Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Tanzania

Die staatlichen Stellen schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit ein und trafen keine Maßnahmen gegen Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung. Flüchtlinge und Asylsuchende mussten überfüllte Einrichtungen und zu kleine Essensrationen in Kauf nehmen. Außerdem legten ihnen die Behörden bürokratische Hindernisse in den Weg.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Die Behörden griffen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) weiterhin zu drastischen Mitteln. Sie schlossen Gesundheitszentren und drohten, Organisationen zu verbieten, die LGBTI unterstützten und Angebote für sie bereithielten. Am 17. Februar 2017 ließ der Gesundheitsminister 40 private Gesundheitszentren schließen. Er warf ihnen vor, Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen zu fördern. Beziehungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts können in Tansania mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden. Am 25. Juni drohte der Innenminister alle ausländischen Staatsangehörigen auszuweisen und alle strafrechtlich zu verfolgen, die sich für den Schutz der Rechte von LGBTI einsetzten. 

Am 18. September 2017 wurden in einem Hotel in Sansibar zwölf Frauen und acht Männer festgenommen, die dort an einer Schulung zum Thema HIV/AIDS teilnahmen. Die Regierung beschuldigte sie der Unterstützung der Rechte von LGBTI. Am 17. Oktober nahmen die Behörden 13 Gesundheitsaktivisten und Menschenrechtsverteidiger fest, die bei einem Treffen über die Entscheidung der tansanischen Regierung, bestimmte Gesundheitsdienstleistungen für LGBTI einzuschränken, berieten. Unter den Festgenommenen waren zwei Personen aus Südafrika und eine aus Uganda. Nachdem ein Gericht entschieden hatte, dass die Beweise der Staatsanwaltschaft zur Stützung der Anklage nicht ausreichten, wurden die Aktivisten am 27. Oktober freigelassen. 

Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Abgeordnete von Oppositionsparteien, die als Regierungskritiker galten, mussten mit Repressalien, Einschüchterungsversuchen und Festnahmen rechnen. Zitto Kabwe, Vorsitzender der Partei Bündnis für Veränderung und Transparenz (Alliance for Change and Transparency), wurde nach Kommentaren in den sozialen Medien am 21. September 2017 festgenommen. Seine Kommentare bezogen sich auf den Umgang des Parlamentspräsidenten mit den Berichten zweier Parlamentsausschüsse, bevor die Berichte im Parlament diskutiert wurden. Die Ausschüsse waren eingesetzt worden, um sich mit der Schürfung von Tansanit und Diamanten zu befassen. Zitto Kabwe erschien am 22. September vor dem Parlamentarischen Ausschuss für Vorrechte, Ethik und Befugnisse der Abgeordneten und wurde anschließend freigelassen. Ende 2017 hatte der Ausschuss noch keinen Bericht über die Anhörung an den Parlamentspräsidenten geschickt. 

Am 31. Oktober 2017 wurde Zitto Kabwe unter dem Vorwurf, falsche Statistiken über das Wirtschaftswachstum Tansanias veröffentlicht zu haben, erneut von der Polizei festgenommen. Gemäß Paragraph 37(5) des Statistikgesetzes (Statistics Act) von 2017 machen sich Stellen oder Personen strafbar, die amtliche Statistikdaten auf eine Art und Weise veröffentlichen oder verbreiten, die geeignet ist, Tatsachen zu verzerren. Diese Handlung kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder mit beidem geahndet werden. Am 31. Oktober wurde Zitto Kabwe ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Tundu Lissu, Präsident der Anwaltskammer von Tanganyika und Abgeordneter der oppositionellen Partei für Demokratie und Fortschritt (Chadema), wurde am 21. Oktober 2017 nach Kritik an Präsident John Magufuli unter dem Vorwurf der „Hassrede“ festgenommen. Er hatte am 17. Juli 2017 in einer öffentlichen Rede erklärt, dass die Regierung bei der Einstellung von Mitarbeitern Kandidaten aus bestimmten Familien, Ethnien und Regionen benachteilige und die Erteilung von Arbeitserlaubnissen von der Religionszugehörigkeit der Antragsteller abhängig mache. Außerdem hatte er den Präsidenten als Diktator bezeichnet. Nachdem ihn die Polizei verhört hatte, wurde er noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt

Die Medienfreiheit wurde stark eingeschränkt. Präsident Magufuli erklärte im Januar 2017, dass die „unethischen“ Tage der Zeitungen gezählt seien. Zwischen Juni und September 2017 wurden drei Zeitungen – MwanaHalisiMawio und Raia Mwema – wegen „unethischer“ Berichterstattung oder des Aufrufs zur Gewalt mit einem befristeten Publikationsverbot belegt oder ganz verboten. Am 15. Juni 2017 verbot der Minister für Information, Sport und Kultur die Zeitung Mawio für die Dauer von zwei Jahren. Das Blatt hatte Artikel veröffentlicht, in denen zwei ehemalige Präsidenten mit mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bezüglich Schürfverträgen, die in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre geschlossen worden waren, in Verbindung gebracht wurden. Am 19. September 2017 belegte die Regierungsbehörde Information Service Directorate die Zeitung MwanaHalisi mit einem zweijährigen Erscheinungsverbot. Die Behörde warf dem Blatt Beleidigung des Präsidenten und die Veröffentlichung „unethischer“ Berichte vor. Damit war die Zeitung binnen drei Monaten zum zweiten Mal verboten worden.

Am 17. März 2017 fand unter der Leitung des Kommissars für Regionalpolitik der Region Daressalam eine Durchsuchung der Cloud Media Group statt. Grund dafür war nach vorliegenden Informationen die Entscheidung des Medienkanals, ein Video, in dem ein beliebter Geistlicher aus Daressalam diskreditiert werden sollte, nicht auszustrahlen.

Im September 2017 wurden Bestimmungen über elektronische Kommunikation und Postdienste erlassen, die die freie Meinungsäußerung im Internet beschnitten. Auf der Grundlage dieser Regelungen haften Nutzer sozialer Medien und Produzenten von Online-Inhalten für Material, das als „unanständig, obszön, als Hassrede, extreme Gewalt oder als Material angesehen wird, das geeignet ist, andere zu beleidigen oder aufzuwiegeln, andere Nutzer zu belästigen, Schaden oder Böses anzudrohen, zu Verbrechen ermutigen oder anstacheln oder öffentliche Unruhen auslösen kann“. Personen, die dieser Vergehen für schuldig befunden werden, müssen mit einer Geldstrafe von 5 Mio. tansanischen Schilling (etwa 2000 Euro) oder einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder mit beidem rechnen.

Recht auf Bildung

Am 22. Juni 2017 gab Präsident Magufuli eine Erklärung ab, in der er schwangeren Mädchen den weiteren Besuch staatlich finanzierter Schulen untersagte. Er erklärte: „Solange ich Präsident bin, wird es schwangeren Schülerinnen verboten sein, den Schulbesuch wiederaufzunehmen.“ Er sagte, dass junge Mütter sich für eine Berufsausbildung entscheiden oder Unternehmerinnen werden könnten. Es solle ihnen jedoch nicht erlaubt werden, formale Bildungsgänge des staatlichen Schulwesens zu absolvieren. Der Innenminister drohte am 25. Juni, Organisationen, die sich dem Verbot des Präsidenten widersetzten und schwangeren Mädchen sowie minderjährigen Müttern Schulunterricht gaben, aus dem Zulassungsregister zu löschen.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Nach Angaben des Amtes des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) hielten sich Ende Oktober 2017 359494 Flüchtlinge aus Burundi in Tansania auf (siehe auch Länderkapitel zu Burundi). Am 20. Januar 2017 widerrief der Innenminister die Entscheidung, alle Mitglieder der Gruppe von Asylsuchenden aus Burundi als Flüchtlinge anzuerkennen (prima facie). Neuankömmlinge mussten nun Einzelfallverfahren durchlaufen, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Das UNHCR wies in eindringlichen Worten auf die „alarmierende“ Lage der Flüchtlinge in Tansania hin. Dies gelte ganz besonders für das Lager in Nduta. In dem ursprünglich für 50000 Menschen ausgelegten Lager lebten Ende 2017 mehr als 127000 Flüchtlinge. Das UNHCR und seine Partner verfügten nicht über ausreichende Ressourcen, um sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt verhindern oder auf derartige Fälle angemessen reagieren zu können. Das UNHCR äußerte sich besorgt über die durch die Überfüllung gegebenen Risiken für die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen im Lager. Das Welternährungsprogramm (WFP) appellierte am 27. August 2017 an die Geberländer, die dringend benötigten Gelder für die Ernährung der Flüchtlinge in Tansania bereitzustellen, da das WFP sonst die Lebensmittelrationen noch weiter reduzieren müsse. Einige Flüchtlinge bewerteten die regelmäßige Nahrungs- und Wasserknappheit in den Lagern in Tansania als Druckmittel, um sie zur Rückkehr nach Burundi zu bewegen. Diese Sichtweise stützte sich insbesondere auf Äußerungen von Präsident Magufuli während des Besuchs des burundischen Präsidenten Pierre Nkurunziza im Juli 2017, als er die Flüchtlinge zu einer Rückkehr nach Burundi aufforderte. 

Tansania betrieb de facto eine Internierungspolitik, in deren Rahmen Flüchtlingen, die Lager ohne Erlaubnis verließen, Geldstrafen oder Festnahmen drohten.

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