Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Bahrain

Die Regierung startete 2017 eine breitangelegte Kampagne, um jegliche abweichende Meinungsäußerung zu unterdrücken, indem sie die Rechte von Menschenrechtsverteidigern und Regierungskritikern auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit massiv beschnitt. Menschenrechtsverteidiger waren Reiseverboten, Festnahmen, Verhören und willkürlicher Inhaftierung ausgesetzt. Außerdem wurden im Zuge dieses Vorgehens die oppositionelle Vereinigung Wa‘ad aufgelöst und die Zeitung al-Wasat geschlossen. Führende Oppositionelle blieben in Haft. Zahlreiche Menschen erhielten lange Gefängnisstrafen nach unfairen Gerichtsverfahren. Die Behörden entzogen mindestens 150 Personen die bahrainische Staatsbürgerschaft, wodurch die meisten von ihnen staatenlos wurden. Die Sicherheitskräfte gingen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Massenproteste vor. Dabei wurden fünf Männer und ein 17-Jähriger getötet und Hunderte weitere Personen verletzt. Nach fast sieben Jahren ohne Hinrichtungen wurden 2017 erstmals wieder Todesurteile vollstreckt.

Hintergrund

Gemeinsam mit Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten brach Bahrain im Juni 2017 seine diplomatischen Beziehungen zu Katar ab. Bahrain beteiligte sich weiterhin an der von Saudi-Arabien geführten internationalen Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff (siehe Länderbericht Jemen).

Das im Januar erlassene Dekret 1/2017 ermächtigte den Geheimdienst, in Fällen „terroristischer Straftaten“ Festnahmen und Verhöre vorzunehmen. Damit wurde eine Empfehlung der Unabhängigen Untersuchungskommission Bahrains zurückgewiesen. Im April 2017 wies der König eine weitere Empfehlung der Kommission zurück, indem er eine Verfassungsänderung unterzeichnete, die es erneut ermöglichte, Zivilpersonen vor Militärgerichte zu stellen. Im Dezember 2017 wurden im ersten derartigen Verfahren, das im Oktober begonnen hatte, sechs Männer von einem Militärgericht zum Tode verurteilt. Im Juni 2017 billigte die Abgeordnetenversammlung ein Dekret, durch das Personen, denen die Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, die ihre Staatsbürgerschaft verloren oder ohne Genehmigung eine ausländische Staatsbürgerschaft angenommen hatten, ihren Anspruch auf Altersbezüge und Sozialleistungen verloren.

Im März 2017 genehmigte die US-Regierung den Verkauf von F-16-Kampfjets und Lieferungen zur Nachrüstung älterer Flugzeuge an Bahrain. Die vorhergehende US-Regierung hatte die Exportgenehmigung noch von einer Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain abhängig gemacht. 

Die Regierung verweigerte Vertretern internationaler Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten, die Bahrain kritisch gegenüberstanden, 2017 nach wie vor die Einreise. Dies betraf auch Amnesty International.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung 2017 weiterhin drastisch ein. Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten und schiitische Geistliche, die sich kritisch über die bahrainische Regierung, die saudi-arabischen Behörden oder die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz im Jemen äußerten, wurden festgenommen, inhaftiert, verhört und strafrechtlich verfolgt. Nachdem die Regierung die Beziehungen zu Katar abgebrochen hatte, gab sie bekannt, dass Sympathiebekundungen für das Land verboten seien. Ein Rechtsanwalt wurde in diesem Zusammenhang festgenommen und inhaftiert. Menschenrechtsverteidiger und führende Oppositionelle, die in den vergangenen Jahren willkürlich inhaftiert worden waren, weil sie friedlich Kritik geübt hatten, saßen weiterhin als gewaltlose politische Gefangene im Gefängnis.

Im Mai 2017 wurde die Menschenrechtsverteidigerin Ebtisam al-Saegh vom Geheimdienst festgenommen und verhört. Sie gab an, während der Verhöre sexuell missbraucht und auf andere Weise gefoltert worden zu sein. Im Juli wurde sie erneut festgenommen, und ein Gericht ordnete bis zum Abschluss der Ermittlungen weitere sechs Monate Untersuchungshaft an. Im Oktober kam Ebtisam al-Saegh frei, ohne über den rechtlichen Status des Verfahrens gegen sie informiert zu werden. Im Juli 2017 verurteilte ein Gericht den Menschenrechtsverteidiger Nabeel Rajab zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe wegen „Verbreitung falscher Informationen und Gerüchten mit dem Ziel, das Land zu diskreditieren“. Im November wurde das Strafmaß im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Behörden schränkten die Medien weiterhin stark ein und nahmen Journalisten ins Visier. Die einzig verbliebene unabhängige Zeitung al-Wasat musste ihr Erscheinen zeitweise einstellen und wurde später geschlossen, nachdem sie über Proteste in Marokko berichtet hatte. Im Mai 2017 wurde die Journalistin Nazeeha Saeed für schuldig befunden, ihrer Arbeit nachgegangen zu sein, ohne ihre Akkreditierung bei der Pressebehörde verlängert zu haben. Sie wurde zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Bahrain-Dinar (etwa 2200 Euro) verurteilt. Ein Berufungsgericht bestätigte die Strafe im Juli.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Die Behörden hielten die unangemessenen Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit aufrecht. Führende Vertreter von Oppositionsparteien wie al-Wifaq saßen 2017 weiterhin im Gefängnis. Politische Aktivisten und Mitglieder von Oppositionsparteien wurden schikaniert. Einige von ihnen gaben an, sie seien im Mai von Geheimdienstpersonal bedroht, gefoltert und anderweitig misshandelt worden.

Im Februar 2017 bestätigte das Kassationsgericht die Auflösung der Oppositionspartei al-Wifaq. Im März erhob das Justizministerium Klage gegen die Oppositionsvereinigung Wa’ad wegen Verstößen gegen das Gesetz über politische Vereinigungen. Im Mai ordnete das Oberverwaltungsgericht die Auflösung von Wa’ad und die Beschlagnahmung ihrer Vermögenswerte an. Ein Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Oktober.

Die führenden Oppositionellen und gewaltlosen politischen Gefangenen Scheich Ali Salman und Fadhel Abbas Mahdi Mohamed waren weiterhin willkürlich inhaftiert. Im April 2017 wurde die Gefängnisstrafe gegen Scheich Ali Salman auf vier Jahre verkürzt. Im November 2017 wurde eine neue Anklage gegen ihn erhoben wegen Spionage für Katar im Jahr 2011, was er bestritt. Das Verfahren war Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen. Im März 2017 wurde der ehemalige Generalsekretär von Wa’ad, Ebrahim Sharif, wegen einer Reihe von Twitter-Beiträgen angeklagt, in denen er u. a. eine Graphik von Amnesty International verbreitet und mangelnde Demokratie in Bahrain beklagt hatte.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Demonstrationen in der Hauptstadt Manama waren weiterhin verboten, und die Behörden setzten unnötige und unverhältnismäßige Gewalt ein, um Protestaktionen zu beenden. Friedlich Demonstrierende wurden erneut festgenommen, inhaftiert und wegen „unerlaubter Zusammenkunft“ angeklagt. Nach der Hinrichtung von drei Männern im Januar 2017 kam es in 20 Dörfern zu überwiegend friedlichen Massenprotesten. In Duraz setzten Sicherheitskräfte scharfe Munition und halbautomatische Gewehre ein. Dabei wurden Hunderte Personen verletzt, darunter Mustapha Hamdan, der später seinen Verletzungen erlag. Im Februar 2017 gingen erneut Hunderte Menschen in mehreren Dörfern auf die Straße, nachdem die Behörden sich geweigert hatten, die Beerdigung von drei Männern zu genehmigen, die einen Monat zuvor bei einem Fluchtversuch aus dem Jaw-Gefängnis von der Küstenwache erschossen worden waren.

Die Behörden blockierten bis Mai 2017 den Zugang nach Duraz, wo Protestierende eine tägliche friedliche Sitzblockade vor dem Haus des schiitischen Scheichs Isa Qassem, des geistigen Führers von al-Wifaq, abhielten. Am 23. Mai drangen Sicherheitskräfte mit Hunderten von gepanzerten Fahrzeugen in den Ort ein, schlugen Protestierende und feuerten aus gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern Tränengas und Schrotladungen auf die Menge ab. Dabei wurden vier Männer und ein 17-jähriger Jugendlicher getötet. 

Im Februar 2017 nahmen die Behörden den Menschenrechtsverteidiger Nader Abdulemam fest, damit er den Rest einer sechsmonatigen Haftstrafe wegen „unerlaubter Zusammenkunft“ verbüßte. Er hatte auf Twitter dazu aufgerufen, im Januar 2013 an einer Protestaktion in Manama teilzunehmen. Die Haft des gewaltlosen politischen Gefangenen dauerte bis Juni 2017. 

Im Mai 2017 setzte ein Berufungsgericht die gegen Dr. Taha Derazi verhängte sechsmonatige Haftstrafe auf drei Monate herab. Er war wegen Teilnahme an einer „unerlaubten Zusammenkunft“ in Duraz im Juli 2016 verurteilt worden. Der gewaltlose politische Gefangene kam im August 2017 frei.

Recht auf Bewegungsfreiheit

Die Behörden verhängten 2017 weiterhin Reiseverbote gegen zahlreiche Menschenrechtsverteidiger und andere Regierungskritiker. Sie wurden auf diese Weise u. a. daran gehindert, an Sitzungen des UN-Menschenrechtsrats teilzunehmen. Wenige Tage bevor die Allgemeine Regelmäßige Überprüfung Bahrains durch den UN-Menschenrechtsrat begann, lud die Staatsanwaltschaft im April 32 Aktivisten vor. Die meisten von ihnen wurden wegen „unerlaubter Zusammenkunft“ angeklagt und durften nicht ausreisen. Nachdem die Allgemeine Regelmäßige Überprüfung des Landes abgeschlossen war, wurde ein Großteil der Reiseverbote im Juli wieder aufgehoben. Eine ähnliche Vorgehensweise wiederholte sich im September kurz vor der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats, bei der das Ergebnis der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung verabschiedet werden sollte.

Entzug der Staatsbürgerschaft

Die Behörden erwirkten Gerichtsbeschlüsse, um mindestens 150 Personen ihre bahrainische Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Die meisten von ihnen wurden damit faktisch staatenlos, da sie keine andere Staatsbürgerschaft besaßen. 2017 wurden keine Personen des Landes verwiesen. 

 

Folter und andere Misshandlungen

2017 gingen weiterhin Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen ein. Betroffen waren insbesondere Personen, die wegen terrorismusbezogener Straftaten verhört wurden. Berichten zufolge wurden allein im Mai acht Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten im Gewahrsam des Geheimdienstes gefoltert und anderweitig misshandelt. Es gab weiterhin unfaire Gerichtsverfahren, und Angeklagte, die sich wegen Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus verantworten mussten, wurden nach wie vor auf der Grundlage von mutmaßlich erpressten „Geständnissen“ verurteilt.

Gefangene im Dry-Dock- und im Jaw-Gefängnis klagten über Misshandlungen, Einzelhaft und unzureichende medizinische Versorgung. Nach dem Ausbruch von zehn Gefangenen aus dem Jaw-Gefängnis im Januar 2017 wurden neue willkürliche Bestimmungen eingeführt. So mussten Inhaftierte die meiste Zeit des Tages in ihren Zellen verbringen. Bei jedem Verlassen der Zelle wurden ihnen Bein- und Fußfesseln angelegt, selbst auf dem Weg zu einer ärztlichen Behandlung. Aus Protest gegen die vorgeschriebene Häftlingskleidung, die Fesselung und die obligatorische Leibesvisitation vor jeder ärztlichen Untersuchung weigerten sich elf inhaftierte Oppositionelle, darunter Abdulhadi al-Khawaya, Arzttermine wahrzunehmen. Im März 2017 reduzierte die Gefängnisverwaltung die Dauer der Familienbesuche von einer Stunde auf 30 Minuten und trennte die Gefangenen von ihren Besuchern durch eine Glaswand.

Der Student Ali Mohamed Hakeem al-Arab berichtete, dass er im Februar und März 26 Tage lang verhört und dabei gefoltert worden sei. Dabei habe man ihm u. a. seine Fußnägel ausgerissen, ihn mit Elektroschocks und Schlägen gequält und ihn gezwungen, ein „Geständnis“ zu unterzeichnen. Ebtisam al-Saegh und sieben weitere friedliche Regierungskritikerinnen gaben im Mai an, sie seien im Gewahrsam des Geheimdienstes gefoltert und anderweitig misshandelt worden (siehe oben).

Straflosigkeit

Es herrschte nach wie vor ein Klima der Straflosigkeit. Die Behörden unternahmen weiterhin nichts, um hochrangige Staatsbedienstete wegen Folter und anderer Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, die während oder seit den Protesten 2011 begangen worden waren. Im Fall des Jugendlichen und der fünf Männer, die zwischen Januar und Mai 2017 in Duraz von Sicherheitskräften getötet worden waren, gab es offenbar weder Ermittlungen noch eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen.

Rechte von Arbeitsmigranten

Arbeitsmigranten wurden noch immer von ihren Arbeitgebern ausgebeutet. Im März und im Juni 2017 beteiligten sich Arbeitsmigranten an friedlichen Märschen, um dagegen zu protestieren, dass ihre Arbeitgeber ihnen keinen Lohn auszahlten.

Todesstrafe

Nach einer Unterbrechung von fast sieben Jahren wurden 2017 wieder Todesurteile vollstreckt. Im Januar wurden drei bahrainische Staatsangehörige hingerichtet. Gerichte verhängten weiterhin Todesurteile u. a. für Mord und terrorismusbezogene Straftaten.

Verknüpfte Dokumente