Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia

Die neue Regierung versprach, mehrere repressive Gesetze zu überarbeiten und die Sicherheitskräfte zu reformieren. Es wurden erste Schritte eingeleitet, um mit der juristischen Aufarbeitung der Vergangenheit zu beginnen.

Hintergrund

Nach Vermittlungsbemühungen von Staatschefs aus der Region und angesichts einer drohenden militärischen Intervention der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) akzeptierte der abgewählte Staatspräsident Yahya Jammeh seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl vom Dezember 2016 und ging am 21. Januar 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea. Die ECOWAS stationierte Truppen in Gambia, die dort bis Mitte 2018 bleiben sollen. Der Sieger der Präsidentschaftswahl, Adama Barrow, legte am 19. Januar 2017, noch während der politischen Krise, seinen Amtseid in der gambischen Botschaft im Nachbarland Senegal ab.

Gesetzliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen

Im Februar 2017 brach die neue Regierung das Verfahren zum Austritt Gabuns aus dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ab, das vom früheren Präsidenten Jammeh eingeleitet worden war.

Am 20. September 2017 unterzeichnete Gambia das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und vollzog damit einen erkennbaren Schritt hin zur Abschaffung der Todesstrafe. 

Es gab erste Überlegungen zu einer Reform der Verfassung und repressiver Gesetze, die unter dem früheren Präsidenten Jammeh in Kraft getreten waren.

Das Parlament verabschiedete am 13. Dezember 2017 Gesetze über eine Kommission zur Verfassungsreform und über eine Menschenrechtskommission.

Politische Gefangene

Von Dezember 2016 bis Januar 2017 wurden Dutzende gewaltlose politische Gefangene, darunter Amadou Sanneh und Ousainou Darboe, sowie andere politische Gefangene freigelassen. Staatspräsident Barrow begnadigte am 30. Januar 2017 Ousainou Darboe und zahlreiche weitere Personen, die festgenommen worden waren, weil sie im April 2016 an einer friedlichen Demonstration teilgenommen hatten.

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen entsprachen nicht den internationalen Standards. Die sanitären Einrichtungen sowie die Lebensmittel- und die medizinische Versorgung waren unzureichend. Im Februar 2017 kamen aus Anlass der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag 174 Häftlinge frei. Im März wurden 84 weitere Gefangene aus der Haft entlassen, um der Überbelegung in den Gefängnissen entgegenzuwirken. Es gab kaum Angebote zur Rechtsberatung, vor allem außerhalb der Hauptstadt Banjul. Um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken, wurden neue Richter ernannt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die neue Regierung versprach, mehrere repressive Mediengesetze zu überarbeiten. Einige Journalisten, die wegen Repressalien oder Haftandrohungen unter der Regierung von Präsident Jammeh ins Exil geflohen waren, kehrten nach Gambia zurück.

Am 19. Februar 2017 wurde eine Frau unter dem Vorwurf, Präsident Barrow beleidigt zu haben, wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen und inhaftiert. Sie kam am 2. März gegen Kaution frei. Das zuständige Gericht in Brikama stellte das Verfahren gegen sie am 3. April ein.

Bei einem Symposium zum Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten gab die Regierung im November 2017 bekannt, sie werde sich an die Urteile des ECOWAS-Gerichtshofs halten, der festgestellt hatte, dass der Staat an Menschenrechtsverletzungen gegen die drei Journalisten Deyda Hydara, Chief Ebrima Manneh und Musa Saidykhan beteiligt war. Dies würde auch die Aushandlung von Entschädigungszahlungen mit den Familien der Opfer bedeuten.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Eine Reform der Gesetze, die das Recht auf Versammlungsfreiheit einschränkten, stand 2017 noch aus. Der Oberste Gerichtshof entschied am 23. November, dass Artikel 5 des Gesetzes über öffentliche Ordnung von 1961, dem zufolge eine friedliche Versammlung polizeilich genehmigt werden muss, verfassungsgemäß sei.

Am 2. Juni 2017 setzten ECOWAS-Soldaten in Kanilai scharfe Munition ein, um eine Menschenmenge auseinanderzutreiben, die in der Nähe des ehemaligen Wohnhauses von Ex-Präsident Jammeh demonstrierte. Dabei starb eine Person, und mindestens sechs Menschen wurden verletzt. Die Regierung sicherte eine Untersuchung des Vorfalls zu, doch waren Ende 2017 noch keine entsprechenden Informationen veröffentlicht worden.

Die Bewegung Occupy Westfield, die friedlich gegen Ausfälle der Strom- und Wasserversorgung demonstrieren wollte, erhielt zunächst eine Erlaubnis der Behörden. Am 11. November 2017 wurde die Genehmigung jedoch widerrufen, und am 12. November löste die Bereitschaftspolizei die Demonstration auf.

Polizei und Sicherheitskräfte

Die Regierung benannte den Geheimdienst National Intelligence Agency (NIA), der unter der Regierung von Jammeh Menschen gefoltert und willkürlich inhaftiert hatte, im Februar 2017 in State Intelligence Services um und entzog ihm die Befugnis, Inhaftierungen durchzuführen Die Veränderungen wurden jedoch nicht durch neue Gesetze abgesichert. In den folgenden Monaten wurden die Leiter von Polizei, Gefängnisverwaltung, Geheimdienst und Militär abgelöst. Es gab allerdings keine grundlegenden Reformen dieser Institutionen und keine Sicherheitsüberprüfung von Personen, die schwere Menschenrechtsverletzungen verübt hatten. Zivilgesellschaftliche Gruppen kritisierten, dass die Regierung keine Maßnahmen ergriff, um Dokumente und materielle Beweise für Übergriffe der Sicherheitskräfte, vor allem des NIA, sicherzustellen.

Im Juli 2017 wurden zwölf Soldaten inhaftiert, denen man „aufrührerische und umstürzlerische“ Beiträge in den sozialen Medien zur Unterstützung von Ex-Präsident Jammeh zur Last legte. Sie wurden ohne Anklageerhebung in Militärgewahrsam festgehalten und erst am 17. November 2017 vor Gericht gestellt, wodurch die in der Verfassung festgelegte Frist für Inhaftierungen überschritten wurde. Am 27. November wurden zehn der Soldaten wegen Verrat und Meuterei angeklagt, die beiden anderen wegen fahrlässiger Behinderung rechtmäßigen Gewahrsams.

Juristische Aufarbeitung der Vergangenheit

Im Januar 2017 wurden zehn Soldaten, denen man die Beteiligung an Tötungen und Fällen von Verschwindenlassen zur Last legte, festgenommen und inhaftiert. Es wurde jedoch keine Anklage gegen sie erhoben. Ende 2017 befanden sie sich weiterhin in Haft.

Im Februar 2017 begann ein strafrechtliches Verfahren gegen den ehemaligen Direktor und acht weitere Angehörige des NIA. Ihnen wurde vorgeworfen, im April 2016 den Oppositionspolitiker Solo Sandeng ermordet zu haben.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und internationale Menschenrechtsgruppen schlossen sich im Oktober 2017 zu einem Bündnis zusammen, um zu erreichen, dass der frühere Staatspräsident Jammeh und weitere Personen, die während seiner Regierungszeit schwere Menschenrechtsverletzungen verübt hatten, zur Verantwortung gezogen werden.

Der ehemalige Innenminister Ousmane Sonko wurde im Januar 2017 in der Schweiz wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Regierungszeit Jammehs in Untersuchungshaft genommen. Er war von 2006 bis zu seiner Flucht aus Gambia im September 2016 Innenminister.

Am 13. Dezember 2017 verabschiedete das Parlament das Gesetz über die Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Wiedergutmachung (Truth, Reconciliation and Reparation Commission – TRRC), die Vorfälle aus der Regierungszeit Jammehs untersuchen soll. Der Gesetzentwurf war zuvor mit nationalen und internationalen Akteuren beraten worden.

Am 10. August 2017 wurde eine Kommission eingesetzt, um Vorwürfen der Misswirtschaft im Umgang mit öffentlichen Geldern und des Amtsmissbrauchs durch den früheren Präsidenten Jammeh nachzugehen. Die Regierung ließ außerdem Vermögenswerte einfrieren, die dem Ex-Präsidenten gehören sollen.

Im Februar 2017 wurde eine Spezialeinheit der Polizei geschaffen, die in Fällen des Verschwindenlassens während der Regierungszeit Jammehs ermitteln soll. Im März wurden die sterblichen Überreste von Solo Sandeng und drei weiteren Menschen exhumiert, die möglicherweise Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. Es war zu erwarten, dass die Spezialeinheit der Polizei der TRRC eine Liste der vermissten Personen übergeben würde, damit diese den Fällen nachgehen kann.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen galten weiterhin als strafbare Handlung. Ein Gesetz vom Oktober 2014 sah z. B. für „schwere Homosexualität“ Freiheitsstrafen bis hin zu lebenslanger Haft vor. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche waren nach wie vor Diskriminierung und Drohungen nichtstaatlicher Akteure ausgesetzt.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Im November 2017 legten die Regierung und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit ein umfassendes Programm zur Sexualerziehung in Schulen auf.

Weibliche Genitalverstümmelung war trotz eines gesetzlichen Verbots nach wie vor weit verbreitet. Die Regierung bereitete mit Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit eine Kommunikationsstrategie vor, um die Bevölkerung besser über die schädlichen Auswirkungen der weiblichen Genitalverstümmelung aufzuklären.

Schwangerschaftsabbrüche waren weiterhin strafbar. Ausgenommen waren lediglich Fälle, in denen das Leben der Schwangeren in Gefahr war.

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