Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh

Bangladesch nahm 2017 mehr als 655000 Rohingya-Flüchtlinge auf, die aus dem myanmarischen Staat Rakhine vertrieben worden waren. Mitglieder der Oppositionspartei Jamaat-e-Islami wurden willkürlich festgenommen. Menschenrechtsverteidiger waren Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt. Die Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit blieben 2017 eingeschränkt. Nach wie vor wurden Menschen Opfer des Verschwindenlassens. Die Strategie, mit der die Behörden Gewalttaten bewaffneter Gruppen bekämpften, führte weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche wurden nach wie vor schikaniert und festgenommen. Die Sicherheitskräfte schützten die indigene Bevölkerung in den Chittagong Hill Tracts nicht vor Gewalt. Erfreulich war, dass die extreme Armut nach einem Jahrzehnt anhaltenden Wirtschaftswachstums zurückging.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Es gab 2017 nach wie vor Berichte über tätliche Angriffe auf Journalisten. Zu den Opfern zählte Abdul Hakim Shimul, der erschossen wurde. 

Die Regierung nutzte weiterhin repressive Gesetze, um die Meinungsfreiheit in unangemessener Weise einzuschränken und Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gezielt zu verfolgen und zu schikanieren. Bestimmungen des Gesetzes über Informations- und Kommunikationstechnologie (Information and Communications Technology Act), die sich dafür eigneten, Menschen ungerechtfertigt zu verfolgen, blieben unverändert in Kraft, obwohl Menschenrechtsorgane und -institutionen wiederholt gefordert hatten, diese abzuschaffen. Die Regierung bekräftigte ihre Absicht, ein Gesetz über Digitale Sicherheit (Digital Security Act) auf den Weg zu bringen, das zu weiteren Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet führen könnte. 

Die Untersuchungen zu den Tötungen säkularer Aktivisten in den Jahren 2015 und 2016 waren noch nicht abgeschlossen. Im März 2017 wurde die bewaffnete Gruppe Ansar al-Islam verboten, die sich zu den Tötungen bekannt hatte. Die schleppende strafrechtliche Verfolgung sorgte in der Zivilgesellschaft jedoch nach wie vor für Beunruhigung.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche

Aktivisten, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI) einsetzten, wurden weiterhin ständig schikaniert und von staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren willkürlich inhaftiert. Nachdem die bewaffnete Gruppe Ansar al-Islam im Jahr 2016 Aktivisten getötet hatte, herrschte in der LGBTI-Gemeinschaft eine noch größere Angst als zuvor, und viele Aktivisten hielten sich weiterhin versteckt. Im Mai 2017 nahmen die Behörden 28 Männer offenbar wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung ins Visier. Sie wurden an einem Ort im Stadtteil Keraniganj der Hauptstadt Dhaka festgenommen, der als Treffpunkt schwuler Männer gilt, und beschuldigt, gegen das Betäubungsmittelgesetz von 1990 verstoßen zu haben.

Wegen der Tötung der LGBTI-Aktivisten Xulhaz Mannan, Mahbub Rabbi Tanoy, Avijit Roy und Niladry Niloy im Jahr 2016 wurde niemand vor Gericht gestellt, obwohl es 2017 mindestens eine Festnahme in diesem Zusammenhang gab.

Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Das Recht auf Versammlungsfreiheit war weiterhin drastisch eingeschränkt. Oppositionspolitikern wurde das Recht verwehrt, Wahlkampfveranstaltungen und -kundgebungen abzuhalten. Das Gesetz über die ausländische Finanzierung (Foreign Donations [Voluntary Activities] Regulation Act) behinderte nach wie vor die Arbeit von NGOs.

Verschwindenlassen

Die Sicherheitskräfte ließen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“. Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Einige der „Verschwundenen“ wurden später tot aufgefunden. Im Februar 2017 wies die UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen in einer an die Behörden gerichteten Stellungnahme darauf hin, dass die Anzahl der „verschwundenen“ Personen in den vergangenen Jahren beträchtlich angestiegen sei. Berichten zufolge wurden 2017 mindestens 80 Personen Opfer des Verschwindenlassens. 

Nach sechs Monaten Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wurde Hummam Quader Chowdhury im März 2017 freigelassen. Er ist der Sohn eines führenden Politikers der Oppositionspartei Bangladesh Nationalist Party (BNP), der 2015 hingerichtet worden war. Es mehrten sich die Sorgen über das Schicksal von Mir Ahmad Bin Quasem und Abdullahil Amaan, die seit August 2016 „verschwunden“ waren und deren Väter ebenfalls Oppositionspolitiker waren, die man hingerichtet hatte. Im April 2017 strahlte der schwedische Rundfunk ein heimlich aufgenommenes Interview aus, in dem ein ranghohes Mitglied der Schnellen Eingreiftruppe (Rapid Action Battalion) schilderte, wie die Einheit Personen „verschwinden“ ließ und außergerichtlich hinrichtete. Im Oktober 2017 entführten mutmaßliche Angehörige des militärischen Geheimdienstes den Universitätsdozenten Mubashar Hasan. Nach 44 Tagen wurde er wieder freigelassen.

Justizsystem

Die zunehmende Einflussnahme der Regierung auf die Justiz bot Anlass zur Besorgnis. Im Juli 2017 kippte der Oberste Gerichtshof unter Vorsitz des Obersten Richters eine umstrittene Verfassungsänderung (Änderung Nr. 16), die dem Parlament die Befugnis erteilt hätte, Richter des Obersten Gerichtshofs wegen Fehlverhalten oder Unfähigkeit ihres Amtes zu entheben. Nach dem Urteil übte die Regierungschefin Sheikh Hasina Wajed Kritik am Obersten Richter Surendra Kumar Sinha. Dieser trat daraufhin im November 2017 von seinem Amt zurück und verließ das Land unter Umständen, die vermuten ließen, dass die Regierung nach der Ablehnung der Verfassungsänderung Druck ausgeübt hatte.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Von August 2017 an flohen mehr als 655000 mehrheitlich muslimische Rohingya vor der Gewalt des myanmarischen Militärs im nördlichen Teil des Staates Rakhine nach Bangladesch, was zu einer humanitären Krise im Bezirk Cox’s Bazar führte. Die vom myanmarischen Militär verübte ethnische Säuberung kam Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Völkerrecht gleich (siehe Länderbericht Myanmar). Im Bezirk Cox’s Bazar lebten bereits etwa 400000 Rohingya-Flüchtlinge, die in den Jahren zuvor der Gewalt und Verfolgung durch das myanmarische Militär entkommen waren. 

Bangladesch lehnte es weiterhin ab, Rohingya offiziell als Flüchtlinge anzuerkennen. In zahlreichen Berichten war von starker Unterernährung der Geflüchteten die Rede. Besonders betroffen waren Minderjährige, die 61 % der Neuankömmlinge ausmachten. 

Für Frauen und Mädchen der Rohingya bestand ein hohes Risiko, Opfer von Menschenhandel sowie sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Die Gefahr ging dabei sowohl von anderen Flüchtlingen als auch von der lokalen Bevölkerung aus. Unzulängliche Schutzmaßnahmen und Anlaufstellen in den Aufnahmelagern, schlechte Lebensbedingungen, eine mangelnde Zivilverwaltung und Polizeipräsenz sowie der fehlende Zugang zumJustizsystem und anderen öffentlichen Leistungen verschärften die Gefahrenlage noch zusätzlich. Neu eingetroffene Rohingya lebten unter erbärmlichen Bedingungen und durften die Lager nicht verlassen. 

Im November 2017 verständigten sich die Regierungen von Myanmar und Bangladesch darauf, neu angekommenen Flüchtlingen die Rückkehr nach Myanmar zu erleichtern. Die Bestimmungen des Abkommens könnten einen Verstoß gegen internationale Standards zur freiwilligen Rückkehr und gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) darstellen. Die Übereinkunft schuf die Voraussetzungen dafür, Hunderttausende Rohingya nach Myanmar abzuschieben, wo ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach. Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death [Prevention] Act) aus dem Jahr 2013 wurde nur unzureichend umgesetzt. Gründe dafür waren mangelnder politischer Wille und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden.

Todesstrafe

Zahlreiche Menschen wurden 2017 zum Tode verurteilt. Die Behörden vollstreckten Hinrichtungen. 

Das Internationale Strafgericht für Bangladesch (International Crimes Tribunal), ein nationales Gericht, das die Ereignisse während des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1971 untersuchen soll, verurteilte im April 2017 zwei Personen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode. Das Gericht schloss außerdem die Anhörungen im Prozess gegen sechs mutmaßliche Kriegsverbrecher ab, denen Massenmord, Entführung, Plünderung und Brandstiftung in Gaibandha während des Krieges im Jahr 1971 zur Last gelegt wurde. Der Prozess war Ende 2017 noch nicht abgeschlossen. Es gab erhebliche Bedenken bezüglich der Fairness des Verfahrens. So wurde z. B. den Verteidigern nicht genügend Zeit zur angemessenen Vorbereitung eingeräumt und die Anzahl der Zeugen willkürlich eingeschränkt.

Chittagong Hill Tracts

Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen. Ende 2017 hatten die Menschen, die durch den Angriff obdachlos geworden waren, noch keine neuen Unterkünfte erhalten. Ein in den sozialen Medien veröffentlichtes Video zeigte, wie Soldaten mit exzessiver Gewalt gegen Studierende vorgingen, die friedlich gegen den Gewaltausbruch und gegen das Verschwindenlassen der Aktivistin Kalpana Chakma protestierten. Sie hatte sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingesetzt und war 1996 entführt worden; seither ist ihr Verbleib unbekannt. Der Aktivist Mithun Chakma, der für die Rechte von Indigenen eintrat, musste bis zu achtmal pro Monat vor Gericht erscheinen, um sich zu Vorwürfen zu äußern, die gegen ihn erhoben worden waren, und konnte seiner Arbeit als Menschenrechtsverteidiger kaum noch nachgehen. Er bezeichnete seine Situation als „erstickend“. Die Behörden hatten ihn wegen Artikeln über Menschenrechtsverletzungen, die er in den sozialen Medien veröffentlicht hatte, in elf verschiedenen Verfahren angeklagt, teilweise auf Grundlage des Gesetzes über Informations- und Kommunikationstechnologie.

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