zu Venezuela: Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten; Arbeitsmarkt; weitere frauenrelevante Themen [a-10864-3 (10866)]

12. Februar 2019

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Versorgung mit Lebensmitteln, Gesundheitssystem

Die österreichische Tageszeitung der Standard erwähnt in einem Artikel vom Februar 2019:

„In Venezuela herrscht als Folge der politischen und wirtschaftlichen Krise ein extremer Mangel an Nahrungsmitteln und Medikamenten.“ (Der Standard. 6. Februar 2019)

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), eine schweizerische Tageszeitung, erwähnt in einem Artikel vom Jänner 2019 Folgendes:

„Venezuela hat die grössten Erdölreserven der Welt und ist das potenziell reichste Land Südamerikas. Heute hat es nur noch Überfluss an rivalisierenden Präsidenten und Parlamenten (je zwei), an Generälen, politischen Gefangenen und unfreiwilligen Emigranten. Die Inflation nähert sich der Millionenmarke, Hunger herrscht, die medizinische Versorgung bricht zusammen.“ (NZZ, 28. Jänner 2019)

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) schreibt im Jänner 2019 auf seiner Website:

„Das öffentliche Gesundheitssystem in Venezuela ist nicht mehr in der Lage, Kranke adäquat zu versorgen oder notwendige Operationen durchzuführen. Etwas besser ausgestattet ist derzeit noch der private Sektor, wo allerdings auch schon massive Mangelerscheinungen beobachtet werden. Viele Medikamente und Medizinprodukte sind auch dort nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt erhältlich. Reisenden wird daher nach Rücksprache mit ihrem Hausarzt dringend die Mitnahme einer Reiseapotheke empfohlen. Eine adäquate medizinische Notfallversorgung ist in vielen Landesteilen nicht gewährleistet. Dies betrifft in zunehmendem Maße auch die Städte (inkl. Caracas!). Krankenhäuser und Kliniken sind ferner von Wasserrationierung und Stromausfällen betroffen.“ (AA, 31. Jänner 2019)

Die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die sich für politische Bildung, Dialog und Beratung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt, schreibt in einem Bericht vom Dezember 2018 Folgendes:

„Ernährungsunsicherheit

Die Bevölkerung verbringt einen Hauptanteil ihrer Zeit mit der Beschaffung von Lebensmitteln und Medikamenten. Selbst gut ausgebildete Venezolaner mit akademischen Abschlüssen können mit ihrem Gehalt den Warenkorb für eine normale Familie nicht mehr bestreiten und sind oftmals auf zusätzliche Einkünfte aus dem Ausland angewiesen. Diese Zuwendungszahlungen aus dem Ausland (span. remesas) werden immer wichtiger, auch in den Armenvierteln des Landes. Mittlerweile sollen rund 25 Prozent der Bevölkerung auf die remesas zurückgreifen können und müssen. Daran konnte auch die Währungsumstellung vom 20.08.2018 nichts ändern, im Gegenteil. Die Regierung strich einfach die letzten fünf Nullen der vorherigen Währung Bolívar Fuerte und bestimmte bei einem Großteil von Grundnahrungsmitteln subventionierte Festpreise und erhöhte drastisch den Mindestlohn in der neuen Währung Bolívar Soberano. Die direkte Konsequenz war eine Preisexplosion und eine faktische Dollarisierung der Wirtschaft. Regulierte Produkte wie Fleisch, Eier, Butter, Milch sind kaum oder nur noch zu extrem hohen Preisen und auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Es kam und kommt zu regelmäßigen Plünderungen. Des Weiteren kommt es gerade im Vorfeld vom Weihnachtsfest zu einer Vielzahl von oft spontanen, über das ganze Land verteilten, Protestkundgebungen, die aus der Zivilgesellschaft heraus organisiert werden. So gehen z. B. Rentner für ihre nichtgezahlten Pensionen auf die Straße und rufen Bürgerkomitees zum Protest gegen die katastrophalen Verhältnisse bei der Wasser- und Stromversorgung sowie beim öffentlichen Nahverkehr auf.

Die Lebensmittelproduktion kommt immer mehr zum Erliegen und das sozialistische Regime benötigt steigende Lebensmittelimporte aus dem Ausland. Viele kleine Betriebe und Unternehmen mussten im Zuge der Währungsumstellung endgültig schließen. Ein weiterer harter Schlag für den kleinen verbleibenden Privatsektor im Land. Für Januar wird prognostiziert, dass die Knappheit an Grundnahrungsmitteln zunimmt.

In der ENCOVI-Umfrage von 2017 gaben 90 Prozent der befragten Haushalte an, dass ihr Einkommen nicht für die Lebensmittelgrundversorgung ausreicht. Eine weitere erschreckende Zahl zeigt, dass 80 Prozent angaben, ihre Mahlzeiten zu verkleinern, da es an Lebensmitteln mangelt oder diese unerschwinglich sind. Die Studie geht davon aus, dass 80 Prozent der befragten Haushalte im Jahr 2017 nicht als ernährungssicher eingestuft werden konnten. Alle beteiligten Experten sind sich sicher, dass die Zahlen für das Jahr 2018 und 2019 erheblich negativer ausfallen werden.

Zusammenbruch des Gesundheitssystems

Der traditionell gut ausgebildete Gesundheitssektor wurde besonders stark von der Migrationsbewegung getroffen. So haben 55 Prozent des registrierten medizinischen Personals, 24 Prozent der Krankenschwestern sowie 30 Prozent des technischen Laborpersonals ihren Job in Venezuela aufgegeben und migrierten vornehmlich in südamerikanische Nachbarländer. Gerade in Chile und Argentinien wird gut ausgebildetes medizinisches Personal für die entlegeneren Landesteile gesucht und benötigt. Neben der extrem prekären Versorgungslage mit Grundnahrungsmitteln sowie der sich rapide verschlechterten hygienischen Situation aufgrund von immer größeren Ausfällen innerhalb der Wasser-, Strom- und Abfallentsorgung, ist wohl der weit beunruhigendere Aspekt der humanitären Krise das komplett in sich zusammenfallende Gesundheitssystem. So brechen eigentlich gut unter Kontrolle gehaltene Krankheiten erneut aus und stellen aufgrund der starken Migration auch eine direkte Gefahr für die Region dar.

Die Krankenhäuser befinden sich in schlechten, desolaten Zuständen und können selbst eine medizinische Grundversorgung nicht leisten, da es an allem Notwendigen, vorrangig an Medikamenten und Verbandsmaterial mangelt. Die Krankenhausumfrage, die in Kooperation mit der legitimen, demokratischen Nationalversammlung auf den Weg gebracht wurde, zeigte im März 2018, dass von 134 befragten Krankenhäusern in 22 der 24 Bundesstaaten ein Großteil nicht vollfunktionsfähig war. 79 Prozent der Einrichtungen berichteten über Ausfälle bei der Wasserversorgung, 94 Prozent verfügten über keine oder nur teilweise funktionierende Röntgen-Apparate und 88 Prozent klagten über starke Engpässe bei der Medikamenten-versorgung (Encuesta Nacional de Hospitales 03/2018).

Die schlechten hygienischen Bedingungen, gepaart mit der Knappheit von Standardmedikamenten, haben teilweise dramatische Entwicklungen herbeigeführt. So stieg im Jahr 2016 die Kindssterblichkeit um 30 Prozent und die Müttersterblichkeit sogar um 65 Prozent im gleichen Zeitraum.

Diese Negativ-Liste lässt sich für eine Vielzahl von Krankheiten fortführen. So ist seit 2016 auch wieder eine Vielzahl von Fällen von Diphterie zu registrieren. Eine Krankheit, die in Venezuela eigentlich nicht mehr existierte. Man spricht mittlerweile von epidemischen Zuständen. Bis August 2018 wurden 1.217 Fälle bestätigt und über 2000 unter Verdacht registriert.

Ähnliche Dimensionen sind bei Tuberkulose und Malaria festzustellen. Im Vergleich zu 2016 wurde bei Malariafällen 2017 ein Anstieg von 69 Prozent verzeichnet. Schätzungen gingen für 2017 von 406.000 Malariaerkrankten aus. Die Zahlen sind alarmierend, denn aufgrund der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten und der zusammenbrechenden Infrastruktur (Wasserversorgung, stehendes Wasser in der Kanalisation, etc.) wird von einer hohen Neuansteckungsrate von bis zu 700.000 Fällen und sogar von möglichen 1500 Toten ausgegangen. Zwischen 2000-2018 ist ein Anstieg von 1.950 Prozent zu verzeichnen. Laut aktueller Zahlen der Nichtregierungsorganisation Alianza Salud liegt die Zahl der Malariafälle in diesem Jahr geschätzt bei über 610.000, bei bereits 450 Todesfällen.

Bei den Tuberkuloseneuerkrankungen wurden 10.952 Neuinfektionen registriert. Somit lag der Anstieg zwischen 2011 und 2017 laut WHO bei 67 Prozent.

Ebenfalls gehen Experten von einem bedrohlichen Anstieg bei der Ansteckung von unterschiedlichen Geschlechtskrankheiten aus. Die fehlenden Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sowie die immer weniger vorhandenen Verhütungsmöglichkeiten sind alarmierende Indizien für die starke Verbreitung von sexuell Übertragbaren Krankheiten, wie zum Beispiel HIV, Hepatitis C, etc.

So stieg die Neuansteckungsrate bei HIV zwischen 2010-2016 um 24 Prozent, wobei nur im Jahr 2016 6.500 neue Fälle bekannt sind. Aufgrund der fehlenden Ausstattung sind HIV-Test und die notwendige Behandlung kaum möglich.“ (KAS, Dezember 2018, S. 2-3)

Das schweizerische Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erwähnt in seinen im Jänner 2019 aktualisierten Reisehinweisen für Venezuela:

„Die schwere Wirtschaftskrise verursacht Versorgungsschwierigkeiten und -engpässe. Auch Güter des täglichen Bedarfs und Medikamente sind oft über längere Zeiträume nicht verfügbar. […]

Medizinische Versorgung

Selbst in den Grossstädten ist die medizinische Versorgung oftmals nicht gewährleistet. In vielen öffentlichen Krankenhäusern sind die hygienischen Verhältnisse prekär. Engpässe in der Versorgung mit Medikamenten kommen in den öffentlichen und privaten Krankhäusern vor. Ernsthafte Erkrankungen und Verletzungen müssen im Ausland (USA oder Europa) behandelt werden. Krankenhäuser verlangen eine Vorschusszahlung (Bargeld, Kreditkarte) bevor sie Patienten aufnehmen und behandeln.“ (EDA, 24. Jänner 2019)

Zeit Online, das Webangebot der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, veröffentlicht im Februar 2019 einen Artikel mit folgenden Informationen:

„1.370.000 Prozent Inflationsrate errechnete der internationale Währungsfonds vergangenes Jahr für Venezuela

Die Inflationsrate, die der Internationale Währungsfonds 2018 für Venezuela errechnet hat, steht ziemlich allein da im Vergleich zu allen anderen Staaten weltweit. In den meisten Ländern ist sie einstellig, in einigen kriselnden Staaten erreicht sie Werte von 20 bis 30 Prozent wie etwa in Libyen oder Iran oder gar 90 wie im Südsudan. In Venezuela errechnete der IWF für das vergangene Jahr 1,37 Millionen Prozent, im laufenden sollen es zehn Millionen werden.

Aus der Inflationsrate lässt sich kaum errechnen, um wie viel teurer Brot, Milch oder Windeln für die Venezolanerinnen und Venezolaner wirklich geworden sind. Der Wert der Währung Bolívares kann sich stündlich ändern. Für die meisten Menschen zählt auch nicht, was Indizes angeben, sondern, ob sie für die Scheine etwas bekommen und wie viel ein Händler auf der Straße konkret verlangt. Das kann sich von Straßenzug zu Straßenzug unterscheiden.

Die Zahl drückt aber aus, wie schlimm die Lage für die Menschen in dem Land ist. Vielen fällt es schwer, sich eine Mahlzeit zu organisieren, auch die medizinische Versorgung ist mancherorts zusammengebrochen. Mit der eigentlichen Währung des Landes, die man zum Beispiel als Lohn ausgezahlt bekommt, lässt sich kaum noch etwas bezahlen, wenn es nicht subventioniert und damit teuer für den Staat ist. Die Menschen sind auf den Schwarzmarkt angewiesen, manche hungern. Auch für Unternehmen ist die Inflation ein Problem, gerade wenn sie im Ausland einkaufen müssen.“ (Zeit Online, 7. Februar 2019)

Integrated Regional Information Network (IRIN), ein unabhängiger, humanitärer Nachrichtendienst, veröffentliche im Jänner 2019 einen Artikel zur humanitären Krise in Venezuela. Darin wird darüber berichtet, dass mehr als drei Millionen Venezolaner laut Angaben der UNO das Land verlassen hätten, die meisten davon seit 2015. Sie würden vor einem Zusammenbruch der Wirtschaft fliehen, der zu schweren Engpässen bei Nahrungsmitteln und Medikamenten geführt habe. Es gebe eine Handvoll NGOs in Venezuela, die in die Bresche springen würden. Finanzschwache lokale Organisationen würden ihre Arbeitsweise drastisch ändern, um auf eine humanitäre Notlage zu reagieren, die von der Regierung dementiert werde. Die Organisationen würden sich auf dringende Bedürfnisse konzentrieren, da Dinge des täglichen Bedarfs knapp werden würden. Präsident Maduro habe im November 2018 zum ersten Mal zugestimmt, aus dem Nothilfefonds der UNO-Unterstützung anzunehmen. Aber laut Analysten seien die 9,2 Millionen Dollar ein Tropfen auf den heißen Stein in Anbetracht der humanitären Notlage, aufgrund derer Haushalte keine stabile Lebensmittelversorgung und medizinische Versorgung hätten. Die sprunghaft steigende Inflation mache es vielen unmöglich, sich Essen zu leisten, und der Anteil der Unterernährten nehme zu. Ende 2018 hätten täglich 5.500 Personen Venezuela verlassen und viele hätten Hunger als Grund angegeben:

„More than three million Venezuelans have left the country – the majority since 2015, according to the UN. They are fleeing an economic collapse that has triggered severe food and medicine shortages. Patiño’s organisation, Mi Convive, is among a handful of local NGOs in Venezuela that have stepped into the breach.

Across the country, cash-strapped local organisations like Mi Convive are making drastic changes to their operations in response to a humanitarian emergency the government denies. Civil society groups that once concentrated on rights or development in Venezuela, an upper-middle income country, are transforming their operations to focus on more urgent needs as basic necessities become scarce. […]

As his contested second term in office begins, Venezuelan leader Nicolás Maduro faces mounting opposition at home and abroad. In November, the country quietly agreed to receive assistance from the UN’s emergency response fund for the first time. But analysts say the $9.2 million in funding for existing UN programmes is a drop in the bucket compared to a humanitarian emergency that has left households without stable food supplies and medicine. Facing glaringly inadequate government services and a lack of official aid, struggling local NGOs have found themselves trying to fill the gap. […]

Today, skyrocketing inflation has left many unable to afford food, and malnutrition is soaring. Daily departures rose to an estimated 5,500 people by the end of 2018, many citing hunger. The UN estimates the number of Venezuelans living outside their homeland could reach 5.3 million by the end of this year. Aid agencies say they need $738 million to tackle the humanitarian emergency in 16 countries now home to large numbers of Venezuelans.“ (IRIN, 17. Jänner 2019)

In einem Artikel vom November 2018 berichtet IRIN, dass die Inflation weiter in schwindelerregende Höhen steige und schweren Hunger, Verknappung von Gütern der Grundversorgung und eine beschleunigte Massenabwanderung aus dem Land zur Folge habe. IRIN habe zwei Wochen lang aus Venezuela berichtet und habe dort im ganzen Land Menschen getroffen, die täglich um ihr Überleben kämpfen würden. Die EinwohnerInnen würden von Kindern erzählen, die an Hunger sterben würden, davon, dass sie Menschenketten bilden würden, um Lastwagen zu kapern, nur um an Essen zu kommen. Sie würden davon berichten, dass sie Vorräte verstecken würden, auf Friedhöfen, und in Kübeln unter Schichten von Müll. Und sie würden davon berichten, dass sie Gefangene in ihren eigenen Häusern seien und sich aus Angst vor Plünderern, die es auf Grundnahrungsmittel und Medikamente abgesehen hätten, nicht aus ihren Häusern trauen würden.

Hunger habe hinter den weiterverbreiteten Demonstrationen gestanden, die 2015 im ganzen Land ausgebrochen seien und der Flucht von Millionen VenezolanerInnen vorausgegangen seien. Damals sei der Mangel an lebensnotwendigen Nahrungsmitteln (Milch, Butter, Zucker, Nudeln, Mehl, Öl, Reis, Rindfleisch und Hühnchen) auf 80 bis 90 Prozent geschätzt worden. Seither habe sich die Lage verschlechtert. 2018 habe sich laut einer Studie von drei venezolanischen Universitäten nur einer von zehn Venezolanern täglich Essen leisten können. Der Hunger habe im Land um sich gegriffen. LKWs der Regierung würden durchs Land fahren und Kisten mit subventionierten Lebensmitteln (CLAP genannt) transportieren. Sie seien 2016 von Präsident Maduro eingeführt worden und würden nach Behauptungen der Regierung eine vierköpfige Familie für eine Woche ernähren. Sie sollten einmal im Monat an alle geliefert werden, die eine „Heimatkarte“ („Carnet de la Patria“) beantragt hätten, ein umstrittener Ausweis, der seinem Inhaber Zugang zu subventionierten Lebensmitteln garantiere. Diejenigen, die die CLAP-Kisten erhalten würden, hätten jedoch angegeben, dass die Lebensmittel darin bereits verdorben oder abgelaufen seien und nicht einmal annähernd eine Woche ausreichen würden. Die Kisten würden alle sechs Wochen geliefert, aber das nur, wenn man Glück habe. Rund um Cumana, sieben Stunden östlich von Caracas, würden EinwohnerInnen sagen, dass alle drei bis vier Monate Kisten ausgeliefert würden. Ihren Angaben zufolge würden nach wie vor jeden Tag Lastwagen mit Essen in Konvois von bis zu 40 Fahrzeugen vorbeikommen, würden aber nie für die hungernden und verärgerten Leute anhalten. Die Leute würden sich erinnern, wie sie Öl auf die Straße gekippt hätten, damit die LKWs in den Graben gerutscht seien und dann von ihnen geplündert worden seien. Als sich immer mehr solche Vorfälle ereignet hätten, habe Maduro angeordnet, dass die Nationalgarde die Lebensmittel-LWKs der Regierung begleiten müsse. Dadurch habe die gefürchtete Nationalgarde mehr Freiheiten erhalten, die die lokalen EinwohnerInnen für die Leichen verantwortlich machen würden, die in der Nähe der Strände auftauchen würden. Laut einem ehemaligen Lehrer sei Unterernährung das Hauptproblem. Sobald die Menschen einen großen LKW mit Vorräten sehen würden, würden sie diesen aufhalten und die Vorräte nehmen. Erst vor ein paar Tagen habe es einen solchen Fall gegeben. Nun habe, seinen Angaben zufolge, die Nationalgarde damit begonnen, die Häuser der Menschen zu durchsuchen. Sollten sie etwas finden, komme man ins Gefängnis. Daher hätten die Menschen begonnen, ihre Dinge in Gräbern auf Friedhöfen oder in Eimern, die sie in Wassertanks versenken würden, zu verstecken. Die Clap-Kisten hätten aufgrund ihrer unregelmäßigen und sporadischen Auslieferung von spärlicher, oft verdorbener Ware nicht viel dazu beigetragen, den Hunger zu bekämpfen. Sie würden allerdings die Taschen von Mitgliedern des Militärs und von Regierungsbeamten füllen und deren Loyalität sicherstellen. Das US-Finanzministerium schätze, dass bis zu 70 Prozent des CLAP-Programms Korruption zum Opfer falle. Und Anschuldigungen, dass Angehörige des Militärs und Regierungsbeamte Millionen Dollar abschöpfen, ein lukratives Essensschmuggel-Geschäft („food trafficking business“) und einen florierenden Schwarzmarkt schaffen würden, hätten unter anderem zu Sanktionen geführt. Die Clap-Kisten hätten auch eine Abhängigkeit geschaffen. Da die Inflation weiter steige und die Armut eskaliere (sie sei zwischen 2016 und 2017 von 81,8 Prozent auf 87 Prozent gestiegen), seien immer mehr verzweifelte Menschen auf die Kisten angewiesen. 2018 habe einer von zwei Venezolanern gesagt, dass die Clap-Kisten ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ernährung seien, und 83 Prozent aller pro-Maduro-WählerInnen hätten angegeben, dass die die Clap-Kisten die Hauptquelle ihrer Ernährung seien:

„Inflation continues its dizzying ascent. It has reached an eye-watering 800,000 percent and is on target, according to the International Monetary Fund, to surge to 10 million percent next year – driving severe hunger, shortages of basic goods, and accelerating the exodus from the country. […]

As those abroad build new lives where shelves are laden with food and medicine, many of those IRIN encountered during two weeks of reporting across Venezuela – from the once-thriving fishing and sugar-producing areas of Cumana and Cariaco in the east to once-opulent and wealthy Maracaibo in the west – face a daily battle for survival.

Residents tell of children starving to death, of forming human chains to block roads to hijack trucks just to get food. They tell of hiding provisions – toilet paper even – in cemeteries, and of concealing their supplies in buckets under layers of trash. They tell of being prisoners in their own homes, frightened to leave for fear of looters, who don’t come for their televisions and computers – no one wants those any more – but for basic foodstuffs and medicine. […]

Hunger was behind the widespread protests that roiled the country in 2015 and precipitated the flight of millions of Venezuelans from the country. Then, shortages of essential foodstuffs – milk, butter, sugar, pasta, flour, oil, rice, beef, and chicken – were estimated at 80-90 percent. It has only gotten worse since.

By 2018, according to a report produced by three Venezuelan universities, only one in 10 Venezuelans could afford enough daily food. Hunger has blanketed the country. […]

Government food trucks travel the road carrying President Nicolás Maduro’s signature boxes of subsidised food. Named CLAP – after the Spanish acronym for Local Committees for Supply and Production – Maduro rolled them out in 2016 in order, he declared, to circumvent the ‘economic war’ being waged on Venezuela by the United States and his opponents.

These boxes, the government claims, will feed a family of four for one week. They are supposed to be delivered once a month to all those who have signed up for the ‘Carnet de la Patria’ – a controversial ID card that grants holders access to subsidised food. However, according to those who get the CLAP boxes, the food arrives spoiled or past its sell-by date, is nowhere near enough to last even a week, and never comes more than, if you’re lucky, once every six weeks. Around Cumana, seven hours east of the capital Caracas, people say the boxes arrive once every three to four months. […]

Pilongo, Vallenilla, and other locals say the trucks still barrel through here daily – in convoys of as many as 40 – laden with precious food and never stopping for angered, hungry people. They recall how people started coating the road with oil so the trucks would skid into a ditch and then everyone would swarm around and loot them. As hunger grew around the country so did the number of incidents like these, leading Maduro to issue an edict that armed National Guards must accompany the government food trucks. This has given greater license to the much-feared National Guard, who locals accuse of being behind the bodies they say have been turning up on nearby beaches.

The threat hasn’t stopped people. They just choose different trucks.

‘Malnutrition is the mother of the whole problem,’ says Pilingo’s former teacher, Fernando Battisti Garcia, 64, talking from his home in the town of Muelle de Cariaco. ‘A population which is not well fed become thieves and will steal any food no matter what.’ People call it ‘the Maduro diet’. ‘As soon as people see a big truck coming with supplies,’ explains Pilingo, ‘they go into the street – men, women, even children – and stop the truck and take the supplies.’

It happened just a few days ago, he says, adding that the National Guard has begun searching people’s houses and if they find anything – food, toilet paper, supplies – they take you to jail. So people have started hiding the goods in tombs in cemeteries, or lowering them in buckets into water tanks. […]

With their erratic and infrequent delivery of meagre, often spoiled goods, CLAP boxes have done little to address hunger. What they have done, however, is line the pockets – and secure the loyalty – of military and government officials.

The US treasury estimates as much as 70 percent of the CLAP programme is victim to corruption, while accusations of military and government officials siphoning off millions of dollars and creating a lucrative food trafficking business and thriving black market have led to sanctions and intensifying international scrutiny.

The CLAP boxes have also succeeded in creating dependency. As inflation continues to spiral upwards and poverty escalates – jumping from 81.8 to 87 percent between 2016 and 2017 – more and more desperate people have become reliant on them to supplement their impoverished diets. In 2018, one in two Venezuelans say CLAP boxes are an ‘essential’ part of their diet, while 83 percent of pro-Maduro voters say that CLAP is their main source of food.“ (IRIN, 21. November 2018)

Mitarbeiter der international tätigen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) besuchten im Juli 2018 gemeinsam mit Ärzten und Gesundheitsfachleuten des Zentrums für humanitäre Gesundheit der John Hopkins University die kolumbianische und brasilianische Grenze, um sich ein Bild von der humanitären Krise zu machen, vor der die VenezolanerInnen fliehen würden. In einem Artikel vom November 2018 wird eine Mitarbeiterin der John Hopkins University mit der Aussage zitiert, dass das öffentliche Gesundheitssystem in Venezuela zusammengebrochen sei und damit die Leben unzähliger VenezolanerInnen in Gefahr bringe. Die Kombination aus dem versagenden Gesundheitssystem und einem weitverbreiteten Mangel an Essen habe zu einer humanitären Katastrophe geführt, die nur noch schlechter werde, wenn sie nicht bekämpft werde. Laut HRW habe die venezolanische Regierung in den letzten Jahren versucht, Daten über die epidemiologische Lage im Land zurückzuhalten, vermutlich um die Ausmaße der Gesundheitskrise zu verdecken. 2015 habe das Gesundheitsministerium aufgehört, wöchentliche Updates zu den relevanten Gesundheitsindikatoren zu veröffentlichen. Als die Gesundheitsministerin 2017 kurz die Veröffentlichungen wieder aufgenommen habe, sei sie direkt gefeuert worden. Die Regierung sei auch gegen Ärzte vorgegangen, die sich öffentlich über die Krise geäußert hätten und versucht hätten, Daten zu veröffentlichen. Existierende Daten würden darauf hindeuten, dass es Probleme mit Ausbrüchen von Krankheiten wie Masern und Diphterie gebe, einen starken Anstieg an Malaria- und Tuberkulose-Fällen, und fast keine verfügbare antiretrovirale Behandlung von HIV. Ein zunehmendes Maß an Unterernährung ergänze diese Gesundheitskrise, mache VenezolanerInnen anfälliger für Infektionskrankheiten und erhöhe das Risiko von Komplikationen bei Erkrankungen. Die letzten offiziellen Statistiken des venezolanischen Gesundheitsministeriums würden darauf hindeuten, dass die Müttersterblichkeit im Jahr 2016 um 65 Prozent und die Kindersterblichkeit um 30 Prozent angestiegen sei.

Die medizinischen Probleme, mit denen PatientInnen in Venezuela konfrontiert seien, würden noch durch einen schweren Mangel an Nahrungsmitteln und einen begrenzten Zugang zu angemessener Ernährung ergänzt. Viele der Dutzenden VenezolanerInnen, die die MitarbeiterInnen von HRW und der John Hopkins University an der Grenze interviewt hätten, hätten angegeben, sie hätten Gewicht verloren und zu Hause nur eine oder zwei Mahlzeiten pro Tag gegessen, die für manche nur aus Yuca oder Sardinen bestanden hätten. Die venezolanische Regierung habe seit 2007 keine Daten zu Ernährung veröffentlich, aber vorliegende Erkenntnisse würden darauf hindeuten, dass die Unterernährung zunehme. In einer landesweit repräsentativen Umfrage dreier renommierter Universitäten in Venezuela sei zu dem Schluss gekommen, dass 80 Prozent aller Haushalte in Venezuela unter Ernährungsunsicherheit leiden würden, was bedeute, dass sie keine verlässliche Bezugsquelle für Nahrungsmittel hätten. Die befragten Personen hätten im Jahr 2017 im Durchschnitt elf Kilogramm verloren. Cáritas Venezuela, eine katholische humanitäre Organisation, die die Ernährungssituation beobachte und in Gemeinschaften mit niederem Einkommen in Caracas und mehreren anderen Bundesstaaten Nahrungsmittelhilfe leiste, habe berichtet, dass der Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit leichter Unterernährung und mit schwerer, akuter Unterernährung von zehn Prozent im Februar 2017 auf 17 Prozent im März 2018 gestiegen sei, ein Niveau, das laut Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO auf eine Krise hindeute. Im Juli 2018 habe Cáritas Venezuela berichtet, dass der Anteil auf 13,5 Prozent gesunken sei, aber in Caracas und im Bundesstaat Vargas seien die Zahlen mit 16,7 und beinahe 20 Prozent über dem Krisenniveau gelegen. Eine Umfrage der Cáritas im Jahr 2018 habe ergeben, dass 48 Prozent der schwangeren Frauen in diesen Gemeinschaften mit niederem Einkommen unter leichter Unterernährung und schwerer, akuter Unterernährung leiden würden. Krankenhäuser in unterschiedlichen Orten im Land würden berichten, dass die Anzahl der eingelieferten Kinder mit leichter Unterernährung und schwerer, akuter Unterernährung steige und dass der Anteil der Kinder, die akut unterernährt seien, alarmierend hoch sei und laut venezolanischen Gesundheitsfachleuten bei zwischen 18 und 40 Prozent liege:

„As the crisis continues to spiral out of control, Human Rights Watch researchers traveled to the Colombian and Brazilian borders to assess the extent of the humanitarian crisis Venezuelans are fleeing. Human Rights Watch traveled with a team of public health and medical professionals from John Hopkins University’s Center for Humanitarian Health and its Center for Public Health and Human Rights, based at the Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health.

‘Venezuela’s public health system has collapsed, putting at risk the lives of countless Venezuelans,’ said Shannon Doocy, associate professor at Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, who was part of the team that traveled to the Colombia-Venezuela border. ‘The combination of a failing health system and widespread food shortages has produced a humanitarian catastrophe, and it will only get worse if it’s not addressed urgently.’

In the last few years, the Venezuelan government has sought to suppress data on the country’s epidemiological situation, in an apparent attempt to hide the extent of the health crisis. In 2015, the Health Ministry abruptly stopped publishing its weekly updates on relevant health indicators, a key source of public health information, although it still reports some data to the Pan American Health Organization.

When the health minister at the time briefly resumed their publication in 2017, she was promptly fired. The government has also retaliated against physicians who have publicly expressed concern about the crisis or attempted to report data on it.

Existing data points to a troubling picture of outbreaks of diseases like measles and diphtheria, spikes in malaria and tuberculosis cases, and a nearly absolute unavailability of anti-retroviral treatment for people with HIV. Increasing levels of malnutrition compound this health crisis, making Venezuelans both more susceptible to infectious diseases and more prone to complications when sick. […]

Maternal and Infant Mortality

The latest official statistics available from the Venezuelan Health Ministry indicate that in 2016, maternal mortality rose 65 percent and infant mortality rose 30 percent in just one year.

Malnutrition

The medical complications patients in Venezuela experience are further compounded by severe shortages of food and limited access to an adequate nutrition. Many of the dozens of Venezuelans the Human Rights Watch and John Hopkins team interviewed at the border said they had lost weight and were eating one or two meals per day back home, which for some consisted solely of yuca or sardines.

The Venezuelan government has not published nationwide nutrition data since 2007, but available evidence suggests malnutrition is increasing:

·         A nationally representative survey by three prestigious universities in Venezuela concluded that 80 percent of Venezuelan households are food insecure, meaning they don’t have a reliable source of food, and that people surveyed had lost an average of 11 kilograms in 2017.

·         Cáritas Venezuela, a Catholic humanitarian organization that monitors the nutritional situation and provides nutritional aid to children in low-income communities in Caracas and several states, reported that moderate and severe acute malnutrition among children under age 5 increased from 10 percent in February 2017 to 17 percent in March-2018 – a level indicative of a crisis, based on World Health Organization standards. In July 2018 Cáritas Venezuela reported the average had dipped to 13.5 percent, but figures exceeded crisis levels in Caracas (16.7 percent) and Vargas state (nearly 20 percent).

·         A 2018 Cáritas survey found that 48 percent of pregnant women in these low-income communities had moderate or severe acute malnutrition.

·         Hospitals in various locations across the country are reporting increases in the number of children admitted with moderate or severe acute malnutrition, and the proportion of children being admitted to hospitals who are acutely malnourished is alarmingly high, ranging from 18 to 40 percent, according to information provided by Venezuelan health professionals to Human Rights Watch.“ (HRW, 15. November 2018)

Unter folgendem Link finden Sie ein Video von BBC News vom Februar 2018 zu Hunger in Venezuela:

 

Arbeitsmarkt

Das World Factbook der US-amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) gibt im Jänner 2019 die Arbeitslosigkeit in Venezuela im Jahr 2017 mit geschätzten 27,1 Prozent an. Der Anteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze wird 2015 mit geschätzten 19,7 Prozent angegeben:

„Labor force:

14.21 million (2017 est.) […]

Labor force - by occupation:

agriculture: 7.3%

industry: 21.8%

services: 70.9% (4th quarter, 2011 est.) […]

Unemployment rate:

27.1% (2017 est.)

20.6% (2016 est.) […]

Population below poverty line:

19.7% (2015 est.)“ (CIA World Factbook, 24. Jänner 2019)

Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, schreibt in seinem im Februar 2019 veröffentlichten Jahresbericht, dass sich immer mehr Menschen Jobs in der informellen Wirtschaft zuwenden würden, da die Beschäftigungsmöglichkeiten immer knapper würden und die Löhne nicht mit der Hyperinflation Schritt halten würden. Laut Schätzungen der UNO würde etwa 5.500 VenezolanerInnen täglich aufgrund von fehlender Job-Möglichkeiten, Essensmangel und Gewalt ihr Land verlassen:

„With job opportunities growing scarce and wages not keeping up with hyperinflation, more citizens have turned to jobs in the informal economy, where they are more exposed to dangerous or exploitative working conditions. Meanwhile, the United Nations estimated in December 2018 that roughly 5,500 Venezuelans were leaving the country each day due to a lack of employment opportunities, food shortages, and violence.“ (Freedom House, 4. Februar 2019)

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) erwähnt in dem oben bereits zitierten Bericht Folgendes:

„Die anhaltende Hyperinflation, die faktische Dollarisierung und die hohe Arbeitslosigkeit stellen die meisten Venezolaner vor existentielle Herausforderungen.“ (KAS, Dezember 2018, S. 1)

„Laut dem UNHCR verlassen die Migranten aus einer Vielzahl von Gründen Venezuela. Hierbei spielen politische Verfolgung, Lebensmittel- und Medikamentenknappheit eine wesentliche Rolle. Die Befragung von venezolanischen Migranten in den Grenzregionen Kolumbiens zeigte, dass 90 Prozent der Befragten aufgrund von Lebensmittelknappheit emigriert sind, 82 Prozent gaben als Grund das Fehlen von Arbeitsplätzen an, die Schwierigkeiten bei der Beschaffung von notwendigen Medikamenten nannten 54 Prozent und für 49 Prozent war die allgemeine Unsicherheit und Gewalt der Grund für das Verlassen ihres Heimatlandes. In Peru zeigten die Umfragen eine Verlagerung der Beweggründe. Aus wirtschaftlichen Gründen emigrierten hier 58 Prozent der Befragten, jedoch nur 8 Prozent aufgrund der Lebensmittel- und Medizinknappheit.“ (KAS, Dezember 2018, S. 4-5)

Die International Crisis Group (ICG), eine unabhängige, nicht profitorientierte Nicht-Regierungsorganisation, die mittels Informationen und Analysen gewaltsame Konflikte verhindern und lösen will, erwähnt in einem Bericht vom November 2018, dass die Massenauswanderung aus Venezuela unter anderem auf schwindende Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei:

„Venezuelans’ mass exodus is the consequence of hyperinflation, chronic scarcity of basic goods, dwindling job opportunities and collapsing infrastructure – including a health service that can no longer treat the most common illnesses, let alone curb epidemics.“ (ICG, 23. November 2018, Seite i)

Das US-amerikanischen National Public Radio (NPR), eine Kooperation nichtkommerzieller Hörfunksender, berichtet im Mai 2018, dass inmitten der schwersten Wirtschaftskrise in der neueren Geschichte Venezuelas die Fehlzeiten von ArbeitnehmerInnen („worker absenteeism“) zunehmen würden. Es gebe zwar keine offiziellen Statistiken, aber ein Vertreter des venezolanischen Verbands der Handelskammern (Venezuelan Federation of Chambers of Commerce) schätze, dass bis zu 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen entweder ihren Job aufgegeben hätten oder regelmäßig fehlen würden. Viele würden jetzt über die Runden kommen, indem sie zum Teil Gelegenheitsarbeiten verrichten oder Essen auf dem Schwarzmarkt verkaufen würden, zum Teil auch mit Hilfe der Geldzusendungen von Verwandten aus dem Ausland. Viele würden nicht nur wegen der geringen Löhne ihre Jobs aufgeben, sondern auch der Arbeit fernbleiben, weil sie aufgrund des weitverbreiteten Nahrungsmittelmangels Lebensmittel erbetteln müssten („scrounge“). Auch das Pendeln sei in Venezuela ein Albtraum, da der Mangel an Reifen und Ersatzteilen die Anzahl der einsatzbereiten Busse und U-Bahn-Züge reduziert habe, während die Preise für den öffentlichen Verkehr stark gestiegen seien. Manche ArbeitnehmerInnen müssten ein Viertel ihres täglichen Lohns allein dafür aufwenden, um in die Arbeit zu kommen, und würden beschließen, dass es das nicht wert sei. Um InhaberInnen eines Arbeitsplatzes zu besänftigen und sich weitere WählerInnen zu sichern, habe Präsident Nicolás Maduro im Mai 2018 angekündigt, den Mindestlohn um 95 Prozent anzuheben. Aber der neue Grundlohn von 2,5 Millionen Bolivar habe im Mai 2018 etwa drei US-Dollars auf dem Schwarzmarkt entsprochen. Zudem habe dieses Anheben des Mindestlohns laut Analysten keine großen Auswirkungen, da es sich bereits um die dritte Anhebung des Lohns im Jahr 2018 gehandelt habe, die Preise aber noch schneller steigen würden:

„Amid Venezuela's worst economic crisis in modern history, worker absenteeism is soaring. Although there are no official statistics, Carlos González of the Venezuelan Federation of Chambers of Commerce, the country's main business association, estimates up to 40 percent of employees have either quit their jobs or regularly skip work. Many now get by partly doing odd jobs or selling food on the black market, and partly on money sent by relatives overseas. Those vital cash transfers from abroad, called remittances, totaled an estimated $279 million in 2016, according to Pew Research Center. […]

Besides quitting over low wages, González says people must often skip work to scrounge for groceries because of widespread food shortages. Commuting to work has also become a nightmare. A lack of tires and spare parts has cut the fleet of functioning buses and subway cars, while fares for public transportation have skyrocketed. Some employees spend a quarter of their day's wages just to get to work — and decide it's not worth it. […]

To placate job holders and secure more votes, President Nicolás Maduro, who hopes to win another six-year term in Venezuela's May 20 election, announced this month a 95 percent increase of the minimum wage. But the new base salary of 2.5 million bolivars per month amounts to about $3 on the black market. What's more, analysts say the increase is unlikely to have much effect given that this is the third wage hike this year and prices are rising even faster. The Central Bank of Venezuela has stopped releasing inflation figures. But congress, the only branch of government controlled by the opposition, said this week that the annual inflation rate is running at more than 13,000 percent. Hyperinflation and the dearth of public transportation is deeply demoralizing to those who still have jobs, like Yorman Jiménez and his wife, Maribel Barrera.“ (NPR, 12. Mai 2018)

Die britische Tageszeitung The Telegraph schreibt in einem Artikel vom Februar 2019, dass mehr als 30 Prozent der Bevölkerung keine Arbeit hätten. Der monatliche Mindestlohn derjenigen, die arbeiten würden, sei so niedrig, dass sie nur eine Tasse Kaffee davon kaufen könnten:

„More than 30 per cent of the population is out of work and, for those in work, the monthly minimum wage has been so eroded by inflation that it is only enough to buy single cup of coffee.“ (The Telegraph, 1. Februar 2019)

Weitere frauenrelevante Themen

In dem oben bereits zitierten Jahresbericht vom Februar 2019 schreibt Freedom House, dass Frauen trotz Rechtsschutzes in der Praxis unter Gewalt und Diskriminierung leiden würden, sie würden auch bei gleicher Arbeit weniger als Männer verdienen. Die Segmente der Gesellschaft, die schon vorher benachteiligt oder marginalisiert gewesen seien, hätten überproportional unter der Krise der venezolanischen Wirtschaft und des Gesundheitssystems gelitten. Die Müttersterblichkeit sei in den letzten Jahren gestiegen, Personen mit HIV/Aids würden leiden, da die Regierung beschlossen habe, antiretrovirale Medikamente nicht mehr zu subventionieren. Venezolanische Frauen und Kinder seien zunehmend gefährdet, Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung innerhalb des Landes oder auch in Europa zu werden, wobei das Problem durch die schlechter werdenden wirtschaftlichen Bedingungen verschärft werde. Berichten zufolge habe die Regierung wenig gegen Menschenhandel unternommen:

„F4. Do laws, policies, and practices guarantee equal treatment of various segments of the population? 1 / 4 […]

Despite legal protections, women suffer from violence and discrimination in practice, including earning lower salaries than men doing similar work.

Segments of the population that were already disadvantaged or marginalized appear to have suffered disproportionately from Venezuela’s economic and health crises. Maternal mortality has increased in recent years. People living with HIV/AIDS—most of whom are gay men and transgender people—have suffered due to the government’s decision to stop subsidizing antiretroviral drugs. […]

G4. Do individuals enjoy equality of opportunity and freedom from economic exploitation? 0 / 4 (–1)

Venezuelan women and children are increasingly vulnerable to sex trafficking within Venezuela and in neighboring countries, as well as in Europe, with the problem exacerbated by worsening economic conditions. Migrants to Venezuela have also been subjected to forced labor and sex trafficking. The government has reportedly done little to combat human trafficking.“ (Freedom House, 4. Februar 2019)

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) schreibt in einem Bericht vom Juni 2018, dass verfügbare Daten darauf hindeuten würden, dass die Unterernährung von Kindern unter fünf Jahren stark zugenommen habe und dass Familien gezwungen gewesen seien, die Menge und Qualität des konsumierten Essens einzuschränken. Familien hätten Überlebensstrategien wie etwa den Verkauf von Lebensmitteln, das Entsenden eines Familienmitglieds ins Ausland oder das Suchen nach Essen im Müll angenommen. OHCHR habe festgestellt, dass sich die Nahrungsmittelknappheit übermäßige Auswirkungen auf Frauen gehabt habe. Ärzte seien wegen des Mangels an Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und Babymilchpulver im öffentlichen Gesundheitssystem daran gehindert worden, Kinder mit akuter Unterernährung angemessen zu versorgen. OHCHR habe zudem dokumentiert, dass spezielle soziale Programme der Regierung für politische Vorteile und eine Stärkung der gesellschaftlichen Kontrolle instrumentalisiert worden seien.

Die Regierung behaupte, dass mehr als 70 Prozent des Staatshaushalts für soziale Ausgaben verwendet würden. Ein bedeutender Anteil der sozialen Investitionen Venezuelas seien direkten Geldtransfers an Begünstigte sowie dem Nahrungsverteilungsprogramm Clap zugeteilt worden. Die Regierung habe die „Heimatkarte“ („Carnet de la Patria“) geschaffen, ein Identifizierungssystem, in dem 16 Millionen Personen registriert und mit einer persönlichen Karte ausgestattet worden seien, die ihnen Zugang zu sozialen Programmen gewähre. Seit August 2017 seien die Geldtransfers an bestimmte Gruppen, beispielsweise Frauen, Ältere und Jugendliche, erhöht und durch das System der Heimatkarte gelenkt worden.

Die „Heimatkarte“ („Carnet de la Patria“) sei eine Voraussetzung gewesen, um Clap-Kisten zu erhalten. Es habe allerdings Behauptungen gegeben, dass die Heimatkarte politisch genutzt werde. Von OHCHR gesammelte Berichte würden darauf hindeuten, dass die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) ihre lokalen Strukturen genutzt habe, um die Registrierung für die Heimatkarte durchzuführen und dass die Menschen während Wahlen auf regionaler oder Gemeindeebene gebeten worden seien, ihre Heimatkarten in sogenannten „roten Punkten“ (red spots), Zelten, die von Mitgliedern der Regierungspartei in der Nähe der Wahllokale betrieben worden seien, zu aktivieren. Obwohl die Regierung versichert habe, dass die Wahlen geheim seien, würden viele glauben, dass sie von sozialen Programmen ausgeschlossen werden könnten, wenn sie nicht für die regierende Partei gestimmt hätten. Während Wahlkampfveranstaltungen habe Präsident Maduro versprochen, dass Personen, die für ihn stimmen würden, ein spezielles Geschenk über ihre Heimatkarte erhalten würden.

OHCHR habe beobachtet, dass Frauen von der Gesundheitskrise besonders betroffen seien. So sei etwa die Müttersterblichkeit von 368 Fällen im Jahr 2012 auf 756 Fälle im Jahr 2016 gestiegen. Die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen sei ebenfalls gefährdet worden („jeopardized“), da die Mehrheit von ihnen keinen regelmäßigen Zugang zu Verhütungsmitteln gehabt habe. 2017 hätten Apotheken berichtet, dass es einen 90-prozentigen Mangel an Verhütungsmitteln gebe. Eine Umfrage 2017 habe ergeben, dass 72 Prozent der Befragten in den vorangegangenen zwölf Monaten nicht in der Lage gewesen seien, in den Apotheken Verhütungsmittel zu finden, 27 Prozent hätten sich keine Verhütungsmittel leisten können. 2017 sei in Venezuela die zweithöchste Rate an Schwangerschaften bei Jugendlichen in Lateinamerika registriert worden.

Die Nahrungsmittelknappheit habe auch übermäßige Auswirkungen auf Frauen gehabt. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2017 hätten Männer Essen mit einem höheren Nährwert als Frauen konsumiert, deren Ernährung gewöhnlich einen Mangel an Proteinen und Mikronährstoffen aufgewiesen habe. Es sei auch wahrscheinlicher gewesen, dass Frauen weniger gegessen oder Mahlzeiten ausgelassen hätten, wenn es nicht genügend Nahrung für die ganze Familie gegeben habe. Zudem hätten die Frauen die Hauptlast beim Auftreiben von Essen getragen. So seien beispielsweise hauptsächlich Frauen in Schlangen angestanden, um Essen zu regulierten Preisen zu erhalten. Im Durchschnitt hätten Frauen acht bis vierzehn Stunden pro Woche aufwenden können, um auf der Straße in einer Schlange anzustehen, wobei sie dem Wetter und hoher Unsicherheit ausgesetzt gewesen seien:

„Available data indicates that malnutrition of children under five years old had rapidly increased and that families had been forced to drastically reduce the quantity and quality of the food they consumed. Families have adopted survival strategies, such as selling their valuables, sending a family member abroad, or searching for food in the garbage. OHCHR also found that food scarcity had a disproportionate impact on women. Doctors were prevented from providing adequate treatment to children with acute malnutrition because of shortages of medicines, nutritional supplements and baby milk fomula in the public health care system. OHCHR also documented that social programmes set up by the Government had been instrumentalized for political gain and to reinforce social control.“ (OHCHR, Juni 2018, S. v)

„The Government affirms that over 70 per cent of the State budget is allocated to social expenditure. Recently, a significant share of the State’s social investments have been allocated to direct cash transfers to beneficiaries as well as to a food distribution program known as the Local Supply and Production Committees (CLAPs). The Government has created the carnet de la patria, an identification system through which around 16 million people were registered and provided with a personal card granting them access to social programmes. Since August 2017, cash transfers to specific groups, such as women, the elderly, youth and people with disability, have increased, channelled through the carnet de la patria system (see chapter I below).” (OHCHR, Juni 2018, S. 3-4)

„The carnet de la patria has also been requested as condition for receiving the CLAP box. While this strategy could be seen as a way to digitalize and organise information on social programs recipients, a number of allegations have surfaced pointing to a political use of the carnet de la patria. Accounts gathered by OHCHR seem to indicate that the Government has used the local structures of the PSUV [United Socialist Party of Venezuela] to conduct the registration process for the carnet, and that during regional and municipal elections people had been requested to activate their carnet de la patria in so-called ‘red spots’, tents run by governing party members and located close to polling stations. Despite the Government’s assurances that the vote remains confidential, many people believe that they could be excluded from social programs if they did not vote for the ruling party. During campaign rallies, President Maduro promised that people who would vote for him would receive a special gift through the carnet de la patria.” (OHCHR, Juni 2018, S. 51)

„OHCHR observed that women were particularly affected by the health crisis. For instance, the number of maternal deaths rose from 368 in 2012 to 756 in 2016, revealing how preventive health care had rapidly deteriorated. No related public information has been released since 2017. Women’s sexual and reproductive health was also jeopardized as the majority of them did not have regular access to contraceptive methods. In 2017, pharmacies reported a 90 per cent shortage of contraceptive methods. In 2015, the Ministry of Health provided access to family planning methods for only 2 per cent of its targeted population. A survey conducted in June 2017 indicated that 72 per cent of women interviewed had not been able to find contraceptives in pharmacies over the last 12 months, and that 27 per cent of women could not afford them. In 2017, Venezuela registered the second highest rate of adolescent pregnancies in the Americas, mainly due to lack of access to contraceptive methods and sexual and reproductive education. According to the Committee on Economic, Social and Cultural Rights, the realization of women’s right to health requires interventions aimed at the prevention and treatment of diseases affecting women, as well as policies to provide access to a full range of high quality and affordable health care, including sexual and reproductive rights.” (OHCHR, Juni 2018, S. 44)

„Food scarcity has reportedly also been having a disproportionate impact on women. According to a 2017 survey, men were consuming food with higher nutritional value than women, whose diet was usually lacking sufficient proteins and micronutrients. Women were also more likely to be the ones eating less or skipping meals when there was not enough food for the entire family. In addition, women were carrying most of the burden for finding food. For example, women represented the majority of people queuing to buy food items at regulated prices. On average, women could spend 8 to 14 hours a week waiting in a queue in the street, exposed to weather conditions and high insecurity.” (OHCHR, Juni 2018, S. 49)

Das WomanStats Project, ein Team von ungefähr zwölf studentischen Hilfskräften, sieben wissenschaftlichen Hilfskräften, dreizehn hauptverantwortlichen Forschern und mehr als 120 ehemaligen studentischen Hilfskräften, das die Verbindungen zwischen der Sicherheit in einem Staat und der Sicherheit der darin lebenden Frauen untersucht, schreibt in einem Beitrag vom März 2018, dass die venezolanische Wirtschaftskrise Auswirkungen auf die Gesundheit von Müttern und ihren Neugeborenen habe. Die Kindersterblichkeit sei 2016 um 30 Prozent gestiegen, die Müttersterblichkeit um 65 Prozent. Das staatliche Gesundheitssystem sei direkt von der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage betroffen, sei aber für viele Frauen die wichtigste Quelle, um Zugang zu medizinischen Leistungen zu erhalten. Wegen fehlender staatlicher Mittel gehe den Krankenhäusern das Material des medizinischen Grundbedarfs sowie das Geld zur Bezahlung der Angestellten aus. Viele der Todesfälle seien auf das Fehlen von angemessener medizinischer Ausstattung, etwa von Gazekompressen, zurückzuführen:

„The Venezuelan economic crisis brings unintended health effect to mothers and their newborn children. The country’s infant mortality rose 30 percent in 2016 while maternal mortality increased by 65 percent.

The government-owned healthcare system is directly affected by the diminishing economic situation. This state-owned healthcare system serves as the main resource for many women to access health services, especially for reproductive and maternal health related issues. Due to the lack of government funds, hospitals are running out of basic medical supplies and funds to pay medical staff. Many of the deaths are from a lack of decent medical equipment, like gauze pads.“ (WomanStats Project, 9. März 2018)

Die Hilfsorganisation Care schreibt in einem Artikel vom Dezember 2018, dass man gegen das schockierende Level von Unterernährung bei Kinder und die Probleme der reproduktiven Gesundheit von Frauen in Venezuela angehen wolle. Die aktuelle humanitäre Krise habe alarmierende Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Da Frauen verzweifelt versuchen würden, ihre Familien zu ernähren und mit Kleidung zu versorgen, würden immer mehr von Menschenhändlerringen in die Prostitution gezwungen oder mit Tricks dazu gebracht („tricked“). Da venezolanische Frauen in vielen Ländern der Region keinen offiziellen Status hätten, würden sie noch anfälliger für Ausbeutung und Misshandlung durch diese Gruppen. Laut der Direktorin von Care in Ecuador sei die Krise in Venezuela eine wahrhaft weibliche Krise. Es gebe schockierende Berichte über Menschenhandel zum Zweck der sexuellen und anderweitigen Ausbeutung („sex and labour trafficking“) in der Region. In einigen Fällen würden sogar Eltern ihre jungen Töchter bitten, sich zu prostituieren, um die Familie zu unterstützen. Mehr als drei Millionen Menschen seien aus Venezuela geflohen und es werde geschätzt, dass fast die Hälfte davon Frauen (48 Prozent) und etwa 30 Prozent Kinder seien. Abgesehen von Menschenhandel seien Frauen in Venezuela auch mit weiteren Herausforderungen konfrontiert, etwa zunehmende sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Mangel an Damen-Artikeln, etwa Damenbinden, sowie hohe Raten von Mütter- und Kindersterblichkeit:

„‘With additional funds we plan to scale up our operations, including working through partners in the Venezuelan capital of Caracas to try and address the shocking levels of child malnutrition and reproductive health issues faced by Venezuela women,’ says Alexandra Moncada, Country Director for CARE in Ecuador.

The current humanitarian crisis in Venezuela and the surrounding region is having an alarming effect on women and girls. As women try desperately to feed and clothe their families, an increasing number are being forced of tricked into prostitution by trafficking rings. The often illegal status of Venezuelan women in many countries within the region also increases their vulnerability to exploitation and abuse by these gangs.

Moncada notes; ‘more than any other humanitarian emergency I have encountered, the Venezuela crisis is truly a women’s crisis. We are hearing shocking reports of sex and labour trafficking of Venezuelan women across the region. We are talking about criminal rings that span countries and hundreds of thousands of kilometres.’ She adds; ‘in some cases parents are even asking their young daughters to turn to prostitution to help support the family.’

Over 3 million people have now fled Venezuela – with the majority going to neighbouring countries, and almost half of them (48%) estimated to be women and around 30% children. Alongside trafficking, women in Venezuela are facing a further myriad of challenges and risks including a rise in sexual and gender-based violence, shortages of feminine items such as sanitary pads, high levels of maternal and infant mortality.“ (Care, 14. Dezember 2018)

In einem undatierten Beitrag schreibt Care auf seiner Homepage, dass Frauen und Kinder in Venezuela übermäßig leiden würden. Der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen und anderweitigen Ausbeutung nehme in der Region zu. Das steigende Niveau der Armut, sowohl von Venezolanerinnen im eigenen Land als auch von denjenigen, die in der Region auf der Flucht seien, würden viele Frauen in die Sexarbeit zwingen. Der oftmals illegale Status von Venezolanerinnen in den Ländern der Region sowie die hohe Anzahl von Frauen, die alleine reisen würden, würden ihre Anfälligkeit für Ausbeutung und Misshandlung erhöhen. Jugendliche, die in Kirchen in Caracas Zuflucht suchen würden, hätten erzählt, ihre Eltern seien gezwungen gewesen, sie als SexarbeiterInnen wegzuschicken, um die Familie zu unterstützen:

„Women and girls are suffering disproportionately in Venezuela. Trafficking of women for sex and forced labor is increasing throughout the region. The spiraling levels of poverty, both for Venezuelans inside the country and those fleeing within the region, have forced many women into sex work. Their often-illegal status in countries within the region, along with the high numbers of women traveling alone, also increases their vulnerability to exploitation and abuse. Teenage children seeking refuge in churches in the capital of Caracas have told stories of how their parents were forced to send them to be sex workers as a way to provide for the family. “ (Care, ohne Datum)

Der folgende Videobeitrag von BBC News vom November 2018 thematisiert die Auswirkungen der aktuellen Krise in Venezuela auf Frauen und Kinder (Straßenkinder, bettelnde Kinder, Mütter, die Kinder weggeben):

 

 

Allgemeine Informationen zu frauenspezifischen Themen (Diskriminierung in der Familie, physische Unversehrtheit, Zugang zu produktiven und finanziellen Ressourcen, bürgerliche Freiheiten) finden Sie in folgendem Dokument der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD):

 

 

Informationen zu Gewalt gegen Frauen finden Sie in folgender Anfragebeantwortung des Immigration and Refugee Board of Canada (IRB) vom Juli 2018:

  • IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: Venezuela: Violence against women, including non-domestic sexual violence, particularly in Caracas and Maracaibo; legislation; state protection and support services (2016-July 2018) [VEN106131.E], 3. Juli 2018
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1447403.html

 

 

Informationen zur oben mehrfach erwähnten Heimatkarte finden Sie in folgender Anfragebeantwortung des IRB vom Mai 2018:

 

  • IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: Venezuela: The homeland card (carnet de la patria), including issuance procedures, usage, and physical characteristics; extent to which homeland cards have been distributed (2016-May 2018) [VEN106113.E], 18. Mai 2018
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1435954.html

 

 

Informationen zu Menschenhandelsnetzwerken bzw. zu verfügbarem Schutz entnehmen Sie bitte auch folgender ACCORD-Anfragebeantwortung vom August 2018:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Venezuela: Struktur und Einfluss von Menschenhandelsnetzwerken; Vorgehen der Behörden gegen diese Netzwerke beziehungsweise Verbindungen zu ihnen; Verbindungen der Menschenhandelsnetzwerke zum Drogengeschäft; Verfügbarkeit von Opferschutz beziehungsweise Zeugenschutzprogrammen [a-10686], 24. August 2018
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1442937.htm

 

 

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 12. Februar 2019)