Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Taiwan

Das Verfassungsgericht erklärte 2017 das geltende Ehegesetz für verfassungswidrig, da es gleichgeschlechtliche Paare diskriminiere. Die Regierung ließ zum zweiten Mal die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte überprüfen. Außerdem hielt sie die erste Überprüfung bezüglich des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie des Übereinkommens über die Rechte des Kindes ab. Das Oberste Gericht wies das von der Generalstaatsanwaltschaft beantragte außerordentliche Rechtsmittel zugunsten von Chiou Ho-shun ab, so dass er im Todestrakt bleiben musste. Von Mitte Februar bis Anfang Juni 2017 hielten Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen und deren Unterstützer 100 Tage lang eine Sitzblockade nahe dem Amtssitz der Staatspräsidentin ab. Der Protest richtete sich gegen Leitlinien der Regierung, die Änderungen bezüglich der Anerkennung traditioneller indigener Gebiete vorsahen. Der Änderungsvorschlag ging auf den Rat der indigenen Völker zurück, der Kabinettsrang genoss. Die Protestkundgebung wurde schließlich aufgelöst. Medienberichten zufolge wurden Arbeitsmigrantinnen am Arbeitsplatz sexuell belästigt.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Der Große Richterrat, das Verfassungsgericht des Landes, entschied am 24. Mai 2017, dass Teile des Zivilgesetzbuchs, die die Ehe betrafen, verfassungswidrig seien, da sie gleichgeschlechtliche Paare diskriminierten. Das Gericht räumte den Behörden zwei Jahre Zeit ein, um das Gesetz dahingehend zu überarbeiten, dass die Freiheit gleichgeschlechtlicher Paare, eine Ehe zu schließen, gleichermaßen geschützt ist. Das Parlament hatte bereits Ende 2016 mit der Erörterung eines Gesetzentwurfs zur Überarbeitung des Zivilgesetzbuchs begonnen, der gleichgeschlechtliche Ehen ermöglichen würde; Ende 2017 waren jedoch noch keine Fortschritte erzielt worden. Sollte die Gesetzesnovelle verabschiedet werden, wäre Taiwan das erste Land in Asien, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt.

Rechtliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen

Die Regierung lud im Januar 2017 unabhängige internationale Menschenrechtsexperten ein, um die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zum zweiten Mal überprüfen zu lassen. Sie leitete dieses parallele Überprüfungsverfahren in die Wege, weil Taiwan nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist. Bei der zweiten Überprüfung sollten die Fortschritte seit der ersten Überprüfung im Jahr 2013 untersucht werden.

Im Zuge dieser Überprüfung kündigte die Regierung an, sie werde eine Nationale Menschenrechtsinstitution ins Leben rufen, die den Pariser Prinzipien entspreche. 

Im Oktober und im November 2017 waren internationale Experten auf Wunsch der Regierung im Land, um die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie des Übereinkommens über die Rechte des Kindes zu überprüfen.

Todesstrafe

Das Oberste Gericht wies im Juli 2017 das außerordentliche Rechtsmittel ab, das der Generalstaatsanwalt ein Jahr zuvor zugunsten von Chiou Ho-shun beantragt hatte. Chiou Ho-shun befindet sich seit 1989 in Haft und ist der am längsten in einem Todestrakt einsitzende Gefangene in der modernen Geschichte des Landes. In dem Antrag wurde angeführt, dass die früheren Gerichte es versäumt hätten, ein erzwungenes „Geständnis“ als Beweismittel auszuschließen. Chiou Ho-shun hatte angegeben, dass er in der Haft gefoltert worden sei und die Polizei ihn in den Verhören genötigt habe, ein „Geständnis“ abzulegen. Er wurde daraufhin 1989 wegen Raub, Entführung und Mord schuldig gesprochen.

Vor dem Hohen Gericht von Taiwan in Taichung fand eine Neuverhandlung im Fall von Cheng Hsing-tse statt, der 2016 gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden war. Das Gericht hob im Oktober den Schuldspruch auf. Er hatte 14 Jahre im Gefängnis verbracht, nachdem man ihn für schuldig befunden hatte, im Jahr 2002 bei einem Schusswechsel in einem Karaoke-Lokal in Taichung einen Polizisten getötet zu haben.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Bezüglich eines Flüchtlingsgesetzes waren seit der zweiten Lesung im Juli 2016 keine Fortschritte zu verzeichnen, obwohl internationale Fachleute im Januar 2017 in ihren abschließenden Empfehlungen mit Nachdruck forderten, rasch ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, in dem der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) verankert sei.

Bericht von Amnesty International

Taiwan: Government must act on human rights review (ASA 38/5531/2017)

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