Anfragebeantwortung zu Iran: Informationen zu Aktivitäten der Fatemiyoun-Miliz, u.a. Rekrutierung von im Iran lebenden afghanischen Männern [a-10703]

28. August 2018

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Informationen zu Aktivitäten der Fatemiyoun Miliz, u.a. Rekrutierung von im Iran lebenden afghanischen Männern

Atlantic Council, eine in Washington ansässige Denkfabrik für internationale Angelegenheiten, veröffentlicht im April 2017 einen Artikel, in dem berichtet wird, dass schiitisch-afghanische Truppen in Syrien mit 629 Gefallenen nach den libanesischen Hisbollah-Milizen die höchsten Verluste unter den für die syrische Regierung kämpfenden ausländischen Truppen zu verzeichnen hätten. Alle getöteten schiitisch-afghanischen Kämpfer seien Teil der „Fatemiyoun-Brigade“ gewesen. Die iranische Revolutionsgarde habe illegal im Iran aufhältige Afghanen für den Kampf in Syrien rekrutiert und ihnen dafür eine permanente Aufenthaltsgenehmigung im Iran sowie ein paar hundert US-Dollar Monatslohn versprochen. Die hohen Zahlen an gefallenen afghanischen Kämpfern in Syrien würden auf eine hohe Sterblichkeitsrate schließen lassen. Diese hänge damit zusammen, dass Afghanen als „Kanonenfutter“ benutzt würden. Afghanische Deserteure hätten berichtet, dass sie lediglich eine militärische Grundausbildung von ein paar Wochen absolviert hätten, bevor sie nach Syrien geschickt worden seien:

With at least 629 combat fatalities in Syria, Shia Afghan nationals suffered the second highest losses among foreign Shia fighters supporting the Syrian regime, second only to Lebanese fighters and surpassing Iranian fighters. […]

All Shia Afghan nationals killed in combat in Syria, were organized in the so-called Fatemiyoun Division. […]

Shia Afghan nationals did not leave their home country to fight in Syria. The IRGC [Islamic Revolutionary Guards Corps] recruited illegal Afghan immigrants in Iran in return for a permanent residence permit in Iran and a few hundred dollars monthly pay. In interviews with BBC Persian, defectors from the Fatemiyoun Division who fled to Turkey and Greece alongside Syrian refugees, further disclosed they received military training from the IRGC in Iran prior to their deployment in Syria by the civilian Iran registered Mahan Air. […]

Relatively high number of Shia Afghan combat fatalities may therefore indicate a high mortality rate. This is not surprising: Afghan fighters seem to be used as cannon fodder, and Afghan defectors disclose they only received four weeks of basic military training prior to their deployment in Syria.“ (Atlantic Council, 19. April 2017)

Die US-amerikanische Tageszeitung New York Times (NYT) schreibt im Juni 2017, dass es sich bei der Fatemiyoun-Division (vormals Brigade) um eine iranische Einheit schiitisch-afghanischer Flüchtlinge handle, die 2014 aufgestellt und von den Iranischen Revolutionsgarden und Hisbollah-Veteranen ausgebildet worden sei. Schätzungen bezüglich der Anzahl von Fatemiyoun-Kämpfern würden zwischen 8.000 und 14.000 liegen. Die iranischen Behörden würden behaupten, dass es sich dabei um Freiwillige handle. Zunächst seien schiitisch-afghanische Flüchtlinge im Iran rekrutiert worden, die sich nach der Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion und während des Bürgerkriegs und der Talibanherrschaft im Iran angesiedelt hätten. In den letzten Jahren habe der Iran die Rekrutierung auf Afghanen ohne Aufenthaltstitel („undocumented“) ausgeweitet. So sei zum Beispiel ein Herr Amin, der erst kürzlich auf der Suche nach Arbeit aus Afghanistan gekommen sei, rekrutiert worden. Der Iran nutze die wirtschaftlichen Nöte der Flüchtlinge, sowie deren prekäre gesetzliche Lage und deren schiitischen Glauben aus, um sie für den Kampf aufseiten des Assad-Regimes zu rekrutieren. Nachdem Herr Amin in Aleppo verwundet worden sei, sei er zwei Monate vor der Veröffentlichung des Artikels in die Provinz Bamian in Afghanistan zurückgekehrt. Er sei nun in Besitz einer zehnjährigen Aufenthaltsgenehmigung für den Iran. Die meisten derjenigen Afghanen, mit denen er in Syrien gekämpft habe, würden weiterhin im Iran leben:

A few months after Iran asked Hezbollah to join the fighting in Syria alongside Mr. Assad’s forces, it began raising other Shiite militias. The Fatemiyoun Division (formerly Brigade), a militia of Shiite Afghan refugees, was formed around early 2014 and trained by both the Revolutionary Guards and Hezbollah veterans. Its strength has been estimated at 8,000 to and 14,000 men. The Iranian authorities maintain the fighters are volunteers. The initial recruits to the Fatemiyoun Division were initially Shiite Hazara Afghans, who settled in Iran after the Soviet occupation, after the civil war in the early 1990s and the subsequent Taliban rule. […]

In the past few years, Iranians have expanded recruitment to undocumented Afghans, like Mr. Amin, recently arrived from Afghanistan in search of economic opportunity. Apart from the refugees’ economic anxiety and precarious legal status, the Iranians exploit the Shia faith of Afghan refugees to recruit them to fight for the Assad regime in Syria. […]

After being wounded in Aleppo, Mr. Amin returned to Bamian two months ago with a 10-year Iranian residency in hand and promise of a home in Iran, or in postwar Syria, if he would like to live there. A majority of the Afghans who fought with him in Syria have stayed in Iran. He keeps in touch with them on the Telegram app.” (NYT, 30. Juni 2017)

Die in London ansässige, unabhängig finanzierte Online-Nachrichtenorganisation Middle East Eye (MEE), die Artikel freiberuflicher Journalisten und Beiträge von Denkfabriken veröffentlicht, schreibt im Jänner 2018, dass laut Angaben eines freiwilligen Kämpfers gegenüber iranischen Medien mehr als 2.000 Afghanen, die vom Iran in den syrischen Krieg entsandt worden seien, getötet worden seien. Die Fatemiyoun-Brigade der afghanischen "Freiwilligen-Rekruten" kämpfe laut Zohair Mojahed, einem in der Brigade dienenden Kulturfunktionär, seit fünf Jahren in Syrien. Die Brigade hatte seinen Angaben vom Jänner 2018 zufolge mehr als 2.000 Tote und 8.000 Verletzte zu beklagen. Der Iran veröffentliche nur selten Zahlen der bei den Operationen im Irak und in Syrien kämpfenden und getöteten Soldaten. Im März 2017 habe die Veteranenorganisation von 2.100 getöteten Freiwilligen gesprochen, jedoch ohne anzugeben, bei wie vielen davon es sich um Nicht-Iraner gehandelt habe. 2015 habe die britische Zeitung The Guardian berichtet, dass die iranischen Behörden manche der etwa drei Millionen afghanischen Flüchtlinge im Land nach Syrien locken würden, indem sie ihnen ein reguläres Einkommen und eine Aufenthaltserlaubnis im Iran versprechen würden:

„More than 2,000 Afghans deployed by Iran have been killed fighting in Syria on the side of President Bashar al-Assad’s government, an official in the volunteer force told Iranian media. The Fatemiyoun Brigade of Afghan ‘volunteer‘ recruits has been fighting in Syria for five years, said Zohair Mojahed, a cultural official in the brigade. ‘This brigade has given more than 2,000 martyrs and 8,000 wounded for Islam,‘ he said in an interview with the reformist Shargh newspaper published Saturday. Iran rarely provides figures on the numbers fighting and killed in its operations in Syria and Iraq. The last toll was provided by the veterans organisation in March, which said 2,100 volunteers had died without specifying how many were foreign recruits. Iran denies sending professional troops to fight in the region, saying it has provided only military advisers and organised brigades made up of volunteers from Iran, Afghanistan and Pakistan. […]

In 2015, the Guardian reported that Iranian authorities have lured some of the estimated three million Afghan refugees living in their country to fight in Syria by offering a regular salary and permanent residence in Iran.“ (MME, 6. Jänner 2018)

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet im Jänner 2016 unter Berufung auf Interviews mit mehr als zwei Dutzend Afghanen, die im Iran gelebt hätten, dass die Iranischen Revolutionsgarden spätestens seit November 2013 tausende ohne gültige Papiere im Iran aufhältige Afghanen für den Kampfeinsatz in Syrien rekrutiert hätten. Einige Interviewpartner hätten angegeben, dass sie selbst oder Verwandte von ihnen unter Druck gesetzt worden seien, in Syrien zu kämpfen und dann später entweder aus dem Iran geflohen oder aber nach Afghanistan abgeschoben worden seien, da sie sich geweigert hätten, nach Syrien zu gehen. Ein 17-jähriger Interviewpartner habe berichtet, er sei gezwungen worden, in den Kampf zu ziehen, ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben worden sei, einen solchen Dienst zu verweigern. Andere wiederum hätten erklärt, sie hätten sich freiwillig zum Kampfeinsatz in Syrien gemeldet, entweder aus religiöser Überzeugung oder um auf diese Weise ihren Aufenthaltsstatus im Iran zu legalisieren:

„Iran’s Revolutionary Guards Corps (IRGC) has recruited thousands of undocumented Afghans living there to fight in Syria since at least November 2013, Human Rights Watch said today, and a few have reported that Iranian authorities coerced them. Iran has urged the Afghans to defend Shia sacred sites and offered financial incentives and legal residence in Iran to encourage them to join pro-Syrian government militias.

Human Rights Watch in late 2015 interviewed more than two dozen Afghans who had lived in Iran about recruitment by Iranian officials of Afghans to fight in Syria. Some said they or their relatives had been coerced to fight in Syria and either had later fled and reached Greece, or had been deported to Afghanistan for refusing. One 17-year-old said he had been forced to fight without being given the opportunity to refuse. Others said they had volunteered to fight in Syria in Iranian-organized militias, either out of religious conviction or to regularize their residence status in Iran.” (HRW, 29. Jänner 2016)

Im April 2016 berichtet BBC News, dass die iranische Regierung tausende afghanische Männer, bei denen es sich vor allem um ethnische Hazara handle, die man aus armen Migrantengemeinden im Iran rekrutiert habe, nach Syrien geschickt habe, damit sie dort auf Seiten der syrischen Regierungstruppen kämpften. Viele dieser Afghanen hätten seither das Kampfgebiet verlassen und sich dem Flüchtlingsstrom nach Europa angeschlossen. Ein im Iran geborener afghanischer Asylwerber in Deutschland habe berichtet, dass eines Tages Afghanen, die den iranischen Revolutionsgarden nahe gestanden seien, vor einer Moschee an ihn und seine Freunde herangetreten seien und ihnen vorgeschlagen hätten, nach Syrien zu gehen, um die dortigen schiitischen heiligen Stätten vor dem Islamischen Staat (IS) zu schützen. Er sei dann in die Fatemiyoun-Brigade rekrutiert worden, die sich zur Gänze aus Afghanen zusammensetze und dem Kommando von Offizieren der Revolutionsgarden unterstehe. Die Ausbildung für den Kampfeinsatz sei sehr kurz gewesen und habe im Geheimen stattgefunden. Ein weiterer afghanischer Flüchtling, der sich in Griechenland befinde, habe angegeben, dass er und andere Afghanen de facto gezwungen worden seien, in Syrien zu kämpfen. Er sei im Iran ohne Papiere aufgegriffen worden, und man habe ihm angedroht, ihn nach Afghanistan abzuschieben oder zu inhaftieren. So habe er sich entschieden, sich dem Kampf in Syrien anzuschließen, wo er dann zwölf Monate lang als Panzerfahrer und Scharfschütze tätig gewesen sei. Wie BBC News bemerkt, gebe es keine offiziellen Angaben darüber, wie viele Afghanen von der iranischen Regierung nach Syrien geschickt worden seien, und wie viele von ihnen dort ums Leben gekommen seien:

„As the five-year conflict in Syria grinds on, BBC Persian has found evidence that Iran is sending thousands of Afghan men to fight alongside Syrian government forces. The men, who are mainly ethnic Hazaras, are recruited from impoverished and vulnerable migrant communities in Iran, and sent to join a multi-national Shia Muslim militia - in effect a ‘Foreign Legion’ - that Iran has mobilised to support Syrian President Bashar al-Assad. Many have since fled the battlefield and joined the refugee trail to Europe. […]

In a small town in Germany, we meet ‘Amir’, an Afghan man in his early twenties. He was born to refugee parents in Isfahan, Iran, and is now himself an asylum seeker in Europe. Like most of the almost three million Afghans in Iran, he lived as a second-class citizen. Without legal residency or identity documents, he found it hard to get an education or a job. Fear of arrest and deportation was a daily reality. […] It was difficult to move around freely, get a driving license or even buy a Sim card for his mobile phone. But one day, Amir received an offer that changed everything. ‘Some Afghans, who were close to Iran's Revolutionary Guards, approached me and my mates at the mosque,’ he said. ‘They suggested we go to Syria to help defend the Shia holy shrines from Daesh,’ he added, using an acronym for the previous name of the jihadist group Islamic State (IS). […] Amir was drafted into the Fatemioun Brigade, an all-Afghan unit commanded by Revolutionary Guards officers. The training, he says, was very short - a fortnight of tactical movement and basic weapons handling - and conducted in strict secrecy. […]

As we travelled across Europe, we met many Afghan ex-fighters like Amir, and all told similar stories. […]

At the port of Mytilene we found another group of young Afghan men. They all said they were ex-Fatemioun fighters. One, who showed us his dog tags and de-mobilisation paperwork, explained how he had been effectively coerced into fighting in Syria. ‘They took us to war by force,’ he says. ‘I wasn't happy with that but they said that because I was an Afghan who'd been arrested without identity papers, they'd either deport me to Afghanistan or send me to prison. I ended up being held in Asgar Abad detention camp before joining up.’ He says he spent 12 months in Syria, as a tank driver and later a sniper, deployed across the country from Damascus to Palmyra. But when he finally got back to Iran, the Revolutionary Guards broke their promises. ‘They gave me this small green identity document. It was just this 30-day temporary residency. I couldn't get a driving license with it - I couldn't even buy myself a Sim card! ‘I complained and they said: 'You have to go back to do another tour of duty' - but I didn't want to. I ran away and here I am.’ […]

There are no official figures for how many Afghans Iran has sent to Syria - or how many have been killed there.” (BBC News, 15. April 2016)

In einem Artikel vom Mai 2016 schreibt die Aargauer Zeitung, eine Schweizer Tageszeitung, über die Rekrutierung von im Iran aufhältigen Afghanen für den Kampf in Syrien und berichtet dabei auch über Androhungen von Abschiebung nach Afghanistan als Mittel, um Afghanen dazu zu bringen, in Syrien zu kämpfen:

„Erstmals bestätigt das Parlament in Teheran die Existenz ausländischer Söldner, die im Dienste iranischer Streitkräfte in den Bürgerkrieg in Syrien ziehen. Für ihre Rekrutierung macht sich der Iran die Perspektivlosigkeit der Afghanen zunutze. […]

Der 26 Jahre alte Hamza war der erste Afghane, der bei Aleppo den ‚Märtyrertod‘ starb. […]

So wie Hamza erging es Hunderten von Afghanen. Vor ihrem Fronteinsatz in Syrien hatten sie als Flüchtlinge im Iran ein erbärmliches Dasein gefristet, für Hungerlöhne auf Baustellen geschuftet. Politisches Asyl wurde und wird den meisten Heimatvertriebenen, die im Iran vielfach als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, in der Regel verwehrt. Diese Perspektivlosigkeit machten sich die iranischen Revolutionsgardisten zunutze. […]

Für die ‚Verteidigung der Sajjida Zainab‘ bieten sie wehrtüchtigen Afghanen bis zu 500 Dollar Sold im Monat, ausserdem einen Schul- oder Universitätsbesuch sowie verbesserte Lebensbedingungen für ihre Familien.

Erfüllt wurden die Zusagen offenbar nur selten. Schon bald sprach sich unter den jungen Schiiten herum, was sie in Syrien wirklich erwartet: Wachdienste in exponierten Frontstellungen sowie Himmelfahrtskommandos im Dienste der Assad-Soldaten, die aus ihrer Verachtung für die nicht arabischen Afghanen keinen Hehl machen.

Es war daher nicht weiter erstaunlich, dass die Bereitschaft der Afghanen, freiwillig in Syrien zu kämpfen, bald nachliess. Als ‚Motivationshilfe‘ wurde ihnen daraufhin mit der Abschiebung nach Afghanistan gedroht. […]

Mehr als 10 000 Afghanen kämpfen nach Erkenntnissen libanesischer Militärexperten gegenwärtig in Syrien. Um ihre Ausbildung kümmern sich inzwischen Hisbollah-Offiziere, die ein rein afghanisches Regiment aufgestellt haben. Der Umgangston sei dort freundlicher als in der Assad-Armee. Hilfstruppen – und damit Kanonenfutter – bleiben die afghanischen Söldner dennoch.

Im Falle ihres Todes wird nun inskünftig ihren Angehörigen die iranische Staatsbürgerschaft garantiert. So will es ein Gesetz, das gestern im Teheraner Parlament verabschiedet wurde. Die Verfügung ist bemerkenswert, weil darin zum ersten Mal die Existenz von ausländischen Kämpfern oder Söldnern im Dienste der iranischen Streitkräfte bestätigt wird.“ (Aargauer Zeitung, 3. Mai 2016)

Human Rights Watch (HRW) schreibt in einem Bericht vom Oktober 2017, dass das Korps der Iranischen Revolutionsgarden (Islamic Revolutionary Guards Corps, IRGC) im Iran lebende afghanische Immigrantenkinder für den Kampf in Syrien rekrutiert habe. Afghanische Kinder, etwa im Alter von 14 Jahren, hätten in der Fatemiyoun-Division gekämpft, einer ausschließlich afghanischen bewaffneten Gruppe, die vom Iran unterstützt werde und im syrischen Konflikt aufseiten der Regierungskräfte kämpfe:

„Iran’s Islamic Revolutionary Guards Corps (IRGC) has recruited Afghan immigrant children living in Iran to fight in Syria, Human Rights Watch said today. Afghan children as young as 14 have fought in the Fatemiyoun division, an exclusively Afghan armed group supported by Iran that fights alongside government forces in the Syrian conflict.” (HRW, 1. Oktober 2017)

Laut einem Artikel des deutschen Auslandsrundfunksenders Deutsche Welle (DW) vom Mai 2018 würde der Iran auch direkt in Afghanistan rekrutieren. Mehrere Fatemiyoun-Veteranen und Afghanen, die angaben, von Rekrutierern angesprochen worden zu seien, hätten unabhängig voneinander auf ein inoffizielles Rekrutierungszentrum verwiesen, das sich im Westen Kabuls befände, wo die meisten Einwohner Hazara seien. Das Zentrum wechsle gemäß Angaben von mindestens vier Personen ständig seinen Standort:

„Iranians are also recruiting in Afghanistan itself: Several Fatemiyoun veterans and Afghans who say they were approached by recruiters, independently of each other pointed to an unofficial recruiting center in western Kabul, where most residents are Hazara. The center, according to at least four people, constantly changes its location.” (DW, 5. Mai 2018)

Walter Posch, der an der österreichischen Landesverteidigungsakademie (LVAk) und am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) tätig ist, veröffentlicht im August 2017 ein Forschungspapier zu schiitischen Milizen im Irak und in Syrien, darin schreibt er zu den Fatemiyoun:

„Das Kernelement der afghanischen Freiwilligenbrigade sollen 25 Veteranen der ‚Sepah Muhammad‘ einer schiitischen, iranisch ausgerichteten afghanischen Miliz gebildet haben. Die Sepah Muhammad war eine relativ alte Miliz. Sie kämpfte gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan und später gegen die Taliban. Nach der amerikanischen Intervention verließen die meisten ihrer Mitglieder das Land und gingen in den Iran, weil sie von der neuen afghanischen Regierung und den Amerikanern verfolgt wurden. Nach dem Ausbruch der Unruhen in Syrien wollten auch die Afghanen ihren Beitrag zum Schutze der Zainabiyya leisten. Mit ihrer kleinen Gruppe kamen sie zuerst in den Irak wo sie von einer der irakischen Sondergruppe, den Seyyed al-Shohada aufgenommen wurden. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Kämpfer hinzu bis sie schließlich ein paar tausend zählten. Wann genau die Namensgebung auf Fatemiyun fiel, geht aus den hier vorliegenden Quellen nicht hervor. Fest steht, dass die Mitglieder sich aus Afghanen aus Afghanistan, dem Iran und aus der kleinen afghanischen Gemeinde in Syrien zusammensetzten. Letztere zählte vor Ausbruch des Bürgerkriegs um die 15.000 und schmolz dann auf 5.000 zusammen, die überwiegend in der Zainabiyya lebten. Eine kleine Gruppe von Afghanen kämpfte auch in den Reihen der libanesischen Hizbullah, diese wurden aber geschlossen zu den Fatemiyun überführt. Viele Afghanen gingen aber nicht freiwillig nach Syrien sondern wurden von den iranischen Behörden mit Drohungen und Versprechungen zum Eintritt in die Fatemiyon bewogen. Die Afghanen scheinen große Anpassungsprobleme gehabt zu haben vor allem, weil kaum einer von ihnen ausreichend gut arabisch sprach. Ihre Verluste müssen sehr hoch sein, die einschlägige iranische Presse bringt regelmäßig lange Artikel über gefallene Afghanen und ihre Lebensläufe, die jedoch nur in seltenen Fällen für militärpolitisch interessierte Analytiker verwertbar sind. Westliche Quellen berichten von einem regelrechten Verheizen der Afghanen. Vor allem die Verwundetenversorgung ihnen gegenüber muss vernachlässigt worden sein, das erklärt jüngste Bemühungen mit denen das iranische Regime betont, sich auch um die sozialen Anliegen der Verwundeten Afghanen zu kümmern. Für die Hinterbliebenenfamilien der Fatemiyoun macht sich besonders der gescheiterte iranische Präsidentschaftskandidat Ayatollah Raysi stark, dessen Kontakte zur Nujaba-Hizbullah weiter oben schon erwähnt wurden. Mithilfe großzügiger Wohnungsprojekte und Sozialeinrichtungen sollen Fatemiyun Familien in Mashhad angesiedelt werden. Offensichtlich plant Raysi ein Klientelnetzwerk aufzubauen, vielleicht sogar nach dem Vorbild des Warlord-Modells. Die Fatemiyun kämpfen mittlerweile auch im Irak und an der irakisch-syrischen Grenze, die sie offensichtlich von Bagdad aus Mitte Juni 2017 trotz Angriffen der Amerikaner erreicht hatten. Dort nahm sie Qasem Soleymani in Empfang. Mit dieser Operation sollen die Verbindung des irakischen zum syrischen IS unterbrochen werden.“ (Posch, August 2017, S. 48-49)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 28. August 2018)

·      Aargauer Zeitung: Über Iran in den Syrien-Krieg – Mehr als 10000 afghanische Söldner kämpfen an der Front, 3. Mai 2016
http://www.aargauerzeitung.ch/ausland/ueber-iran-in-den-syrien-krieg-mehr-als-10000-afghanische-soeldner-kaempfen-an-der-front-130243418

·      Atlantic Council: Shia Afghan Fighters in Syria, 19. April 2017
http://www.atlanticcouncil.org/blogs/syriasource/shia-afghan-fighters-in-syria

·      BBC News: Syria war: The Afghans sent by Iran to fight for Assad, 15. April 2016
http://www.bbc.com/news/world-middle-east-36035095

·      DW - Deutsche Welle: Iran recruits Afghan teenagers to fight war in Syria, 5. Mai 2018
https://www.dw.com/en/iran-recruits-afghan-teenagers-to-fight-war-in-syria/a-43634279

·      HRW - Human Rights Watch: Iran Sending Thousands of Afghans to Fight in Syria, 29. Jänner 2016
https://www.hrw.org/news/2016/01/29/iran-sending-thousands-afghans-fight-syria

·      HRW – Human Rights Watch: Iran: Afghan Children Recruited to Fight in Syria, 1. Oktober 2017
https://www.hrw.org/news/2017/10/01/iran-afghan-children-recruited-fight-syria

·      MME – Middle East Eye: More than 2,000 Afghans killed in Syria fighting for Bashar al-Assad: Official, 6. Jänner 2018
http://www.middleeasteye.net/news/2000-afghans-killed-in-syria-fighting-for--bashar-al-assad-says-official-769805655

·      NYT – New York Times: How Iran Recruited Afghan Refugees to Fight Assad’s War, 30. Juni 2017
https://www.nytimes.com/2017/06/30/opinion/sunday/iran-afghanistan-refugees-assad-syria.html

·      Posch, Walter: Schiitische Milizen im Irak und in Syrien, August 2017 (veröffentlicht auf Academia.edu, login erforderlich)
https://www.academia.edu/34182023/Schiitische_Milizen_im_Irak_und_in_Syrien