Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Netherlands

Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus wurden nach wie vor ihre Rechte vorenthalten. Neue Sicherheitsgesetze bedrohten Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen nach ethnischen Kriterien durch die Polizei gab nach wie vor Anlass zu ernsthafter Besorgnis, ebenso wie der Einsatz von Elektroschockwaffen bei der routinemäßigen Polizeiarbeit. 

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

Nachdem die Zahlen mehrere Jahre in Folge gesunken waren, stieg die Anzahl der inhaftierten Flüchtlinge und Migranten wieder an. Die Regierung zog nicht in ausreichendem Maße Alternativen zur Inhaftierung in Betracht. Zugleich wurden Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der (fortgesetzten) Inhaftierung einer Person nur unzureichend überprüft. Ein Gesetzentwurf zur Regelung der Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten war bis Ende 2017 noch nicht verabschiedet worden. Der Entwurf sah zwar geringfügige Verbesserungen vor, doch würde das Inhaftierungssystem in Bezug auf die Einrichtungen, die Haftbedingungen und die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen, darunter die Unterbringung in Isolationszellen und der Einsatz von Handschellen, nach wie vor „gefängnisartig“ bleiben. 

Trotz der sich zunehmend verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan wurden abgelehnte Asylsuchende, darunter Familien mit Kindern, auch weiterhin aus den Niederlanden nach Afghanistan abgeschoben. Dies bedeutete einen Bruch des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip).

Recht auf einen angemessenen Lebensstandard

Die Behörden zeigten sich nach wie vor nicht bereit, die Empfehlung des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umzusetzen, allen Menschen, einschließlich Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, vorbehaltlos Zugang zu sämtlichen Grundversorgungsleistungen zu gewähren, die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte genannt werden (darunter die Rechte auf Nahrung, Wohnung, Gesundheit, Wasser und Sanitärversorgung), und dafür zu sorgen, dass dies durch ausreichende Mittel unterstützt wird.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Im März 2017 traten zwei Antiterrorgesetze in Bezug auf Personen in Kraft, die im Verdacht stehen, eine Gefahr für die nationale Sicherheit darzustellen. Das erste umfasste administrative Kontrollmaßnahmen gegenüber den Betroffenen, darunter Reiseverbote und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie Kontaktverbote in Bezug auf bestimmte Personen. Das Gesetz enthielt keine ausreichenden Garantien gegen willkürlichen und diskriminierenden Gebrauch. Das zweite Verwaltungsgesetz ermöglicht die Aberkennung der niederländischen Staatsbürgerschaft bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, die im Verdacht stehen, ins Ausland gereist zu sein, um sich dort einer bewaffneten Gruppierung anzuschließen. Die Gesetze enthielten keine sinnvollen und effektiven Verfahrensgarantien, um gegen diese Maßnahmen rechtlich vorzugehen. 

Im Juli 2017 wurde das Gesetz über Geheim- und Sicherheitsdienste verabschiedet. Damit erhielten Geheim- und Sicherheitsdienste umfassende Überwachungsbefugnisse, welche die Rechte auf Privatsphäre, freie Meinungsäußerung und den Schutz vor Diskriminierung bedrohten. Die Verfahrensgarantien gegen einen Missbrauch dieser Befugnisse waren unzureichend. Nach wie vor gab es ernsthafte Besorgnis über einen möglichen Informationsaustausch mit Geheimdiensten in Ländern, die solche Informationen dazu benutzen könnten, Menschenrechtsverteidiger und Regierungsgegner unter Druck zu setzen. 

Personen, die wegen terrorismusbezogener Straftaten verdächtigt wurden oder verurteilt worden waren, kamen nach wie vor automatisch in ein spezielles Hochsicherheitsgefängnis, wo sie unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt waren.

Polizei und Sicherheitskräfte

Die Polizei führte zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen anhand äußerer Erscheinungsmerkmale Berufsstandards ein und entwickelte ein Trainingsmodul zum Thema. Mit diesen Maßnahmen sollte ein fairer und effektiver Einsatz von Polizeikontrollen auf den Straßen gewährleistet werden. Ihre Wirksamkeit blieb jedoch unklar, da weder systematisch überwacht noch aufgezeichnet wurde, wie diese Polizeikontrollen in der Praxis vor sich gingen. 

Im Februar 2017 begann die Polizei versuchsweise mit dem Einsatz von Elektroschockwaffen vom Typ Taser X2. Polizeiprotokolle von Februar bis August zeigten, dass die Taserwaffen in Situationen benutzt wurden, wo weder akute Lebensgefahr noch ein hohes Verletzungsrisiko bestand. Darüber hinaus wurden sie in mehr als der Hälfte der Fälle im Kontaktmodus benutzt, u. a. nachdem der betroffenen Person bereits Handschellen angelegt worden waren oder als diese sich bereits in einer Arrestzelle, einem Polizeifahrzeug oder in einer Isolationszelle einer psychiatrischen Klinik befand. Diese Art der Verwendung steht nicht im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards.

Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit

Der Gesetzentwurf der Regierung, gesichtsbedeckende Kleidung an bestimmten öffentlichen Orten zu verbieten, war bis Ende 2017 noch nicht vom Senat gebilligt worden. Das Verbot würde die Rechte auf Religionsfreiheit und freie Meinungsäußerung einschränken, vor allem für muslimische Frauen.

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